Europa

16.07.2024: Sozialistische Partei legt Veto gegen Vorschlag für Premierministerin ein ++ PCF: "Doppelzüngigkeit und Mehrdeutigkeiten ein Ende setzen" ++ LFI: Einigen wir uns jetzt auf den Vorsitz der Nationalversammlung ++ neue Vorschläge für Premierministerin

 

Nach der zweiten Runde der Parlamentswahlen am 7. Juli hat die Neue Volksfront (Nouveau Front Populaire, NFP) überraschend die meisten Sitzen in der neuen Nationalversammlung gewonnen, die absolute Mehrheit aber verfehlt. (siehe kommunisten.de, 9.7.2024: "Frankreich: Überraschungssieg der Neuen Volksfront. Aber keine Mehrheit.")

Der politischen Tradition folgend, fordert das linke Parteienbündnis von Präsident Emmanuel Macron, dass dieser eine Person aus ihren Reihen mit der Regierungsbildung beauftragt. Doch Macron denkt nicht dran. Er bestreitet, dass es überhaupt einen Wahlsieger gab, da keine Seite über eine eigene parlamentarische Mehrheit verfügt.

Macron spielt auf Zeit und setzt auf die internen Differenzen in der Neuen Volksfront.

Diese ist nach dem Sieg bei den Parlamentswahlen von internen Vetos der Sozialistischen Partei (PS) und scharfen Kommuniqués von La France Insoumise (LFI) zerrissen. La France Insoumise wirft der PS vor, alle Verhandlungen zu blockieren.

Um Druck zu machen, wollte die Volksfront schnell eine Alternative zum weiter amtierenden Premier Gabriel Attal präsentieren. Die Sozialisten, nach LFI die zweitstärkste Kraft im Block der Volksfront-Abgeordneten, lassen das mit ihrer Blockade verpuffen. Sie bestehen darauf, PS-Chef Olivier Faure ins Amt des Premierministers zu hieven.

In einem gestern veröffentlichten Kommuniqué kündigt die LFI an, dass sie an keinen weiteren Zusammenkünften teilnehmen werde, bis eine gemeinsame Kandidatur für den Vorsitz der frisch gewählten Nationalversammlung (Assemblée Nationale, Unterhaus des französischen Parlaments) gefunden sei und die PS auf das Veto bei der Nominierung eines Ministerpräsidenten verzichten würde.

Am Wochenende hat die Ablehnung der Kandidatur von Huguette Bello als Premierministerin die tiefen Differenzen innerhalb der Neuen Volksfront verdeutlicht.

Huguette Bello wurde von der Kommunistischen Partei vorgeschlagen. Der Vorschlag wurde von der LFI und den Grünen unterstützt. Huguette Bello wurde 1997 als erste weibliche Abgeordnete von der Insel im Indischen Ozean in die französische Nationalversammlung gewählt, der sie bis 2022 als Abgeordnete angehörte. Die 73-jährige war von 1974 bis 2012 Mitglied der Parti communiste réunionnais (PCR) und ist seit 2012 Vorsitzende von Pour La Réunion (PLR). 2021 wurde sie zur Präsidentin des Regionalrats von La Réunion gewählt.

FR Huguette Bello 1Huguette Bello

 

Die Person von Bello sei "nicht konsensfähig", sagte der Vorsitzende der PS, Olivier Faure, lapidar und blockierte damit die Kandidatur von Huguette Bello.

Am Sonntag erklärte Huguette Bello, dass sie nicht länger zur Kandidatur für das Amt des Premierministerin zur Verfügung stehe und verwies vor allem auf die ablehnende Haltung der Sozialistischen Partei.

Die PS hält an der Kandidatur ihres Vorsitzenden fest und beabsichtigt, auf jeden Fall einen Sozialisten an die Spitze der Regierung zu stellen, "die einzige Lösung, um zukünftige Mehrheiten mit einem Teil der Macronie zu bilden“, heißt es in einem Artikel in Mediapart.

Hier liegt die größte strategische Abweichung von den anderen Parteien in der Koalition. Ein Teil der Sozialisten, insbesondere deren rechter Flügel, zu dem Persönlichkeiten wie François Hollande gehören, möchte "einen Koalitionsvertrag" mit den macronistischen Parteien anstreben, wie der Abgeordnete Philppe Brun gestern im Radio sagte; die Mehrheit der NFP-Mitglieder hingegen will mit ihrem eigenen Programm in die Regierung gehen, einen Teil davon per Dekret umsetzen und von Zeit zu Zeit Mehrheiten für Gesetze suchen, wo und solange es geht.

"Das Problem ist, dass die Sozialisten nur einen Namen auf den Tisch gelegt haben, den von Olivier Faure, und sagen, dass er es sein muss, weil er ihr Anführer ist", sagte Marine Tondelier, die Generalsekretärin der Grünen (Europe Écologie Les Verts, EÉLV) am Sonntag im öffentlichen Radio France Inter. "Aber das kann kein Argument sein", setzte Tondelier hinzu.

 

Wir müssen der Doppelzüngigkeit und den Mehrdeutigkeiten ein Ende setzen.
Fabien Roussell, Nationalsekretär der PCF

Das Veto der Sozialdemokraten gegen Huguette Bello hat eine Krise ausgelöst und die Vorstände der linken Parteien zu einer Dringlichkeitssitzung veranlasst.

Der Nationalsekretär der PCF, Fabien Roussell, forderte ein Treffen der Parteiführungen und ein Ende der "Doppelzüngigkeit und den Mehrdeutigkeiten". "Ich bitte um ein möglichst schnelles Treffen mit den Parteiführern, um aus der aktuellen Pattsituation herauszukommen. Wir müssen der Doppelzüngigkeit und den Mehrdeutigkeiten ein Ende setzen. Jeder muss Ernsthaftigkeit und Verantwortung zeigen, ohne versteckte Absichten", heißt es in der Erklärung der PCF. Und weiter: "Wir für unseren Teil sind transparent. Unsere Position ist öffentlich. Wir haben unsere Präferenz zum Ausdruck gebracht und werden kein Veto einlegen. Wir wollen mit aller Kraft zu einem positiven Ergebnis beitragen."

Wahl des Präsidenten/in der Nationalversammlung

Am 18. Juli findet die erste Sitzung des neuen, zersplitterten französischen Parlaments statt, und auf der Tagesordnung steht die Wahl des Präsidenten der Kammer.

Laut Le Figaro verhandelt die scheidende Präsidentin, die Macronistin Yael Braun-Pivet, mit dem Rassemblement National, um ihre Wiederwahl zu sichern. Im Gegenzug für eine Vizepräsidentschaften will sie eine "Enthaltung" der extremen Rechten zu ihren Gunsten erreichen. Eine Möglichkeit, die von den Beteiligten geleugnet wird, die aber bereits 2022 eingetreten ist und die, sollte sie erneut eintreten, die NFP von einer Schlüsselposition in der französischen Politik ausschließen würde.

Neuer Vorschlag für Premierministerin

Gestern Abend gaben PCF, Grüne und Sozialisten bekannt, dass sie einen Namen aus der "Zivilgesellschaft“ als Premierminister vorschlagen. Sie nannten die PS-nahe Wirtschaftswissenschaftlerin Laurence Tubiana. Sie war französische Verhandlungsführerin bei der UN-Klimakonferenz in Paris 2015 und gilt als "Architektin des Paris-Abkommens". Sie leitet die European Climate Foundation und ist Mitglied von Sachverständigenräten der indischen Regierung und der Regierung der Volksrepublik China für nachhaltige Entwicklung.

Die LFI lehnte den Vorschlag umgehend ab, da es dafür nicht genügend "Garantien" für die Umsetzung des eigenen Regierungsprogrammes gebe. LFI-Koordinator Manuel Bompard nannte den Vorschlag "unseriös", da Tubiana eine zu große Nähe zum Regierungslager habe. Eine Regierung unter Führung von Tubiana würde "die Macronisten wieder durch die Hintertür hineinlassen", sagte Bompard.

In einem gestern Abend veröffentlichten Kommuniqué forderte die LFI ihre Verbündeten auf, "unverzüglich" eine Einigung "über eine gemeinsame NFP-Kandidatur für den Vorsitz der Nationalversammlung“ zu finden. Die LFI schlägt vor, dass diese Kandidatur "nicht die eines Insoumis" sein sollte. Ohne eine solche Einigung für den Vorsitz der Nationalversammlung und ohne den Verzicht auf das Veto der PS bei der Nominierung eines Ministerpräsidenten würden die Insoumis "an keiner weiteren Diskussion über die Bildung einer Regierung teilnehmen".

Daraufhin warnten die Kommunisten "vor der Gefahr, diese Gespräche zu beenden". Der Nationalsekretär der PCF, Fabien Roussell, erklärte: "Unsere Verantwortung ist immens. Es wäre inakzeptabel, wenn eine der Kräfte die Gespräche, die wir seit Wochen führen, verlassen würde, auf die Gefahr hin, dass das präsidiale Lager wieder die Oberhand gewinnt. Wir brauchen Klarheit und müssen den immensen Erwartungen der Franzosen gerecht werden."


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