12.01.2021: Am 4. Januar 2021 urteilte ein Londoner Gericht, dass der Wikileaks-Gründer Julian Assange nicht in die USA ausgeliefert werden soll. Dennoch bleibt Assange im Hochsicherheitsgefängnis Belmarsh, bekannt als britisches Guantanamo, weiter inhaftiert. Ein Anschlag auf das Leben und die Gesundheit von Julian Assange.
Am Montag, 4. Januar, wies die Bezirksrichterin Vanessa Baraitser den Antrag der USA auf Auslieferung von Julian Assange zurück. Sie folgte zwar im Wesentlichen den Argumenten der US-Ankläger*innen gegen Assange, begründete ihre Entscheidung aber mit dem psychischen Gesundheitszustand Assanges und den Haftbedingungen, die ihn in den USA erwarten würden. Es sei damit zu rechnen, dass er sich in Isolationshaft das Leben nehmen werde. (siehe kommunisten.de: ″Assange wird nicht ausgeliefert, aber ein Urteil gegen die Pressefreiheit″)
Dieselbe Richterin lehnt den Antrag der Anwälte Assanges auf Freilassung gegen Kaution ab. Die Ankündigung der USA, Berufung einlegen zu wollen, reichte aus, einen eigentlich freien Menschen weiterhin einzusperren. Assange bleibt im Gefängnis Belmarsh inhaftiert, dem Gefängnis für Terroristen und Mörder mit der höchsten Sicherheitsstufe Großbritanniens, bekannt als britisches Guantanamo.
Es sind genau die Bedingungen seiner schon seit April 2019 dauernden Haft in diesem Gefängnis (Isolationshaft; Einzelzelle, die er nur für eine halbe Stunde pro Tag verlassen darf; entwürdigende Behandlung; nur ganz eingeschränkte Kontakte mit seinen Anwälten), die Assange psychisch krank und depressiv machten. Der UN-Sonderberichterstatter Nils Melzer hatte nach einem Besuch im Gefängnis Belmarsh festgestellt, Assange sei in einem lebensbedrohlichen Zustand; er zeige Anzeichen psychischer Folter. Inzwischen leidet Assange auch an Herzproblemen, so seine Verteidiger*innen. Es besteht die Sorge, Assange könnte die Haft in Belmarsh nicht überleben. Der Anlass für die Inhaftierung ist an den Haaren herbeigezogen: Assange wird vorgeworfen, gegen Kautionsauflagen verstoßen zu haben. In der Regel wird dies mit einer geldstrafe geahndet.
Am Montag sagte Richterin Vanessa Baraitser in London noch, die Zustände in den US-Gefängnissen könne man Julian Assange nicht zumuten. Seine gesundheitliche Verfassung sei dazu zu schlecht, es bestehe Gefahr für sein Leben. Am Tag darauf bestand die selbe Richterin darauf, dass Assange in einem britischen Gefängnissen mit vergleichbaren Haftbedingungen sehr wohl bleiben könne. Zudem gebe es die Befürchtungen, dass Assange wiederum versuchen würde, sich der Justiz zu entziehen, wenn man ihn auf Kaution freilassen würde.
Es geht der Londoner Richterin wohl nur darum, Assange in einem britischen Gefängnis sterben zu lassen, und nicht in einem US-Gefängnis.
″Das Urteil verkennt, dass der beklagenswerte Gesundheitszustand von Herrn Assange die direkte Folge einer jahrzehntelangen vorsätzlichen und systematischen Verletzung seiner grundlegendsten Menschenrechte durch die Regierungen der Vereinigten Staaten, des Vereinigten Königreichs, Schwedens und Ecuadors ist. .. Selbst mit einem anhängigen Berufungsverfahren ist seine fortgesetzte Isolation in einem Hochsicherheitsgefängnis völlig unnötig und unverhältnismäßig. Es gibt keinerlei Rechtfertigung dafür, ihn daran zu hindern, das endgültige Urteil in einer Umgebung abzuwarten, in der er seine Gesundheit wiedererlangen und ein normales Familien- und Berufsleben führen kann.″
Nils Melzer, der UN-Sonderberichterstatter über Folter
Assanges Anwalt Edward Fitzgerald betonte, Assange habe keinen Grund, aus dem Land zu fliehen. Dafür spräche auch die persönliche Situation des 49-Jährigen. ″Es ist die erste Möglichkeit, mit seinen jungen Kindern zusammenzuleben.″ Assange war während seines siebenjährigen Asyls in der ecuadorianischen Botschaft in London Vater zweier Kinder geworden. Fitzgerald wies vor Gericht auch darauf hin, dass es in Assanges Zellentrakt einen starken Coronavirus-Ausbruch gegeben habe.
US-Vertreterin warnte vor Freilassung
Bei der Ablehnung der Freilassung auf Kaution folgte Richterin Vanessa Baraitser wieder den Argumenten der US-Verteter*innen. Clair Dobbin, US-Klägerin, warnte vor der Freilassung von Assange. ″Er hat gezeigt, dass er sehr viel auf sich nehmen kann, um einer Auslieferung zu entgehen″, sagte sie und verwies auf Assanges Flucht in die Botschaft von Ecuador sowie Hilfs- und Asylangebote vor allem lateinamerikanischer Staaten wie zuletzt Mexico.
Nachdem die USA Berufung gegen die Nichtauslieferung eingelegt haben, kann es noch jahrelang bis zu einer endgültigen Entscheidung über Assanges Schicksal dauern. Wenn die Instanzen in Großbritannien bis vor den Obersten Gerichtshof ausgeschöpft sind, könnte zuletzt der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg über die Auslieferung entscheiden.
Ein Anschlag auf das Leben und die Gesundheit von Julian Assange
″Die Entscheidung der britischen Justiz ist ein Anschlag auf das Leben und die Gesundheit von Julian Assange″, sagte die Linkenabgeordnete Heike Hänsel. ″Die Bundesregierung muss sich mit allen Mitteln dafür starkmachen, dass Julian Assange im britischen Hochsicherheitsgefängnis Belmarsh nicht zu Tode kommt″, so Hänsel weiter.
Bisher hält sich die deutsche Regierung auffallend zurück. So schnell Bundesaußenminister Heiko Mass (SPD) mit der Verurteilung von Verstößen gegen die Presse- und Meinungsfreiheit in China, Russland, Cuba, ... ist, so auffallend ist sein Schweigen zur Verfolgung von Julian Assange und Edward Snowden. Obwohl im Auslieferungsprozess eidesstattlich bezeugt wurde, dass die USA sogar einen Giftanschlag auf Julian Assange planten (siehe: "Historischer Schauprozess gegen die Pressefreiheit"), protestierte die Bundesregierung weder in Washington noch in Londen, geschweige denn, dass die Ausreise von Assange nach Deutschland verlangt würde.
″Es ist einfach nur grotesk, wenn ausgerechnet die USA Julian Assange vorhalten, er würde sich über das Gesetz stellen. Es sind die USA, die sich mit ihren völkerrechtswidrigen Kriegen, mit ihren Kriegsverbrechen, mit der Folter in Guantanamo und in CIA-Geheimgefängnissen weltweit über Recht und Gesetz stellen. Julian Assange wird seit nunmehr zehn Jahren ohne jede Gnade verfolgt, weil er mit Wikileaks diese eklatanten Rechtsbrüche der USA aufgedeckt und belegt hat.
Der Kampf für die Freiheit von Julian Assange und für die Verteidigung der Pressefreiheit geht weiter. Jetzt erst recht! Nicht wer Kriegsverbrechen aufdeckt, gehört in Haft, sondern wer sie anordnet und begeht!″
Sevim Dagdelen, Mitglied des Deutschen Bundestages, DIE LINKE
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