Europa

Euro Fahne Geld06.04.2020: Wenn die Eurogruppe morgen, am 7. April, wieder per Videokonferenz über die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie berät, wird ein Streitthema wieder auf der Tagesordnung sein: Corona-Bonds. Die vom Virus besonders getroffenen Länder Spanien und Italien sind für die Einführung solcher Gemeinschaftsanleihen, die Regierungen in Deutschland, den Niederlanden und Österreich sind wie bei der Diskussion um Euro-Bonds während der Eurokrise weiterhin dagegen ++ Rifondazione Comunista fordert direkte Finanzierung durch EZB

 

Bei ihrem vorherigen Gipfeltreffen am 26 März hatten sich die Staats- und Regierungschefs nicht auf eine gemeinsame Position zur Frage der Finanzierung der Maßnahmen zur Bekämpfung der Krise verständigen können. Die Entscheidung wurde auf den 7. April vertagt.

Sowohl Kanzleramtschef Helge Braun (CDU) wie auch das von Olaf Scholz (SPD) geführte Bundesfinanzministerium bekräftigten an diesem Wochenende noch einmal die Ablehnung von Corona-Bonds. Sie schlagen als europäische Antwort auf die Coronakrise drei Dinge vor: Milliardenkredite der Europäischen Investitionsbank (EIB), günstige Staatskredite aus dem Europäischen Stabilitätsmechanismus ESM und EU-Mittel für eine Arbeitslosenrückversicherung.

Frankreichs Wirtschafts- und Finanzminister Bruno Le Maire signalisierte am Donnerstag vergangener Woche (2.4.) Zustimmung zu diesem Drei-Säulen-Modell. Allerdings will Frankreich weitergehen: "Wir müssen weitergehen, unterschätzen wir nicht die gewaltigen Folgen der Krise", sagte Le Maire. "Deshalb schlagen wir einen gemeinsamen Fonds vor." Das Wort Euro- oder Corona-Bonds vermied er.

Dagegen fordert Euro-Gruppen-Chef Mario Centeno die anderen Finanzminister der Eurozone dazu auf, offen über Corona-Anleihen zu debattieren. Centeno ist Finanzminister Portugals. Das Land gehört wie Italien und Spanien zu einer Gruppe von neun Eurostaaten, die in einem gemeinsamen Schreiben Corona-Bonds fordern.

Die deutsche Regierung verweist auf den in der Euro-Krise geschaffenen Europäischen Stabilitätsmechanismus ESM, einen mit 400 Milliarden Euro dotierten Fonds für Euro-Länder in finanzieller Schieflage. Berlin möchte die Forderungen Italiens und der anderen Länder am liebsten an diese Kasse abschieben, was aber diese umso mehr erzürnt, denn zum einen ist der Fonds völlig unzureichend ausgestattet - in Deutschland stellen Bund und Länder unglaubliche 1.800 Mrd. Euro zur Verfügung. Zum anderen müssen die Empfänger ihre haushaltspolitische Souveränität abgeben, Kürzungs- und Privatisierungsprogramme umsetzen und Entscheide eines Direktoriums akzeptieren.

 

 

Was sind Corona-Bonds (Euro-Bonds)?

Bei diesen Bonds geht es im Prinzip um nichts Neues. Sie sind ein Finanzmarktinstrument, das seit langem immer mal wieder unter der Bezeichnung »Euro-Bonds« diskutiert wird und noch nie zum Einsatz kam, weil Deutschland, aber auch einige andere Euroländer wie etwa Holland und Österreich, strikt dagegen sind.
Vereinfacht gesagt, würden bei dieser Art von Anleihen die Euro-Staaten gemeinsam Schulden am Kapitalmarkt aufnehmen, die aufgenommenen Mittel unter sich aufteilen und gesamtschuldnerisch für die Rückzahlung und Zinsen dieser Schulden haften. Deutschland würde also für alle anderen Staaten mithaften. Euro-Bonds würden den Zugang schwächerer Euro-Länder zu den Kapitalmärkten erleichtern und ihre Zinskosten reduzieren. Denn sie wären, da das Ausfallrisiko minimal ist, niedriger verzinst als beispielsweise italienische oder spanische Staatsanleihen.
Genau das will die deutsche Politik verhindern: Da sie, im Einklang mit der deutschen Wirtschaft, die Eurozone immer als Wettbewerbszone und nie als Wirtschaftsgemeinschaft betrachtet hat, kommen Euro-Bonds für sie nicht in Frage. Sie will die Staatsfinanzierung strikt getrennt halten, unter anderem, weil sie dadurch einen massiven Finanzierungsvorteil, eben in Form niedriger Zinsen hat. Derzeit liegen deutsche Staatspapiere sogar bei Minuszinsen von circa – 0,4 %, Italien dagegen zahlt in etwa 1,7 % Zinsen auf Staatsanleihen.
aus: Charles Pauli, isw, 3.4.2020: "Corona-Bonds und das Werk des Teufels"

 

 

Aber während die Bundesregierung mauert, wird auch in Deutschland der Ruf nach Corona-Bonds lauter. Mit solchen Anleihen "würden die Regierungen den Zusammenhalt im Euroraum demonstrieren und unmittelbar positiv auf die Erwartungen der Finanzmarktteilnehmer, der Unternehmen und der Konsumenten wirken", schreibt das DGB-nahe Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK).

Nicht nur eher linke Ökonomen haben sich mit den Euro-Bonds angefreundet. Auch der Chef des unternehmernahen Instituts der deutschen Wirtschaft IW, Michael Hüther, ist umgeschwenkt.

"Alle müssen die Schwere der Bedrohung für Europa klar verstehen, bevor es zu spät ist."

In einem von ihm mitunterzeichneten Appell von italienischen und deutschen Politiker*innen und Ökonom*innen wird "mehr europäische Solidarität" eingefordert.

"Dies ist ein entscheidender Moment für die Zusammenarbeit in Europa. Wir müssen beweisen, dass wir eine Wertegemeinschaft mit einem gemeinsamen Schicksal sind und in einer turbulenten, globalen Welt füreinander arbeiten. Es ist an der Zeit, mutige gemeinsame Schritte zu unternehmen, um die Angst zu überwinden. Es ist Zeit für die europäische Einheit, nicht für die nationale Spaltung. Wir fordern daher unsere Regierungen auf, die alten Muster der Spaltung in Europa und in der Eurozone zu überwinden" heißt es.
Neben europaweit koordinierter medizinischer Hilfe werden Schritte mit der Zielrichtung gefordert, "dass Europa bei kritischen medizinischen Geräten und Medikamenten einigermaßen autark ist".
"Wir brauchen einen umfassenden finanziellen Schutzschild für Europa und den Euroraum", heißt es weiter. Neben der "sofortigen Eröffnung einer Kreditlinie für das Gesundheitswesen im ESM" wird "die Ausgabe von Europäischen Gesundheitsanleihen" gefordert. "Dies würde es ermöglichen, die Last gemeinsam und auf demokratische Weise zu schultern." (aus "Petition to the governments of all Member States and to EU institutions. European Solidarity Now!)

Zu den Erstunterzeichner*innen dieser deutsch-italienischen Petition gehören die ehemaligen Premierminister Italiens Mario Monti und Enrico Letta, Hans Eichel (ehemaliger Finanzminister Deutschlands), der bekannte Europaabgeordnete a.D. Elmar Brok (CDU) und neben namhaften italienische Ökonom*innen die deutschen Wirtschaftswissenschaftler Sebastian Dullien (Direktor des IMK), Gabriel Felbermayr (Präsident des Kieler Instituts für Weltwirtschaft), Marcel Fratzscher (Direktor des Deutschen Institutn für Wirtschaftsforschung DIW) und Michael Hüther (Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft IW).

Paolo Gentiloni : "Das Schlüsselwort ist Solidarität"

Der EU-Kommissar für Wirtschaft und Währung Paolo Gentiloni geht auf Oppositionskurs zu EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. Für von der Leyen sind Corona-Bonds "ein Slogan" und "nicht der Plan der Kommission". "Daran arbeiten wir nicht", äußerte sie.

Daraufhin erklärte Paolo Gentiloni, dass Europa nur vereint aus der Coronavirus-Krise hervorgehen wird. "Ohne einen gemeinsamen europäischen Plan, wird kein Land, auch nicht die reichsten, in der Lage sein, aus dieser schrecklichen Krise herauszukommen", sagt er. Um den Coronavirus-Notstand zu bewältigen, "müssen sich die verschiedenen Regierungen einigen, und die Kommission wird alles tun, um sicherzustellen, dass dieses Abkommen zustande kommt und die geeigneten Mittel zu seiner Finanzierung zu finden", versicherte Gentiloni. In dieser dramatischen Notlage, die durch das neue Coronavirus diktiert wird, "ist das Schlüsselwort Solidarität", sagte der Europäische Kommissar, "wir brauchen einen gemeinsamen Plan für die Wiedergeburt Europas".

Corona China Italien Wir sind
Internationale Solidarität in Zeiten von Corona
          

 

Vierzehn gegen Merkel

Die Bundesregierung wird am Dienstag einer breiten Front zugunsten von Euroanleihen gegenüberstehen. Zu den neun Ländern (Frankreich, Italien, Spanien, Portugal, Griechenland, Slowenien, Belgien, Luxemburg, Irland) des von Giuseppe Conte (Italien), Emmanuel Macron (Frankreich) und Pedro Sanchez (Spanien) initiierten Briefes, in dem "solidarische" Krisenmaßnahmen gefordert werden, darunter explizit die Aufnahme gemeinsamer Schulden, sind in der Zwischenzeit fünf weitere Länder hinzukommen: die drei baltischen Staaten, die Slowakei und Zypern. "Damit stehen vierzehn Regierungen gegen Angela Merkel und Mark Rutte. Eine Umzingelung in diesem Wettlauf gegen die Zeit, um die gemeinsame Währung zu retten", schreibt die italienische Zeitung La Repubblica.

Italiens Präsidenten Sergio Mattarella appellierte in einer Fernsehansprache noch einmal eindringlich an die europäischen Staats- und Regierungschefs: "Alle müssen die Schwere der Bedrohung für Europa klar verstehen, bevor es zu spät ist."

In Italien liegen die Nerven blank. Noch immer steht das Land an der Spitze der Opferzahlen in Europa –15.887 Menschen (Stand: 5.4.) sind mit dem Coronavirus gestorben. Die Wirtschaft liegt am Boden, Betriebe sind zu einem großen Teil geschlossen, die Beschäftigten müssen mit den spärlichen Zahlungen der Arbeitslosenversicherung auskommen - wenn sie denn überhaupt etwas erhalten.

"Wir müssen die Hungrigen füttern, bevor die Situation endgültig außer Kontrolle gerät."

"Wir müssen die Hungrigen füttern, bevor die Situation endgültig außer Kontrolle gerät. Zuerst wird der Süden explodieren und dann andere italienische Vorstädte. Die Ansteckung des Südens kommt später, aber der soziale Notstand wird aufgrund der fragilen Bedingungen des Systems früher ausbrechen", sagte der Bürgermeister von Palermo, Leoluca Orlando, nachdem Supermärkte von Hungrigen geplündert wurden.

Corona-Bonds: "eine Schlinge um den Hals"

Eurokrise AusteritaetItaliens Staatsschulden betragen derzeit noch 135 Prozent des Bruttoinlandprodukts. Expert*innen schätzen, dass sie wegen der Pandemie auf 160 Prozent ansteigen könnten – auf einen Wert also, der Griechenland in den Abgrund riss und die Euro-Krise auslöste.

Vor diesem Hintergrund lehnen die italienischen Kommunist*innen sowohl Mittel aus dem ESM wie auch Corona-Bonds ab.

In einem Schreiben an den Staatspräsidenten Sergio Mattarella bitten Maurizio Acerbo (Nationaler Sekretär Partito della Rifondazione Comunista) und Paolo Ferrero (Vizepräsident der Partei der Europäischen Linken) um eine Intervention des Präsidenten, um die Unterzeichnung von Abkommen auf europäischer Ebene zu verhindern, die eine "Schlinge um den Hals" für die italienische Wirtschaft darstellen würden.

"Wir würden in den nächsten Jahren mit weiteren Kürzungen und Privatisierungen für die heute getroffenen Fehlentscheidungen bezahlen."
Maurizio Acerbo (Nationaler Sekretär Partito della Rifondazione Comunista) und Paolo Ferrero (Vizepräsident der Partei der Europäischen Linken) in einem Schreiben an Staatspräsident Sergio Mattarella

Rifondazione Comunista schlägt vor, dass die Europäische Zentralbank, wie es überall auf der Welt geschieht, direkt eingreifen sollte, um der durch das Coronavirus verursachten Krise zu begegnen. Auf den Finanzmärkte aufgenommen Mittel würden auch bei niedrigen Zinsen zu einer weiteren Verschuldung des Landes und in der Folge zu "einem Rückgriff auf die Austeritätspolitik" führen: "jene Politik, die in den letzten Jahrzehnten so viel Schaden angerichtet hat und die die Grundlage für die Schwächung des öffentlichen Gesundheitssystems bildet, die von der Bevölkerung und den Beschäftigten des Gesundheitswesens in den letzten Wochen teuer bezahlt wurde."

"Italien braucht mindestens 100 Milliarden, und es darf kein Geld sein, das zurückgezahlt werden muss, weder durch Privatisierung noch dadurch, dass die Italiener*innen mehr Steuern zahlen müssen oder durch den Verkauf von öffentlichem Vermögen.
Es muss Geld sein, das nicht zurückgezahlt werden muss, und dies muss einmalig durch die EZB geschehen, die 1.000 Milliarden Euro einmalig zur Verfügung stellt, um Wohlfahrt, Familien, Unternehmen und die ökologische Umstellung der Produktion in ganz Europa zu finanzieren. Es ist Geld, das sofort benötigt wird und nicht zurückgezahlt werden muss", schreiben Maurizio Acerbo und Paolo Ferrero an Staatspräsident Sergio Mattarella.


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