25.09.2019: Ergänzt um einen Appell italienischer Linker an des Europäische Parlament und die Stellungnahme der Vereinigung der Partisan*innen Italiens
24.09.2019: Vergangene Woche beschlossen Konservative, Sozialdemokraten, Liberale und Teile der Grünen gemeinsam mit den Rechtsextremen und Neonazis eine Resolution, in der eine Hauptschuld am Zweiten Weltkrieg der Sowjetunion angelastet und das Verbot Kommunistischer Parteien gut geheißen wird.
Die Fraktionen der Christdemokraten (PPE), der nationalistischen Konservativen mit der polnischen PiS (ECR), der Sozialdemokraten (S&D) und der Liberalen (Renew) brachten gemeinsam eine Resolution in das Europäische Parlament ein, in der es angeblich um die "Bedeutung des europäischen Geschichtsbewusstseins für die Zukunft Europas" ging. Die Resolution erhielt die Unterstützung der Rechtsextremen und Neonazis und von Teilen der Grünen. 535 Abgeordnete stimmten für diese Entschließung, 66 dagegen und 52 enthielten sich der Stimme. Aus Deutschland stimmten nur die Abgeordneten der Partei DIE LINKE gegen den Antrag.
Die Initiative für die Resolution war von den baltischen Staaten und Polen ausgegangen.
In der Resolution werden Nazi-Faschismus und Kommunismus gleichsetzt und die Hauptschuld am Zweiten Weltkrieg der Sowjetunion angelastet. Zwar seien die "Verbrechen des nationalsozialistischen Regimes in den Nürnberger Prozessen aufgeklärt und entsprechende Strafen verhängt" worden, aber "das Bewusstsein für die Verbrechen der stalinistischen und anderer Diktaturen" müsse "dringend geschärft werden".
Deshalb zeigt sich das Europäische Parlament (EP) "besorgt darüber, dass nach wie vor Symbole totalitärer Regime in der Öffentlichkeit und zu kommerziellen Zwecken verwendet werden, und weist darauf hin, dass zahlreiche europäische Staaten die Verwendung nationalsozialistischer und kommunistischer Symbole verboten haben."
Außerdem kritisiert das EP mit Blick nach Osteuropa "dass es im öffentlichen Raum einiger Mitgliedstaaten (z. B. in Parks, auf Plätzen oder in Straßen) noch immer Denkmäler und Gedenkstätten gibt, die totalitäre Regime verherrlichen, was der Verfälschung historischer Tatsachen über die Ursachen, den Verlauf und die Folgen des Zweiten Weltkriegs Tür und Tor öffnet."
Die Resolution traf auf den entschiedenen Widerspruch der Linksfraktion GUE/NGL.
So sagte die spanische Europaabgeordnete Sira Rego (Izquierda Unida), dass mit "dieser Entschließung die Geschichte instrumentalisiert" werde und forderte, dass "bei der Debatte über das Gedächtnis auch über die Rolle der spanischen republikanischen Kämpfer bei der Bekämpfung des Faschismus in Europa" gesprochen werden müsste. "Oder über das Beispiel der Solidarität der Internationalen Brigaden."
Sira Rego (Izquierda Unida, GUE/NGL): Auch über die Rolle der spanischen republikanischen Kämpfer bei der Bekämpfung des Faschismus in Europa sprechen Frau Präsidentin, ich komme aus dem Süden, aus einem Land mit weltweit den zweitmeisten Massengräbern als Folge einer faschistischen Diktatur. Ich komme aus einem Land, in dem es von Plätzen und Straßen wimmelt, die nach franquistischen Mördern benannt sind; aus einem Land ohne Erinnerung, das aus seinem öffentlichen Leben gelöscht hat, was in seiner jüngsten Geschichte passiert ist. Es ist auffallend, dass dieses Parlament mit dieser Entschließung die Geschichte instrumentalisiert und nicht einmal erwähnt, was in Spanien noch geschieht. Wir sprechen nicht nur über die Vergangenheit, wir sprechen auch über die Gegenwart. Es wäre sehr wünschenswert, wenn wir bei der Debatte über das Gedächtnis auch über die Rolle der spanischen republikanischen Kämpfer bei der Bekämpfung des Faschismus in Europa sprechen könnten. Oder über das Beispiel der Solidarität der Internationalen Brigaden. Deshalb nutzen wir die Gelegenheit, eine Richtlinie des Gedenkens und der Wiedergutmachung zu fordern, um den antifaschistischen Kampf zu verstärken, sowie angemessene Mittel für die Exhumierung von Gräbern der Opfer des Francoismus in Spanien. Die wesentliche Erinnerung im heutigen Europa, das von neuen Faschismen geplagt ist, besteht darin, dass wir die Rolle derjenigen anerkennen, die ihr Leben gegeben haben, um ihn zu bekämpfen. |
Sandra Pereira von der Portugiesischen Kommunistischen Partei betonte, dass mit dem "Versuch, Faschismus und Kommunismus gleichzusetzen", die Verbrechen des Nazi-Faschismus aufgehoben werden und vertuscht werden solle, dass es die großen kapitalistischen Mächte waren, "die unter anderem mit dem Vertrag von München den Weg für den Beginn des Zweiten Weltkriegs und die Invasion der Sowjetunion bereitet haben". Mit der Resolution solle der Faschismus rehabilitiert und der "Weg für die Legitimierung und Verallgemeinerung der Verfolgung und des Verbots kommunistischer Parteien" geebnet werden, so Pereira.
Sandra Pereira (Partido Comunista Português, GUE/NGL): Sie wollen den entscheidenden Beitrag der Kommunist*innen zur Niederlage des Nazi-Faschismus auslöschen Der bedauerliche Versuch, Faschismus und Kommunismus gleichzusetzen, hebt die Verbrechen des Nazi-Faschismus auf und verschweigt die hinterhältige Verantwortung der großen kapitalistischen Mächte, die unter anderem mit dem Vertrag von München den Weg für den Beginn des Zweiten Weltkriegs und die Invasion der Sowjetunion bereitet haben. Diese Komplizenschaft besteht auch heute noch. Sie wollen den entscheidenden Beitrag der Kommunist*innen zur Niederlage des Nazi-Faschismus auslöschen; ihren Beitrag zur Befreiung der Völker, wie in meinem Land, Portugal, wo mit der Nelkenrevolution dem faschistischen Regime ein Ende gesetzt wurde. Gleichzeitig tolerieren sie die Rehabilitierung und das historische Lob des Faschismus. Diese historische Überprüfung soll offensichtlich von der ständigen Konfrontation der Europäischen Union mit den Bestrebungen der Bevölkerungen und der Entwicklung repressiver Tendenzen und Praktiken zur Einschränkung von Rechten und Freiheiten ablenken. |
Für die Internationale Föderation der Widerstandskämpfer - Bund der Antifaschisten (FIR) ist die Resolution "ein ideologischer Rückfall in die schlimmsten Zeiten des Kalten Krieges" in der "Unterdrücker und Unterdrückte, Opfer und Schlächter, Eindringlinge und Befreier" gleichgesetzt werden. "Entgegen allen wissenschaftlichen Erkenntnissen wird hier behauptet, dass erst mit dem deutsch-sowjetischen Nichtangriffsvertrag 'die Weichen für den Zweiten Weltkrieg gestellt wurden'", heißt es in der Erklärung der FIR. (Erklärung der FIR)
Für den Respekt vor der Erinnerung und der Geschichte
Die italienische Zeitung »il manifesto« hat einen Appell italienischer Linker an das Europäische Parlament - unterzeichnet u.a. von Luciana Castellina, Aldo Tortorella, Maurizio Acerbo (Nationalsekretär von Rifondazione Comunista), Paolo Ferrero, Fausto Bertinotti und Eleonora Forenza - veröffentlicht, in dem die Entschließung als ein "falscher politischer und kultureller Akt" entschieden abgelehnt wird.
Die richtigen Forderungen für den Kampf gegen Rassismus und Faschismus dürfen nicht auf einer verzerrten und sogar falschen Nutzung der Geschichte oder auf dem Anspruch beruhen, die Wurzeln einer grundlegenden Komponente des Antifaschismus wie die des Kommunismus abzutrennen.
"Die richtigen Forderungen für den Kampf gegen Rassismus und Faschismus dürfen nicht auf einer verzerrten und sogar falschen Nutzung der Geschichte oder auf dem Anspruch beruhen, die Wurzeln einer grundlegenden Komponente des Antifaschismus wie die des Kommunismus abzutrennen", heißt es in dem Appell.
In dem Apell wird kritisiert, dass das Europäische Parlament erklärt, dass der 'Molotow-Ribbentrop-Pakt' vom 23. August 1939 den Weg für den Ausbruch des Zweiten Weltkriegs geebnet habe, aber das "schuldhafte Verhalten liberaler Demokratien gegenüber der nationalsozialistischen Expansionspolitik" verschwiegen wird. Erinnert wird an die Invasion Äthiopiens (1935) und den von General Franco (1936) ausgelösten spanischen Krieg sowie an das "Diktat von München (1938) und der damit verbundenen Zerstückelung der Tschechoslowakei nicht nur durch Deutschland, sondern auch durch Polen und Ungarn fortgesetzt wird, entfällt damit. Und wir sollten nicht die Annexion Österreichs (Anschluss) am 11. März 1938 vergessen."
Erinnert wird in dem Appell ebenfalls daran, dass die Sowjetunion lange Zeit ein Abkommen mit Frankreich und dem Vereinigten Königreich gegen Deutschland angestrebt hat, und ein Abkommen mit Deutschland erst dann beschlossen wurde, als klar war, dass ein solches Abkommen unmöglich war.
Man kann Auschwitz nicht nennen, ohne zu sagen, dass es die Armee der Sowjetunion war, die ihre zur Vernichtung bestimmten Gefangenen befreit hat.
Weiter heißt es in dem Appell aus Italien:
"Darüber hinaus erwähnt die Entschließung nicht den enormen Beitrag zum Sieg gegen über den Nazi-Faschismus, der für das Schicksal Europas und der Menschheit entscheidend ist, sowohl der Sowjetunion (mehr als 25 Millionen Tote) als auch von denen, die überall in Europa und in der Welt, oft angeführt von den Idealen und Symbolen der verschiedenen Strömungen der internationalen kommunistischen Bewegung, gegen Hitlers Truppen und ihre Verbündeten gekämpft haben. … Man kann Auschwitz nicht nennen, ohne zu sagen, dass es die Armee der Sowjetunion war, die ihre zur Vernichtung bestimmten Gefangenen befreit hat."
An diese Tatsachen zu erinnern, bedeute nicht die Fehler und Schrecken des "Stalinismus" zu ignorieren oder zu verschweigen, heißt es weiter, um gleichzeitig den fundamentalen Unterschied zwischen Nazi-Faschismus und Kommunismus herauszuarbeiten.
Die Schlussfolgerung des Appells:
"Diese Verfälschungen und Auslassungen können nicht als Grundlage für ein 'gemeinsames Gedächtnis' herangezogen werden, noch können sie zur Grundlage eines gemeinsamen Programms für den Geschichtsunterricht in Schulen werden, wie es der Antrag vorsieht.
Sie können nicht die Plattform für einen 'Europäischen Tag des Gedenkens an die Opfer totalitärer Regime' werden, wie es im Antrag gefordert wird. Sie können auch nicht die Begründung für die Beseitigung von 'Denkmälern und Gedenkstätten (Parks, Plätze, Straßen usw.)' liefern, die unter dem Vorwand, einen unklaren Totalitarismus zu bekämpfen, tatsächlich dazu auffordern, diejenigen aus den Seiten der Geschichte zu streichen, die mit ihrem Opfer zur Besiegung des Nazi-Faschismus beigetragen haben." (Text des Appells)
Auch die Vereinigung der Partisan*innen Italiens (ANPI) kritisiert die Entschließung des Europäischen Parlaments, in der "Opfer und Henker, Invasoren und Befreier" auf eine Stufe gestellt werden und in der der schreckliche Tribut an Blut, den die Völker der Sowjetunion für die Befreiung vom Nazi-Faschismus bezahlten, ignoriert wird.
"Die ANPI hofft, dass das Europäische Parlament im Interesse seiner eigenen Autorität und Glaubwürdigkeit so bald wie möglich ein klares Signal für ein radikales Umdenken geben wird, und zwar im Einklang mit den Prinzipien, die zur Schaffung eines Vereinigten Europas, der Tochter des Antifaschismus, und der Frauen und Männer, die sich den nationalsozialistischen faschistischen Regimen widersetzten, inspiriert waren, sowie als Ergebnis des Denkens der Menschen, die vom faschistischen Regime auf Ventotene verbannt wurden. (Anm.: Manifest von Ventotene)" (Erklärung der ANPI)
Zaklin Nastic, menschenrechtspolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag Das Abstimmungsergebnis im Europäischen Parlament ist beschämend und verstörend"Ich verurteile die Annahme der Entschließung “Bedeutung der Erinnerung an die europäische Vergangenheit für die Zukunft Europas” durch das Europäische Parlament am 19. September aufs Schärfste. Es handelt sich um einen absurden Antrag, in dem Sozialismus, Kommunismus, Stalinismus und Faschismus vermengt und gleichgesetzt werden. Mit dieser Abstimmung macht sich die EU absolut unglaubwürdig, wenn sie Mitgliedsstaaten wie Polen für Abbau von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit kritisiert, da sie dies gleichzeitig selber mit solchen antidemokratischen Beschlüssen konterkariert. |
Dokumentiert:
Erklärung der FIR
Eine schlimme Botschaft des Europäischen Parlaments
Am 19. September 2019 verabschiedete das EU-Parlament in Straßburg eine Resolution, in der es angeblich um die "Bedeutung der europäischen Vergangenheit (oder des europäischen Geschichtsbewusstseins) für die Zukunft Europas" ging. 535 Abgeordnete stimmten für diese Entschließung, 66 dagegen und 52 enthielten sich der Stimme.
Die FIR und ihre Mitgliedsverbände können mit diesem Beschluss in keiner Weise einverstanden sein. Der Text der Erklärung zeigt nicht die Zukunft Europas, sondern ist ein ideologischer Rückfall in die schlimmsten Zeiten des Kalten Krieges, wie er in dieser Entschließung zum Ausdruck kommt, die auf Initiative der baltischen Staaten und Polens zustande kam. Entgegen allen wissenschaftlichen Erkenntnissen wird hier behauptet, dass erst mit dem deutsch-sowjetischen Nichtangriffsvertrag "die Weichen für den Zweiten Weltkrieg gestellt wurden".
Die Rekonstruktion der Ereignisse, die zum Zweiten Weltkrieg führten, ist verbohrt, voreingenommen, instrumentell und hat keine wissenschaftliche Grundlage in irgendeinem der Behauptungen. Es setzt die Unterdrücker und Unterdrückten, Opfer und Schlächter, Eindringlinge und Befreier gleich. Die Entschließung ist ein Text grober ideologischer Propaganda, wie er aus der schlimmsten Zeit des Kalten Krieges in Erinnerung ist.
Vollkommen absurd ist die Aussage in der Entschließung, dass "es von entscheidender Bedeutung für die Einheit Europas und seiner Bürger und für die Stärkung des Widerstands Europas gegen die gegenwärtigen Bedrohungen von außen ist, dass an die Opfer totalitärer und autoritärer Regime gedacht werden". Was soll die aktuelle externe Bedrohung sein, von der die Parlamentarier sprechen?
Zurecht beklagen sie einen neuen historischen Revisionismus. So verurteilen sie in einigen EU-Staaten die Verherrlichung von Menschen, die mit den Nationalsozialisten zusammengearbeitet haben. Gleichzeitig haben sie jedoch das historische Narrativ derselben EU-Staaten übernommen, dass Russland angeblich historische Tatsachen verfälscht und die "Verbrechen des totalitären Regimes der Sowjetunion" verleugnet.
Die FIR und damit alle Verbände der Überlebenden der faschistischen Verfolgung, die Kämpfer gegen die nationalsozialistische Barbarei und alle Antifaschisten sagen nein zu solchen historischen Fälschungen. Obwohl die Gefahr von Faschismus, Rassismus und Nationalismus zunimmt, wählt die Resolution eher einen Weg der Spaltung als eine verantwortungsvolle und energische Einheit. Die FIR fordert das Europäische Parlament auf, seine eigene Autorität und Glaubwürdigkeit zu erläutern, zu schützen und zu bestätigen. Dazu gehört ein klares Zeichen eines radikalen Umdenkens im Gefolge der Prinzipien, die zur Schaffung eines Vereinigten Europas, ein Kind des Antifaschismus und der Frauen und Männer, die sich gegen die nationalsozialistischen und faschistischen Regime gestellt haben, geführt haben. Wir erinnern in dem Zusammenhang an die Eröffnungsrede des neuen Parlamentspräsidenten.
Die FIR lehnt die jüngste Entschließung des Europäischen Parlaments ab, in der Nazi-Faschismus und Kommunismus gleichsetzt und verurteilt werden. Diese Entschließung steht im völligen Gegensatz zur antifaschistischen und antirassistischen Entschließung vom 25. Oktober 2018.
Darüber hinaus erinnern wir an den Literaturnobelpreisträger Thomas Mann, der 1945 warnte:
"Den russischen Kommunismus auf die gleiche moralische Ebene mit dem Nazi-Faschismus zu stellen, weil beide totalitär sind, ist bestenfalls oberflächlich, im schlimmsten Fall ist es Faschismus.
Wer auf dieser Gleichheit besteht, kann ein Demokrat sein; in Wahrheit und in seinem Herzen ist er bereits ein Faschist und wird den Faschismus sicherlich mit Unaufrichtigkeit und Erscheinung bekämpfen, aber mit völligem Hass nur den Kommunismus". (zum Zitat siehe Anmerkung von kommunisten.de)
Quelle: https://www.fir.at/2019/09/23/eine-schlimme-botschaft-des-europaeischen-parlaments/
Anmerkung von kommunisten.de:
Das Zitat von Thomas Mann lautet lt. "Thomas Mann, Essays", hg. von H. Kurzke, Frankfurt 1986, Bd. 2, S.311:
"Den russuischen Kommunismus mit dem Nazifaschismus auf die gleiche moralische Stufe zu stellen, weil beide totalitär seien, ist bestenfalls Oberflächlichkeit, im schlimmeren Falle ist es - Faschismus. Wer auf dieser Gleichstellung beharrt, mag sich als Demokrat vorkommen, in Wahrheit und im Herzensgrund ist er damit bereits Faschist und wird mit Sicherheit den Faschismus nur unaufrichtig und zum Schein, mit vollem Haß aber allein den Kommunismus bekämpfen."
Die ungenaue Wiedergabe des Zitats kann damit zusammenhängen, dass die Erklärung der FIR im Original in englischer Sprache veröffentlicht wurde und aus dem englischen ins deutsche übersetzt worden ist.
Für den Respekt vor der Erinnerung und der Geschichte
Appell an das Europäische Parlament.
Die richtigen Forderungen für den Kampf gegen Rassismus und Faschismus dürfen nicht auf einer verzerrten und sogar falschen Nutzung der Geschichte oder auf dem Anspruch beruhen, die Wurzeln einer grundlegenden Komponente des Antifaschismus wie die des Kommunismus abzutrennen.
Die am 19. September mit großer Mehrheit angenommene Entschließung des Europäischen Parlaments zur Bedeutung des europäischen Gedächtnisses für die Zukunft Europas ist ein falscher politischer und kultureller Akt, der entschieden abzulehnen ist.
Erstens muss gesagt werden, dass es nicht Aufgabe eines institutionellen oder politischen Gremiums ist, eine bestimmte Rekonstruktion der Geschichte zu bekräftigen.
Dies ist eine Aufgabe, die der freien Konfrontation von einer Vielzahl von Interpretationen und Ansichten auf der Suche nach Wissenschaftlern überlassen werden muss. Eine Nutzung der Geschichte, die eine bestimmte Sichtweise auf die wichtigsten Ereignisse des letzten Jahrhunderts durchsetzen will, um sie zu Waffen für den unmittelbaren politischen Kampf zu machen, sollte keine Einbürgerung in einer echten Demokratie haben.
Zweitens enthalten die in der Entschließung enthaltenen Erklärungen zur Geschichte des 20. Jahrhunderts Fehler, Verrenkungen und einseitige Sichtweisen, die inakzeptabel sind.
Sie erklärt, dass der "Molotow-Ribbentrop-Pakt vom 23. August 1939 den Weg für den Ausbruch des Zweiten Weltkriegs geebnet hat". Jeder Hinweis auf das schuldhafte Verhalten liberaler Demokratien gegenüber der nationalsozialistischen Expansionspolitik, die zumindest auf die Invasion Äthiopiens (1935) und den von General Franco (1936) ausgelösten spanischen Krieg zurückgeht und mit dem "Diktat von München" (1938) und der damit verbundenen Zerstückelung der Tschechoslowakei nicht nur durch Deutschland, sondern auch durch Polen und Ungarn fortgesetzt wird, entfällt damit. Und wir sollten nicht die Annexion Österreichs (Anschluss) am 11. März 1938 vergessen.
Die Geschichte lehrt uns, dass die Sowjetunion lange Zeit ein Abkommen mit Frankreich und dem Vereinigten Königreich gegen Deutschland angestrebt hat, und ein Abkommen mit Deutschland wurde erst dann beschlossen (um den unvermeidlichen nationalsozialistischen Angriff zu verschieben), als klar war, dass ein solches Abkommen unmöglich war, auch wegen der Opposition der polnischen herrschenden Klasse unter der Führung des rechten Diktators Piłsudski und der Verbündeten Frankreich und dem Vereinigten Königreich.
Darüber hinaus erwähnt die Entschließung nicht den enormen Beitrag zum Sieg gegen über den Nazi-Faschismus, der für das Schicksal Europas und der Menschheit entscheidend ist, sowohl der Sowjetunion (mehr als 25 Millionen Tote) als auch von denen, die überall in Europa und in der Welt, oft angeführt von den Idealen und Symbolen der verschiedenen Strömungen der internationalen kommunistischen Bewegung, gegen Hitlers Truppen und ihre Verbündeten gekämpft haben. So wird vergessen, dass Antonio Gramsci, heute einer der meistgelesenen und studierten Autoren der Welt, der auf Betreibendes Faschismus starb, ein kommunistischer Führer und Theoretiker war. Man kann Auschwitz nicht nennen, ohne zu sagen, dass es die Armee der Sowjetunion war, die ihre zur Vernichtung bestimmten Gefangenen befreit hat.
Oder es wird bewusst vergessen, dass in vielen Ländern (darunter Frankreich und Italien, aber nicht nur) die Kommunist*innen die Hauptkomponente des Widerstandes gegen den Nazi-Faschismus waren und einen wesentlichen Beitrag zu seiner Niederlage und zur Wiedergeburt einer konstitutionellen Demokratie und der Bekräftigung der politischen, gewerkschaftlichen, kulturellen und religiösen Freiheiten in diesen Ländern leisteten. Ganz zu schweigen von dem entscheidenden Beitrag, den kommunistische Staaten und Ideale im zwanzigsten Jahrhundert zur Befreiung ganzer Völker vom kolonialen Joch und manchmal auch von der Sklaverei geleistet haben.
Sich an diese Tatsachen zu erinnern, die die Entschließung schuldhaft auslässt, bedeutet nicht, die zu verurteilenden Aspekte des allgemein als "Stalinismus" bezeichneten Phänomens zu ignorieren und zu verschweigen, nämlich die Fehler und Schrecken, die es auch auf diesem Gebiet gab.
Aber sie können nicht den fundamentalen Unterschied auslöschen: Während der Nazi-Faschismus das Programm der Schaffung einer rücksichtslosen Diktatur und der Verweigerung jeglichen Raums für Demokratie, Freiheit und sogar Menschlichkeit, der Verfolgung bis hin zur verkündeten und geplanten Vernichtung religiöser, ethnischer, kultureller und sexueller Minderheiten versuchte durchzuführen, verrieten die kommunistischen Regime vor und nach dem Krieg, als sie sich schwerer und inakzeptabler Verletzungen von Demokratie und Freiheit schuldig machten, die Ideale, Werte und Versprechungen, die sie gemacht hatten.
Dies muss zu Fragen, Überlegungen und Untersuchungen führen, aber - zusammen mit dem Beitrag der Widerstandskämpfer und der UdSSR zur Niederlage des Nazi-Faschismus - das erlaubt in keiner Weise die Gleichstellung von Nationalsozialismus und Kommunismus, die im Mittelpunkt der Entschließung des Europäischen Parlaments steht, oder die immer wieder durch den Antrag vorgenommene Identifikation von Kommunismus und Stalinismus angesichts der großen Vielfalt von Strömungen und politischen Erfahrungen, die diese hervorgerufen haben.
Diese Verfälschungen und Auslassungen können nicht als Grundlage für ein "gemeinsames Gedächtnis" herangezogen werden, noch können sie zur Grundlage eines gemeinsamen Programms für den Geschichtsunterricht in Schulen werden, wie es der Antrag vorsieht.
Sie können nicht die Plattform für einen "Europäischen Tag des Gedenkens an die Opfer totalitärer Regime" werden, wie es im Antrag gefordert wird. Sie können auch nicht die Begründung für die Beseitigung von "Denkmälern und Gedenkstätten (Parks, Plätze, Straßen usw.)" liefern, die unter dem Vorwand, einen unklaren Totalitarismus zu bekämpfen, tatsächlich dazu auffordern, diejenigen aus den Seiten der Geschichte zu streichen, die mit ihrem Opfer zur Besiegung des Nazi-Faschismus beigetragen haben.
Es wird gesagt, dass die Entschließung des Europäischen Parlaments unumgängliche Kompromisse enthält, um auch eine Erklärung der Bereitschaft zur Bekämpfung der "Rückkehr zu Faschismus, Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und anderen Formen der Intoleranz" zu verabschieden.
Aber diese gerechten Forderungen nach dem Kampf gegen Rassismus und Faschismus können nicht auf einer verzerrten und sogar falschen Verwendung der Geschichte oder auf dem Anspruch beruhen, die Wurzeln einer grundlegenden Komponente des Antifaschismus wie die des Kommunismus abzutrennen. Die Völker Europas dürfen dies nicht zulassen.
Quelle: Il Manifesto, EDIZIONE DEL 25.09.2019, https://ilmanifesto.it/per-il-rispetto-della-memoria-e-della-storia
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Nationale Vereinigung der Partisan*innen Italiens (ANPI)
"Wir bringen unsere Besorgnis über die Entschließung des Europäischen Parlaments zum Ausdruck,
die Nazi-Faschismus und Kommunismus gleichsetzt."
Die ANPI bringt ihre tiefe Besorgnis über die jüngste Entschließung des Europäischen Parlaments zum Ausdruck, die Nazi-Faschismus und Kommunismus gleichsetzt, im krassen Gegensatz zur antifaschistischen, antinazistischen und antirassistischen Entschließung vom 25. Oktober 2018. In einer einzigen Missbilligung werden Unterdrückte und Unterdrücker, Opfer und Henker, Invasoren und Befreier auf eine Stufe gestellt, wobei sie außerdem den schrecklichen Tribut an Blut, den die Völker der Sowjetunion zahlen - mehr als 22 Millionen Tote - und sogar das symbolische Ereignis der Befreiung von Auschwitz durch die Rote Armee ignoriert. Angesichts der wachsenden Gefahr von Nazi-Faschismus, Rassismus und Nationalismus wird einen Weg der Spaltung und nicht der verantwortungsbewussten und konsequenten Einheit gewählt. Die ANPI hofft, dass das Europäische Parlament im Interesse seiner eigenen Autorität und Glaubwürdigkeit so bald wie möglich ein klares Signal für ein radikales Umdenken geben wird, und zwar im Einklang mit den Prinzipien, die zur Schaffung eines Vereinigten Europas, der Tochter des Antifaschismus, und der Frauen und Männer, die sich den nationalsozialistischen faschistischen Regimen widersetzten, inspiriert waren, sowie als Ergebnis des Denkens der Menschen, die vom faschistischen Regime auf Ventotene verbannt wurden. (Anm.: Manifest von Ventotene)
22. September 2019
Quelle: https://www.anpi.it/articoli/2244/esprimiamo-preoccupazione-per-la-risoluzione-del-parlamento-europeo-che-equipara-nazifascismo-e-comunismo
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