06.09.2019: Kaum ist Matteo Salvini aus dem Amt, kann Mimmo Lucano in sein Heimatdorf Riace zurückkehren. Am gleichen Tag (5.9.), an dem Salvini sein Amt als Innenminister verloren hat, hob der Präsident des Gerichtshofs von Locri, Fulvio Accurso, die Verbannung des Ex-Bürgermeisters von Riace auf. Nach 14 Tagen Hausarrest und anschließender 11-monatiger Verbannung konnte Mimmo Lucano gestern wieder nach Hause zurückkehren.
Mimmi Lucano sagte zu der Aufhebung der Verbannung: "Ich hätte nicht gedacht, dass ich endlich nach Riace zurückkehren kann, weil ich viele Male enttäuscht wurde. ... Jetzt kann ich als freier Mann vor Gericht gestellt werden. Wir werden zeigen, dass ich Opfer eines großen Missverständnisses geworden bin. Ich bin stolz auf das, was ich für mein Dorf getan habe. Ich laufe vor dem Prozess nicht davon, und ich bin der erste, der Gerechtigkeit will."
Die Entscheidung fiel wenige Tage nach der Wiederaufnahme des Prozesses und der neuen Anhörung vor dem Obersten Gerichtshof, bei dem Lucano zusammen mit 25 weiteren Mitarbeiter*innen des "Modells Riace" angeklagt wird. Die Staatsanwaltschaft von Locri hat Lucano u.a. wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung, Amtsmissbrauch, ungesetzlicher Verwendung öffentlicher Mitteln für die Aufnahme von Migrant*innen, Erpressung, Unterstützung illegaler Einwanderung angeklagt.
Als Bürgermeister hatte Lucano in Riace Hunderte Migrant*innen aufgenommen. Die Kleinstadt war, wie fast alle Dörfer in der strukturschwachen Region Kalabriens, dem Untergang geweiht. Von einst 3.000 Einwohnern waren lediglich 800 verblieben. Die Flüchtlinge bekamen eine Wohnung in den leerstehenden Häusern, Ausbildung und Betreuung. Im Gegenzug renovierten sie die verfallenen Häuser, brachten die verwilderten Weinberge und Olivenhaine wieder in Schuss. Nach Riace kehrte das Leben zurück, eine Grundschule wurde wieder eröffnet. Riace galt deshalb international als Symbol für Toleranz und als Beispiel für andere Städte und Dörfer.
Für Innenminister Salvini von der rassistischen Lega eine inakzeptable Herausforderung. Um so mehr, als Lucano nach der Sperrung der öffentlichen Mittel durch Salvini das Riace-Modell auch ohne öffentliche Mittel fortsetzte. Er tat alles, um das "Modell Riace" auszuradieren, bevor es in anderen Kommunen nachmachen.
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Lucano wurde unter fadenscheinigen Vorwänden seines Amtes enthoben und aus Riace verbannt. "Die Gefahr, dass Lucano in Ausübung seiner Funktionen als Bürgermeister der Gemeinde Riace oder in irgendeiner Eigenschaft als Mitglied des örtlichen Gemeinderates Verbrechen der gleichen Art wie die, die wir verfolgen, wiederholen kann, ist gegenwärtig und konkret", hatten die Richter in ihrer Begründung für die Verbannung geschrieben.
"Heute bin ich wieder zu Hause. Aber auch Salvini"
Die Staatsanwaltschaft stellt sich gegen die Entscheidung des Richters. "Obwohl ich nicht mehr Bürgermeister bin", kommentierte Lucano, "sagen sie, dass ich eine gefährliche Person bin. Das sagen diejenigen, die in den letzten 14 Monaten beschlossen haben, die Häfen zu schließen. Heute bin ich wieder zu Hause. Aber auch Salvini".
Lucano kehrt als "einfacher" Bürger in ein Dorf zurück, in dem eine Lega-nahe Bürgermeisterin sein früheres Amt übernommen hat. Obwohl Lucano bei der Wahl am 26. Mai am meisten Stimmen erhalten hat, ist er nicht einmal als Gemeinderat anerkannt worden und seine Liste hat nur einen Sitz im Gemeinderat errungen.
Nach seinem Eintreffen in Riace besuchte Lucano als erstes seinen Vater Roberto, einen 93-jährigen Lehrer, der seit etwa einem Monat krank und ins Bett gezwungen ist. Anschließend machte Mimmo eine Tour durch das Dorf. Viele Leute schüttelten ihm die Hand und die Migrant*innen, die in Riace geblieben sind, feierten ihn. "Ich weiß nicht, wie ich anders leben soll. Wenn die Beschäftigung mit Politik ein Verbrechen ist, dann muss ich andere herausfordern", sagte Mimmi Lucano.
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