14.02.|15.02.2018: Türkisches Kriegsschiff rammt griechisches Patrouillenboot ++ Türkei erhebt Anspruch auf zypriotische und griechische Erdgasvorkommen ++ Chefberater Erdoğans: Wir werden Tsipras die Beine brechen ++ Erdoğan droht USA mit "osmanischer Ohrfeige ++ Bündnis gegen Münchner Sicherheitskonferenz erstattet Anzeige gegen den türkischen Ministerpräsidenten Binali Yıldırım und den türkischen Außenminister Mevlüt Çavuşoğlu
Am Montag kurz vor Mitternacht rammte ein türkisches Kriegsschiff ein Patrouillenboot der griechischen Küstenwache und beschädigte es schwer. Der Zwischenfall ereignete sich vor der Insel Imia in griechischen Hoheitsgewässern. Die griechische Küstenwache stellte zwei weitere türkische Kriegsschiffe fest, die in dieser Zone patrouillieren. Zudem dringen in jüngster Zeit ständig türkische Hubschrauber und elektronische Luftaufklärungssysteme in griechische Hoheitsgebiete östlich von Rhodes ein.
Die Türkei bestreitet die Zugehörigkeit der Imia-Felseninseln zu Griechenland. Ankara sieht in dieser Gegend eine sogenannte "Graue Zone". Die griechische Seite bezieht sich ihrerseits auf internationale Verträge, wonach die Felseninseln klar zum griechischen Hoheitsgebiet gehören.
Bereits vor zwei Wochen hatte ein türkisches Schiff in derselben Zone ein Schiff der griechischen Küstenwache gerammt. Wobei die Türkei die Tatsachen auf den Kopf stellt und behauptet, das griechische Schiff hätte den Zusammenstoß provoziert. (Video)
"Wir haben die Stärke, um eine Operation in Afrin auszuführen und die Ägäis unter Kontrolle zu halten" Hulusi Akar, Chefs des türkischen Generalkommandos |
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Die Aggressionen der Türkei gegen Griechenland stehen im Zusammenhang mit der Äußerung des Chefs des türkischen Generalkommandos, Hulusi Akar, dass die türkische Armee die Kapazitäten habe, die Ägäis "unter Kontrolle" zu halten. "Wir haben die Stärke, um eine Operation in Afrin auszuführen und die Ägäis unter Kontrolle zu halten", äußerte er gegenüber der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu Agency.
Für die türkischen Nationalisten sind die Inseln in der Ägäis von Griechenland "okkupiert". Nicht nur Erdogans AKP und die ultrarechte MHP rufen zu Aktionen zur "Rückgewinnung" der Inseln auf, sondern im Dezember hat sich auch der Vorsitzende der oppositionellen Republikanischen Volkspartei (CHP) dieser Linie angeschlossen. Seitdem eskalieren die Spannungen und die Türkei nutzt jede Gelegenheit, um Griechenlands Hoheit über diese Inseln herauszufordern. Bereits im Jahr 1996 war es auf der Insel Imia zu bewaffneten Zusammenstößen zwischen türkischem und griechischem Militär gekommen, bei denen mehrere griechische Soldaten getötet wurden.
Anfang Februar hatte der Chefberater des türkischen Präsidenten Recep Erdoğan, Yigit Bulut, gedroht, dem griechischen Premierminister Tsipras die "Beine zu brechen", wenn er seinen Fuß auf Imia setze. Anlass war der Versuch von Griechenlands Verteidigungsminister Panos Kammenos mit einem Segelboot die Insel zu besuchen. Türkische Kriegsschiffe blockierten die 'Segeltörn'.
Yigit Bulut, im Stil der faschistischen 'Grauen Wölfe' auftretend. sagte einem privaten TV-Sender: "Athen wird dem Zorn der Türkei gegenüberstehen, schlimmer als dem gegenüber Afrin. .. Wir werden die Arme und Beine eines jeden Offiziers, die des Premierministers und eines jeden Ministers brechen, der einen Schritt auf die Insel Imia in der Ägäis macht."
TRT-TV gegenüber äußerte er wenig später, dass er "keinen Zweifel" habe, dass die USA ein Plan hätten, dass Griechenland die Türkei angreifen solle, während diese in Syrien militärisch engagiert ist (Quelle: ekathimerini)
Erdoğan warnt vor weiterer Erdgassuche
Imia ist eine unbewohnte Insel in der östlichen Ägäis. Der Hintergrund für die Gebietsansprüche der Türkei sind die großen Erdgaslager in diesem Raum. Erdoğan beansprucht diese Gasvorräte für die Türkei und warnt vor weiterer Erdgassuche. Diese 'Warnung' richtet sich nicht nur an Griechenland, sondern auch an Zypern und internationale Gaskonzerne.
Der türkische Außenminister und "Freund" des deutschen Außenministers Sigmar Gabriel (SPD), Mevlut Çavuşoğlu, bekräftigte am 4. Februar in einem Interview mit der griechischen Zeitung Ekathimerini die Ansprüche der Türkei auf die Gebiete, in denen Zypern nach Gas sucht. Dieses Gebiet würde zum türkischen Kontinentalsockel gehören, behauptet er, alle internationalen Vereinbarungen ignorierend. Die Türkei sei bereit, "alle erforderlichen Maßnahmen" zum Schutz der Eigentümerrechte der türkischen Zyprioten und der Türkei zu unternehmen, drohte er in Richtung Athen und Nikosia.
Erdoğan bekräftigte am Dienstag (13.2.) diese Gebietsansprüche der Türkei auf griechische und zypriotische Territorien. "Im Moment beobachten unsere Kriegsschiffe, Luftstreitkräfte und andere Sicherheitseinheiten die Entwicklungen in der Region sehr genau, mit der Befugnis, wenn nötig, jede Art von Eingriff vorzunehmen“, sagte er in Ankara. Er warnte, "keine falschen Berechnungen zu machen". Ausländische Firmen sollten der griechischen Seite nicht vertrauen und sich nicht für Aktionen einspannen lassen, "die ihre Befugnisse und ihre Macht überschreiten". Erdoğan warnte zudem davor, sich auf Abkommen zu berufen, "die keinerlei Gültigkeit haben", um "Bohrungsschiffe in die Region" zu schicken.
Seit Freitag hindern nach Angaben der Regierung in Nikosia türkische Kriegsschiffe das vom italienischen Energieunternehmen ENI gemietete Bohrschiff 'Saipem 1200' daran, ein Erkundungsgebiet südöstlich der Hafenstadt Larnaka zu erreichen. Der zypriotische Außenminister Ioannis Kasoulides verurteilte die "illegale" Aktion der türkischen Kriegsmarine und sagte, dass er in ständigem Kontakt mit dem italienischen Außenministerium und mit ENI sei. Er informierte, dass die ENI-Zentrale in Rom den Kapitän angewiesen habe, nicht abzudrehen.
Beschwerde bei Nato und UN-Sicherheitsrat
Griechenland hat sich inzwischen offiziell bei der türkischen Regierung beschwert und die Nato über die Zwischenfälle informiert - beide Länder sind Mitglied der Nato. Außerdem hat das Außenministerium in Athen die US-Regierung, Deutschland, die Europäische Union und die fünf ständigen Mitglieder des UN-Sicherheitsrates über die türkische Aggression unterrichtet.
"Provokationen gegen ein souveränes Mitglied der Europäischen Union zielen auf die gesamte EU ab." Alexis Tsipras, Premierminister Griechenlands |
Athen fordert die türkische Regierung auf, "die Verletzungen des internationalen Rechts" zu beenden, weil diese die "von Griechenland verteidigte regionale Sicherheit und Stabilität untergraben".
Erdoğan droht USA mit "osmanischer Ohrfeige"
Erdoğan eskaliert aber nicht nur gegenüber der EU, Zypern und dem Nato-Mitglied Griechenland, sondern auch gegenüber den USA. Vor einem Besuch von US-Außenminister Rex Tillerson in Ankara drohte er am Dienstag (13.2.) vor Anhängern seiner Partei den US-Soldaten mit einer "osmanischen Ohrfeige", falls sie bei der Eroberung des syrischen Manbij durch die türkische Armee im Wege stehen sollten. Manbij war von den kurdisch-geführten Syrisch Demokratischen Kräften vom IS befreit worden. In Manbij sind auch US-Soldaten stationiert.
"Natürlich werden wir nicht absichtlich auf sie zielen", sagte Erdogan. "Aber wir verkünden jetzt schon, dass wir jeden Terroristen, den wir sehen, vernichten und ausmerzen werden - angefangen mit denen, die direkt neben ihnen stehen. Eben dann werden sie einsehen, dass es für sie besser wäre, wenn sie sich nicht neben den Terroristen aufhielten, denen sie auf die Schulter klopfen."
Der Kommandeur der US-Streitkräfte, Generalleutnant Paul Funk, hatte am Mittwoch (7.2.) bei seinem Besuch in Manbij in Richtung Ankara gesagt: "Wenn wir angegriffen werden, dann werden wir aggressiv antworten. Wir werden uns verteidigen." (siehe Afrin: Leben unter Bomben)
Erdogan antwortete: "Es ist ganz klar, dass diejenigen, die sagen »Wir reagieren hart, wenn sie uns angreifen», in ihrem Leben noch keine osmanische Ohrfeige verpasst bekommen haben."
Keine Waffen an Erdoğan
In den USA haben das Hellenic American Leadership Council (HALC) und das Armenian National Committee of America (ANCA) eine gemeinsame Kampagne gestartet, um den Verkauf des Tarnkappen-Kampffliegers F-35 an die Türkei zu verhindern. In einem Appell warnen sie die Senatoren davor, Erdoğan mit diesen modernen Waffen auszurüsten. Es sei nicht ausgeschlossen, dass Erdoğan diese gegen Verbündete wie Griechenland, Zypern, Israel und Armenien - und möglicherweise sogar gegen die US-Streitkräfte - einsetzt. Ankara will 120 dieser Kampfflugzeuge kaufen, die gemeinsam von den USA, Großbritannien, Kanada, Dänemark, Niederlande, Norwegen, Italien, Australien und der Türkei entwickelt werden.
Strafanzeige gegen Binali Yıldırım und Mevlüt Çavuşoğlu wegen "Führung eines Angriffskrieges"
Das 'Aktionsbündnis gegen die Nato-Sicherheitskonferenz" hat beim Generalbundesanwalt Strafanzeige gegen den türkischen Ministerpräsidenten Binali Yıldırım und den türkischen Außenminister Mevlüt Çavuşoğlu erstattet. Beiden Politikern werden "Verbrechen der Aggression" nach §13 des Völkerstrafgesetzbuches (VStGB) und "Führung eines Angriffskrieges" gegen den Kanton Afrin in Nordsyrien vorgeworfen.
Binali Yıldırım und Mevlüt Çavuşoğlu werden an der vom 16. bis 18. Februar 2018 stattfindenen Münchner Sicherheitskonferenz teilnehmen.
In der Anzeige heißt es: "Wir fordern die Justizbehörden und die Polizei dazu auf, Binali Yıldırım und Mevlüt Çavuşoğlu bei ihrer Einreise nach Deutschland zu verhaften und in Untersuchungshaft zu nehmen und zu den oben genannten Verbrechen nach (§ 13 VStGB), außerdem wegen Kriegsverbrechen (§ 8, § 9, § 10, §11 VStGB) und Verbrechen gegen die Menschlichkeit (§ 7 VStGB) ein Ermittlungsverfahren einzuleiten."
In der Anzeige wird darauf verwiesen, dass "es sich um schwerwiegende Kriegsverbrechen handelt, die laut Völkerstrafgesetzbuch (VStGB) von 2002 auch in Deutschland mit lebenslanger Haft geahndet und verfolgt werden können".
Während der Pressekonferenz am Mittwoch (14.2.) erklärte Claus Schreer für das Bündnis, dass "der türkische Angriff auf Afrin das zentrale Thema" der Proteste gegen die Münchner Sicherheitskonferenz sein werde. Nicht hingenommen werde das Verbot des Zeigens von Bildern von Abdullah Öcalan und der Symbole von YPG, YPJ und PYD. Das Bündnis klagt gegen die verhängten Auflagen für die Demonstration am Samstag, 17. Februar. Die Demonstration bzw. Protestkette beginnt mit einer Auftaktkundgebung am Münchner Karlsplatz (Stachus) um 13 Uhr.