06.09.2011: Hunderttausende ItalienerInnen gingen am Dienstag gegen die Sparpläne der Regierung auf die Straße. Der öffentliche Nahverkehr brach zusammen. Flugzeuge blieben am Boden. Allein auf den römischen Flughäfen Fiumicino und Ciampino fielen 129 Flüge aus. Die Billigfluglinie Ryanair hatte schon vorab 200 Flüge aus und nach Italien gestrichen. Eine hohe Streikbeteiligung gab es vor allem im Metallbereich. So lag diese z.B. im Valbruna Stahlwerk bei 85 Prozent, so dass die Produktion gestoppt werden musst. Bei den Unternehmen Sapa Profili und der Fiat-Tochter IVECO beteiligten sich 70 Prozent am Streik. Dies ist die Antwort der MetallarbeiterInnen auf die Strategie von Fiat-Chef Marchionne und des Industrieverbandes Confindustria, erklärte die Metallgewerkschaft Fiom. In Mailand drangen "Empörte" in die Börse ein, entrollten Transparente und blockierten die letzte Stunde des Handels. Aufgerufen zu dem achtstündigen Generalstreik hatte die größte Gewerkschaft des Landes Cgil und die Basisgewerkschaft Cobas.
Die Proteste richten sich gegen das "Sparprogramm" der Berlusconi-Regierung. Nach im Juli verabschiedeten Einsparungen über 48 Milliarden Euro hat die Regierung Mitte August ein zweites Sparpaket in Höhe von rund 45 Milliarden Euro auf den Weg gebracht. Sie reagiert damit auf Kritik der Europäischen Zentralbank und anderer Euro-Staaten am Management der Schuldenkrise. Die Mehrwertsteuer soll um einen Prozentpunkt auf 21 Prozent steigen und eine Schuldenbremse in die Verfassung aufgenommen werden, ArbeiterInnenrechte werden eingeschränkt, ab 2014 sollen weitere Verschlechterungen bei der Verrentung von Frauen wirksam werden. Der "Blut- und Tränenplan" war vor rund einer Woche noch einmal aufgeweicht worden, wobei zum Zorn der Gewerkschaften eine geplante Zusatzsteuer für Besserverdienende mit Jahreseinkommen von mehr als 90 000 Euro wieder rausfiel. Jetzt teilte die Regierung mit, dass eine dreiprozentige Sonderabgabe für Einkommen über 500.000 Euro geplant sei.
Der Vorsitzende der Metallgewerkschaft, Mauricio Landini, charakterisierte die Sparpläne als einen "Angriff auf die Arbeit, nicht auf die Krise" und sieht darin die Ursache für die Probleme Italiens. Es müsse verhindert werden, dass das "Modell Fiat" (siehe "Die kampfbereiten Gewerkschaften sollen ausgeschaltet werden", "Hier ist das unbezwingbare Italien zu sehen") zum Modell des gesamten Landes werde.
Die Vorsitzende der Cgil, Susanna Camusso, sagte bei der Kundgebung in Rom: "Das Land ist in einer sehr komplizierten Situation, deshalb haben wir einen Gegenvorschlag gemacht." Und sie rief auf: "Wechseln wir die Richtung, um unserem Land eine Zukunft zu geben - mehr Wachstum, mehr Beschäftigung, mehr Entwicklung!"
Mit der Besetzung der Börse in Mailand wurde dagegen protestiert, dass die Banken jetzt - nachdem sie 2008 von den Regierungen gerettet worden waren - zu einer neuen Offensive ansetzen und neue Opfer von den Menschen verlangen, um "die Märkte zu beruhigen". Italien hat am Dienstag die Antwort gegeben: "Liebe Märkte, wir bezahlen Euch nicht mehr!"
txt: lm Foto: frafra2009 (Generalstreik in Rom)