Europa

alt09.04.2010: Aus erster Hand berichtete am Mittwoch, 7.4.2010, der Genosse Angourakis Charalampos, Abgeordneter der Kommunistischen Partei Griechenlands (KKE) im Europa-Parlament, über die aktuelle Finanzkrise des griechischen Staates, über Hintergründe und Zusammenhänge auf Grund der Mitgliedschaft Griechenlands in der EU. Der stellvertretende Vorsitzende unserer Partei, Leo Mayer, war Gastgeber dieser gut besuchten Veranstaltung der DKP München.

Genosse Charalampos, der sehr gut Deutsch spricht, dankte für die Einladung und zeigte seine Freude über einen ausgiebigen Erfahrungsaustausch, den er sich an diesem Abend wünsche. Für die KKE seien die jetzigen Sparmaßnahmen, die die griechische Bourgeoisie in Abstimmung mit der EU-Spitze umsetzen möchte, keine allzu große Überraschung gewesen. Schon früher hätten die Konservativen mit ihrer Hauptvertretung, der Partei 'Neue Demokratie' (diese stellte die Regierung von 2004-2009), aktiv in eine gleiche Richtung agiert, allerdings wohl zu wenig effektiv, so dass die griechische Bourgeoisie bei den Parlamentswahlen im Oktober 2009 die Sozialdemokraten mit ihrer Partei PASOK bevorzugte, die dann auch die Wahlen gewann. Ähnlich wie in Deutschland hätten in Griechenland die Sozialdemokraten seither die Programme des Abbaus der sozialen Rechte der Volksmassen noch energischer voran getrieben: Erhöhung des Renteneintrittsalters, 'Flexibilisierung' der Arbeitsverhältnisse - zugunsten der Kapitalisten und ähnliches mehr.

Charalampos skizzierte die ökonomische Seite der aktuellen Staatskrise: die außerordentlich hohen Investitionen Griechenlands auf dem Balkan, von dort her Rückwirkungen beim Ausbrechen der weltweiten Finanzkrise im September 2009, aktuelle Neuverschuldung bei 12% und Gesamtverschuldung von 110% des Bruttoinlandsproduktes (BIP), das mit der EU abgestimmte Sparprogramm auf dem Rücken der Werktätigen (u.a. Aussetzung von Lohnzahlungen im öffentlichen Dienst für 3 Monate, Erhöhung der MWSt um 2%, Zusatzbesteuerungen von Benzin und Tabak, neue Sozialgesetze mit brutaler Verminderung gesetzlicher Renten, Erhöhung des Renteneintrittsalters) bei gleichzeitigen Senkungen der Unternehmenssteuern auf 20%, Arbeitslosigkeit von 11%, Schuldzinsen des Staates auf den Finanzmärkten mit fast 8 Prozent und damit (genau an diesem Tag) 4,5% höher als für deutsche Staatsanleihen. Die Krise Griechenlands sei nicht dem Casino-Finanzkapitalismus zuzuschreiben, es sei eine Systemkrise des Kapitalismus in der EU. Deren ungleiche Entwicklung sei strukturell und gesetzmäßig. Zwar haben griechische Regierungen in der Vergangenheit auch die Finanzdaten des Staates gegenüber der EU verfälscht, aber die verantwortlichen EU-Institutionen hätten das einfach ignoriert.

Gegenwärtig versucht die griechische Bourgeoisie mit der Weckung und Anstachelung nationalistischer Stimmungen, die Abwehr gegen ihr Sparprogramm zu verhindern. Die Hauptparole dazu lautet: "Die Heimat ist in Gefahr." Es werden sogar Spendenfonds (z.B. durch den Parlamentspräsidenten) eingerichtet, um Geld zum Ausgleich des Staatsdefizits zu sammeln. Solche Aktionen laufen auch unter der Lügenpropaganda "Die Last gerecht verteilen." Die PASOK, aber auch die anderen bürgerlichen Parteien fördern diese Art National-Chauvinismus. Die KKE kämpft kompromisslos gegen diese Mobilisierung der griechischen Bourgeoisie und deren Sparprogramm.

In den regen Diskussion machte der Genosse Charalampos deutlich, dass es auch in Griechenland keineswegs leicht sei, den Widerstand der Volksmassen zu organisieren. Der Einfluss der Sozialdemokratie im öffentlichen Dienst und in den Einheitsgewerkschaften sei sehr groß. Neben der oben schon erwähnten national-Chauvinistischen Ideologisierung wird auch mit Illusionen über eine Lösung der Krise durch 'Grünen Kapitalismus" (also Umstellung auf entsprechende Produkte) Desorientierung der Volksmassen betrieben. Auch eine wirksame Bündnisarbeit sei schwierigen Bedingungen ausgesetzt. Zwar würden die Bauern offen für den Widerstand sein, weil auch sie in den letzten 10 Jahren enorm gelitten haben (Reduktion des Anteils der Bauern an den Erwerbstätigen von 20 Prozent auf 6 Prozent), bei den kleinen Gewerbetreibenden sei Bündnisarbeit für einen Widerstand jedoch schwer zu erzielen.

Besonders aufmerksam wurden die Antworten des KKE-Genossen zum Verhältnis von EU und Griechenland von den Anwesenden aufgenommen. Zwar sei die KKE nach wie vor für den Austritt Griechenlands aus der EU, aber es sei sehr unwahrscheinlich, dass die EU nicht alles unternähme, um das zu verhindern. Denn obwohl das griechische BIP nur 2% Anteil am BIP der EU habe, könnte ein Ausscheiden Griechenlands für die EU fatale unerwünschte Folgewirkungen haben. Dem stehe zudem ein gewisser zunehmender EU-Nationalchauvinismus entgegen, den er in den Zentren der EU-Strukturen erfahren habe. Dort wird unter der Losung "Wir müssen die Besten auf der Welt werden" um eine erfolgreiche Konkurrenz mit den USA gerungen, bei der interne Rückschläge der EU nicht zugelassen werden dürfen.

Ferner seien alle bürgerlichen Kräfte und Parteien Griechenlands für den Beitritt zur EU, die Maastrichter und die Lissaboner Verträge gewesen und die griechische Bourgeoisie sei doppelt an der EU interessiert. Nur über diesen Weg konnte die schon erwähnte Expansion auf dem Balkan und der Aufbau der weltgrößten Handelsflotte durch Griechenland ermöglicht werden. Das Geld dazu erhielt Griechenland von großen Finanzunternehmen der EU. Andererseits könne die aktuelle Staatskrise aus Sicht der griechischen Bourgeoisie auch nicht ohne die EU gelöst werden. Denn zur Behebung der Staatskrise müssten etwa 30 Mrd. EUR Kredite aufgenommen werden. Vom IWF würde Griechenland aber maximal nur 10 Mrd. erhalten, der Rest könne nur über Kanäle der EU bekommen werden. Diese Situation mache es wenig sinnvoll, den Widerstandskampf gegen das Sparprogramm der griechischen Regierung unter die Parole 'Wiedergewinnung der Souveränität' zu stellen, zumal große Teile der Souveränität schon vor langer Zeit freiwillig an die EU abgegeben wurden.

Text: hth

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