Deutschland

Heybet Aktion 2022 02 04 207.02.2022: Am Münchner Flughafen wurde am Freitag (4.2.) die Abschiebung von Heybet Sener verhindert ++ Heybet Sener ist in der Türkei zu acht Jahren Haft verurteilt und viele weitere Jahre Haft drohen wegen angeblicher Terrorpropaganda und Präsidentenbeleidigung ++ trotzdem wollte der bayerische Innenminister den 31jährigen Kurden an die Türkei ausliefern ++ breite Proteste und die Zivilcourage eines Arztes verhinderten die Abschiebung

 

 

Am Münchner Flughafen wurde am Freitag (4.2.) die Abschiebung von Heybet Sener verhindert. Heybet Sener hatte im Juli 2018 in Deutschland politisches Asyl beantragt, das ihm aber nicht gewährt wurde. Wegen angeblicher Mitgliedschaft in einer Terrororganisation war er in der Türkei in Polizeigewahrsam gefoltert und zu mehr als acht Jahren Haft verurteilt worden. Durch offene Verfahren wegen angeblicher Terrorpropaganda und Präsidentenbeleidigung drohen ihm in der Türkei viele weitere Jahre Gefängnis. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge erkannte die politische Verfolgung nicht an. Wie der Rechtshilfefonds Azadî mitteilt, habe die Behörde dies mit rechtsstaatlichen Standards begründet, die angeblich in der Türkei eingehalten würden. Heybet Şener wurde zur Ausreise aufgefordert.

Heybet SenerSeit mehr als zwei Jahren lebt der 31-jährige Kurde in der Asylunterkunft in Oberding in der Nähe von München. Sein Bruder hat in München ein kleines Bauunternehmen, in dem er mitarbeiten konnte, bis ihm vor einigen Monaten das Landratsamt Erding die Arbeitserlaubnis entzog. Am Mittwoch (2.2.) musste er zur Verlängerung seiner Aufenthaltsduldung zum Landratsamt Erding. Aber dort erwartete ihn die Polizei, die ihn festnahm und umgehend in das neue Abschiebegefängnis am Flughafen München brachte. Am Freitag sollte er um 13.45 Uhr mit einem Flug nach Istanbul gebracht werden, wo vermutlich die türkische Polizei schon auf ihn wartete.

Ein Eilantrag gegen die Abschiebung war am Freitagvormittag vom Verwaltungsgericht München abgelehnt worden. Auch eine Petition an den bayerischen Landtag blieb erfolglos.

Doch am Nachmittag berichtet der Bayerische Rundfunk: "Um 13:45 Uhr, als eigentlich die Maschine in Richtung Istanbul starten sollte, holt Kerem Schamberger Heybet Sener aus der Abschiebehaft ab. Im Gespräch mit dem Bayerischen Rundfunk sagt Schamberger: 'Heybet sitzt neben mir im Auto. Wir sind so froh!' Die Behörden haben Sener wohl empfohlen, einen neuen Asylantrag zu stellen, über diesen müsse dann neu entschieden werden." [1]

Heybet Sener frei

In letzter Minute war die Abschiebung des kurdischen Geflüchteten in die Türkei gestoppt worden. Nach Angaben des bayerischen Landesamtes für Asyl und Rückführungen seien nach einer medizinischen Untersuchung "Zweifel an der Reisefähigkeit des Herrn Sener" aufgekommen. Heybet Sener war nach seiner Festnahme am Mittwoch in den Hungerstreik getreten. Die entscheidende Rolle spielte jedoch, dass der untersuchende Arzt - im Unterschied zu den Bürokrat*innen im Landratsamt und beim Landesamt für Asyl und Rückführungen, für die eine Abschiebung ein "relativ normaler Vorgang" (Landesamt) ist - sich weigerte, unter Zwang einen Coronatest zu machen. Heybet Sener hatte diesen verweigert.

Dazu kam der Druck von Dutzenden Personen am Flughafenschalter, von Abgeordneten, von Geistlichen, von Hunderten ganz normalen Menschen.

"Das ist keine normale Abschiebung, das ist eine Auslieferung."
Gülseren Demirel (MdL, Grüne)

Die Münchner Landtagsabgeordnete Gülseren Demirel (Grüne) setzte sich im Innenministerium für Heybet Sener ein. "Es ist ja nicht so, dass man nicht anders entscheiden könnte, es gibt die Möglichkeit, eine Abschiebung aus humanitären Gründen abzulehnen", sagte sie. Der Fall Heybet Sener sei skandalös, so Demirel: "Das ist keine normale Abschiebung, das ist eine Auslieferung. Ich frage mich, ob sich die Söder-Regierung tatsächlich hier zum Handlanger eines Folterstaats machen möchte."

Die Landtagsabgeordnete der Grünen weiter: "Da sich Heybet Sener öffentlich für die Belange der kurdischen Minderheit eingesetzt hat, gehört er als politischer Flüchtling in Bayern unter besonderen Schutz gestellt. Herr Sener saß bereits in der Türkei im Gefängnis und während seines Aufenthaltes in Deutschland wurde gegen ihn in der Türkei Haftstrafen verhängt. Somit drohen ihm nach seiner Ankunft in der Türkei Haft und Folter.
Auch nach Einschätzung des Auswärtigen Amtes reicht es bereits, in den sozialen Medien eine regierungskritische Stellungnahme abzugeben, um sich in der Türkei dem Vorwurf der Präsidentenbeleidigung auszusetzen. Hierfür wurden dort bereits mehrjährige Haftstrafen verhängt bis hin zu erschwerter lebenslanger Haft. Dementsprechend gefährlich ist die Rückkehr für Herrn Sener. Schon jetzt läuft in der Türkei ein politisches Verfahren gegen ihn u.a. wegen 'Präsidenten-Beleidigung'. Sein Einsatz für die kurdische Minderheit wird als illegale Betätigung und Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung eingestuft." [2]

Einen offenen Brief erhielt der bayerische Innenminister auch von der Linken-Bundestagsabgeordneten Nicole Gohlke. Die Münchner Grünen-Bundestagsabgeordnete Jamila Schäfer forderte Joachim Herrmann auf Twitter ebenfalls zum Handeln auf.

Auslieferung an "die Schergen von Erdogan"
Stephan Theo Reichel, Vorsitzender des Vereins matteo – Kirche und Asyl

Flüchtlingsorganisationen engagierten sich für den Stopp der Abschiebung. Sie gehen davon aus, dass Heybet Sener unmittelbar bei seiner Ankunft am Flughafen in Istanbul festgenommen worden wäre. Stephan Theo Reichel, Vorsitzender des Vereins matteo – Kirche und Asyl, wandte sich mit einem offenen Brief an den bayerischen Innenminister Joachim Herrmann. Er könne nicht verstehen, warum Herr Sener an "die Schergen von Erdogan" ausgeliefert werde, schreibt Reichel darin. Es sei bekannt, dass die Türkei keine rechtsstaatlichen Verfahren garantiere und kurdische Widerstandskämpfer verfolge und misshandle. Auch der Landesbischof der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern, Heinrich Bedford-Strohm, hatte sich zuletzt noch eingeschaltet, um eine Abschiebung zu verhindern.

Heybet Aktion 2022 02 04 1Von etwa 11 Uhr an demonstrierten circa 50 Menschenrechtsaktivist*innen im Terminal 1 des Münchner Flughafens vor dem Check-in-Schalter gegen die geplante Abschiebung. Azad Bingöl, Mitglied des Migrationsbeirats der Landeshauptstadt München, war mit dabei und sagte über die Verhältnisse in der Türkei und die drohende Verfolgung und Verhaftung von Heybet Sener: "Es ist ja nicht nur unsere subjektive Wahrnehmung als Kurdinnen und Kurden. Auch europäische Gericht bestätigen immer wieder verschiedenste Fälle von politischer Verfolgung und Menschenrechtsverletzungen in der Türkei."

"Die verhinderte Abschiebung war ein Erfolg. Aber das ist nur die Spitze des Eisbergs der brutalen und menschenverachtenden Abschiebepolitik in Deutschland."
Kerem Schamberger

Nach der Freilassung von Heybet Sener sagte Kerem Schamberger: "Die verhinderte Abschiebung war ein Erfolg. Aber das ist nur die Spitze des Eisbergs der brutalen und menschenverachtenden Abschiebepolitik in Deutschland."

Bayern: 1.800 Menschen im Jahr 2021 abgeschoben

Allein Bayern hat im vergangenen Jahr ungeachtet der Corona-Pandemie mehr als 1.800 Menschen abgeschoben – viele über den Flughafen München. Mit "konsequenten Rückführungen" sende man wichtige Signale, so Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU): Geltendes Recht werde vollstreckt, nur tatsächlich Schutzberechtigte könnten in Deutschland eine neue Heimat finden und für "Straftäter, Gefährder und Personen, die durch Gewalttaten oder Randale auffällig wurden," gelte eine strikte "Null-Toleranz-Politik". Die beabsichtigte Auslieferung von Heybet Sener an die türkische Diktatur überführt den Innenminister der Lüge bzw. zeigt, dass es sich für den bayerischen Innenminister bei Oppositionellen gegen die Erdogan-Diktatur nur um "Straftäter" handeln kann.

 

Anmerkungen:

[1] Bayerischer Rundfunk BR24, 4.2.2022, 16:21 Uhr: "Nach Protest: Abschiebung von 31-jährigem Kurden gestoppt"
https://www.br.de/nachrichten/bayern/nach-protest-abschiebung-von-31-jaehrigem-kurden-gestoppt,SwTxsDk

[2] Gülseren Demirel, MdL, Bündnis 90 / Die Grüne, 4. 2.2022: "Rettung vor Abschiebung: Heybet Sener ist frei"
https://guelseren.de/2022/02/04/trotz-drohender-festnahme-und-folter-soeder-regierung-plant-weiter-die-abschiebung-des-kurdischen-gefluechteten-in-die-tuerkei/

Farkha Festival Komitee ruft zu Spenden für die Solidaritätsarbeit in Gaza auf

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zum Text hier
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