19.06.2019: Berliner Senat beschließt Eckpunkte für den "Mietendeckel" ++ LINKE und Grüne setzen sich gegen SPD durch ++ Aktienkurse der Immobilienkonzerne im Sinkflug ++ "Deutsche Wohnen & Co. enteignen" übergibt 77.000 Unterschriften ++ Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD) für bundesweiten Mietendeckel ++ Thüringen könnte Berlin folgen, sagt die Partei- und Fraktionsvorsitzende der Thüringer LINKEN, Susanne Hennig-Wellsow
Der Berliner Senat hat am Dienstag (18.6.) Eckpunkte für den "Mietendeckel" beschlossen. Dies teilte die Senatorin für Stadtentwicklung, Katrin Lompscher (DIE LINKE), nach der Senatssitzung mit. Ab sofort dürfen die Mieten von mehr als 1,5 Millionen Wohnungen von privaten, kommunalen und gemeinnützigen Gesellschaften in Berlin fünf Jahre lang nicht erhöht werden. Mieten, die eine noch nicht festgelegte "Höchstmiete" überschreiten, müssen abgesenkt werden – andernfalls droht Vermietern ein Bußgeld von bis zu 500.000 Euro.
"Mieten dürfen für fünf Jahre nicht erhöht werden"
Katrin Lompscher.
Noch am Montag war fraglich, ob es zu einem Senatsbeschluss kommt. Der SPD war auf einmal der Schreck über den eigenen Mut in die Knochen gefahren. Die SPD mache eine "Rolle rückwärts", schimpften Politiker*innen der Grünen und er Linken über ihren Koalitionspartner. Senatskanzleichef Christian Gaebler (SPD) und die "Betonfraktion" des SPD-Landesverbandes hätten "die Reißleine" gezogen. Nach den Vorstellungen der SPD solle das Eckpunktpapier am Dienstag nicht beschlossen, sondern nur unverbindlich zur Kenntnis genommen werden, alarmierten Politiker*innen der Linken und der Grünen. Dann seien Mieterhöhungen bis zum Erlass des geplanten Gesetzes am Jahresende weiterhin möglich.
Am Dienstag setzten sich dann LINKE und Grüne in der Koalition gegen die Teile der SPD durch, denen die von der Stadtentwicklungssenatorin Katrin Lompscher vorgelegten Eckpunkte zu weit gehen. Damit sind in Berlin die Mieten seit Dienstag gedeckelt.
Lompscher muss nun bis zum 15.Oktober einen Entwurf für ein Gesetz vorlegen, das spätestens am 11. Januar 2020 in Kraft treten soll. Der Eigentümerverband Haus und Grund hält den fünjährigen Mietendeckel für verfassungswidrig. Lompscher sagt, sie rechne damit, "dass der Mietendeckel rechtlich angegriffen wird". Der Senat beschreite "juristisches Neuland", da es bisher in keinem anderen Bundesland eine ähnliche Regelung gibt.
77.001 Unterschriften für Enteignung von Deutsche Wohnen & Co. an Senat übergeben
Dass die Mitte-Links-Regierung in Berlin sich gegen den Mietenwahnsinn stellt, hängt auch mit dem Druck der Initiative für den Volksentscheid "Deutsche Wohnen & Co. enteignen" zusammen. Genau 77.001 Unterschriften übergab die Initiative vergangene Woche an die Senatsverwaltung. Damit ist die erste Hürde auf dem Weg zum Volksentscheid für die Vergesellschaftung von Immobilienkonzernen genommen.
“Dass wir so viele Unterschriften in so kurzer Zeit sammeln konnten, zeigt unmissverständlich wie frustriert die Berliner*innen mit der Profitmacherei der Immobilienkonzerne sind” erklärte Jenny Stupka, Sprecherin der Initiative Deutsche Wohnen & Co enteignen. Laut Landesgesetz sind 20.000 Unterschriften, die innerhalb von sechs Monaten gesammelt werden müssen, für die Zulassung zum Volksbegehren nötig. Tatsächlich sammelte die Initiative mehr als das Dreifache der benötigten Menge in nur einem Drittel der Zeit.
Der Senat sei nun aufgefordert, zügig zu handeln. “In kürzester Zeit haben wir dem demokratischen Willen nach einem radikalen Umsteuern in der Mietenpolitik zum Ausdruck verholfen. Wenn Innensenator Geisel das Volksbegehren auf die lange Bank schieben will, werden die Berliner*innen das nicht akzeptieren”, erklärte die Sprecherin der Initiative.
Haus und Grund: "Klassenkampf gegen kleine und mittelständische Eigentümer"
CDU, FDP und die Immobilienwirtschaft kritisieren das Vorhaben des Senats scharf. Der Eigentümerverband Haus und Grund sieht im Mietendeckel einen "unverhohlenen Klassenkampf gegen kleine und mittelständische Eigentümer". Die Absicht des Berliner Senats, die Mietpreise in der Hauptstadt ab 2020 für fünf Jahre gesetzlich einzufrieren, führe zu einem investitionsfeindlichen Klima in der Stadt.
Auch die Börse reagiert auf den Senatsbeschluss. Die Aktienkurse der Immobilienkonzerne Deutsche Wohnen, Vonovia , Aroundtown oder TAG Immobilien gingen auf Talfahrt. Bereits am 6. Juni, nachdem Wohnungsbausenatorin Katrin Lompscher (DIE LINKE) bekannt gegebn hatte, dass die Mieten gedeckelt werden sollen, rutschte Vonovia in einem positiven Marktumfeld mit einem Minus von 4,8 Prozent ans DAX-Ende. Die Aktien der Deutsche Wohnen sackten gar um 9,2 Prozent ab und waren der schwächste Wert im MDAX. Zu den Verlierern gehörten auch LEG Immobilien und ADO Properties. Gestern gaben die Aktien der Immobilienkonzeren noch einmal nach. Investoren fürchten offenbar, dass andere Länder ebenfalls einen Mietendeckel einführen. "Man muss jetzt schauen, ob das Berliner Beispiel Schule macht", sagte ein Händler gegenüber dem Nachrichtenmagazin Spiegel.
"Man muss jetzt schauen, ob das Berliner Beispiel Schule macht"
Der kommissarische SPD-Chef Thorsten Schäfer-Gümbel griff den Berliner Senatsbeschluss auf und fordert, dieses Konzept bundesweit zu übernehmen. Es gehe um eine Atempause im Mietmarkt. Nach den Vorstellungen der Sozialdemokrat*innen sollen die Mieten nur in Höhe der Inflationsrate steigen dürfen. "Wir gewinnen damit Zeit, um zu bauen, zu bauen und noch einmal zu bauen", sagte der SPD-Mann. "Wir werden das in der Koalition in den nächsten Tagen ansprechen und zum Thema machen", so Schäfer-Gümbel. Er weiß natürlich, dass die SPD-Forderung auf Bundesebene kaum durchsetzbar ist, weil CDU und CSU strikt dagegen sind. Bundeskanzlerin Angela Merkel findet es zwar richtig, dem Mietwucher zu begegnen, doch "wir müssen auch ein Klima schaffen, in dem gerne gebaut wird", sagte sie auf dem Deutschen Mietertag. "Es muss weiter interessant und attraktiv sein, in Wohnraum zu investieren."
"Wir brauchen den Mietpreisdeckel für ganz Deutschland"
Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD)
Auch DIE LINKE spricht sich für einen bundesweiten Mietendeckel aus. "Wir brauchen einen bundesweiten Mietenstopp für die nächsten fünf Jahre, wie ihn Berlin gerade einführen will", sagte Bundestagsfraktionsvize Caren Lay.
"Es gibt ein Grundrecht auf Wohnen, aber es gibt kein Grundrecht auf Profit durch Vermietung."
Susanne Hennig-Wellsow, Partei- und Fraktionsvorsitzende DIE LINKE Thüringen
Thüringen könnte dem Berliner Modell folgen und die Mieten für fünf Jahre einfrieren, erklärte die Partei- und Fraktionsvorsitzende der Thüringer LINKEN, Susanne Hennig-Wellsow. In dieser Zeit können in den betroffenen Städten in großer Zahl preiswerte Wohnungen durch die öffentliche Hand gebaut werden, wodurch sich der Wohnungsmarkt entspannen würde. Ergänzt und unterstützt werden soll der soziale Wohnungsbau der Kommunen zukünftig durch eine landeseigene Wohnungsbaugesellschaft. Deren Gründung hatte bereits Ministerpräsident Bodo Ramelow in Aussicht gestellt.
Nach Hennig-Wellsow sollte der Mietendeckel Mieterhöhungen nur noch in Höhe der Inflationsrate zulassen. Zudem sollte den Mieterinnen und Mietern nach Berliner Vorbild das Recht eingeräumt werden, ihre Miete auf Mietpreisüberhöhung behördlich prüfen zu lassen. Im Falle einer zu hohen Miete, müsste die Miete auf die zulässige Höhe abgesenkt werden. Schutz würden Mieterinnen und Mieter auch bei Neuvermietungen genießen. Vermieter dürften nur die zuletzt vereinbarte Miete verlangen.
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