27.06.2018: Über 200 Menschen wurden von der Besatzung des Rettungsschiffes »Lifeline« gerettet. Doch bislang erklärt sich kein europäisches Land bereit, die Flüchtenden aufzunehmen. Das Rettungsschiff einer Dresdner Hilfsorganisation mit 17 deutsche Besatzungsmitgliedern kreuzt seit Tagen zwischen Malta und Italien.
Italiens Innenminister Matteo Salvini von der rassistischen Partei Lega hatte am Montag bekräftigt, dass Schiffe von Hilfsorganisationen, die Geflüchtete vor der libyschen Küste aufnehmen, keine italienischen Häfen mehr anlaufen dürfen. Salvini bekräftigte auch, dass die »Lifeline« keine Genehmigung zum Anlegen in Italien erhalten werde.
Mitte Juni hatte Italien unter der neuen Regierung von rechtsextremer Lega und der 5-Sterne-Bewegung (M5S) erstmals einer Hilfsorganisation die Einfahrt in einen Hafen verweigert. Tagelang hing die Rettung von 629 Flüchtlingen, darunter 123 unbegleitete Jugendliche, 11 Kinder und 7 schwangere Frauen, in der Luft. Sie hatten das rettende Italien schon vor Augen und Libyen mit seinen "KZ-ähnlichen" Flüchtlingslagern (Auswärtiges Amt) und Sklavenmärkten im Rücken, als vom neuen italienischen Innenminister Matteo Salvini (Lega) die Order kam, dass die italienischen Häfen für das Schiff »Aquarius« der Organisationen SOS Méditerranée und Ärzte ohne Grenzen gesperrt sind. Schließlich erklärte sich Spanien bereit, die Flüchtlinge aufzunehmen.
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Jetzt hat die Regierung in Rom zudem mit der Beschlagnahmung der »Lifeline« gedroht, wie es bereits mit der »Iuventa« von »Jugend rettet« geschehen ist. Seit einem Jahr liegt das Boot in einem sizilianischen Hafen fest. Der Vorwurf der italienischen Staatsanwaltschaft, der jedoch von Experten widerlegt wurde: Die deutschen Seenotretter*innen hätten mit Schleppern kooperiert.
"Es ist eine riesige Schande, dass die EU seit Jahren tausende Grenztote als Preis ihrer Abschottungspolitik billigend in Kauf nimmt. Als ob das nicht genug wäre, untersagen europäische Regierungen nun zivilgesellschaftlichen Seenotrettungsinitiativen, aus dem Mittelmeer gerettete Flüchtlinge in europäischen Häfen in Sicherheit zu bringen. Die flüchtlingsfeindliche und mörderische Abschottungspolitik der EU hat damit eindeutig einen neuen humanitären Tiefpunkt erreicht.“ Ulla Jelpke, MdB, (DIE LINKE) |
Laut italienischer Regierung darf die »Lifeline« nun in Malta anlegen. Malta hat aber der »Lifeline« noch keine Genehmigung zum Einlaufen erteilt (Stand 7:30 Uhr) und erklärt, die Geflüchteten nicht aufnehmen zu wollen, sondern will sie auf andere EU-Staaten verteilt sehen.
Nun hat sich Berlins rot-rot-grüner Senat bereit erklärt, Flüchtlinge des seit Tagen auf dem Mittelmeer wartenden Rettungsschiffs »Lifeline« aufzunehmen.
update 20:00 Uhr: Die »Lifeline« durfte inzwischen in Malta anlegen. Malta weigert sich jedoch, Flüchtlinge aufzunehmen. Die maltesischen Behörden haben angekündigt, das Schiff für Ermittlungen zu beschlagnahmen. Aktuelle Stunde im Bundestag: Bundesfinanzminister und Vizekanzler Olaf Scholz (SPD) sagte, dass die Frage erörtert werde, ob das Schiff "festgesetzt" werde, um Situationen zu verhindern, in denen Menschen in Gefahr gerieten. Der stellvertretende FDP-Bundesvorsitzende Wolfgang Kubicki hat Bundesinnenminister Horst Seehofer aufgefordert, schnell die Zustimmung zur Aufnahme von Flüchtlingen der "Lifeline" durch einzelne Bundesländer zu erteilen. "Wenn Länder im Rahmen der Nothilfe sich bereit erklären, Verantwortung zu übernehmen, dann muss dieser formale Akt der Zustimmung schlicht und ergreifend erteilt werden." Die Verweigerungshaltung des Innenministeriums sei aber nicht nur "inhuman und unmenschlich", auch rechtlich sei das bedenklich, so Kubicki. Und er fügte hinzu: "Jeder Tag, an dem das nicht geschieht, und jeder Mensch, der jetzt stirbt, geht auf das Konto von Horst Seehofer". Quellen: https://www.tagesschau.de/ausland/malta-lifeline-103.html, https://mobil.n-tv.de/politik/Kubicki-Jeder-Tote-geht-auf-Seehofers-Konto-article20500140.html |
Der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) forderte von der Bundesregierung, "dass sie alles unternimmt, um diese humanitäre Krise vor unserer Tür zu beenden". Weiter sagte er: "Und ich kann das auch für unsere Koalition hier in Berlin sagen, dass wir natürlich bereit sind, Menschen zu helfen, die Schutz und Sicherheit suchen."
"Inmitten einer immer noch lebendigen Willkommens- und Unterstützungsbewegung, inmitten der großen und wachsenden Proteste gegen die AfD, inmitten der beeindruckenden Kämpfe von Geflüchteten für ihr Recht auf ein gutes Leben und inmitten wachsender Bewegungen für eine nachhaltige, globale Gerechtigkeit wird vielerorts so getan, als sei der Rechtspopulismus der einzig maßgebliche Ausdruck der aktuellen gesellschaftlichen Stimmungslage. Diese Behauptung ist falsch. Und sie ist politisch fatal. Es ist daher für uns an der Zeit, gemeinsam und eindeutig Stellung zu beziehen. Wir verweigern uns ausdrücklich der politischen Logik einer sich verfestigenden rechten Hegemonie." Auszug aus dem Aufruf »Solidarität statt Heimat« von kritnet, medico international & ISM |
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Die Berliner Integrationssenatorin Elke Breitenbach (DIE LINKE) sagte der Zeitung »taz«, Berlin könne nicht allein in der Frage entscheiden. Rechtlich brauche das Land die Erlaubnis der Bundesregierung. Nötig ist also die Zustimmung von Innenminister Horst Seehofer (CSU).
Kultursenator Klaus Lederer (DIE LINKE) äußerte gegenüber der »taz«: "Die humanitäre Katastrophe um die Lifeline zeigt deutlich, dass eine europäische Abschottung nur eine Katastrophe nach der nächsten produzieren wird." Daher sei es "absolut zwingend zu gesamteuropäischen solidarischen Lösungen zu kommen." Er bestätigte, dass es bereits Verhandlungen mit Barcelona und Neapel gegeben habe, die ebenfalls bereit seien, einen Teil der Menschen aufzunehmen. "Ich bin froh, dass aus den Städten der Impuls kommt, der Abschottungs- und Augen-zu-Politik zu widerstehen", so Lederer.
Katina Schubert, Landesvorsitzende von DIE LINKE Berlin, erklärte: "Perspektivisch möchten wir ein Netzwerk solidarischer Städte aufbauen, um dem Rechtsruck in Europa etwas entgegenzusetzen."