Deutschland

refugees-welcome-300x22327.10.2015: Im Dezember 2015 erscheint der isw-report 103 zur Flüchtlingsproblematik. Jetzt hat das isw daraus Fakten und Argumente zum Thema Flüchtlinge und Asyl als Vorabdruck veröffentlicht.
Das Problem bei einer Diskussion zum Thema „Asyl“ und Aufnahme oder Ablehnung von Flüchtlingen ist, dass Menschen auf Zahlen reduziert werden, zu Kostenfaktoren degradiert und Kosten-Nutzen-Überlegungen angestellt werden. Es geht aber um Menschen, die ums Überleben kämpfen - Humanität und Solidarität dürfen deshalb nicht unter Kostenvorbehalt und Nützlichkeitserwägungen gestellt werden. Hilfe in Not darf nicht zur ökonomischen Kategorie verkommen. Die Menschenwürde ist migrationspolitisch nicht relativierbar, stellte das Bundesverfassungsgericht 2012 fest. Wenn hier dennoch Zahlen verwendet werden, über Kosten und Arbeitsplätze gesprochen wird, dann nur aus dem Grund, die kursierenden Hetzparolen zu widerlegen.

Inhalt:

 

Vorurteil 1

„Wir sind nicht das Sozialamt für die ganze Welt“ (Seehofer). Wir können nicht die ganzen Flüchtlinge aufnehmen

Die CSU hat sich inzwischen Pegida- und NPD-Parolen zu eigen gemacht, um Furcht und Panik zu verbreiten. CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer hatte schon im Juli 2015 die Stimmung mit diesen Worten angeheizt: „An den Grenzen stehen 60 Millionen Flüchtlinge. Wie sollen wir dieser Massen Herr werden? Deutschland kann nicht dieganze Welt retten“ (zit. nach focus, 20.7.15).

Für das Jahr 2014 registrierte das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen (UNHCR) weltweit 59,5 Millionen Menschen auf der Flucht: 38,2 Millionen dieser Menschen - fast zwei Drittel (64%) - waren Binnenvertriebene, lebten nach Angaben des Jahresberichts von UNHCR (Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen) heimatlos innerhalb ihren eigenen Ländern. Nur 19,5 Millionen, die die Grenzen überschritten, werden von UNHCR als Flüchtlinge bezeichnet. Davon haben 86 Prozent eine notdürftige Unterkunft in den meist riesigen Flüchtlingslagern der angrenzenden Schwellenländer gefunden. 1,8 Millionen Menschen werden in der UNHCR-Statistik gesondert als „Asylsuchende“ eingestuft. Zwischen zehn und zwanzig Prozent der Flüchtlinge - die ihre Landesgrenzen überschreiten - schaffen es in die reichen Industrieländer des Nordens und können dort einen Asylantrag stellen. Obwohl diese Metropolen des Kapitalismus durch militärische und strukturelle Gewalt die Hauptverursacher der Flüchtlingsmisere sind, bekommen sie es bislang nur mit einem Bruchteil des Elends zu tun.

Anders die Randstaaten der Flüchtlingsbrennpunkte.

Die Hauptaufnahmeländer waren 2014 Türkei 1,6 Mio., Pakistan 1,5, Libanon 1,2, Iran 0,9, Äthiopien 0,7, Jordanien 0,7, Kenia 0,6, Tschad 0,5, Uganda 0,4, China 0,3 Millionen - Deutschland mit 203.000 gerade noch unter den ersten fünfzehn. 2015 dürfte Deutschland mit gut einer Million Flüchtlingen weiter vorn rangieren. Bezogen auf die Bevölkerungszahl und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit ist das immer noch wenig: etwa ein Prozent der Bevölkerung sind Flüchtlinge; dagegen Libanon knapp 25% der Bevölkerung, Jordanien 9 Prozent - bereits 2014.

Unter den Hauptaufnahmeländern (nach absoluten Zahlen) befand sich 2014 kein einziges EU-Land; bezogen auf 1000 Einwohner war Schweden das einzige EU-Land (Platz 10) unter den zehn wichtigsten.

Die Hauptherkunftsländer waren 2014: Syrien 3,9 Millionen Auslandsflüchtlinge (+ 7,6 Mio. Binnenflüchtlinge), Afghanistan 2,6 Mio., Somalia 1,1 Mio., Sudan und Südsudan 1,25 Mio., Kongo 0,52 Mio., Myanmar 0,48 Mio., Irak 0,37, Mio., Eritrea 0,36 Mio.

Knut Mellenthin in jw (8.10.15): „Die Zahlen deuten darauf hin, dass die von der NATO angezettelten Bürgerkriege und Militärinterventionen zwecks „Regime Change“ zwar ein seit 2001 konstant an Bedeutung gewinnender Motor der Fluchtbewegungen sind, aber doch nicht der einzige“. Insbesondere 2015 wird durch kumulierende bewaffnete Konflikte und Bürgerkriege, als auch durch die sich aufschaukelnde ökonomische und ökologische Krise ein neuer Scheitelpunkt der Flüchtlingswelle erreicht. Die strukturelle Gewalt des Kapitalismus erweist sich nun als Bumerang, der auf seine Urheber zurück schlägt. Dazu kommt, dass die Situation in den Flüchtlings-“Städten“ im Libanon, Jordanien, Türkei… inzwischen unerträglich geworden ist, weil UNHCR inzwischen das Geld ausgeht. Von den für die Versorgung der Flüchtlinge 2015 veranschlagten vier Milliarden Euro ist noch nicht einmal die Hälfte eingegangen. So stehen z.B. jedem Flüchtling in Jordanien derzeit weniger als 13 Euro monatlich für Essen zur Verfügung (SZ, 1.10.15).

Kein Wunder, dass die „Völkerwanderung“ aus dem Süden sich zunehmend in Richtung Industrieländer des Nordens bewegt, wo z.B. in den G7-Staaten nur zehn Prozent der Weltbevölkerung fast die Hälfte des Welt-Sozialprodukts für sich beanspruchen und mehr als ein Drittel der globalen Ressourcen. Der portugiesische Chef des UNHCR, Antonio Guterres in einem Interview mit der Nachrichtenagentur Reuters: „Unglücklicherweise bemerken die Reichen die Existenz Armen erst, wenn die Armen die Hallen der Reichen betreten“ (zit. nach jw, 8.10.15).

 

Vorurteil 2

„Aber in Europa nimmt Deutschland doch die meisten Flüchtlinge auf“

Auch für Deutschland gilt: Die Zahl der Flüchtlinge, die hierher drängt, ist so hoch wie nie. 2014 stellten 203 Tausend Flüchtlinge einen Antrag auf Asyl (darunter waren 173.000 Erstanträge). In absoluten Zahlen ist das in Europa das höchste Kontingent. Bezogen auf die Größe der Bevölkerung (pro 1000 Einwohner) lag Deutschland 2014 in Europa aber erst auf Platz acht und Platz sechs in der EU.(Asylbewerber pro 1000 Einwohner: Schweden 8,4, Ungarn 4,3, Österreich 3,3, Malta 3,0, Schweiz 2,9, Dänemark 2,6, Norwegen 2,6, Deutschland 2,5). (Eurostat 2014).

2015 macht die Zahl der Asylbewerber und Flüchtlinge einen Quantensprung nach oben. Im Easy-System wurden von Januar bis Ende September 577.000 Flüchtlinge in Deutschland registriert. Im gleichen Zeitraum gab es 303.000 Asylanträge (275.000 Erstanträge). Bis zum Jahresende überschreitet die Zahl der Flüchtlinge vermutlich die Millionengrenze.

Die Hauptherkunftsstaaten der in Deutschland gestellten Erstanträge von Asylbewerbern (1. Januar 2015 bis 30. September): Syrien 25,6%, Albanien 16,2%, Kosovo 11,4%, Afghanistan 5,8%, Irak 5,6%, Serbien 5,2%, Mazedonien 2,7%, Eritrea 2,7%, Pakistan 1,8%, Rest 1,7%. Die drei erstgenannten Herkunftsländer stellen über die Hälfte (53,2%) aller Erstanträge. Es sind alles Staaten, wo sich EU und teilweise die NATO „weltordnend“ und im Namen von Demokratie und Freier Marktwirtschaft/Freihandel eingemischt hat. Und Deutschland mit zuvorderst: Als Kriegspartei im Jugoslawienkrieg (Serbien, Kosovo), als „Freiheitsverteidiger“ am Hindukusch (Afghanistan), durch Waffenlieferungen an arabische Despoten (Saudi Arabien, Katar, VAR), wo sie dann bei al-Quaida und al-Nusra und IS in Syrien und Irak landeten, durch Bereitstellung militärischer Infrastruktur für den Irak-Krieg usw.usf.

 

Vorurteil 3

„Das Boot ist voll. Mehr geht nicht“

Diese Behauptung soll suggerieren, dass wir alle untergehen, wenn wir noch mehr Flüchtlinge aufnehmen. Vor allem Rechtspopulisten von Pegida bis CDU/CSU und Springerpresse argumentieren demagogisch, dass man Deutschland wegen Überfüllung schließen müsse. Aber auch sozialdemokratische Spitzenpolitiker stoßen in das Horn. SPD-Bundestags-Fraktionschef Oppermann spricht von „Grenzen der Aufnahmekapazität“. Sie übersehen dabei, dass ihre Abwehr-Forderungen schlicht gegen die Verfassung verstoßen. Nach Artikel 16 Absatz 2 zählt das Asylrecht („Politisch Verfolgte genießen Asylrecht“) zu den Grundrechten (Art. 19 Abs.2), die nicht abgeschafft - wie es Politiker der CSU fordern - oder eingeschränkt werden dürfen. Dieses Recht kann also auch nicht kontingentiert oder gedeckelt werden.

Flüchtlings-“Wanderung“: In der öffentlichen Debatte um die Flüchtlinge spielen in der Regel nur die Zugangszahlen eine Rolle. Es wird ausgeblendet, dass viele Flüchtlinge Deutschland wieder verlassen (bzw abgeschoben werden). Berücksichtigt man das, dann hat sich die Zahl der in Deutschland lebenden Flüchtlinge in den letzten 17 Jahren sogar reduziert. Das ergibt sich aus einer Anfrage der LINKEN (Bundestagsdrucksachen 18/3987 und 16/8321): Danach lebten Ende 2014 insgesamt rund 630.000 Flüchtlinge in Deutschland, das waren 0,8% der Bevölkerung. Davon waren etwa 338.000 anerkannte Flüchtlinge, sowie 291.000 Asylsuchende und Geduldete. Ende 1997 betrug die Gesamtzahl der so gezählten Flüchtlinge noch über eine Million (Die LINKE: Flüchtlinge willkommen heißen- Vorurteilen entgegentreten).

2015 und auch in den Folgejahren wird allerdings die Zahl der zuwandernden Flüchtlinge weit größer sein als die, die Deutschland verlassen. Vor allem solange die Ursachen nicht beseitigt oder abgeschwächt werden. Angesichts der Wirtschaftskraft von Deutschland, besteht dennoch kein Grund zur Panikmache. Nach einer Umfrage unter Flüchtlingen, wollen 80 Prozent in ihre Heimatländer zurückkehren, sobald sich die Situation dort stabilisiert hat. Aber selbst wenn sie das in absehbarer Zeit nicht können oder wollen: diese Flüchtlinge sind die Opfer neoliberaler Globalisierung, die mit Handelsdiktaten, Finanz- und Kriegswaffen vorangetrieben wird. Heribert Prantl fordert in der SZ (17.10.15) alles zu tun, „um Fluchtländer wieder zu Ländern (zu) machen, in denen Menschen leben können. Im Fall Syrien heisst das, dass Merkel mit Putin reden muss, Obama mit den Machthabern in Theran etc., etc. Der Westen, zumal Deutschland, wird aufhören müssen, die Saudis zu unterstützen, die dann die Waffen an den IS liefern“. Und: „Es gäbe ein Mittel, die Verhältnisse in den Hungerstaaten Afrikas zu verbessern: gerechten Handel. Solange zum Beispiel EU-Butter in Marokko billiger ist als die einheimische, solange muss man sich über den Exodus aus Afrika nicht wundern. Die EU-Subventionspolitik und Freihandel à la TTIP sind eine Politik, die Fluchtursachen schafft. Gegen diese falsche Politik helfen keine Füchtlings-Auffanglager“.

 

Vorurteil 4

„Wir können uns so viele Asylbewerber finanziell nicht leisten. Das sprengt unsere öffentlichen Finanzen und Haushalte“

Da ist er wieder: Der Mensch als Kostenfaktor - selbst wenn er sich in Lebensgefahr befindet. Humanität ja, solange sie nicht zu teuer ist. Finanzminister Schäuble wusste genau, welche Reflexe er aktivieren konnte, als er für die Mehrausgaben für Flüchtlinge, globale Minderausgaben im Bundeshaushalt einforderte. Zuallererst dort wo es den Menschen, den Kleinen Leuten in den ärmeren Stadtvierteln, wo auch die Flüchtlinge untergebracht sind, am meisten wehtut: Schließung öffentlicher Einrichtungen wegen der „teuren Flüchtlinge“. Flüchtlinge werden gegen den Rest der Bevölkerung ausgespielt.

Natürlich gibt es die Bleibe und Integration der Flüchtlinge nicht zum Nulltarif. Soll sie gut und schnell gelingen, muss Geld in die Hand genommen werden: Für Sprachkurse, berufliche Fortbildung, Schulen, Sozialwohnungen, Kitas und Krankenhäuser, vor allem aber in Schulen und Lehrer, in Studien- und Arbeitsplätze.

Die Bundesregierung rechnet pro Asylbewerber mit 1000 Euro im Monat (wovon der Bund 670 Euro übernimmt), also rund 12.000 Euro pro Jahr. Bei einer Million Flüchtlinge sind das etwa 12 Milliarden Euro im Jahr.

Bedenkt man, dass die Rettung der Banken vor dem Untergang dem deutschen Staat 187 Milliarden Euro an Steuergeldern wert war, dann ist es nur recht und billig, wenn für das Überleben Hunderttausender Flüchtlinge wenigstens ein Fünfzehntel dieser Summe bereit gestellt wird.

Bleiben wir in der Gegenwart. Nach Finanzprognosen wird der deutsche Fiskus in diesem Jahr einen Haushaltsüberschuss von 23 Milliarden Euro erzielen (FAZ, 9.10.15); damit ließen sich die finanziellen Aufwendungen fast doppelt finanzieren. Einsparungen und Umschichtungen wären auch beim Rüstungsetat möglich. Dieser steigt 2016 um 1,4 Milliarden Euro auf 34,4 Milliarden Euro - der zweithöchste Einzelposten im Bundesetat. Damit werden keine Flüchtlinge gerettet, sondern über die Auslandseinsätze der Bundeswehr neue rekrutiert.

Es sind aber auch noch andere Finanzquellen denkbar; z.B. eine Vermögensteuer auf Superreiche. Nach einer Studie des DIW besitzt das reichste Promille (Tausendstel) der Bevölkerung, insgesamt 40.000 Haushalte, 17 Prozent des gesamten Privatvermögens: 1,5 Billionen Euro. Würde man diese obersten Zehntausend nur mit zwei Prozent Vermögensabgabe besteuern, ergäbe das im Jahr 30 Milliarden Euro zusätzliche Einnahmen.

Entscheidend wäre jedoch in Europa, einen Strom von wirklichen Wirtschaftsflüchtlingen zu unterbinden, der uns teuer zu stehen kommt: den Treck der Steuerflüchtlinge in Richtung Luxemburg (LuxLeaks), Liechtenstein, die Schweiz, die britischen Kanalinseln und andere Steueroasen in Europa und Übersee. “Etwa eine Billion Euro (1000 Milliarden!) geht der EU Jahr für Jahr durch Steuerhinterziehung und Steuerumgehung verloren“, erklärte einer, der es wissen muss, EU-Steuerkommissar Algirdas Semetas.

In wirklich finanzieller und logistischer Not sind die Kommunen. Sie sind mit einer menschenwürdigen Unterbringung der stark gestiegenen Zahl von Flüchtlingen überfordert. Rechten Politikern und Scharfmachern ist das nicht unangenehm, können sie die Gemeinden doch als „Kronzeugen“ für ihre Forderung nach Begrenzung des Zuzugs ins Feld führen.

Doch die Ursachen für chaotische Zustände in Städten und Gemeinden liegen beim Bund und den Ländern. Obwohl ein starker Anstieg der Flüchtlingszahlen für 2015 vorhersehbar war, hat der Bundesinnenminister keinerlei vorbereitende Maßnahmen ergriffen, wurden die Kommunen nicht rechtzeitig mit ausreichenden finanziellen Mitteln ausgestattet. Die Kommunen müssen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) die Kosten des Unterhalts und der Erstunterbringung tragen. Sobald aber ein Asylbewerber anerkannt ist, wird er automatisch Kunde eines der Jobcenter, die der Bund finanziert. Statt Hilfeleistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz hat er dann Anspruch auf die in der Regel höheren Hartz-IV-Leistungen (mit Abschlägen).

Es gilt, was Nürnbergs OB und Präsident des Deutschen Städtetags Mahly Mitte Juni erklärte: „Die Bevölkerung ist bereit, die Ankommenden offen aufzunehmen…sofern sie (die Städte) die Finanzmittel zur Verfügung haben“.

 

Vorurteil 5

„Die Ausländer plündern unsere Sozialkassen. Das Geld fehlt bei unseren Krankenkassen, die Renten werden unsicher, es droht Altersarmut“

Diese Argumente werden auch von neoliberalen Auftrags-Wissenschaftlern propagiert, wie z.B. dem Renten“experten“ Professor Bernd Raffelhüschen, Vorstandsmitglied der stramm neoliberalen „Stiftung Marktwirtschaft“: „Die fatale Asylpolitik bringt Altersarmut“. Nach seiner demagogischen Behauptung, die er durch nichts belegen kann, würden 90 Prozent der Ankommenden später in die steuerfinanzierte Grundsicherung bei der Rente fallen. Dadurch würde „die Altersarmut stark steigen…Die Altersarmut ist kein deutsches Phänomen, sondern wird ein Zuwandererproblem“ (spiegel-online, 15.10.15).

Die Flüchtlinge sind danach Schuld und nicht die unsozialen Rentenreformen der verschiedenen Regierungen in den vergangenen Jahren, wenn immer weniger Menschen nach einem harten Erwerbsleben mit ihrer Rente auskommen. Raffelhüschen hat an allen Rentenkürzungsreformen kräftig mitgemischt.

Dass Ausländer und Zuwanderer die deutschen Sozialsysteme ausbeuten, ist reine Legende. Nach einer Studie des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) im Auftrag der Bertelsmann Stiftung profitiert der Sozialstaat von Zuwanderung: „Die 6,6 Millionen Menschen ohne deutschen Pass sorgten 2012 für einen Überschuss von insgesamt 22 Milliarden Euro. Jeder Ausländer zahlt demnach pro Jahr durchschnittlich 3.300 Euro mehr Steuern und Sozialabgaben, als er an staatlicher Leistung erhält. Das Plus pro Kopf ist in den vergangenen zehn Jahren um über die Hälfte gestiegen“ (Prof. Holger Bonin, Der Beitrag von Ausländern und künftiger Zuwanderung zum deutschen Staatshaushalt, Bertelsmann Stiftung 2014).

 

Vorurteil 6

„Die Asylbewerber nehmen uns die Arbeitsplätze weg. Sie drücken die Löhne und vergrößern den Niedriglohnsektor“

Prinzipiell ist hier zu sagen: Im Zuge der neoliberalen Globalisierung wurden für Waren und Kapital die Grenzen niedergerissen. Das Kapital kann ungehindert dorthin gehen, wo die höchsten Profite winken (globale Produktionsnetzwerke). Es vernichtet im Zuge der Ausbeutung gerade in den Entwicklungsländern menschliche Existenzen in hoher Zahl. Für die Ware Arbeitskraft aber blieben die nationalen Grenzen bestehen (Ausnahmen: EU; und global: Spitzen-Management von TNK). Die Menschen, die davon leben, ihre Arbeitskraft zu verkaufen, wollen bzw. müssen dorthin gehen können, wo sie diese auch verkaufen können.

Inzwischen dämmert es auch Kabinett und Kapital: Deutschland ist ein Einwanderungsland. Ohne erhebliche jährliche Zuwanderung entstünde ein handfestes demografisches Problem. Nach einer Prognose des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) bei der Bundesagentur für Arbeit, würde sich das Arbeitskräfteangebot in den nächsten zehn Jahren um 6,5 Millionen Menschen verringern, wenn es keine Zuwanderung gäbe. Heute leben in Deutschland rund 45 Millionen Menschen im erwerbsfähigen Alter. 2050 werden es ohne Zuwanderung nur noch 29 Millionen sein (Spiegel-online, 10.9.15).

Nach Sozialministerin Nahles „hat das Land Schritt für Schritt anerkannt, dass wir auf Zuwanderung angewiesen sind“ (Spiegel, 5.9.15). Und Arbeitgeberpräsident Ingo Kramer wertet denn auch die steigenden Flüchtlingszahlen als Chance für den deutschen Arbeitsmarkt: „Wir brauchen für die nächsten 20 Jahre viel mehr Arbeitskräfte, als dieses Land hervorbringen wird“ (HB, 7.9.15). Mercedes-Chef Zetsche erinnert daran, dass „die meisten Flüchtlinge jung, gut ausgebildet und hochmotiviert sind“ (HB, 7.9.15). Die Feststellung wird vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) bestätigt. Gemäß Befragungen gaben 15 Prozent an, eine Hochschule besucht zu haben, 16 Prozent ein Gymnasium und 35 Prozent eine Mittelschule. „Das Qualifikationsniveau ist also relativ hoch“, so der damalige Präsident des BAMF (ebenda).

Es besteht allerdings die Gefahr, dass die Top-Manager hier Rosinenpickerei betreiben wollen oder sich gar für im Kapitalinteresse kontrollierte und gesteuerte Migration einsetzen. Nach Kriterien der Nützlichkeit für ihre Konzerne. DHL-Chef Frank Apel: „Wenn Flüchtlinge rasch Arbeitsbewilligungen erhalten, dann können deutsche Unternehmen wie Deutsche Post DHL Group dieses Potenzial nutzen“ (HB, 7.9.15).

Eine akute Gefahr für Beschäftigung und Arbeitsplätze geht von den Asylbewerbern jedenfalls nicht aus - trotz aller Horrorszenarien, wie sie von Pegida und Neonazis an die Wand gemalt werden. Solche Schreckensbilder wurden auch bei der Massenmigration Anfang der 90er Jahre verbreitet.

Derzeit sucht die Wirtschaft intensiv nach Mitarbeitern, die Arbeitsagentur registriert 600.000 offene Stellen, soviel wie nie zuvor in Deutschland. Und die zusätzlichen Milliarden für Unterkünfte, Schulen, Kitas, Sprachkurse, zusätzlicher Öffentlicher Dienst zur Bewältigung des Flüchtlingsstroms? „Das wirkt ähnlich wie ein Konjunkturprogramm“, schreiben die Wirtschaftsforschungsinstitute DIW und RWI (FAZ, 9.10.15).

Zudem ist die Bundesregierung aufgefordert, durch eine grundlegende Sanierung und Ausbau der maroden Infrastruktur Arbeitsplätze in großem Ausmaß zu schaffen. Das gleiche gilt für die notwendige Erweiterung der öffentlichen Daseinsvorsorge und öffentlichen Dienste.

Jens Berger schreibt in den NachDenkSeiten (14.915): „Gern wird von Seiten der „Wir-schaffen-es-Front“ an dieser Stelle angemerkt, dass Deutschland ja in der Nachkriegszeit auch den gewaltigen Ansturm der Vertriebenen gemeistert hat und diese Anstrengungen das junge Land vorangetrieben haben. Richtig! Aber dann sollte man doch bitte auch erwähnen, wie Deutschland damals dieses Kunststück gemeistert hat: Nämlich durch das Lastenausgleichsgesetz, eine gigantische Vermögensabgabe, bei der Vermögende bis zu 50% ihres Gesamtvermögens abgeben mussten“. Wir könnten es heute billiger machen und nur von den Superreichen eine Lastenausgleichs-Abgabe erheben.

Mindestlohn: Keine Frage. Ein größeres Angebot an Arbeitskräften wird den Druck auf die Löhne erhöhen. Vor allem im Niedriglohnbereich. Die Unternehmer werden sich diese Chance nicht entgehen lassen. Es zeigt sich jetzt, wie gut es ist, dass der Mindestlohn gesetzlich eingeführt und damit der Ausweitung des Niedriglohnbereichs eine Schranke gesetzt wurde.

Kein Wunder, dass jetzt eine Kampagne von Kapital-Funktionären und ihnen ergebenen Wissenschaftlern zur Absenkung bzw. temporären Aussetzung des Mindestlohnes gestartet wurde. Ifo-Präsident Sinn in der Wirtschaftswoche (2.9.15): „Um die neuen Arbeitskräfte in den regulären Arbeitsmarkt zu integrieren, wird man den gesetzlichen Mindestlohn senken müssen“. Inzwischen schlägt er vor, „ihn ganz aufzuheben oder zu senken“ (HB, 20.10.15). Zynischerweise läuft diese Lohndrückerei unter dem Stichwort „Erleichterung der Integration“, wie z.B. beim Präsidenten des NRW-Metallunternehmerverbandes, der unter dieser Fahne die Einstiegstarife in der Branche absenken will (vgl. jw, 16.9.15). Und Schützenhilfe kommt vom Hauptgeschäftsführer des Deutschen Landkreistages, Hans-Günter Henneke, in der Rheinischen Post: Er fordert, „für einen Zeitraum von zumindest drei Monaten die Beschäftigung von Asylbewerbern auch zu einem Entgelt unterhalb des Mindestlohns“ zu ermöglichen. In die gleiche Kerbe schlägt die CSU, die eine Aufweichung der Mindestlohnregeln für Flüchtlinge forderte (HB, 30.9.15). Die Landesgruppenchefin der CSU im Bundestag, Gerda Hasselfeldt: „Es darf keine Denkverbote geben“. Nein, es sollte ein Nachdenkgebot geben, wohin eine solche Politik führt: Zu einem Billigproletariat, das gegen deutsche Niedriglöhner ausgespielt werden kann. Das würde Rassismus und Spaltung weiter Vorschub leisten. Die Gewerkschaften müssen höllisch aufpassen, um dies zu verhindern. Bereits jetzt wird mit der Kampagne die notwendige Erhöhung des Mindestlohns abgeblockt. Ver.di hatte auf dem Gewerkschaftstag im September eine Erhöhung des gesetzlichen Mindestlohns von jetzt 8,50 Euro auf 10 Euro gefordert.

 

Vorurteil 7

„Die „Asylanten“ nehmen uns die Wohnungen weg. Alteingesessene Mieter werden aus ihren Wohnungen vertrieben, damit dort Flüchtlinge einquartiert werden können“

In der Tat gibt es einzelne Fälle, wo Mieter aus kommunalen Wohnungen ausziehen mussten, weil die Gemeinde dort Flüchtlinge unterbringen wollte. Durch Verbreitung über die sozialen Medien und die Sensationspresse sorgt das für entsprechende Empörung und Skandalisierung bei der Bevölkerung. Den Städten und Gemeinden fällt es offensichtlich schwer, die ihnen zugewiesenen Flüchtlinge unterzubringen. Der Skandal liegt aber nicht in diesen Einzelfällen, sondern in der generellen menschenunwürdigen Unterbringung der Flüchtlinge: In menschenunwürdigen Sammelunterkünften, in Containern und Turnhallen, Fabriksälen, Zeltstädten, billigst gebauten Flüchtlingsheimen. Selbst bei Anerkennung des Asyls gelingt es nur wenigen Asylberechtigten, eine Wohnung zu ergattern. Sie müssen meist weiterhin in Sammelunterkünften leben.

Die Wohnungsnot in Deutschland, die sich in fehlendem Wohnraum, horrend steigenden Mieten (vor allem in Ballungsräumen) und einer zunehmenden Zahl von Obdachlosen äußert, wurde nicht von den Flüchtlingen verursacht. Sie ist hauptursächlich auf die verfehlte Wohnungs- und insbesondere Wohnungsbaupolitik zurückzuführen. Wohnpolitisch wurde das Dach über dem Kopf total dem Profitprinzip unterworfen, dem „freien Markt“ ausgesetzt. Wohnungsbaupolitisch hat sich der Staat aus der Aufgabe des Baus preiswerter Wohnungen verabschiedet. Von den sechs Millionen Sozialwohnungen, die es einmal gab, sind noch ganze 1,4 Millionen übrig. Und jedes Jahr fallen weitere 60.000 mit steuerlichen Mitteln finanzierte Wohnungen aus der Sozialbindung. (SZ, 7.10.15). Seit 2007 werden so gut wie keine Sozialwohnungen mehr gebaut. Seither sind die Länder für die Wohnraumförderung zuständig. Vom Bund erhalten diese 500 Millionen Euro Ausgleichszahlungen im Jahr; ein Tropfen auf den heißen Stein.

Wohnen ist ein öffentliches Anliegen; es ist auch eine öffentliche Aufgabe. Es darf nicht primär der Privatwirtschaft und dem Renditesystem überlassen werden. Denn dadurch wird die Wohnung zur Ware, es entsteht nicht billiger Wohnraum, sondern profitabler.

 

Vorurteil 8

„Die „Asylanten“ sind Sozialschmarotzer. Sie machen sich auf unsere Kosten ein schönes Leben. Der Staat wirft ihnen unser Geld noch hinterher“

Jeder kennt angeblich einen Flüchtling, der in Saus und Braus lebt oder hat es von irgendjemand erfahren. Selbst der für die Flüchtlinge zuständige Innenminister De Maizière beteiligt sich an dieser Diffamierung und Gerüchteküche. Im ZDF-“heute-journal“ erklärte er mit versteinerter Bürokraten-Miene zu den Flüchtlingen: „Sie gehen aus Einrichtungen raus, sie bestellen sich ein Taxi, sie haben erstaunlicherweise das Geld, um Hunderte Kilometer durch Deutschland zu fahren. Sie streiken, weil ihnen die Unterkunft nicht gefällt, sie machen Ärger, weil ihnen das Essen nicht gefällt, sie prügeln in Asylbewerbereinrichtungen“.

Asylbewerber erhalten Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG). Neben Unterkunft (meist in Erstaufnahme- und Gemeinschaftsunterkünften), Essen, Kleidung und Hygieneartikeln ist das ein Taschengeld für den erwachsenen Asylbewerber in Höhe von 143 Euro im Monat. Ehepartner 129 Euro, Kinder unter 18 Jahre 84 Euro. Nach den neuen Asylbestimmungen der Regierung soll das Taschengeld künftig durch Sachleistungen und Gutscheine ersetzt werden. Das soll die Flüchtlinge u.a. vom Kommen abhalten. In der Zeit, in der das Asylverfahren bearbeitet wird, müssen die Flüchtlinge bis zu sechs Wochen, höchstens drei Monate in Erstaufnahmeeinrichtungen wohnen. Wenn jemand nicht in einem Flüchtlingsheim wohnt, bekommt er als Erwachsener monatlich 212 Euro. Diese Summe muss dann für alles reichen, außer Miete und Heizung und Arztbesuche.

Sobald Flüchtlinge die Erstaufnahmestätten verlassen, bekommen sie Leistungen nach dem veränderten AsylbLG vom März 2015 und orientiert am HartzIV-Regelsatz (399 Euro), allerdings zehn Prozent weniger: für eine Einzelperson sind es 359 Euro ; dieser Grundbedarf wird teilweise in Sachleistungen gewährt: Die Kosten für Wohnung und Heizung sowie Arztbesuche bei akuten Beschwerden bekommen Flüchtlinge zusätzlich erstattet.

Schäuble will diese Grundsicherung weiter kürzen: zumindest um die Kosten der Eingliederungsleistungen (FAZ, 14.10.15). Es sollen also Menschen bestraft werden, die sich aktiv um Integration bemühen.

 

Vorurteil 9

„Die überwältigende Mehrheit der Flüchtlinge sind „Scheinasylanten“ und Wirtschaftsflüchtlinge. Deshalb werden auch die allermeisten Asylbewerbungen abgelehnt“

Richtig ist: Nur etwa zwei Prozent (2014: 1,8%) der Asylsuchenden werden als Asylberechtigte nach Artikel 16a des Grundgesetzes anerkannt. Doch andere Flüchtlinge erhalten einen Schutzstatus nach anderen Einordnungen, insbesondere nach der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK); 2014 waren das 24,1%. Die Gesamtschutzquote bezogen auf das Jahr 2014 betrug 48,5% (erstes Halbjahr 2015: 49,1%). Rechnet man die von den Verwaltungsgerichten positiv beschiedenen Klagen abgelehnter Asylbewerber hinzu, so sind das noch einmal 10 bis 20 Prozent anerkannter Asylbewerber. Insgesamt gut die Hälfte der Asylbewerber erhält also Asylrecht.

Die Anerkennungsquote beträgt für Menschen aus Syrien fast 100%, aus Eritrea 99%, Somalia 74%, Afghanistan 68%; alle Werte 2014.

Die Gesamtzahl der Ablehnungen ist deshalb relativ hoch, weil die Balkanflüchtlinge in der Regel abgelehnt werden; sie werden als Wirtschaftsflüchtlinge dargestellt, die nicht unter die Genfer Flüchtlingskonvention fallen. Aus den Balkanländern Serbien, Bosnien-Herzegowina, Mazedonien, Albanien, Kosovo, Montenegro kamen 2014 zusammen gut ein Viertel aller Flüchtlinge; nach den Syrern die zweitgrößte Flüchtlingsgruppe. Die drei ersten Länder sind bereits als sichere Herkunftsstaaten eingestuft, Albanien, Kosovo und Montenegro werden jetzt per Gesetz dazu erklärt. Hier genügt in der Regel für eine Ablehnung der Verweis auf das entsprechende Bundesgesetz.

Eine höchst fragwürdige Entscheidung. Prantl: „Unsichere Staaten werden per Definition als sicher erklärt“ (SZ, 17.10.15). So fragt man sich z.B., weshalb im Kosovo noch 700 Bundeswehrsoldaten und KFOR-Verbände aus anderen Ländern stehen, wenn dort angeblich alles so sicher und stabil ist.

Oder Sinti und Roma: Nach Feststellung der EU-Kommission sind sie in allen Balkanstaaten umfassenden Diskriminierungen und massiven Bedrohungen ausgesetzt. Im ersten Quartal 2015 betrug der Anteil der Roma an den Balkanflüchtlingen 34% (ARD-Tagesschau, 17.8.2015).

Andere europäischen Länder prüfen hier genauer, ob nicht die Voraussetzungen für einen Schutzstatus vorliegen. Während die Anerkennungsquote in Deutschland unter einem Prozent liegt, erhielten in der Schweiz 2014 37% der serbischen und 40% der kosovarischen Antragsteller einen Schutzstatus; in Frankreich wurden 20% und in Belgien der Bewerber aus Bosnien-Herzegowina anerkannt.

Hunger- und Umweltkatastrophen werden nach geltendem Recht nicht als Fluchtursachen anerkannt, die zur Aufnahme von Asylsuchenden führen kann; obwohl nach Umfragen eine Mehrheit der Bevölkerung dafür ist

Asylrecht und Flüchtlingsschutz richten sich nach Völkerrecht, internationalen Abkommen, europäischen Recht und dem Grundgesetz. Deshalb dürfen Flüchtlinge nicht einfach ohne Asylverfahren zurückgewiesen oder abgeschoben werden. Auch die Masseninternierung in „Transitzonen“ an den Grenzen wäre ein Verstoß gegen das Völkerrecht.

 

Vorurteil 10

„Die vielen Flüchtlinge führen zur Islamisierung Deutschlands. Ausländer haben eine hohe Kriminalitätsrate. Die Terrorgefahr wächst“

In Deutschland leben etwa vier Millionen Muslime - etwa fünf Prozent der Bevölkerung. Sie sind in der Regel in den Schulen, Betrieben - der Gesellschaft gut integriert. Besonderheiten, die sich aus ihrer Religionsausübung ergeben, sind gemäß der grundgesetzlich geschützten Religionsfreiheit zu akzeptieren.

Bei einem Gut-Teil der Bevölkerung aber wird der Islam als Bedrohung empfunden, Muslime gelten als potenzielle Terroristen. Diese Stimmung wird in Verbindung mit den steigenden Flüchtlingszahlen weiter angeheizt, auch von reaktionären Politikern, die die Ängste der Bevölkerung noch verstärken. Bayerns Finanzminister Söder: „Wir wissen gar nicht, wer ins Land kommt und das ist auf Dauer mit der Sicherheit nicht vereinbar“. Und Söder noch blöder: „Die Gefahr besteht, dass nicht nur Bürgerkriegs-Flüchtlinge, sondern auch Bürger-Krieger kommen könnten (zit. nach Monitor, 15.10.15).

Holger Münch, Präsident des Bundeskriminalamtes zu der Terrorgefahr, die da angeblich auf uns zukommt: „Wir gehen den Hinweisen natürlich nach. Wir haben nicht einen Fall, wo sich bestätigt hat, dass Mitglieder einer terroristischen Vereinigung aus Syrien oder Irak hierher nach Deutschland kommen, um gezielt Anschläge zu begehen. Ein solcher Hinweis hat sich bislang nicht bestätigt“ (ebenda).

Auch eine höhere Kriminalitätsrate bei Flüchtlingen lässt sich nicht belegen. Häufig wird versucht, diese Behauptung mit der Polizeistatistik zu untermauern, was aber irreführend ist. „Denn die Polizeistatistik erfasst Tatverdächtige, nicht TäterInnen. Daraus kann man lediglich schließen, dass „Ausländer“ häufiger unter Verdacht geraten und polizeilich kontrolliert und angezeigt werden“ (Pro Asyl, „Fakten gegen Vorurteile, Juli 2015). In der Regel werden AusländerInnen schneller verdächtigt als Deutsche. Hinzu kommt: Viele Delikte beruhen auf Verstößen gegen das Ausländer- bzw. Aufenthaltsgesetz, die Deutsche logischerweise nicht begehen können. Asylbewerber machen sich schon bei Überschreitung der Landkreisgrenzen strafbar.

Außerdem erfasst die Statistik auch Durchreisende, wie etwa ausländische Touristen, z.B. auf der Wiesn, deren Straftaten nicht der ausländischen Wohnbevölkerung zurechnen kann.

Schließlich haben Flüchtlinge eine andere Altersstruktur als die deutsche Wohnbevölkerung. Sie fallen in größerem Maß in das kriminalitätsintensivere Alter zwischen 21 und 40 Jahren. Bei altersgruppengerechten Vergleichen schneiden Ausländer meist besser ab als Deutsche.

Auch eine Studie der Universitäten Münster und Bielefeld kommt zu dem Ergebnis, dass es bei Gewaltdelikten kaum Unterschiede zwischen Jugendlichen mit und ohne Migrationshintergrund gebe. Der Verfasser der Studie, Christian Walburg vom Institut für Kriminalwissenschaften, erklärte: Bei jugendlichen Straftätern hänge „die höhere Gewaltbereitschaft weniger mit Herkunft und Religion zusammen, sondern vielmehr mit der Frage, wie sozial ausgegrenzt jemand sei“.

AWO-Vorstandsmitglied Brigitte Decker: „Wenn Mesut, Sami und Miroslav die Fußballweltmeisterschaft gewinnen, dann sind das unsere Jungs. Wenn Osman, Dragan und Abdul in eine Schlägerei geraten, dann bekommt das Gespenst von der Ausländerkriminalität neue Nahrung“.

Wochenlang hatte sie die Mutti aller Flüchtlinge gegeben: „Wir schaffen das!“. Jetzt bläst die Kanzlerin zum Rückzug: Verschärfung des Asylgesetzes, Reden über Transitzonen, neue „sichere Herkunftsländer“, die Türkei als NATO-Wall gegen die Flüchtlinge - Flüchtlingsabwehr ist die verschärfte Orientierung: Abschrecken, abhalten, ablehnen, abschieben, … die Devise. „Wir schaffen das … ab!“ Das Asylrecht. Zumindest de facto.

Angeblich aus „Sorge, dass die Stimmung kippt“. Heribert Prantl in der SZ (17.10.15): „Man kann dieses Kippen der Stimmung auch herbeireden, herbeischreiben und herbeisenden; ich glaube, das geschieht gerade. Es geschieht dies so ähnlich, wie zuvor die Betroffenheit herbeigeschrieben und herbeigesendet werden konnte. Wenn Stimmungen nur Stimmungen sind und keine Überzeugungen, schlagen sie schnell um“.

Autor: Fred Schmid, isw-München

Farkha Festival Komitee ruft zu Spenden für die Solidaritätsarbeit in Gaza auf

CfD communist solidarity dt
zum Text hier
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Friedfertig statt kriegstüchtig – Strategien für eine Politik jenseits der KriegslogikLogo Friedensratschlag Kassel

Friedenspolitischer Ratschlag am 30. November und 1. Dezember 2024 in Kassel
Infos hier: https://friedensratschlag.de/


 

UNRWA Gazakrieg Essenausgabe

UNRWA Nothilfeaufruf für Gaza
Vereint in Menschlichkeit, vereint in Aktion

Mehr als 2 Millionen Menschen, darunter 1,7 Millionen Palästina-Flüchtlinge, zahlen den verheerenden Preis für die Eskalation im Gazastreifen.
Zivilisten sterben, während die Welt zusieht. Die Luftangriffe gehen weiter. Familien werden massenweise vertrieben. Lebensrettende Hilfsgüter gehen zur Neige. Der Zugang für humanitäre Hilfe wird nach wie vor verweigert.
Unter diesen Umständen sind Hunderttausende von Vertriebenen in UNRWA-Schulen untergebracht. Tausende unserer humanitären Helfer sind vor Ort, um Hilfe zu leisten, aber Nahrungsmittel, Wasser und andere lebenswichtige Güter werden bald aufgebraucht sein.
Das UNRWA fordert den sofortigen Zugang zu humanitärer Hilfe und die Bereitstellung von Nahrungsmitteln und anderen Hilfsgütern für bedürftige Palästina-Flüchtlinge.
Dies ist ein Moment, der zum Handeln auffordert. Lassen Sie uns gemeinsam für die Menschlichkeit eintreten und denjenigen, die es am meisten brauchen, die dringend benötigte Hilfe bringen.

Hilfswerk der Vereinten Nationen für Palästina-Flüchtlinge

Spenden: https://donate.unrwa.org/gaza/~my-donation


 

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