Deutschland

windkraft_BlueRidgeKitties12.07.2012: RWE hat angekündigt, zum 1. August die Strompreise um 6,6 Prozent im Grundtarif zu erhöhen. Und RWE wird mit Sicherheit nicht der einzige Energiekonzern bleiben, der mit der Begründung gestiegener Kosten wegen der Energiewende seine Preise erhöht. Wie existenziell Stromkosten in das Leben der Bürger eingreifen, wird allein daran deutlich, dass nach Schätzungen des Paritätischen Gesamtverbandes im Jahr 2011 rund 200.000 Hartz-IV-BezieherInnen der Strom schlichtweg abgestellt wurde.

"Der Atomausstieg beeinflusst den Strompreis kaum", lautet die zentrale Botschaft einer Studie, die das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) im Auftrag der Umweltorganisation Greenpeace durchgeführt hat und Anfang Juli in Berlin vorstellte. Der Atomausstieg werde sich nur minimal auf den Großhandelsstrompreis auswirken, heißt es darin. Aber: Der Strom-Börsenpreis, an dem sich die Berechnungen des DIW orientiert, macht nur etwa 35 Prozent der Stromrechnung in den Privathaushalten aus. Wichtige Kosten wie die EEG-Umlage, mit der erneuerbare Energien gefördert werden, sowie Netzentgelte, die wegen des Baus neuer Stromtrassen deutlich steigen dürften, sind in der Studie nicht enthalten. "Hier wird es zu zusätzlichen Kostensteigerungen kommen", wurde bei der Präsentation der Studie zu Bedenken gegeben.

Ins gleiche Horn stößt auch der Vorstandsvorsitzende von Vattenfall Europa, Tuomo Hatakka. Er erwartet, dass für Privatkunden 2020 die Stromrechnung 30 Prozent höher ausfallen wird als heute. Und das nicht, weil der Großhandelspreis für Strom steigen wird, sondern "weil die EEG-Förderung und die Netzumlage(..) steigen werden, um den ehrgeizigen Ausbau der Regenerativen und der Netzinfrastruktur zu finanzieren." (FAZ 3.7.2012). Bis zum Jahr 2020 sollen bekanntlich nach den Plänen der Bundesregierung mindestens 35 Prozent des Stroms aus regenerativer Energie stammen, ab 2030 rund die Hälfte. Sowohl das DIW wie auch die Energiekonzerne (in diesem Fall Vattenfall) gehen also wie selbstverständlich davon aus, dass die Energiewende vor allem die Bürgerinnen und Bürger finanzieren sollen.

Und das sollen sie nicht nur über erhöhte Stromkosten tun, sondern darüber hinaus auch über höhere Mieten, weil die Vermieter ihre Kosten bei der Gebäudesanierung (ein weiterer zentraler Punkt der Energiewende) über die Mieten refinanzieren werden. Am 9. Juli haben Umweltverbände und der Mieterbund auf einer Pressekonferenz in Berlin deshalb eindringlich davor gewarnt, bei der energetischen Gebäudesanierung die Mieter einseitig zu belasten.

Ulrich Ropertz vom Mieterbund erinnerte daran, dass allein 2011 die Heizkosten um 24,5 Prozent gestiegen seien. Und so sehr sich auch der Mieterbund zur energetischen Gebäudesanierung bekenne - "wir brauchen eine Lösung für die entscheidende Frage, wer die Kosten zahlen soll", erklärte er. Mieter, insbesondere Durchschnitts- und Geringverdiener, seien nicht in der Lage, die Kosten allein aufzubringen, betonte Ropertz. Erst in der Vorwoche war eine Studie des Mieterbundes bekannt geworden, nach der sich bereits im Vorjahr rund 100 000 Mieter nach der energetischen Modernisierung ihre Wohnung schlicht nicht mehr leisten konnten und sich gezwungen sahen, aus ihren Wohnungen auszuziehen.

So wie der Mieterbund seit langem, forderte auch BUND (Bund für Umwelt und Naturschutz)-Energiefachmann Werner Neumann eine Drittelung der Kosten zwischen Vermietern, Mietern und dem Staat. Die Hauseigentümer profitierten von der energetischen Sanierung, weil sie ihre Gebäude nachhaltig aufwerteten, Mieter gewännen Wohnqualität und sparten Heizkosten und der Staat käme seinem Klimaschutzziel ein gewaltiges Stück näher.

Was bei allen diesen Überlegungen – ob von Greenpeace, den Umweltverbänden oder dem Mieterbund – leider ausgeblendet wird, ist die Rolle der Profiteure dieser Energiewende-Strategie der Bundesregierung: Dass nämlich die großen Konzerne in der Energiewende eine neue Goldgrube wähnen ist allenthalben sichtbar. Das sind vor allem RWE, E.ON, Vattenfall und EnBW samt ihren vier Netzbetreiber-Gesellschaften (Amprion, Tennet, 50 Hertz, Transnet BW) und z. B. der Siemens-Konzern.

So rührt Siemens auf seiner Internetseite (siemens.com/energiewende) lautstark die Trommel für die Energiewende. Diese sei "eine Jahrhundertchance für die deutsche Wirtschaft" heißt es dort. "Deutschland will zum Schaufenster – und erfolgreichen Exporteur – modernster Energietechnologien werden: von erneuerbaren Energien über intelligente Stromnetze bis zum energieeffizienten Verbrauch."

In einer FAZ-Beilage der Energiewirtschaft vom 29.6.12 preist Siemens sich als kompetenter Partner für wichtige Bausteine der Energiewende an: neugeformte Rotorblätter für die leistungsfähigsten Offshore Windkraftanlagen, lernfähige Software, die die Windlast auf die Rotoren optimal einstellt und leistungsfähige Stromspeicher, die überschüssige Energie über Wochen speichern können und bei Bedarf in die Stromautobahnen einspeisen. Und den Städten und Gemeinden bietet Siemens bei Wärmedämmung und intelligenter Gebäudetechnik lukrative Gesamtpakete an, "damit trotz knapper Kassen der Energieverbrauch deutlich gesenkt werden kann. Bei dem Energiespar-Contracting – einer Kombination aus Beratung, Installationsleistung und Finanzierung – braucht der Kunde keinerlei Erstinvestition zu tätigen, er begleicht seine Raten einfach mit den eingesparten Energiekosten."

Wie Kabinett und Kapital die Energiewende zur Chefsache erklären, muss diese noch stärker ins Blickfeld der fortschrittlichen Kräfte rücken, - als ein wichtiger Ansatzpunkt in dem gemeinsamen Ziel,  das Übel an der Wurzel zu packen, und die Macht der großen Konzerne zu beschneiden – und letztendlich zu knacken.

Text: gst      Foto: BlueRidgeKitties

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