05.01.2010: Ausbreitung von Arbeitslosigkeit und Armut, das kennzeichnet den Beginn des Agendajahres 2010. Und um die Bürger auf neue soziale Grausamkeiten einzustimmen verkündete Bundeskanzlerin Angela Merkel in ihrer Neujahrsansprache: „Manches wird gerade im neuen Jahr erst noch schwieriger, bevor es wieder besser werden kann.“
Besser wird es zur Zeit für die Konzerne und Banken. Die Gewinne der Investmentbanken explodieren wieder, es wird fröhlich wieder mit den alten Giftpapieren gezockt und die Aktienkurse steigen. „Schwieriger“ wird es hingegen für die Beschäftigten, die Erwerbslosen und Hartz-IV-Empfänger. Noch wartet die Bundesregierung ab. Am 9. Mai wird in Nordrhein-Westfalen gewählt und ein Sturz des selbsternannten „Arbeiterführers“ Rüttgers würde nicht nur die Mehrheit im Bundesrat verspielen, sondern auch die Bundesregierung und ihre Kanzlerin in eine tiefe Krise stürzen.
Spätestens nach dieser Wahl, werden die sogenannten schmerzhaften Reformen angepackt. Darauf drängen die Arbeitgeberverbände mit ihren einflussreichen Vertretern im CDU-Wirtschaftsrat. Ihre „Empfehlungen für ein Regierungsprogramm“ wurden fast eins zu eins in das Koalitionsprogramm übernommen. Ihre Zielsetzung ist: die Zerschlagung der Sozialversicherungen, die Gesundheitsversorgung soll weiter zu Lasten der Bürger privatisiert werden, die Arbeitslosenversicherung für die Beschäftigten deutlich teurer werden, den Kündigungsschutz und die Mitbestimmung wollen sie weiter demontieren, ebenso wie sie die gesamte Arbeitsgesetzgebung nach ihren Vorstellungen umbauen wollen.
Mit ihren milliardenschweren Geschenken an die Banken und Konzerne hat die Bundesregierung die Staatsverschuldung in gigantische Höhen getrieben und mit der noch von der CDU/CSU/SPD-Regierung ins Grundgesetz aufgenommenen „Schuldenbremse“ werden jetzt die Zwangsmittel vorbereitet, um die Staatsverschuldung wieder zu reduzieren: durch Sozialabbau, höhere Steuern, und Vernichtung von Arbeitsplätzen zu Lasten der Mehrheit der Bevölkerung.
Jetzt, wo die Binnennachfrage erhöht werden müsste, weil eine der wesentlichen Ursachen dieser Finanz- und Wirtschaftskrise in der Konsumtionsbeschränkung der Arbeiterhaushalte liegt, fordert Arbeitgeberpräsident Hundt von den Gewerkschaften den Verzicht auf Lohnerhöhungen. „In den Krisenbranchen besteht kein Verteilungsspielraum. Es kommt vielmehr darauf an, den Betrieben innerhalb der Tarifvereinbarungen weitere Gestaltungsspielräume zu eröffnen.“ Es müsse, so Hundt, nicht nur zwischen den Branchen sondern auch zwischen einzelnen Betrieben differenziert werden. Mit der Spaltung der Beschäftigten und tariflichen Nullrunden soll die Profitabilität des Kapitals in der Krise weiter erhöht werden.
Die richtige Antwort auf diese Kampfansage des Kapitals ist die Durchsetzung realer Lohnerhöhungen in den anstehenden Tarifrunden, von Arbeitszeitverkürzung mit vollen Lohnausgleich und Schaffung neuer Arbeitsplätze. Doch ohne breite gewerkschaftliche Kämpfe wird dies nicht durchzusetzen sein. ver.di fordert im öffentlichen Dienst rund acht Prozent. Denn, wie es treffend der ver.di-Vorsitzende Frank Bsirske betonte, stärken Lohnerhöhungen in der Krise die Binnennachfrage. Dies teilt auch das IG-Metall-Vorstandsmitglied Helga Schwitzer: „Gerade in der Krise ist Kaufkraft unverzichtbar, damit die Nachfrage Wachstumsimpulse geben kann.“ Und der Vorsitzende der Gewerkschaft Nahrung-Genuss- Gaststätten (NGG), Franz-Josef Möllenberg, kritisierte die Forderungen von Hundt: „Weihnachten und die Zeit der Wünsche ist vorbei. Wir brauchen keine Lohnpause, sondern allenfalls eine Expertenpause.“ Leider ist dies keine einheitliche Position in den Gewerkschaftsführungen.
Der Vorsitzender der DKP, Heinz Stehr, unterstrich in diesem Zusammenhang im Interview mit der UZ, „es wird interessant sein, inwieweit es gelingt, Widerstand gegen die Auswirkungen der Krise zu organisieren. Dabei hängt die Frage der Organisation des Widerstandes eng damit zusammen, dass man auch Alternativen und Perspektiven hat, für die es sich lohnt zu kämpfen.“
Text: Wolfgang Teuber (Vorabdruck aus der UZ Nr.1 vom 8.1.2010)