29.09.2025: In Berlin hat am Samstag die bisher größte Demonstration in Deutschland gegen den israelischen Völkermord in Gaza stattgefunden. Die Veranstalter sprachen bei der Abschlusskundgebung von über 100.000 Teilnehmern.
Zu Kundgebung und Konzert "All Eyes on Gaza - Stoppt den Genozid!" vor der Siegessäule hatten etwa 50 zivilgesellschaftlichen Organisationen aufgerufen (https://all-eyes-on-gaza.de/), die Linkspartei und Bündnispartner zogen mit einem einstündigen Demonstrationszug vom Roten Rathaus zum Großen Stern, wo Kundgebung und Konzert stattfanden - zwei separate, aber zeitlich koordinierte Veranstaltungen.
Die Partei Die Linke hatte sich nach fast zweijähriger Zurückhaltung gegenüber der palästinasolidarischen Bewegung endlich auch durchgerungen, zu einer Solidaritätsveranstaltung mit Palästina aufzurufen. "Wir haben zu lange geschwiegen" sagte Linke-Chefin Schwerdtner bei der Auftaktkundgebung am Neptunbrunnen selbstkritisch. "Wir sind heute hier, weil in Gaza ein Völkermord geschieht". Sie sprach damit etwas aus, was in der Linkspartei bisher Tabu war, um die innerparteiliche Balance zu wahren. Aber wenn schon die Mehrheit der Deutschen das Wort Völkermord akzeptiert, dann traut sich auch Die Linke.
Schwerdtner zeigte sich in einer am Abend verschickten Mitteilung zufrieden: "Das Wochenende ist ein großer Erfolg, es ist das Versprechen an die Menschen in Gaza, dass wir nicht wegschauen. Der Protest war nicht nur ein Symbol, sondern ein wichtiger Schritt: für die Menschen in Gaza – und für unser eigenes Rückgrat als Zivilgesellschaft."
Rund 20.000 schlossen sich der einstündigen Zubringer-Demo der Linkspartei vom Roten Rathaus an, die zu Kundgebung und Konzert "All Eyes on Gaza - Stoppt den Genozid!" von medico international, Amnesty International, Palästinensische Gemeinde Deutschland und anderen NGOs vor der Siegessäule führte. Im Laufe der Demo kamen immer mehr Menschen dazu. Beobachter schätzten die Zahl der Teilnehmer in der Spitze vor Erreichen der Abschlusskundgebung "All Eyes on Gaza - Stoppt den Genozid!" auf bis zu 50.000.
Dort sprachen die Veranstalter von 100.000 bis 150.000 Teilnehmern.
Parallel zur Großdemo fand in Berlin-Kreuzberg eine kleinere Demo statt, die wie in Berlin üblich, von der Polizei mit brutaler Gewalt beendet wurde.
Auch in Düsseldorf demonstrierten am Samstag nach Angaben der Organisatoren ca. 30.000 Menschen unter dem Motto "Wir vergessen Gaza nicht - Freiheit für Palästina und alle unterdrückten Völker" vom Hauptbahnhof durch die Innenstadt. Unter den Rednern waren Vertreter der Palästinensischen Gemeinde Düsseldorf und der Global Sumud Flotilla, die sich auf dem Weg Richtung Gazastreifen befindet. Die Polizei hatte von den Organisatoren geplante Liveschalten nach Gaza und zur Sumud Flotilla unter Androhung der Auflösung der Demonstration untersagt.
Der Protest gegen die israelische Politik ist mehrheitsfähig, sagte Michael Barenboim, einer der Aufrufer für die Kundgebung "All Eyes on Gaza - Stoppt den Genozid!" vor der Siegessäule. Die Umfragen geben Barenboim recht. 76 Prozent halten das militärische Vorgehen Israels im Gazastreifen für nicht gerechtfertigt. Mehr als die Hälfte der Deutschen hält das, was in Gaza geschieht, für einen Völkermord. Zweidrittel der Deutschen wollen, dass Deutschland mehr Druck auf Israel ausübt. (ZDF, 14.8.2025: https://www.zdfheute.de/politik/zdf-politbarometer-israel-gaza-kritik-waffenlieferungen-100.html)
Die Demonstration hat dazu beigetragen, dass die pro-palästinensische Bewegung nach zwei Jahren Völkermord in Gaza immer mehr in den deutschen Mainstream vordringt. So traut sich zwar der Reporter von rbb in seinem Bericht zwar noch nicht, das Wort Völkermord auszusprechen, aber er lässt Michael Barenboim es sagen und erklären, warum es sich um einen Völkermord handelt.
Am 722. Tag des Genozids mag alles leider zu spät sein. Aber nicht weniger wichtig. Die Bundesregierung sollte die Botschaft verstehen: Die Bevölkerung steht nicht hinter Israel. Die Menschen wollen ein Ende des Genozids und ein Ende der Unterstützung Israels und vor allem Solidarität mit den Palästinensern.
"Euer Zeichen der Solidarität hat unser Volk in Gaza erreicht. In seiner dunkelsten Stunde seid ihr ein Licht der Hoffnung", sagt der palästinensische Botschafter in Berlin, Laith Arafeh.
Die Jüdische Stimme für gerechten Frieden in Nahost schreibt:
"Und nach langer Zeit sahen wir auch viele Migrant:innen, Menschen ohne deutschen Pass, die Angst haben, ihn nicht zu bekommen oder Schläge von der Polizei zu erhalten, und die zu solchen Anlässen kommen, weil klar war, dass die Polizei diesmal ausnahmsweise freundlich zu uns sein würde, und so war es auch. ... Wir konnten mit Schildern laufen und Parolen rufen, für die wir auf der kleinen Demonstration geschlagen worden wären: Menschen gingen mit Schildern mit der historischen Karte Palästinas, mit Wortspielen über 'From the River to the Sea'. .. Es waren relativ wenige Polizisten da, sie waren entspannt und nicht eskalierend, wie sie normalerweise sind. ..
Jüdische Stimme: Auf dem Bild, aus dem Instagram des Tagesschau, zwei unserer Freunde, mit einem Schild, das die Polizei auf der parallelen Demonstration beschlagnahmt hätte und sie wären dabei auf deren Gewalt gestoßen.
Anhand der Reden und der Reaktion des Publikums lässt sich sagen, dass es unter den Demonstranten einen Konsens über mehrere Dinge gab:
- Es handelt sich um einen Völkermord. Niemand sprach von Krieg, außer in dem Slogan 'Es ist kein Krieg, es ist ein Genozid'.
- Die israelische Propaganda spielte keine Rolle mehr. Die Palästinenser:innen standen im Mittelpunkt, die meisten Redner auf der Bühne waren Palästinenser, und die auftretenden Künstler und solidarischen Stimmen waren hauptsächlich Migrant:innen. Die Bühne gehörte hauptsächlich ihnen. Die Ablenkungen über die Geiseln und Hamas funktionieren nicht mehr. Es ist allen klar, dass Israel all dies als Vorwand für den Genozid benutzt, den es begeht. Wenn es vor zwei Jahren den Behörden in Deutschland zusammen mit der offiziellen jüdischen Gemeinde und der Propaganda in den Medien gelang, einige Zehntausend Menschen für eine Kundgebung zu mobilisieren, sahen wir diesmal auf dem Weg vielleicht zwanzig kleine Demonstranten mit großen israelischen Flaggen. Das war's.
- Im Gegensatz zum Demonstrationsaufruf, der ein Element der 'beiden Seiten' enthielt, war dies auf der Bühne nicht vorhanden. In den Reden, in den Rap-Texten, war klar, dass Israel Palästinenser abschlachtet – das sind die Seiten, das sind die Machtverhältnisse. Daraus wurden klare politische Forderungen abgeleitet: Waffenembargo gegen Israel, Sanktionen und andere Aktionen von BDS, ein Ende der Kriminalisierung der pro-palästinensischen Bewegung und des Rassismus gegen Migranten im Allgemeinen. Das Publikum bejahte diese.
- Unter den Rednern auf der Bühne war eine hervorragende Rede von Riad Othman von Medico International über die Auswirkungen des Völkermords in Gaza auf Palästinenser, die unter unaufhörlichen Bombardements humanitäre Arbeit leisten, und auf uns in der Welt im Allgemeinen.
Enissa Amanni übermittelte eine Botschaft von dem Schiff, auf dem sie sich in der Samidoun-Flottille befindet, und
Ella Goldberg, eine antizionistische jüdische Israeli, die im Gefängnis saß, weil sie den Militärdienst verweigerte, berichtete über die Situation im Westjordanland und von der Begleitung von Palästinensern in Masafer Yatta, die Pogromen durch Siedler und das Apartheid-Militär ausgesetzt sind. Als Urenkelin eines Holocaust-Überlebenden sprach sie über die Konzentrationslager, die Israel baut, und rief die Demonstrant:innen auf, den Kampf zu eskalieren und BDS-Aktionen zu verschärfen.
Während der Demonstration wurde gemeldet, dass die parallele Demonstration in Kreuzberg auf polizeiliche Gewalt traf, und die Menge rief laut 'Ganz Berlin hasst die Polizei' und zeigte Solidarität mit den Demonstranten dort. In der Berichterstattung der deutschen Mainstream-Medien erscheint dies natürlich nicht, und es wird versucht, auszugleichen und beide Seiten darzustellen.
Wie Michael Barenboim sagte: 'Es ist verrückt' zu denken, dass es kein Völkermord sei, wenn alle Menschenrechtsorganisationen und führenden Forscher sagen, dass es einer ist. Und daraus folgt, dass es keine zwei Seiten zu einem Völkermord gibt. Es gibt eine Seite, die Völkermord begeht, und eine Seite, die ermordet wird. Das sollten die Deutschen eigentlich wissen, nach Jahrzehnten der Erinnerungstheater, wenn es nicht nur für Touristen ist.
Das war's, die Demonstration war ein großer Erfolg in Bezug auf die Anzahl der Demonstranten und das z.T. neue Publikum. Es scheint, dass nach zwei Jahren die Angst vor Antisemitismusvorwürfen bröckelt, Israel hat ohnehin die Menschen und Herzen verloren, auch in Deutschland. Die Tricks und Kniffe der israelischen Hasbara funktionieren nicht mehr so gut.
Wir müssen jetzt weiter protestieren und unsere Politiker in Angst versetzen und hoffen, dass Baerbock, Habeck, Scholz, Merz und Co und alle, die verklagt werden, auch vor Gericht landen. Wir müssen die Sumud-Flottille unterstützen. Wir müssen versuchen, weiteres Blutvergießen in dieser schrecklichen Phase des Endes des zionistischen Projekts zu verhindern."
(Quelle: https://www.facebook.com/juedischestimme, 28.9.2025, 7:55 Uhr)
Video: https://www.facebook.com/reel/806309922345280
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