28.04.2024: Proteste gegen den israelischen Vernichtungskrieg nehmen zu - und die Repression auch ++ Irene Khan, UN-Sonderberichterstatterin für Meinungsfreiheit: "globale Krise der Meinungsfreiheit " ++ Berlin: Verbot arabisch und hebräisch zu sprechen ++ Pro-Palästina-Protestcamp vor Bundestag gewaltsam geräumt ++ USA: Von Küste zu Küste. US-Universitäten in Aufruhr
"Da Israels brutaler Krieg in Gaza von Tag zu Tag verheerender wird, ist es kein Wunder, dass so viele Studenten protestieren. Alle Staaten müssen das Recht auf friedliche Versammlung respektieren und gewährleisten, Waffenlieferungen an Israel dringend einstellen und sofort einen Waffenstillstand fordern."
Amnesty International, 26.4.2024, https://twitter.com/amnesty/status/1783873698455314773
Weltweit wachsen die Proteste gegen den israelischen Vernichtungskrieg gegen Palästina. Dieser Protest gegen den Genozid in Gaza ruft staatliche Brutalität hervor - besonders in Deutschland und USA, den größten Waffenlieferanten Israels.
"Die Gaza-Krise wird wirklich zu einer globalen Krise der Meinungsfreiheit [führen], die noch lange Zeit große Auswirkungen haben wird."
Irene Khan, UN-Sonderberichterstatterin für Meinungsfreiheit
Irene Khan, UN-Sonderberichterstatterin für Meinungsfreiheit, warnt angesichts der Niederschlagung friedlicher Proteste: "Die Gaza-Krise wird wirklich zu einer globalen Krise der Meinungsfreiheit [führen], die noch lange Zeit große Auswirkungen haben wird." [https://news.un.org/en/story/2024/04/1149001]
Pro-Palästina-Protestcamp vor dem Bundestag verboten und geräumt
Am Freitag (26.4.) hat die Berliner Polizei das Camp der Pro-Palästina-Aktivisten vor dem Bundestag verboten und unter Einsatz unverhältnismäßiger Gewalt geräumt. Das Lager wurde Anfang April aus Protest gegen die deutsche Mittäterschaft im israelischen Vernichtungskrieg errichtet worden.
Nur wenige Tage vor der Räumung hatten die Protestierenden noch den Beginn des jüdischen Pessach-Festes mit der zeremoniellen Mahlzeit gefeiert. Jetzt warfen die Polizei und die politische Verantwortlichen für den Einsatz den Besetzer:innen, unter denen sich viele Jüd:innen befanden, Antisemitismus und Volksverhetzung vor.
Sprachverbot für Hebräisch und Arabisch
Ihnen war durch die Polizei verboten worden, vor dem Reichstagsgebäude Reden auf Hebräisch oder Arabisch zu halten. Zugelassen waren nur Deutsch und Englisch – erst ab 18 Uhr auch Arabisch. Da von irischen Teilnehmer:innen in ihrer Sprache Lieder gesungen wurden, wies die Polizei in ihrer Anordnung darauf hin, dass auch das Verwenden der "gälischen" Sprache - eine offizielle "EU-Sprache" - verboten ist. Gegen mehrere Iren, die Solidaritätslieder in dieser Amtssprache der irischen Republik angestimmt hatten, wurden deswegen Ordnungswidrigkeitsverfahren eingeleitet.
"Wir müssen verstehen, was dort gesagt wird, so begründete der Pressesprecher der Berliner Polizei das Sprachverbot, es könnte ja zu Straftaten oder "Gewaltaufrufen" kommen.
Wenn es aus Sicht des deutschen Staates nicht die "richtigen" Jüd:innen sind, dann gilt der Spruch von Justizminister Marco Buschmann (FDP) nicht, der sagte, er freue sich auf "den Tag, an dem die Menschen auf der Straße ohne Angst Hebräisch sprechen können".
"Was glaubt er, wie sich Israelis fühlen, wenn deutsche Beamte in dunklen Uniformen ihnen sagen, dass sie verhaftet werden, wenn sie ihre Sprache sprechen? Die Polizei ist einer Reihe von Juden im Protestcamp so gewaltsam begegnet, dass ihnen durch Schläge auf den Kopf die Kippahs runter rutschen", äußerten betroffene Jüd:innen.
Die Räumung des Protest-Camps am Freitag begründete die Polizei damit, dass bestimmte Einschränkungen nicht eingehalten worden seien, dabei ginge es etwa um den Schutz der Grünanlage und bestimmte Bauten.
"Polizei räumt Protestcamp der Israelhasser vor dem Bundestag", hetzte der Berliner Tagesspiegel. (Tagesspiegel, 26.4.2024)
Die Polizei ging mit roher Gewalt, mit Tritten und Schlägen und teils verdeckten Dienstnummern gegen die Bewohner:innen des Camps und ihre Unterstützer:innen vor.
Die Berliner Innensenatorin Iris Spranger (SPD) begrüßte die Räumung und begründete dies in Orwellscher Sprachverkehrung mit dem Schutz der "Meinungs- und Versammlungsfreiheit":
"Die Auflösung des Protest-Camps am Reichstag ist die richtige Entscheidung der Versammlungsbehörde. Die @polizeiberlin hat meine volle Unterstützung. Die Meinungs- und Versammlungsfreiheit sind hohe Güter, die wir schützen.“
https://twitter.com/Innensenatorin/status/1783796780649357409
Ferat Koçak, Mitglied im Berliner Abgeordnetenhaus für die Linkspartei, war als parlamentarischer Beobachter vorort und dokumentierte die Räumung des Protestcamps vor dem Bundestag gegen den Krieg in Gaza.
"Das Grundrecht der Versammlungsfreiheit wird vor dem Bundestag auf dem Reichstagsgelände mit Füßen und Fäußten des Staates getreten. Und ihr wundert euch, dass die AfD und die Rechte immer stärker werden? Protest gegen den Krieg in Gaza mit zehntausenden Toten zu kriminalisieren und alle als Terroristen abzustempeln, heißt diesen Krieg und die Polarisierung und die weitere Eskalation zu unterstützen. #NotInMyName", so Ferat Koçak.
Von seiner Partei - weder auf Landes- noch auf Bundesebene - gibt es bisher weder eine Stellungnahme zum Verbot des Palästinakongresse, zum Einreise- und Redeverbot für Yanis Varoufakis und Ghassan Abu Sittah oder jetzt zur gewaltsamen Auflösung des Protest-Camps.
"Ganz schön still aufseiten derer, die vorgeben die Demokratie gegen die AfD zu verteidigen", äußerte eine Demonstrantin verbittert.
Amnesty International besorgt
Amnesty International drückte die Sorge über das harte Vorgehen der Polizei aus:
"Wir sind sehr besorgt darüber, dass die Behörden, anstatt das Recht auf Protest zu ermöglichen und zu schützen, hart gegen die Teilnehmer eines Protestcamps vor dem Deutschen #Bundestag vorgehen.
Wir fordern die deutschen Behörden auf, das Recht der Menschen auf Protest und das Recht auf freie Meinungsäußerung nicht nur zu respektieren, sondern auch zu fördern und aufrechtzuerhalten.
Wir beobachten, dass die Räume schrumpfen und Menschen, die sich mit den palästinensischen Menschenrechten solidarisch zeigen, zum Schweigen gebracht werden."
Amnesty International, 26.4.2024, https://twitter.com/AmnestyEU/status/1783897911832580286
Give Peace a Chance. Von Küste zu Küste US-Universitäten in Aufruhr
Von Los Angeles bis New York, von Austin bis Boston, von Chicago bis Atlanta setzen us-amerikanische Student:innen und Lehrkräfte an großen US-Universitäten ihre Mobilisierung für Palästina trotz des rigorosen Vorgehens der Polizei fort.
Vom Epizentrum an der Ostküste, wo es in Columbia, Yale und Nyu zu Hunderten von Verhaftungen kam, haben sich die Besetzungen und Proteste von Minnesota, Tennessee und Kalifornien auf praktisch alle Bundesstaaten ausgeweitet. Die harte Faust, mit der sie unterdrückt werden, stürzt das Land in einen Zeitstrudel, der an historische Proteste und die Rolle, die sie in Zeiten tiefgreifender Instabilität und sozialen Fortschritts spielten, erinnert.
In den letzten Tagen wurden viele Professoren zusammen mit Student:innen verhaftet, einige wurden entlassen, Uni-Präsident:innen wird in den Anhörungen des parlamentarischen Ausschusses gegen Antisemitismus mit dem Ende ihrer Laufbahn gedroht. Es herrscht eine Atmosphäre, die an den McCarthyismus erinnert, einschließlich der Aufforderung zur Selbstanzeige und der Beschuldigung von angeblichen Hamas-Sympathisanten als Mitläufer, wie sie vor siebzig Jahren gegen des Kommunismus Verdächtige eingesetzt wurde.
"Wir sind entsetzt darüber, wie Antisemitismus instrumentalisiert und als Vorwand benutzt wird, um die akademische Freiheit, das kritische Denken und die offene Debatte zu unterdrücken, denen sich amerikanische Universitäten widmen sollten.", Mariann Hirsch, Professorin für Holocaust-Studien an der Columbia University, und Tochter von Holocaust-Überlebenden.
Die Unterdrückung der freien Meinungsäußerung erinnert an die Bewegung für freie Meinungsäußerung, die 1964 in Berkeley mit den Kämpfen mit der Polizei und der Besetzung des Präsidentengebäudes entstand, der gleichen Sproul Hall, die heute von dem friedlichen Solidaritätscamp Free Palestine umgeben ist. Bis 1968 hatte sich diese Bewegung, die sich auch auf die Bürgerrechte und den Vietnamkrieg erstreckte, auf alle amerikanischen Colleges ausgeweitet.
200 Tage nach Beginn des Vernichtungskrieges Israels gegen Palästina zeigte sich ein bezeichnendes Bild über die Spaltung der USA. Während im Senat die Stimmen über das neue Paket zur Finanzierung des Krieges in der Ukraine und für Waffen für die militant-zionistische Netanjahu-Regierung ausgezählt wurden, kam es bei der Kundgebung in Brooklyn zu Dutzenden neuer Verhaftungen. Auf dem Grand Army Plaza nahmen 3.000 Jüd:innen (darunter Nan Goldin und Naomi Klein) an einem Sit-in in der Nähe der Residenz von Chuck Schumer, dem Präsidenten des Senats teil.
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