Aus Bewegungen und Parteien

Lesbos Kara Tepe Nov202008.01.2021: Mit Verspätung veröffentlichen wir einem Weihnachtsbrief, den Flüchtlingsgruppen aus dem Lager Kara Tepe auf der griechischen Insel Lesbos an Europas Bürger*innen und EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen geschrieben haben.

 

"Oft lesen und hören wir, dass wir in diesen Lagern wie Tiere leben müssen, aber wir denken, dass das nicht stimmt. Wir haben die Gesetze zum Schutz der Tiere in Europa studiert und herausgefunden, dass sogar sie mehr Rechte haben als wir. Wir haben beschlossen, Sie zu bitten, uns die Rechte zu gewähren, die Tiere haben. Nach einem schrecklichen Jahr ist dies unser Wunsch für Weihnachten."
aus dem Brief aus Kara Tepe

Das Flüchtlingslager Kara Tepe befindet sich 2,5 km nordöstlich von Mytilini auf der griechischen Insel Lesbos und besteht seit Mitte Oktober 2015. Aufgenommen werden besonders gefährdete und verletzbare Flüchtlinge, wie etwa alleinstehende Frauen, Familien sowie traumatisierte oder verletzte Menschen, die zuvor im Flüchtlingslager Moria waren.

In Folge der Zerstörung des Flüchtlingslagers Moria wurde für die meisten der durch den Brand obdachlos gewordenen Flüchtlinge in der Nähe des bereits bestehenden Flüchtlingslagers Kara Tepe ein zweites provisorisches Zeltlager auf einem ehemaligen Schießplatz direkt an der Küste eröffnet. In dem provisorischen Zeltlager leben ungefähr 7.000 Menschen, darunter 2.500 Kinder. In der Regel teilen sich je zwei Familien (7–8 Personen) eines der 1.000 Sommerzelte. 1.200 unbegleitete Minderjährige sind in fünf Großzelten untergebracht, davon sind nur zwei mit Stockbetten ausgestattet, in den anderen liegen die Kinder auf dem Boden. Es mangelt an warmer Kleidung und Schutz vor Kälte und Nässe. Bei Regen versinken die Zelte im Schlamm. Es gibt zu wenige Toiletten und nur provisorische Kübelduschen mit kaltem Wasser. "Sanitäranlagen gibt es nicht. Es gibt Menschen im Lager, die seit drei Monaten nicht geduscht haben. Deswegen ist auch überall die Krätze", sagte Katrin Glatz-Brubakk von Ärzte ohne Grenzen im Gespräch mit dem ARD-Magazin Panorama. Das Camp verlassen, etwa um einzukaufen, dürfen die Bewohner und Bewohnerinnen nur noch einmal in der Woche - für vier Stunden. Es gibt nur wenige Straßenlampen. Ab 17 Uhr ist es stockfinster, in den Zelten und draußen, denn Strom gibt es nur an wenigen Generatoren, die zudem immer wieder ausfallen. Für Entsetzen sorgten auch die Aussage des deutsche Bundesministers für Entwicklung Gerd Müller (CSU), wonach Babys nachts in ihren Zelten von Ratten gebissen würden. Er prangerte die "entsetzlichen Zustände" in Kara Tepe an.

" ...dass für die Geflüchteten von Lesbos und den anderen Lagern wie Samos und Chios ein neues Jahr beginnt, in dem es genauso weitergeht wie im vorherigen. Wir bitten euch, das nicht geschehen zu lassen."
aus dem Brief aus Kara Tepe

In Deutschland wären die Bundesländer bereit, mehr als doppelt so viele Geflüchtete aus Lesbos aufzunehmen wie die Bundesregierung zugesagt hat: 3.709 statt der bisher 1.553 Menschen, wie aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Grünen hervorgeht. Doch Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) lehnt dies ab und verweist darauf, dass Asylpolitik Sache des Bundes ist.

Die Menschen in Kara Tepe haben jedes Recht, verbittert und voller Wut zu sein auf dieses Europa. Doch sie fordern nur wenig: Etwas Würde und die Möglichkeit, ihr Leben erträglicher gestalten zu können.

 

Dokumentiert:

Brief aus Moria 2.0 an die Bürger*innen Europas

Kara Tepe, Lesbos, 21.12.2020

Liebe Europäer*innen, sehr geehrte Frau von der Leyen,

wir wünschen euch allen ein friedliches Weihnachtsfest aus dem neuen Lager für Asylbewerber auf Lesbos.

Wir wünschen euch, dass ihr feiern könnt, trotz der Schwierigkeiten, denen wir alle aufgrund der Covid-19-Pandemie gegenüberstehen.

Vor drei Monaten, nach dem Brand am vorherigen Hotspot von Moria, wurden wir in einem neuen Camp untergebracht und leben jetzt hier mit 7000 Geflüchteten.

Im September wurden erheblich bessere Lebensbedingungen in diesem neuen Camp versprochen: Wir waren froh, das zu hören und warteten darauf, es Wirklichkeit werden zu sehen.

Leider hat sich nichts geändert. Wir haben immer noch keine ausreichende Zahl an warmen Duschen. Wenn es regnet, wird das ganze Camp überflutet und viele Zelte werden nass; wir haben keine Heizkörper, um uns und unsere Kinder zu wärmen. Es gibt weder Schulen noch Plätze für die Jüngsten.

Wenn wir krank werden, müssen wir stundenlang auf medizinische Versorgung warten. Das Essen, das wir erhalten, reicht aus, aber ist nicht sehr gesund. Außerdem wurde versprochen, dass das die Bearbeitung des Asylverfahrens endlich beschleunigt wird, doch viele von uns warten immer noch auf ihre Anhörung, einige schon über ein Jahr.

In der Zwischenzeit befinden wir uns in dieser Schwebe und können nichts tun außer zu warten. Mittlerweile ist die Situation für viele der Wartenden sogar noch schlimmer als vor dem großen Brand. Lediglich die Sicherheit wurde verbessert; es gibt aber immer noch keine Nachtbeleuchtung im Camp.
Im alten Lager von Moria hatten wir es geschafft, uns zu organisieren – es gab kleine Schulen, Geschäfte und viele andere Aktivitäten.  Im neuen Camp ist dies nicht möglich.

Wir stimmen der Aussage des deutschen Ministers Herrn Müller zu, der in der vergangenen Woche sagte, die Situation in diesem Camp sei schlimmer als in jedem beliebigen afrikanischen Land in der Krise. Wir möchten ihm für seine deutlichen Worte danken, fragen uns jedoch: Drei Monate sind vergangen und Millionen von Geldern wurden von Regierungen gespendet und NGOs gesammelt. Wie kann es da sein, dass wir immer noch hier sind – ohne fließendes Wasser, warme Duschen und ein funktionierendes Abwassersystem?

Warum können unsere Kinder immer noch nicht zur Schule gehen? Wie kann es sein, dass wir vom guten Willen einiger Organisationen abhängen, die gebrauchte Kleidung und Schuhe verteilen? Wieso haben Geflüchtete, menschliche Wesen,  keine Grundrechte wie alle in Europa?  Sehr oft lesen und hören wir, dass wir wie Tiere in diesen Lagern leben müssen – doch nicht einmal das ist die Wahrheit.

Im Hinblick auf die Gesetze, die die Tiere in Europa schützen, haben wir sogar festgestellt, dass sie mehr Rechte haben als wir. Jedem Tier werden folgende Rechte zuerkannt:

  • Freiheit von Hunger oder Durst
  • Freiheit von Missbehagen durch die Bereitstellung eines angemessenen Lebensraums, der Schutz und einen angenehmen Schlafplatz umfasst
  • Freiheit von Schmerz, Verletzungen oder Krankheiten mittels Präventionen, Diagnosen und schneller Behandlungen
  • Freiheit, ein normales Leben zu führen, mit ausreichendem Platz, mit adäquaten Strukturen und Möglichkeit für soziale Kontakte
  • Freiheit von Furcht und Leid, durch Garantie von Bedingungen und Versorgung, die mentale Probleme vermeiden

Gibt es irgendeine Person im Lager, die diese Rechte besitzt? Leider ist die Antwort nein. Vielleicht leiden wir nicht an Hunger, aber wir leben ganz gewiss nicht in einem "angemessenen Lebensraum" und sind weder frei von Schmerz noch Furcht. Keine*r von uns ist dazu imstande, ein normales Leben zu führen, weil wir den ganzen Tag darum kämpfen müssen, Nahrung, ein bisschen Wasser für Hygiene und einen warmen Schlafplatz zu bekommen und wir alle in Angst und Leiden leben.

Kürzlich hat eine Studie herausgefunden, dass die Geflüchteten auf den griechischen Inseln in so hohem Maße an Depressionen leiden, dass ein Drittel von ihnen an Selbstmord denkt. Also fragen wir offen: Würden wir auf diese Weise behandelt werden, wenn wir Tiere wären?

So haben wir uns entschieden darum zu bitten, dass uns wenigstens diese einfachen Rechte, die Tiere besitzen, gewährt werden. Damit wären wir schon glücklich und ihr würdet keine Belästigung mehr von uns erhalten.

Doch wir wollen nicht mehr hören, dass unsere Situation ja gar nicht so schlimm wäre. All jene, die so denken, sind dazu eingeladen, auch nur eine Nacht im Lager zu verbringen. Das ist was wir uns nach einem schrecklichen Jahr, in dem wir hier leben mussten, zu Weihnachten wünschen.

Es ist nicht viel und wir denken nicht, dass mehr als drei oder vier Wochen nötig sind, um es zu realisieren. Wir fordern nicht mehr Spenden oder Geld für die Infrastruktur. Wir lesen in den Zeitungen, wie viele Millionen schon gespendet wurden – viele von uns sind Ingenieur*innen, Elektriker*innen, oder Ärzt*innen  und wir wissen, dass es nicht viel Geld braucht, um in diesem Lager ein System zu schaffen.

Wenn ihr uns helfen wollt, fragt euch: Welche Grenzen hat all dieses Geld? Warum hat es nicht dazu beigetragen, die Dinge zu verbessern?

Wir sind bereit zu helfen und hart zu arbeiten, wir brauchen nur die Möglichkeiten und das Vertrauen, um dieses Lager zu einem besseren Ort zu machen. In der Vergangenheit und auch jetzt  haben wir bereits gezeigt, dass der größte Teil der Arbeit von Asylsuchenden geleistet wird, die sich freiwillig zur Mitarbeit in den NGOs melden oder von Organisationen von Geflüchteten zur Selbsthilfe.

Wir wollen zeigen, dass viele Personen ein falsches Bild von uns Geflüchteten haben: Wir sind nach Europa gekommen, um Asyl zu beantragen, um nützliche Bürger*innen und einem Bestandteil der Gesellschaft zu werden. Das Lager ist mittlerweile unser Zuhause und wir bitten um Hilfe, um es zu verbessern. Wir brauchen professionelle Unterstützung von Expert*innen – aber das, was wir sehen, sind viele Freiwillige voller guter Absichten, doch ohne die notwendigen Qualifikation Abwassersystem, Unterkünfte und Wasserversorgung zu reparieren.

Das, was wir dringend benötigen, ist, als Partner wahrgenommen zu werden und zu wissen, was geplant wurde und ebenso, wie viel Geld zugänglich ist. Wir sehen viele Spendenaufrufe und hören viele Versprechungen, weswegen es sehr frustrierend für uns ist, zu sehen, wie wenig geschieht.

Wir wollen uns klar äußern: Es ist schwierig sich vorzustellen, dass für die Geflüchteten von Lesbos und den anderen Lagern wie Samos und Chios ein neues Jahr beginnt, in dem es genauso weitergeht wie im vorherigen. Wir bitten euch, das nicht geschehen zu lassen.

Nur einige einfache Maßnahmen sind notwendig:

  • Reparatur der Wasserversorgung und Duschen
  • Reparatur der sanitären Anlagen
  • Eine angemessene Drainage anlegen, sodass das Lager bei Regen nicht überflutet wird
  • Bereitstellen von Elektrizität und angemessenen Heizmöglichkeiten, dazu dem Winter angepasste Zelte
  • Räume für Kinder bereitstellen
  • Bereitstellen von genug Zelten, um Schulen, Kurse und Werkstätten einzurichten
  • Verbesserung der medizinischen und psychologischen Versorgung
  • Schaffung von Plätzen zur Begegnung und Erholung

Wenn ihr uns helfen könnt, tut bitte euer Möglichstes. Im Frühling wurde viel darüber gesprochen, das Camp zu evakuieren – nun ist es bereits Weihnachten und das, um das wir bitten, ist lediglich dieses "temporäre" Lager an das strenge Klima anzupassen und und uns nicht den Rest des Winters an diesem Ort leiden lassen.

Unsere besten Wünsche

Omid Deen Mohammed, Moria Corona Awareness Team (MCAT)
Raed al Obeed, Moria White Helmets (MWH)

(Dieser offene Brief wird von vielen Flüchtenden unterstützt, wir haben ihre Namen und ihre Zustimmung zum Inhalt).

Wir sprechen über Palästina

Gazakrieg Grafik Totoe 2024 04 07

mit Rihm Miriam Hamdan von "Palästina spricht"

Wir unterhalten uns über den israelischen Vernichtungskrieg, die Rolle Deutschlands (am 8. und 9. April findet beim Internationalen Gerichtshof in Den Haag die Anhörung über die Klage Nicaraguas gegen Deutschland wegen Beihilfe zum Völkermord statt), die Situation in Gaza und dem Westjordanland und den "Tag danach".

Onlineveranstaltung der marxistischen linken
Donnerstag, 18. April, 19 Uhr

https://us02web.zoom.us/j/82064720080
Meeting-ID: 820 6472 0080


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Logo Ratschlag marxistische Politik

Ratschlag marxistische Politik:

Gewerkschaften zwischen Integration und Klassenkampf

Samstag, 20. April 2024, 11:00 Uhr bis 16:30 Uhr
in Frankfurt am Main

Es referieren:
Nicole Mayer-Ahuja, Professorin für Soziologie, Uni Göttingen
Frank Deppe, emer. Professor für Politikwissenschaft, Marburg

Zu diesem Ratschlag laden ein:
Bettina Jürgensen, Frank Deppe, Heinz Bierbaum, Heinz Stehr, Ingar Solty

Anmeldung aufgrund begrenzter Raumkapazität bis spätestens 13.04.24 erforderlich unter:
marxlink-muc@t-online.de


 

Farkha2023 21 Buehnentranspi

Farkha-Festival 2024 abgesagt.
Wegen Völkermord in Gaza und Staatsterror und Siedlergewalt im Westjordanland.
hier geht es weiter zum Text


 

 

UNRWA Gazakrieg Essenausgabe

UNRWA Nothilfeaufruf für Gaza
Vereint in Menschlichkeit, vereint in Aktion

Mehr als 2 Millionen Menschen, darunter 1,7 Millionen Palästina-Flüchtlinge, zahlen den verheerenden Preis für die Eskalation im Gazastreifen.
Zivilisten sterben, während die Welt zusieht. Die Luftangriffe gehen weiter. Familien werden massenweise vertrieben. Lebensrettende Hilfsgüter gehen zur Neige. Der Zugang für humanitäre Hilfe wird nach wie vor verweigert.
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Das UNRWA fordert den sofortigen Zugang zu humanitärer Hilfe und die Bereitstellung von Nahrungsmitteln und anderen Hilfsgütern für bedürftige Palästina-Flüchtlinge.
Dies ist ein Moment, der zum Handeln auffordert. Lassen Sie uns gemeinsam für die Menschlichkeit eintreten und denjenigen, die es am meisten brauchen, die dringend benötigte Hilfe bringen.

Hilfswerk der Vereinten Nationen für Palästina-Flüchtlinge

Spenden: https://donate.unrwa.org/gaza/~my-donation


 

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