09.08.2014: Die Friedensbewegung Rhein-Ruhr ruft auf, am 3. Oktober in Kalkar wieder ein Zeichen für den Frieden zu setzen und gegen die Führungszentrale für Luftkriegsoperationen von Bundeswehr und NATO protestieren, die in erschreckendem Tempo ausgebaut wird. Von Kalkar und Uedem, zwei eher verschlafen wirkenden Kommunen ganz in unserer Nähe, im Landkreis Kleve am unteren Niederrhein, nordwestlich des Ruhrgebiets, könnte der nächste Weltkrieg aus gesteuert werden.
Dafür erforderliche Einrichtungen befinden sich bereits heute dort, und sie werden beschleunigt ausgebaut: das Combined Air Operations Centre der NATO und die Führungszentrale Nationale Luftverteidigung (FüZNatLV) der Bundeswehr. Kein Wunder, dass sich die NATO gerade dort im Herbst 2012 auf einer Konferenz auf die „Kriegsführung im 21. Jahrhundert“ einstimmte: eine Kriegsführung, die weitgehend auf neue Technologien setzt und an deren vernetzter Anwendung – mit Militärsatelliten (GPS), Hightech-Flugobjekten mit und ohne Piloten (Spionage- und Kampfdrohnen), Tötungsrobotern – die NATO bereits übt. Atombomben lassen sich durch Cyberwar-Angriffe auf Atomanlagen ersetzen, der Zusammenbruch der Wasserversorgung ganzer Großregionen wird wie in einem Computerspiel ausgelöst. Das alles ist Gegenstand von Planspielen der Militärs. Automatische Tötungen Unbeteiligter, unerklärte Kriege und völkerrechtswidrige Überfälle sind nicht die einzigen Konsequenzen des Krieges 3.0. Längst hat die NATO den Friedensauftrag des Völkerrechts, hat die Bundeswehr ihre Verpflichtung auf den Verteidigungsauftrag des Grundgesetzes hinter sich gelassen. Kalkar ist für die Neuorientierung der Bundeswehr ein neuralgischer Punkt.
Von hier werden schon jetzt Eurofighter und AWACS-Flugzeuge ganz nah an die russische Grenze herangeführt, und von dort soll ein Kampfdrohnenkrieg auch in aller Welt ermöglicht werden. 1600 Fachleute des Tötens werden dort stationiert. Sie dirigieren Eurofighter auch überm deutschen Luftraum, und bei einem permanent durchgeführten Manöver starben im Sauerland am 23. Juni 2014 zwei Piloten. Gleichartige Manöver werden von Kalkar aus in den baltischen Ländern ab April 2014 planmäßig durchgeführt.
Für die UZ vom 08.09.14 schrieb Ulrich Sander folgende Gastkolumne
Vom Hauptkettenglied im Ringen um Frieden
Von Wladimir Iljitsch Lenin stammt der Rat: „Man muss es verstehen, in jedem Augenblick jenes besondere Kettenglied zu finden, das mit aller Kraft angepackt werden muss, um die ganze Kette zu halten und den Übergang zum nächsten Kettenglied mit fester Hand vorzubereiten.“ Diesen Hinweis halte ich für sehr wichtig in unübersichtlichen Lagen. Er gilt auch für die Friedensbewegung.
Es wird gesagt: Es gibt keine Ein- Punkt-Bewegung mehr wie „Bomben weg“, „Amis raus“, „Keine Raketen“, die Kriegsschauplätze sind zu zahlreich. Wir müssen also das „Hauptkettenglied“ finden.
Die „neue“ Friedensbewegung sagt nun sehr schlicht: Alles gegen die „jüdischen Banken“ und die USA, das sei der Punkt, um den Frieden zu erringen. Das ist nicht wahr, darum geht es nur jenen, die aus nationalistischen Gründen Deutschland den Vorteil verschaffen wollen; das hat mit Friedensbewegung nichts zu tun. Da geht es nur um die „Interessen des Vaterlandes“ anstelle derer der FedBank. (Die „neue“ Friedensbewegung nennt sich „Friedensbewegung 14“, es handelt sich wohl um 1914.)
Aber die Menschen sehnen sich doch nach einfachen Lösungen, und sie sind zugleich sehr verängstigt über das, was die USA und Israel anstellen – zu Recht. Wir antworten dann mit „es gibt neue Herausforderungen in der Friedensfrage“ und mit ähnlichen abstrakten Sachen. Man muss aber den Punkt finden, das Kettenglied.
Wenn die USA derzeit der größte Feind des Friedens sind, und sie sind es, dann müssen wir dennoch (entsprechend einem anderen Klassikerzitat) den „Hauptfeind im eigenen Land, die deutsche Kriegspartei“ (Karl Liebknecht) ausmachen, und das ist der, der die USA (und NATO) alles machen lässt, weil er selbst gern eigene Großmachtinteressen wahrnehmen will oder zumindest partizipieren möchte an Machtgewinn des Westens, Profit durch Rüstung etc.: der deutsche und EU-Imperialismus. Der lässt die USA von deutschem Boden aus jede Sauerei machen. Der verbündet sich mit Faschisten in Kiew, die wiederum mit den USA verbündet sind, um sogar Krieg gegen Russland zu führen. Auch im Kalten Krieg haben das die USA und die NATO gemacht, sich mit Nazis gegen den Osten verbündet. Faschistische Regime wie damals Spanien, Griechenland und Portugal waren Mitglied der NATO.
Der heutige Krieg wird Luftkrieg sein (das haben wir, die Friedensbewegung nachgewiesen). Die drei Standorte dafür sind Kalkar (nach Osten), Ramstein (nach Süden) und Stuttgart (gegen Afrika). Von Kalkar aus soll der Krieg gen Osten – nördlich der Alpen – getragen werden. Kampfdrohnen haben (noch und exklusiv) die US-Truppen, die Steuerung ist in Kalkar. Die USA werden – nach Stuttgart und Ramstein – nicht zögern, ihre Drohnen und Waffenautomaten von Kalkar aus zu steuern, auch wenn Deutschland noch gar keine hat. Mit aller Kraft muss ein Hauptkettenglied wie Kalkar angepackt werden, wenn wir irgend etwas erreichen wollen. Am 3. Oktober wird die Friedensbewegung nach Kalkar ziehen.
Grafik: H. Sander