18.02.2013: Wie Medien und Politik Geschichte deuten, erlebte man anschaulich anlässlich der Erinnerung an den 30. Januar 1933. Offiziell gibt man sich solide. Das Gedenken im Bundestag zum 27. Januar wurde mit der Erinnerung an den 30. Januar 1933 verbunden. Inge Deutschkron, die seit 1943 illegal in Berlin überlebte, schilderte eindrücklich ihr Schicksal. Übertragen wurde ihre Rede jedoch nur auf Phoenix, während ARD und ZDF in leichter Unterhaltung machten.
Bundeskanzlerin Merkel spricht zur Eröffnung der Sonderausstellung „Berlin 1933 – Der Weg in die Diktatur“. Und während die CDU im schwäbischen Mössingen die Antifaschisten, die 1933 einen Generalstreik gewagt hatten, denunziert, sagt sie Richtiges, lässt jedoch Entscheidendes aus:
„Der Aufstieg des Nationalsozialismus wurde möglich, weil Eliten und Teile der deutschen Gesellschaft daran mitwirkten.“ Ja, aber wer waren diese Eliten und was ihre Interessen?
„Den Weg in ein totalitäres staatliches System besiegelte das sog. Ermächtigungsgesetz.“ Dann zitiert Merkel sogar den sozialdemokratischen Reichstagsabgeordneten Otto Wels, jedoch kein Wort, warum andere demokratische Parteien (Zentrum, Staatspartei, BVP) diesem Gesetz ohne Druck zugestimmt haben.
Offener agierten dagegen die Mainstream- Medien (u. a. Frankfurter Rundschau), in denen sich ein Götz Aly auslassen durfte, dass „die erste moderne Volkspartei“ Hitler an die Macht gebracht habe. Man spürt Alys innere Begeisterung, denn „Hitler stand für das Neue“, er habe zum ersten Mal gegendert und mit „Deutschlandflügen“ seine Konkurrenz hinter sich gelassen. Und mit Beginn der Herrschaft habe er vor allem soziale Wohltaten an die Bevölkerung verteilt, z. B. Senkung der Krankenschein- und Rezeptgebühr oder Minderung der Steuern für Ehepaare mit Kindern. Außerdem: „Totalitäre Utopien hatten Konjunktur. Die Lust am gewalttätigen politischen Umsturz teilten viele.“ Dass ihm bei einer solchen Perspektive nicht einmal die Eliten einfielen, die Merkel noch versteckt erwähnte, überrascht nicht.
Denn an eines sollten die Menschen zum 30. Januar 1933 auf keinen Fall erinnert werden, dass die Errichtung der faschistischen Herrschaft keine „Machtergreifung“, sondern eine Übertragung der Macht war, zu der Vertreter der Groß- und Privatbanken, der Schwerindustrie und des Bergbaus, der IG Farben und der ostelbischen Junker gleichermaßen beigetragen hatten. Sie alle kannten Hitlers politisches Programm und wollten diese faschistische Krisenlösung. Unterstützung erhielt Hitler auch von der Reichswehr, der er seine Ziele für die Revision des Versailler Vertrages erklärt hatte.
Solche Fakten sollen aus der Erinnerung verdrängt werden. Dagegen hat die VVN-BdA mit der Internetseite www.dasjahr1933.de ein geschichtspolitisches Gegenangebot mit Dokumenten, Bildern und ausführlichen Materialien aus antifaschistischer Perspektive entwickelt. Dieses Angebot wird im Jahre 2013 für Antifaschisten unverzichtbar werden.
Dr. Ulrich Schneider ist Bundessprecher der VVN-BdA (aus UZ vom 08.02.13)