25.10.2012: Der Grünen-Politiker Kuhn siegte beim zweiten Wahlgang der OB-Wahl in Stuttgart mit 52,9 % in deutlichem Abstand über den von CDU, FDP und „Freien Wählern“ unterstützten „parteilosen“ Unternehmer Turner, der nur auf 45,3 % kam. Auch die SPD hatte zur Wahl von Kuhn aufgerufen und Hannes Rockenbauch trat im 2. Wahlgang nicht mehr an. Die Wahlbeteiligung war leicht auf 47,2 % gestiegen. Damit hat sich der Trend verfestigt, dass sich die Krise der hiesigen CDU nicht so schnell beheben lassen wird, nach fast 60 Jahren Vorherrschaft im Lande und 38 Jahren in der Landeshauptstadt!
Die offen und skrupellos reaktionären Vertreter von Kapital-Interessen haben v. a. vor dem Hintergrund der langjährigen S21-Proteste zunehmend Probleme, ihre Anhängerschaft zu mobilisieren. Da half auch der Einsatz von Polit- Prominenz wie zum Beispiel Kanzlerin Merkel oder der Rita Süssmuth und FDP-Lindner nicht wesentlich, die Stimmen für Turner zu steigern. Mit Werbesprüchen wie „Kann Wirtschaft – Schafft Zukunft“ und großem Materialaufwand versuchte Turner noch, die Stimmung zu drehen, aber die Grünen treffen offenbar merklich genauer den Nerv der „bürgerlichen Mitte“ im großstädtischen Milieu.
Fritz Kuhn äußerte am Wahlabend, dass er eine weltoffene Stadt wolle, die wirtschaftlich gut dastehe („Mit grünen Ideen schwarze Zahlen schreiben“), in der die Ökologie beachtet wird und in der es sozial zugehe! Als Schwerpunkt nannte er den Kita-Ausbau. Große Sprüche, an denen er gemessen werden muss.
Dennoch darf man sich bei einem OB Kuhn nichts vormachen. Auch wenn er im Vergleich zum offenen Reaktionär Turner das „kleinere Übel“ darstellt, so stand und steht er real für Kriegs-, für Agenda 2010-, Rettungsschirm und Schuldenstopp-Politik, was in letzter Konsequenz auch für Stuttgart die Entmachtung der Gemeinde-Selbstverwaltung bedeutet. S21 will er nur noch kritisch begleiten. Die Ironie der Geschichte will, dass das Milliarden- Wahnsinns-Projekt S21 unter einem grünen Ministerpräsidenten, einem grünen Verkehrsminister und jetzt auch noch unter einem grünen OB realisiert werden wird, wenn es nicht letzten Endes vom Druck der Protestbewegung doch noch gestoppt werden kann. So ist auch ein OB Kuhn de facto der Vertreter des Großkapitals, aber eben mit moderneren, flexibleren und eher „die Bürger mitnehmenden“ Methoden.
Da er von Grünen und letztlich auch der SPD unterstützt wurde, besteht die reale Gefahr, dass dieser Politik des neuen OB‘s im Gemeinderat außer SÖS und Linkspartei keine wirksame Opposition mehr gegenübersteht und dass die Protestbewegungen in diese Politik eingebunden und abgewürgt werden sollen. Umso wichtiger bleibt es, dass vom Achtungserfolg von Hannes Rockenbauch im ersten Wahlgang (10,4 %) ausgehend für die weitere Periode der Kommunalpolitik in Stuttgart eine enge Verzahnung von außerparlamentarischem Druck der Bewegungen mit dem parlamentarischen Auftreten von SÖS-/Linke-StadträtInnen erreicht wird. So könnte im günstigsten Falle ein OB Kuhn die Stuttgarter Stadtverwaltung druckanfälliger machen für fortschrittliche und antikapitalistische Initiativen von unten. Dringend notwendig wäre es darüber hinaus, dass die Themen der Arbeiterbewegung stärker in die öffentliche Debatte hineingetragen werden.
Text: Klaus Mausner, Stuttgart (aus der UZ vom 26.10.12) Fotos: Bei Abriss Aufstand , bbu
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Baby, don't hurt me no more (von Volker Lösch)
Volker Lösch, geboren 1963, ist seit 2005 Hausregisseur am Schauspiel Stuttgart. Der Lessing-Preisträger gehört zu den bedeutendsten Theaterregisseuren in Deutschland und zu den prominentesten Unterstützern des Protests gegen Stuttgart 21. Den grünen OB hat Volker Lösch nur zähneknirschend gewählt. Was der Theaterregisseur von den Grünen fordert, sagt er in der Kontext:Wochenzeitung