25.04.2011: Zum Abschluss der diesjährigen Ostermärsche erklärte der Sprecher des "Friedensratschlags":
Die so häufig tot gesagte Friedensbewegung hätte des Fukushima-Effekts nicht bedurft, um ihre Lebensfähigkeit und politische Existenzberechtigung unter Beweis zu stellen: Dass die Anti-Atom-Bewegung in diesem Jahr bei zahlreichen Ostermärschen dabei war, ihn teilweise mit ihren Parolen und Forderungen geprägt hat, wurde von der Friedensbewegung vor Ort aber als Bereicherung und Erweiterung der eigenen Agenda dankbar begrüßt. Die 80 Ostermärsche, die von Freitag bis Montag stattfanden, führten durch insgesamt 100 Städte. Hinzu kamen am Montag 12 Aktionen an Atomkraftwerks- und Atommüll-Standorten. Die Bilanz kann sich sehen lassen: Verglichen mit dem vergangenen Jahr verbuchten die meisten Ostermärsche eine Zunahme an Demonstranten, nur in wenigen Städten stagnierte die Zahl, nirgends gab es einen Rückgang.
Neben der lautstarken Kritik an der Atompolitik der führenden Industriestaaten und der Forderung nach einem irreversiblen Ausstieg aus der unbeherrschbaren Risikotechnologie verlangten die Ostermarschierer die Verschrottung der Atomwaffen und - als ersten Schritt bei uns - den Abzug der US-Atomwaffen aus Büchel.
Aus der langen Liste der übrigen friedenspolitischen Themen ragten die folgenden heraus:
- Der NATO-Krieg gegen Libyen muss gestoppt werden. Schon vom ersten Tag der Bombardierung libyscher Ziele war klar, dass sich die Kriegsallianz nicht von dem Prinzip der "Verantwortung zu schützen" leiten ließ. Vielmehr geriet der Militäreinsatz zu einer unverantwortlichen Schützenhilfe für libysche Rebellen. Die NATO fungiert als Luftwaffe einer Bürgerkriegspartei - der Schutz der Zivilbevölkerung ist ein vorgeschobener Rechtfertigungsversuch einer völkerrechtswidrigen Kriegshandlung. Auf den Ostermärschen wurden als Alternative ein Stopp der Kampfhandlungen und die Einleitung von Vermittlungsgesprächen unter internationaler Beteiligung gefordert.
Deutlich wurde auch in vielen Ansprachen die freudige Zustimmung zu den Umbrüchen in der arabischen Welt, die auf einem guten Weg ist, sich - beginnend in Tunesien und Ägypten - mit eindrucksvollen Massenbewegungen von ihren Despoten zu befreien. - Dass Krieg kein Mittel der Politik sein kann und darf, liegt auch dem andauernden Protest der Friedensbewegung gegen den Afghanistan-Krieg zu Grunde. Tenor der Ostermarsch-Aufrufe und der vielen Reden, die gehalten wurden: Kein einziges Problem in Afghanistan konnte durch den fast 10-jährigen Krieg gelöst werden, stattdessen wurde manches Problem (Hunger, Jugendarbeitslosigkeit) nur noch verstärkt. Das einzige, was heute blüht in Afghanistan, sind der Mohnanbau und die Korruption. Die Friedensbewegung fordert - übrigens im Einklang mit der überwältigenden Mehrheit der Bevölkerung - den Abzug der Bundeswehr und die Konzentration auf ausschließlich zivile Hilfe für die geschundene Bevölkerung in Afghanistan.
- Im Visier der Ostermärsche standen auch die NATO und die Bundeswehr. Letztere ist dabei, sich endgültig von ihrem Grundgesetz-Auftrag zur Landes- und Bündnisverteidigung zu verabschieden und zu einer weltweit einsetzbaren Interventionsarmee zu werden. Die mit der Umwandlung der Bundeswehr in eine Freiwilligenarmee einhergehende Sorge der Militärs, nicht genügend Nachwuchs rekrutieren zu können, ist nicht die Sorge der Friedensbewegung. Den Versuchen der Bundeswehr, verstärkt an Schulen und Arbeitsagenturen, auf Volksfesten und Messen Werbung für sich zu machen - z.B. mit Hilfe der Kultusministerien, die in vielen Ländern bereits "Kooperationsvereinbarungen mit der Bundeswehr abgeschlossen haben - wird die Friedensbewegung zusammen mit Schülerinnen und Schülern, mit Lehrerverbänden entgegen treten. Die "Schule der Nation ist die Schule - nicht die Bundeswehr", war einer der vielen Slogans zu diesem Thema.
Der Bundesausschuss Friedensratschlag wird sich auch weiterhin für diese Forderungen bundesweit und überall auch auf lokaler Ebene einsetzen. Die prägnante Osterlosung des Friedensratschlags "Atomkraft + Kriegseinsätze - STOPP" wird die Agenda der Friedensbewegung auch über die Ostermärsche hinaus bestimmen.
Pressemitteilung des Bundesausschusses Friedensratschlag
Für den Bundesausschuss Friedensratschlag: Peter Strutynski (Sprecher)
Foto: Werner Rauch