03.11.2010: Die „taz“ (Die Tageszeitung) hat am Wochenende bisher geheim gehaltene Verträge zur Teilprivatisierung der Berliner Wasserbetriebe von 1999 sowie spätere Änderungsverträge veröffentlicht. Der taz wurden ein Teil des Vertragswerks zur Teilprivatisierung der Berliner Wasserbetriebe aus den Jahren 1999 (CDU-/SPD- Koalition) und 2004 (SPD-/PDS-Koalition) von einem geschützten Informanten zugespielt. Die Dokumente belegen die Aussage des „Berliner Wassertischs“, dass „Geheimverträge mit unverschämt hohen Gewinngarantien, die zu Lasten von uns Bürgerinnen und Bürgern abgeschlossen worden sind“ die Ursache einer traurigen Bilanz sind: Arbeitsplätze werden abgebaut, Wasserwerke geschlossen und im internationalen Städtevergleich zahlen wir mit die höchsten Wasserpreise.
Die inzwischen von allen Parteien lauthals kritisierten Vereinbarungen gelten mindestens 30 Jahre. Im Fokus steht der jetzt zitierbare Nachweis schamloser privater Bereicherung mittels Rendite- Garantie und garantierter Kalkulation. Dies ist eine Ausgleichsverpflichtung für „entgangene Gewinne“, die notfalls auch direkt aus Steuermitteln und dem Landeshaushalt zu zahlen sind. Die damaligen Oppositionsparteien PDS und Grüne klagten 1999 dagegen und erreichten, dass lediglich ein extra vereinbarter Zuschlag für fiktiv berechnete Zinsen („Effizienzsteigerungsklausel“) nichtig wurde. Während CDU und SPD bis zu ihrer Abwahl 2001 in Berlin aufgrund einer vertraglich befristeten Preisstabilität nichts taten, stand 2004 für die „aufräumende“ Koalition von SPD und der Partei „Die Linke“ die pure Pflichterfüllung bei einer „Wahl zwischen Pest und Cholera“ an (Klaus Lederer). Insbesondere Harald Wolf, vom einstigen PDS-Oppositionsführer zum Wirtschaftssenator aufgestiegen, wird jetzt mit dem Vorwurf eines Verfassungsverstoßes konfrontiert, weil die gerichtlich gekippte Berechnungsgrundlage im novellierten Vertragswerk durch das Äquivalent eines stufenweisen Anstiegs der Wassertarife zu Lasten der privaten Berliner Haushalte „ersetzt“ wurde (Abschreibungsmethode nach Wiederbeschaffungszeitwerten). 2008 soll sie exakt wieder dem Stand des nichtig gewordenen Rendite-Zuschlags entsprochen haben. Solch Komplizenschaft an der Ausschüttung wurde bisher nur Sarrazin zugetraut, der damals die überschuldete Landeskasse verwaltete.
DieVeröffentlichung einiger Bestandteile des auf insgesamt 60 000 Seiten geschätzten Abkommens gießt Öl ins Feuer wutentbrannter Bürger und ruft erste Politikerreaktionen hervor. Bislang hatten abwiegelnd aufgrund von „Verhandlungen“ nicht nur RWE und Veolia, sondern auch die in Berlin regierende Koalition von SPD und Partei „Die Linke“ den Volksentscheid als überflüssig erachtet. Es wäre nicht verwunderlich, würde er aufgrund des aktuellen Coups gar schon als „erledigt“ eingestuft. Dass indes die Akteneinsicht wohl dosiert und nur mit dem Anlüpfen einer Decke vergleichbar daherkommen soll, zeigt das Beispiel der Grünen-Abgeordneten Heidi Kosche. Sie erstritt sich im Sommer das ihr parlamentarisch zustehende Recht auf Einsichtnahme vor dem Berliner Verfassungsgerichtshof, will aber wegen der verzögerten Bereitstellung der Ordner erneut klagen. Setzt sich das aktuell angeschlagene Behörden-Tempo fort, dann wäre sie auch am Ende der übernächsten Legislaturperiode noch nicht mit ihrem Kontrollauftrag fertig. Die Initiatoren vom Wassertisch, dessen Vertrauensperson Kosche ist, halten es hingegen für zwingend erforderlich, dass alle Geheimverträge, die das öffentliche Gut Wasser betreffen, per Gesetz zur allgemeinen Einsichtnahme offengelegt werden. Hat auch der derzeitige Senat gegen eine Gerichtsentscheidung von 1999 gehandelt? Erst wenn die Echtheit der Dokumente und der volle Umfang der Knebelverträge zu Lasten des Landes Berlin als Mehrheitseigner erwiesen sind, ist der Weg zu einer juristischen Annullierung und somit für eine kostengünstige Rekommunalisierung frei.
Text: Hilmar Franz (Auszug aus einem Artikel in der UZ vom 5.11.2010)
Anlage: Presseerklärung vom Berliner Wassertisch