19.09.2010: An die Hunderttausend Menschen aus der gesamten Bundesrepublik demonstrierten am Sonnabend in Berlin und "umzingelten" das Regierungsviertel. Sie liefen nicht nur über die genehmigte Strecke, sondern "besetzten" nach und nach das Viertel. Viele setzten sich vor dem Reichstag auf Treppen und Grünflächen und gingen erst nach einer ganzen Weile wieder weg.
Mit Bussen und Sonderzügen waren an diesem Tag auch "von auswärts" viele gekommen - Einzelpersonen, Mitglieder von Anti-Atom-Initiativen, von Umweltverbänden, des Bündnisses gegen "Stuttgart 21", Mitglieder von Gewerkschaften wie ver.di, der Oppositionsparteien im Bundestag und anderer Parteien. Gegen 13 Uhr war der Washingtonplatz vor dem Berliner Hauptbahnhof schon völlig überfüllt. Und ständig - auch noch in späteren Stunden - kamen neue Demonstranten hinzu. Als die letzten Gruppen am Hauptbahnhof ihre Demonstration begannen, waren die ersten schon wieder da.
Die Veranstalter erklärten: "Der heutige unerwartet breite Protest zehntausender Menschen zeigt: Die Bevölkerung duldet keine Klientelpolitik für Atomkonzerne auf Kosten ihrer Sicherheit. Der Widerstand gegen die Atompläne der Bundesregierung kommt aus allen Schichten der Gesellschaft. Jüngere und Ältere, Schülerinnen und Schüler, Studentinnen und Studenten, Gewerkschafter, Beschäftigte in der Branche der Erneuerbaren Energien, Raver und Chöre, Umweltschützer und Angehörige der verschiedenen Parteien protestieren heute gegen längere Laufzeiten für Atomkraftwerke und für einen schnelleren Ausstieg aus der gefährlichen Atomenergie. Nach dieser Demonstration wird der schwarz-gelben Regierungskoalition klar geworden sein, dass sie sich mit ihrem Atomdeal gehörig die Finger verbrannt hat. In der Atompolitik ist noch lange nicht das letzte Wort gesprochen."
Die Motive, an diesem Tag zu demonstrieren, waren jedoch vielfältig. Der Deal der Bundesregierung mit den großen Stromkonzernen empört, denn damit wird der Wille einer Mehrheit im Land völlig missachtet, die die Gefahren, die sich aus dem Betrieb der AKW sowie der Endlagerung ergeben, weder für sich selbst noch für die nachfolgenden Generationen akzeptieren und die Förderung alternativer Energiegewinnung fordern. Andere - so auch die DKP - gingen weiter und machten darauf aufmerksam, dass mit dem Atom-Deal die tatsächlichen Macht- und Eigentumsverhältnisse im Land deutlich werden. Eine der sich aus dieser Tatsache ergebenden grundlegenden Forderungen ist gerade jetzt die nach der Enteignung der großen Energiekonzerne, nach ihrer Überführung in öffentliches Eigentum und nach demokratischer Kontrolle. Eine Aktion der DKP im und am Hauptbahnhof, als zwei große rote Ballons ein Transparent mit den Aussagen "DKP: Der Mensch geht vor Profit" sowie "Mafia enteignen" bzw. "Power to the People" in die Höhe zogen, erregte Aufsehen.
Deutlich wurde an diesem Tag: Es geht hier um weitaus mehr als nur im eine andere Energiepolitik.
Text: nh Fotos: Detlef Deymann
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