www.kommunisten.de – Der Kampf um TikTok und um die Köpfe. Israel hat ein TikTok-Problem

Vor knapp fünf Jahren begann der damalige US-Präsident Donald Trump den Wirtschaftskrieg gegen China. Dabei geht es um die Verteidigung der wirtschaftlichen, politischen und militärischen Vormachtstellung der USA.

Wenig Erfolg im Chipkrieg

Die Absicherung der weiteren US-Vormachtstellung entscheidet sich vor allem bei den Zukunftstechnologien. Und so griffen die USA den in der Kommunikationstechnik weltweit führenden chinesischen Konzern Huawei an. Die Trump-Regierung verbot, dass US-Halbleiterkonzerne ihre Mobilfunk-Chips an Huawei liefern. Auch das Smartphone-Betriebssystem Android von Google war für Huawei künftig tabu. Für Huawei war das eine Katastrophe. Der Konzern hatte keinen Zugang mehr zu den notwendigen Chips. Der Marktanteil für Smartphones von Huawei rutschte von etwa einem Drittel Mitte 2020 auf sieben Prozent ab. Zudem wurden auch die Mobilfunk-Basisstationen vom US-Markt und von den Märkten besonders williger US-Verbündeter ausgesperrt.

Biden verschärfte dann sogar den von Trump begonnen Chipkrieg. Mit wenig Erfolg.

"Nach fast fünf Jahren US-Sanktionen im Chipkrieg gegen China lässt sich feststellen: Die Sanktionen haben den Preis für China, sich mit Chips zu versorgen, hochgetrieben. Das Angebot ist verknappt, die Preise steigen. Gleichzeitig hat der US-Chipkrieg aber dazu geführt, dass sich Chinas Anstrengungen vervielfacht haben, sich mit Chips aller Kategorien selbst zu versorgen und besonders bei der Entwicklung und Produktion von Chips mit ultrafeinen Leiterbahnen aufzuholen. Hier lag China bislang weit zurück hinter Taiwan, Südkorea und den USA. Jetzt boomen die Chipindustrie und die Zulieferindustrien in China. Absehbar ist, dass sich der Abstand im Produktions- und Entwicklungs-Know-how zwischen China und den Weltmarktführern weiter verringern wird. Als Ergebnis wird China innerhalb der nächsten 10 Jahre auch in der Halbleitertechnologie mit an der Weltspitze stehen", schreibt Wolfgang Müller in der Untersuchung "Warum die westlichen Sanktionen im Chipkrieg gegen China scheitern. Zwischenbilanz im US-Chipkrieg gegen China." [1]

Und auch Huawei ist zurück im Spiel - ohne in den USA designte Chips und ohne das Android-Betriebssystem. Mit dem neuen Smartphone "Mate 60 Pro" positioniert sich Huawei wieder an der Spitze des High-End-Segments und verdrängt Apple von Platz 1. In China, dem wichtigsten Markt für Apple, gingen Apples Smartphone-Verkäufe in den ersten sechs Wochen des Jahres 2024 um 24 Prozent zurück, während Hauptkonkurrent Huawei seine Verkaufszahlen um 64 Prozent steigern konnte.

Krieg um TikTok

Der Streit um TikTok ist die jüngste Front im Konflikt zwischen den USA und China und den Versuchen Washingtons, seine Vormachtstellung zu sichern. Die US-Infrastruktur und -Plattformen haben ein wesentliches Monopol auf das globale Netz. Diese monopolistische Internet-Dominanz US-amerikanischer Unternehmen ist ein offensichtlicher industrieller Vorteil für Washington, und der neue Rüstungswettlauf hat die Unternehmen des Silicon Valley in den neuen strategischen Partner des militärisch-technisch-industriellen Komplex verwandelt.

Ein Dorn im Auge ist den USA die Kurzvideo-App TikTok, die erste globale Internetplattform aus China mit 170 Millionen Nutzer:innen allein in den USA. Bisher haben die USA mit Plattformen wie YouTube, Instagram, Facebook und Twitter den internationalen Diskurs monopolisiert. "TikTok trägt dazu bei, diesen Würgegriff der Verbreitung von Informationen zu durchbrechen", schrieb der China-Beobachter Bill Bishop in seinem Sinocism-Newsletter. Die Übernahme von TikTok, der einzigen nicht-amerikanischen Plattform, würde dazu beitragen, die derzeitige technologische Hegemonie aufrechtzuerhalten, indem ein unbequemer Konkurrent aus dem Weg geräumt wird, so Bishop.

Der Kampf um die strategische Kontrolle des Internets wird unter dem Deckmantel des nationalen Notstands und der Verteidigung des Westens geführt, Themen der Souveränität, die in Washington hoch im Kurs stehen. Das politische Terrain wird von einem wachsenden Chor von Politiker:innen und Medien bereitet, die vor der Gefahr des feindlichen kommunistischen Auges warnen, das im Portal lauert und bereit ist, die vertraulichen Daten wehrloser amerikanischer Verbrauche:innen zu stehlen, und Peking die Macht zu verleihen, Gesellschaft, Politik und Wahlen zu beeinflussen.

Marco Rubio, der stellvertretende Vorsitzende des Geheimdienstausschusses des Senats, brachte dies zum Ausdruck, als er bei einer jährlichen Anhörung über "weltweite Bedrohungsanalysen" sagte, dass "jedes Unternehmen in China von der Kommunistischen Partei Chinas kontrolliert wird" - einschließlich ByteDance, dem Mutterkonzern von TikTok. "Sie kontrollieren zufällig ein Unternehmen, das einen der besten Algorithmen für künstliche Intelligenz der Welt besitzt. Es ist derjenige, der hierzulande von TikTok verwendet wird, und er nutzt die Daten von Amerikanern, um im Grunde Ihre Gedanken zu lesen und vorherzusagen, welche Videos Sie sehen wollen", sagte er.

Ein Sprecher von Bidens Nationalem Sicherheitsrat erklärte, dass TikTok eine Bedrohung für die nationale Sicherheit der USA darstelle, "weil ausländische Mächte die Ansichten und Überzeugungen der Amerikaner manipulieren".

WhatsApp-Daten an israelisches Militär. Kein Problem.

Während sowohl demokratische als auch republikanische Gesetzgeber ihre Besorgnis darüber äußern, dass TikTok möglicherweise Daten von US-Bürger:innen an die chinesische Regierung weitergeben könnte, ignorieren die selben Personen Berichte, wonach WhatsApp-Daten vom US-amerikanischen Mutterkonzern Meta an das israelische Militär übergeben wurden. Diese Daten könnten vom israelischen Militär und Geheimdienst für die Verfolgung von Palästinenser:innen und für die Fütterung des KI-gesteuerten Vernichtungskrieges gegen die Palästinenser:innen verwendet worden sein. (siehe kommunisten.de, 4.4.2024: 'Lavender': KI-gesteuerter Vernichtungskrieg in Gaza. Eine Maschine, die 100 zivile Todesopfer für jeden Hamas-Offiziellen erlaubt)

Gesetz zum Verkauf von TikTok an US-amerikanisches Unternehmen

"Jahrelang haben wir der Kommunistischen Partei Chinas erlaubt, eine der beliebtesten Apps Amerikas zu kontrollieren, und das war gefährlich kurzsichtig. Ein neues Gesetz wird den chinesischen Eigentümer zwingen, die App zu verkaufen. Das ist gut für Amerika", sagte Marco Rubio nachdem der US-Kongress ein Gesetz beschloss, das den Verkauf von TIkTok erzwingt.

Am 24. April hat der Senat als zweite Kongresskammer nach dem Repräsentantenhaus parteiübergreifend mit großer Mehrheit beschlossen, dass der chinesische Mutterkonzern ByteDance seine Kurzvideo-App TikTok innerhalb eines Jahres an einen US-amerikanischen Käufer, den die Regierung für "akzeptabel" hält, veräußern muss. Ansonsten soll die App in den USA verboten und aus US-amerikanischen App-Stores verbannt werden.

Wenig überraschend steht auch schon ein Käufer bereit. Trumps Ex-Finanzminister Steven Mnuchin ist dabei, eine US-amerikanische Investorengruppe für den Kauf von TikTok zu organisieren. Die Kurzvideo-App müsse einem amerikanischen Unternehmen gehören, sagte Mnuchin. Allerdings dürfe TikTok auch nicht unter Kontrolle der großen amerikanischen Techkonzerne geraten, weil das wettbewerbsrechtlich problematisch sein könne. Aktuell ist Steven Mnuchin Chef des Finanzinvestors Liberty Strategic Capital. Im Juli 2021 ist Liberty Strategic Capital mit 275 Millionen US-Dollar in das israelische Cybersicherheitsunternehmen Cybereason, einem weltweiten Marktführer im Bereich der Cyber-Abwehrtechnologie, eingestiegen. Mnuchin, der 1962 in einer jüdischen Familie geboren wurde, gehört dem Verwaltungsrat von Cybereason an.

Die unverhohlene staatliche Unterstützung für amerikanische Unternehmen hat ihre Kritiker:innen. "Ich habe ernsthafte Zweifel an der Angemessenheit einer selektiven Anwendung einer mit der Datensicherheit begründeten Regelung auf eine Plattform, während alle anderen Plattformen weiterhin auf genau dieselbe Weise arbeiten dürfen", begründete die Senatorin von Massachusetts, Elizabeth Warren, ihre Ablehnung des Gesetzes.

Die lange Auseinandersetzung um TikTok

Das "TikTok-Verbot" hat viel entferntere Wurzeln: Es war Donald Trump, der in den letzten Monaten seiner Präsidentschaft in einer Durchführungsverordnung den Verkauf von TikTok innerhalb von 45 Tagen an ein Konsortium bestehend aus Walmart und Oracle angeordnet. Diese Anordnung wurde von einem Bundesgericht in Washington als Verstoß gegen die in der US-Verfassung verankerte Redefreiheit zurückgewiesen.

Vor einem Jahr wurde Shou Zi Chew, CEO von TikTok, im Kongress stundenlang über die Beziehung seines Unternehmens zu ByteDance ausgefragt - die Befürchtung und der Vorwurf, der nie wirklich bewiesen wurde, ist, dass die Daten von US-Bürgern an die Regierung in Peking weitergegeben werden. TikTok kontert den Vorwurf, dass ByteDance ein chinesisches Unternehmen sei, mit dem Hinweis, die Firma sei zu 60 Prozent im Besitz westlicher Investoren und der Firmensitz liege auf den Caymaninseln in der Karibik.

Donald Trump, der Biden bei der Präsidentschaftswahl 2024 herausfordert, vollzog unterdessen in seiner Haltung zu TikTok eine 180-Grad-Wende. Jetzt lehnt er ein TikTok-Verbot mit der Sorge um die 170 Millionen Nutzer:innen ab, zu denen unzählige Kleinstunternehmer und kleine Unternehmen gehören, darunter eine ganze Reihe von Influencern, die auf der Plattform ein persönliches Business-System aufgebaut haben. Das sind die "Leute, die durchdrehen werden", wie Trump es ausdrückte. Außerdem würde ein TikTok-Verbot nur den US-Onlineriesen Meta und dessen Gründer Mark Zuckerberg - ein Erzfeind von Trump - stärken.

USA TikTok 1of170Mio

Bidens Demokraten befinden sich in einer Zwickmühle: Denn zum einen will der Präsident eine harte Position gegenüber China einnehmen, zum anderen ist die App bei jungen Nutzer:innen populär, deren Stimmen er für eine Wiederwahl im November braucht. Bidens Wahlkampf-Team eröffnete erst in diesem Jahr selbst einen TikTok-Account.

Kampf um die Köpfe. TikTok zu "pro-palästinensisch"

Auffällig ist der Zeitpunkt zu dem TikTok abgewürgt wird. Während der Konflikt mit China dazu beitrug, den Gesetzentwurf auf den Weg zu bringen, wiesen Journalisten, Experten und Nutzer sozialer Medien seit Oktober darauf hin, dass pro-palästinensische Inhalte zum Wiederaufleben des Gesetzentwurfs führten. Die Republikaner betrachten die angebliche Förderung israelfeindlicher Inhalte durch TikTok als Teil einer großen chinesischen Verschwörung, um junge US-Amerikaner:innen einer "Gehirnwäsche" zu unterziehen und politische Zwietracht in den Vereinigten Staaten zu säen.

Die Washingtoner Anwältin für Bürgerrechte und digitale Rechte, Sanaa Ansari Khan, merkt an: "Es ist bemerkenswert, dass zu einer Zeit, in der eine App in ausländischem Besitz marginalisierten Nutzern die Möglichkeit gegeben hat, das Narrativ der US-Regierung in Frage zu stellen, amerikanische Gesetzgeber sich beeilen, sie zu verbieten, und sich dabei auf die Notwendigkeit berufen, Nutzerdaten vor ausländischen Regierungen zu schützen."
Sie fügt hinzu, dass dies keinesfalls eine Verteidigung von TikTok sei, denn das gesamte System unserer Daten sei "ausbeuterisch und anfällig für Missbrauch, und das gilt unabhängig von der Nationalität der Eigentümer einer App".[2]

"Wir haben wirklich ein Tik-Tok-Problem."
Jonathan Greenblatt, Leiter der einflussreichen pro-israelischen Anti-Defamation League

Der republikanische Rechtsaußen Marco Rubio, bezeichnet die Plattform als "ein Werkzeug, das China benutzt, um Propaganda unter den Amerikanern zu verbreiten", das nun "benutzt wird, um den Hamas-Terrorismus herunterzuspielen".

Ein weiteres Indiz dafür, dass es um die Rolle von TikTok bei der Meinungsbildung zum israelischen Massaker in Gaza geht, ist, dass einer der Hauptspender von Mike Gallagher, dem republikanischen Kongressabgeordneten, der den Gesetzentwurf eingebracht hat, das American Israel Public Affairs Committee (AIPAC) ist. AIPAC wurde 1953 als American Zionist Committee for Public Affairs gegründet und ist nach eigener Erklärung "eine nationale Bewegung von mehr als 3 Millionen pro-israelischen Amerikanern, die sich für eine US-Politik einsetzen, die die Beziehungen zwischen den USA und Israel stärkt. Es ist auch das größte Pro-Israel-PAC in Amerika, das parteiübergreifend Kandidaten unterstützt, die auf der Seite Israels stehen."

Mike Gallagher, republikanische Abgeordnete aus Wisconsin, wirft TikTok vor, jungen Amerikaner:innen "die unbearbeiteten Nachrichten" zu liefern, die ihnen eine "verkehrte Weltsicht" vermittelten, um "gegen einen wichtigen amerikanischen Verbündeten" zu agieren.

USA Blinken Romney "es geht um die Kontrolle der Erzählung"
https://twitter.com/wideofthepost/status/1787104142982283587
Gespräch in voller Länge: https://youtu.be/V92PzA6eEyM

US-Außenminister Antony Blinken und der republikanische Senator Mitt Romney geben ganz offen zu, dass das TikTok-Verbot mit dem Verlust der Deutungshoheit über den Krieg in Gaza zusammenhängt. In einem Gespräch gehen sie darauf ein, "warum es eine so überwältigende Unterstützung für uns gab, TikTok möglicherweise zu schließen". Das Verbot von TikTok sei direkt darauf zurückzuführen, dass TikTok von pro-palästinensischen Inhalten überflutet werde und es um die Kontrolle der 'Erzählung' gehe. Romney fügt ausdrücklich hinzu, dass der Kongress so schnell gehandelt hat, um TikTok zu verbieten, nachdem er darüber nachdedacht hat, warum die PR von Israel gescheitert ist. Die sozialen Medien dominieren das Narrativ und Israel sei ins Hintertreffen geraten – "die ganze Welt klagt Israel an". "Die Emotionen und die Wirkung der Bilder haben eine sehr herausfordernde Wirkung auf die Erzählung“, so Blinken. Wobei die 'Erzählung', die israelische Propaganda - "Israels PR" - ist.

Die Wut auf TikTok spricht auch aus einem X-Posting des israelischen Botschafters in Berlin, Ron Prosor, über die Protest an der Berliner Humboldt-Universität gegen den israelischen Völkermord: "Aktivisten mit einem Abschluss in Judenhass von der University of TikTok treffen sich, um eine Terrororganisation zu unterstützen."

Tatsächlich hat TikTok dazu beigetragen, dass die Erzählungen Israels und seiner Verbündeten die Deutungshoheit verloren haben. Und so wird das Gesetz genau zu dem Zeitpunkt beschlossen zu dem es an den US-amerikanischen Universitäten und weltweit zu wachsendem Protest gegen den israelischen Völkermord an den Palästinenser:innen kommt.

"Es trifft eine in ausländischem Besitz befindliche Social-Media-Plattform, die den Opfern der imperialen US-Politik ein Megaphon gibt"
Sanaa Ansari Khan, Anwältin für Bürgerrechte und digitale Rechte mit Sitz in Washington

"Es trifft eine in ausländischem Besitz befindliche Social-Media-Plattform, die den Opfern der imperialen US-Politik ein Megaphon gibt, um ihre Erfahrungen und ihr Leiden zu verbreiten, was zu einer massiven Verschiebung der amerikanischen Unterstützung für die US-Politik im Nahen Osten geführt hat, wobei junge Menschen eher mit den Palästinensern als mit den Israelis sympathisieren.
Dieser Trend ist global. Es ist schwer, nicht zu dem Schluss zu kommen, dass das TikTok-Verbot in diesem Moment verfolgt wird, weil es dazu beiträgt, Stimmen zu stärken, die zuvor an den Rand gedrängt wurden - eine Situation, die dem offiziellen US-Narrativ schadet.
Darüber hinaus würde mit dem Verbot von TikTok ein Instrument abgeschafft, das zur politischen Aufklärung der Bürger, zur Mobilisierung der Wähler und zur Organisation von Protesten gegen die Machthaber eingesetzt wurde", schreibt Sanaa Ansari Khan.[2]

"Biden, Demokraten und Republikaner wollen TikTok verbieten, um 170 Millionen Amerikaner davon abzuhalten, sich gemeinsam gegen Politiker zu wehren, die uns im Stich lassen."
Jill Stein, Präsidentschaftskandidatin der Grünen Partei

Statistik zu TikTok-Nutzer:innen in den USA

Mehr als 1/3 (37,36%) der mobilen Internetnutzer:innen nutzen aktiv TikTok. Die Hälfte der US-amerikanischen TikTok-Nutzer:innen ist zwischen 10 und 29 Jahre alt, wobei Teenager den größten Teil der Nutzerbasis ausmachen. Über 50% der Content-Ersteller:innen sind zwischen 18 und 24 Jahre alt. Im Dezember 2023 wurde berichtet, dass Inhalte mit pro-palästinensischen Ansichten 27-mal häufiger angesehen wurden als Inhalte mit pro-israelischen Ansichten. Und das lag nicht daran, dass der Algorithmus pro-palästinensische Inhalte förderte; tatsächlich war das Gegenteil der Fall. Im November 2023 gab TikTok bekannt, seit dem 7. Oktober über 900.000 pro-palästinensische Videos gelöscht zu haben. Videos von Nutzern wurden gelöscht, wenn sie die palästinensische Flagge posteten, "Gaza" oder "Freies Palästina" sagten oder in irgendeiner anderen Art und Weise auf das Leid der Menschen in Gaza aufmerksam machten. Benutzer:innen haben die palästinensische Flagge durch das Wassermelonen-Emoji ersetzt. Anstatt Gaza zu schreiben, schreiben sie "G@z@". Sie verändern das Vokabular, mit dem das Leid der Menschen im Gazastreifen beschrieben wird, indem sie Wörter wie "unbelebt" anstelle von "getötet" verwenden.

EU und Deutschland gegen TikTok

Nachdem die US-Regierung gegen TikTok vorgeht, kann die EU und die deutsche Politik nicht nachstehen.

Bereits seit Mitte März ist die App von den Diensthandys der Beschäftigten der EU-Kommission verbannt.

Ende April leitete die EU ein weiteres Verfahren gegen TikTok ein. Sie sorgt sich um die psychische Gesundheit von minderjährigen TikTok-Nutzer:innen. Es soll geprüft werden, ob eine in der neuen App TikTok lite - bislang nur in Frankreich und Spanien verfügbar - enthaltene Belohnungsfunktion gegen EU-Regeln verstößt, teilte die Kommission mit.

Gegen TikTok läuft bereits ein Verfahren wegen möglicher Suchtgefahren für Minderjährige auf seiner Standard-Plattform. Außerdem hatte die EU im vergangenen Jahr eine Millionenstrafe gegen TikTok wegen Verstößen gegen europäisches Datenschutzrecht verhängt.

Für die 27 EU-Länder wurde jüngst die Zahl von 134 Millionen monatlich aktiven Nutzer:innen mitgeteilt. In Deutschland sind es fast 21 Millionen, wobei die 14- bis 19-Jährigen mit einem Nutzeranteil von knapp 56 Prozent die größte Nutzergruppe darstellen. Vor vier Jahren stand der Dienst eigenen Angaben zufolge hierzulande erst bei 5,5 Millionen Nutzer:innen.

Roderich Kiesewetter (CDU): "Gefahr für Demokratie"

Der deutsche Inlandsgeheimdienst warnt schon länger vor Tiktok. Bei ihm löse die Anwendung "Bauchschmerzen" aus, wenn er sich anschaue, "welche Einflussmöglichkeiten staatliche Stellen auf solche Unternehmen haben", sagte der Vizepräsident des Verfassungsschutzes, Sinan Selen.

Die App sei "eine Gefahr für unsere Demokratie" und ein wichtiges Instrument im Rahmen der hybriden Kriegsführung Chinas und Russlands, sagte der Vizevorsitzende des Geheimdienst-Kontrollgremiums des Bundestags, Roderich Kiesewetter (CDU), dem Handelsblatt. Die App werde nicht nur zur Verbreitung von Desinformation genutzt, sondern auch "gezielt zur Spionage und zum Datenabgriff".[3]

Roderich Kiesewetter ist übrigens der Politiker, der eine Erhöhung der "Sonderschulden" für die Bundeswehr von 100 auf 300 Milliarden und eine "Umpriorisierung" bei den Ausgaben fordert. Außerdem tritt er dafür ein, den "Krieg nach Russland zu tragen". Am 9.2.2024 forderte er in einem Gespräch in der Deutschen Welle: "Der Krieg muss nach Russland getragen werden. Russische Militäreinrichtungen und Hauptquartiere müssen zerstört werden. Wir müssen alles tun, dass die Ukraine in die Lage versetzt wird, nicht nur Ölraffinerien in Russland zu zerstören, sondern Ministerien, Kommandoposten, Gefechtsstände."[4]

"Tiktok ist eine Gefahr für unsere Demokratie und ein wichtiges Instrument im Rahmen der hybriden Kriegsführung Chinas und Russlands. Tiktok wird zur Verbreitung von Desinformation genutzt & gezielt zur Spionage und zum Datenabgriff. Regulierung, Sensibilisierung und Verbot auf Diensthandy bei Mitarbeitern in staatlichen Behörden ist wichtig!"
Roderich Kiesewetter (CDU) auf X (https://twitter.com/RKiesewetter/status/1770808130617688145)

Kiesewetter hält "Überlegung für ein grundsätzliches Verbot von Tiktok für nötig“. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) schließt bisher ein generelles Verbot der App aus, verweist aber auf das Risiko, "dass die Daten natürlich abfließen können".

TikTok sei "ein Propagandawerkzeug, an dem Terroristen, Extremisten, Rassisten und – vor allem – Antisemiten Gefallen finden", giftet Michael Hanfeld in der FAZ und fordert den Verkauf von TikTok bzw das Verbot.

Anmerkungen

[1] isw, 26.4.2024: Warum die westlichen Sanktionen im Chipkrieg gegen China scheitern. Zwischenbilanz im US-Chipkrieg gegen China.
https://www.isw-muenchen.de/online-publikationen/texte-artikel/5235-warum-die-westlichen-sanktionen-im-chipkrieg-gegen-china-scheitern-zwischenbilanz-im-us-chipkrieg-gegen-china

[2] Middle East Eye, 26.4.2024: TikTok ban: How American civil liberties are under attack
https://www.middleeasteye.net/opinion/tiktok-ban-american-civil-liberties-are-under-attack-how

[3] Handelsblatt, 21.3.2024: Deutsche Politiker fordern schärferes Vorgehen gegen Tiktok
https://www.handelsblatt.com/politik/deutschland/tiktok-deutsche-politiker-fordern-schaerferes-vorgehen-gegen-video-app/100024865.html

[4] Deutsche Welle, 9.2.2024: https://www.dw.com/de/kiesewetter-den-krieg-nach-russland-tragen/a-68215200

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