Eine ausführliche Bewertung der Weltlage in Corona-Zeiten von Ignacio Ramonet
09.06.2020: Sieben Publikationen haben beschlossen, diesen Beitrag von Ignacio Ramonet gemeinsam zu verbreiten: Nodal (Argentinien), Le Monde diplomatique en español (Spanien), Le Monde diplomatique Edición Cono Sur El Diplo (Buenos Aires), Le Monde diplomatique Edición Chilena (Santiago de Chile), La Jornada (Mexiko), Cubadebate (Kuba) und Mémoire des luttes (Frankreich). amerika21 brachte als achte Publikation die deutsche Übersetzung (Übersetzung: Klaus Lehmann) aufgrund der Länge des Textes in drei Teilen (7./9./11. Mai). kommunisten.de übernimmt von amerika21 die drei Abschnitte.
Teil I
Eine soziale Tatsache
Es geht alles sehr schnell. Keine Pandemie verlief jemals so rasch und in solchem Ausmaß. Erst vor 100 Tagen ist in einer fernen, unbekannten Stadt ein Virus aufgetaucht, das bereits die ganze Welt erobert hat und Milliarden von Menschen in ihre Häuser zwingt. Etwas, das nur in den post-apokalyptischen Fiktionen vorstellbar gewesen ist.
Inzwischen ignoriert niemand die Tatsache, dass die Pandemie nicht nur eine Gesundheitskrise ist. Sie stellt etwas dar, was die Sozialwissenschaften als ein "gesamtgesellschaftliches Ereignis" beschreiben, in dem Sinne, dass sie alle sozialen Beziehungen und alle Akteure, Institutionen und Werte erschüttert.
Die Menschheit macht ‒ voller Angst, Leid und Ratlosigkeit ‒ eine völlig neue Erfahrung. Wir stellen konkret fest, dass jene Theorie vom "Ende der Geschichte" ein Trugschluss ist… wir entdecken, dass die Geschichte tatsächlich unvorhersehbar ist. Wir sind mit einer rätselhaften Situation konfrontiert. Beispiellos [1]. Niemand kann diesen seltsamen Moment einer solchen Undurchsichtigkeit interpretieren und erhellen, in dem unsere Gesellschaften in ihren Grundfesten erzittern, als würden sie von einer kosmischen Katastrophe erschüttert. Und es gibt keine Zeichen, die uns den Weg weisen könnten... Eine Welt bricht zusammen. Wenn alles vorbei ist, wird das Leben nicht mehr dasselbe sein.
Noch vor wenigen Wochen gab es Dutzende von Protesten in der Welt, von Hongkong bis Santiago de Chile, über Teheran, Bagdad, Beirut, Algier, Paris, Barcelona und Bogotá. Das neue Coronavirus hat einen nach dem anderen erstickt, während es sich schnell und heftig in der ganzen Welt ausbreitete... Den Szenen fröhlicher Massen, die Straßen und Plätze besetzten, folgten die ungewohnten Bilder von leeren, stummen, gespenstischen Straßenzügen. Stille Sinnbilder, die für immer die Erinnerung an diesen seltsamen Moment prägen werden.
Wir erleiden in unserer eigenen Existenz den berühmten "Schmetterlingseffekt": Jemand auf der anderen Seite des Planeten isst ein seltsames Tier, und drei Monate später befindet sich die Hälfte der Menschheit in Quarantäne... Ein Beweis dafür, dass die Welt ein System ist, in dem jedes Element, aus dem sie sich zusammensetzt, so unbedeutend es auch erscheinen mag, mit anderen interagiert und am Ende das Ganze beeinflusst.
Verängstigt wenden die Bürger ihre Augen der Wissenschaft und den Wissenschaftlern zu ‒ wie in der Vergangenheit der Religion ‒ und flehen um die Entdeckung eines rettenden Impfstoffs, dessen Entwicklung viele Monate dauern wird. Denn das menschliche Immunsystem braucht Zeit, um Antikörper zu produzieren, und einige gefährliche Nebenwirkungen brauchen Zeit, um sichtbar zu werden.
Die Menschen suchen auch Zuflucht und Schutz beim Staat, der nach der Pandemie zum Nachteil des Marktes verstärkt eingreifen könnte. Generell gilt: Je traumatischer die kollektive Angst, desto größer der Wunsch nach dem Staat, nach Autorität, nach Lenkung. Auf der anderen Seite sind internationale und multilaterale Organisationen aller Art (UNO, Internationales Rotes Kreuz, G7, G20, IWF, Nato, Weltbank, OAS, WTO usw.) der Tragödie durch ihr Schweigen oder ihre Unstimmigkeiten nicht gewachsen. Der Planet entdeckt verblüfft, dass es keinen Kommandeur an Bord gibt... Diskreditiert wegen ihrer strukturellen Komplizenschaft mit den Pharmamultis [2], hat selbst die Weltgesundheitsorganisation (WHO) nicht genügend Autorität, um die Führung im weltweiten Kampf gegen die neue Geißel zu übernehmen, wie sie es eigentlich sollte.
Währenddessen sind die Regierungen hilflos Zeugen der unaufhaltsamen Ausbreitung dieser neuen Pest auf allen Kontinenten [3]. Gegen die es weder einen Impfstoff noch ein Medikament noch eine Heilung noch eine Behandlung gibt, die das Virus aus dem Organismus eliminiert [4] ... Und das wird andauern [5] ... Solange der Keim in irgendeinem Land präsent ist, werden Neuinfektionen unvermeidlich und zyklisch sein. Es ist sehr wahrscheinlich, dass diese Epidemie nicht gestoppt werden kann, bevor der Mikroorganismus etwa 60 Prozent der Menschheit infiziert hat.
Was als Gegenbild einer Utopie und als typisch für Science-Fiction-Diktaturen schien, ist "normal" geworden. Menschen werden mit einer Geldstrafe belegt, wenn sie ihr Haus verlassen, um sich die Beine zu vertreten oder mit ihrem Hund spazieren zu gehen. Wir akzeptieren, dass unser Mobiltelefon uns überwacht und uns bei den Behörden meldet. Und es wird vorgeschlagen, dass jeder, der ohne sein Telefon auf die Straße geht, mit Gefängnis bestraft wird.
Der seit langem bestehende neoliberale Autismus wird breit kritisiert, insbesondere wegen seiner verheerenden Politik der völligen Privatisierung der öffentlichen Gesundheitssysteme, die sich als kriminell erwiesen und sich als absurd herausgestellt hat. Wie Yuval Noah Harari sagte: "Die Regierungen, die in den letzten Jahren durch Kürzungen bei den Gesundheitsdiensten Geld gespart haben, werden jetzt wegen der Epidemie sehr viel mehr ausgeben [6]." Die Schmerzensschreie der Tausenden von Kranken, die gestorben sind, weil es keine Betten auf den Intensivstationen (ICU) gibt, verurteilen die Fanatiker der Privatisierung, der Kürzungen und der Sparpolitik für lange Zeit.
Es wird nun offen von Verstaatlichung, Rückverlagerung, Reindustrialisierung, von pharmazeutischer und gesundheitlicher Souveränität gesprochen. Es wird wieder ein Wort benutzt, das die Neoliberalen stigmatisiert, in die Ecke gedrängt und verbannt haben: Solidarität. Die Weltwirtschaft wird durch die erste globale Quarantäne der Geschichte gelähmt. Überall auf der Welt gibt es gleichzeitig eine Krise von Angebot und Nachfrage. Etwa 170 Länder (von den 195 existierenden) werden im Jahr 2020 ein Minuswachstum aufweisen. Mit anderen Worten, eine schlimmere wirtschaftliche Tragödie als die Große Rezession von 1929. Millionen Unternehmer und Arbeitnehmer fragen sich, ob sie an dem Virus oder an Bankrott und Arbeitslosigkeit sterben werden.
David Beasley, Leiter des Welternährungsprogramms (WFP), hat vor der sich anbahnenden katastrophalen Situation gewarnt: "Wir stehen am Rande einer 'Unterernährungspandemie'. Die Zahl der Menschen, die unter schwerem Hunger leiden, könnte sich bis Ende des Jahres verdoppeln und die Zahl von 250 Millionen Personen übersteigen...[7]" Niemand weiß, wer sich um das Land kümmern wird, ob die Ernten verloren geht, ob es an Nahrungsmitteln fehlen wird, ob wir zur Rationierung zurückkehren werden... Die Apokalypse klopft an unsere Tür.
Der einzige Lichtblick ist, dass die Umwelt eine Atempause bekommen hat, da der Planet im Pausenmodus ist. Die Luft ist klarer, die Vegetation üppiger, die Tierwelt freier. Die Luftverschmutzung, die jedes Jahr Millionen Menschen tötet, ist zurückgegangen. Plötzlich sieht die Natur, vom Dreck der Umweltverschmutzung reingewaschen, wieder so schön aus ... Als ob das Ultimatum an die Erde, das uns das Coronavirus stellt, auch eine verzweifelte letzte Warnung auf unserem selbstmörderischen Weg zum Klimawandel wäre: "Vorsicht! Nächster Halt: Zusammenbruch."
Auf der geopolitischen Ebene hat der spektakuläre Angriff eines unbekannten Akteurs ‒ des neuen Coronavirus ‒ das Schachbrett des Weltsystems völlig durcheinander gebracht. An allen Kriegsfronten ‒ Libyen, Syrien, Jemen, Afghanistan, Sahel, Gaza usw. ‒ wurden die Kämpfe ausgesetzt. Die Seuche selbst, mit mehr Autorität als der Sicherheitsrat selbst, de facto eine Pax Corona durchgesetzt.
In der internationalen Politik hat das grauenhafte Management dieser Krise durch Präsident Donald Trump der weltweiten Führungsrolle der USA einen schweren Schlag versetzt, die weder sich selbst noch anderen helfen konnten. China hingegen hat es nach einem fehlerhaften Start im Kampf gegen die neue Geißel geschafft, sich zu erholen, Hilfe in hundert Länder zu schicken und scheint das größte Trauma der Menschheit seit Jahrhunderten überwunden zu haben. Die Zukunft der neuen Weltordnung könnte gerade jetzt entschieden werden.
In jedem Fall ist die schockierende Realität, dass die mächtigsten Mächte und die fortschrittlichsten Technologien sich als unfähig erwiesen haben, die globale Ausbreitung von Covid-19 [8] zu stoppen, der Krankheit, die durch das SARS-CoV-2-Virus [9], den neuen großen planetaren Killer, verursacht wird.
Das Coronavirus
Die Zahl der Opfer hört nicht auf zu wachsen... Zum Zeitpunkt des Schreibens dieses Artikels übersteigt die Zahl der Todesfälle 150.000 ... Die Zahl der Infizierten liegt bei über zweieinhalb Millionen... Und die Zahl derer, die in ihren Häusern eingesperrt sind, beläuft sich auf über vier Milliarden... Letzteres ist bisher auch noch nie passiert... Die Worte "Ausgangssperre" und "Quarantäne", die zu vergessenen Zeiten und zum mittelalterlichen Lexikon zu gehören schienen, sind zu gängigen Ausdrücken geworden. Sie illustrieren schließlich am besten unsere aktuelle abnormale Normalität.
Es gibt auf höchster Ebene [10] eine Kontroverse über den Ursprung dieses Virus, das zuerst in Wuhan (Hubei, China) aufgetreten ist. Da "Patient Null", also die erste Ansteckung von Tier zu Mensch, noch nicht identifiziert wurde [11], kursieren verschiedene Spekulationen. Einerseits beschuldigten die Behörden in Peking die US-Armee, den Keim in einem Militärlabor in Fort Detrick (Frederick, Maryland) als bakteriologische Waffe hergestellt zu haben, um den chinesischen Aufstieg in der Welt zu stoppen, und ihn in China anlässlich der World Military Games, einem Wettkampf, der im Oktober 2019, genau... in Wuhan, stattfand, verbreitet zu haben [12].
Auf der anderen Seite hat Präsident Trump selbst mehrmals Peking bezichtigt [13], nachdem der einflussreiche republikanische Senator aus Arkansas, Tom Cotton, der zuweilen als nächster Direktor des Geheimdienstes CIA gehandelt wurde, chinesische Militärwissenschaftler [14] beschuldigte, den neuen Keim in einem Labor "für Virologie und Biosicherheit" produziert zu haben, das sich ebenfalls... in Wuhan [15] befindet.
Von Verschwörungstheoretikern auf beiden Seiten in Umlauf gebracht, sind diese widersprüchlichen Versionen (es gibt noch andere [16]) in sozialen Netzwerken [17] weit verbreitet. Sie haben wenig Fundament. Zuverlässige wissenschaftliche Studien schließen aus, dass es sich bei dem neuen Coronavirus um eine biologische Design-Waffe handelt, die absichtlich oder zufällig freigesetzt wurde [18]: "Unsere Analysen zeigen eindeutig, dass SARS-CoV-2 weder ein Laborkonstrukt noch ein absichtlich manipuliertes Virus ist [19]," erklärte Professor Edward C. Holmes von der Universität Sydney (Australien) kategorisch, der weltweit führende Experte für den neuen Erreger.
Wir wissen immer noch nicht viel über diesen Infektionserreger: Wir wissen zum Beispiel nicht, ob er bereits mutiert ist oder ob er noch mutieren wird... oder warum er mehr Männer als Frauen infiziert. Wir wissen auch nicht, was bestimmt, ob zwei Menschen mit ähnlichen Merkmalen ‒ jung, gesund, ohne Vorerkrankungen ‒ entgegengesetzte Formen der Krankheit entwickeln, die eine leicht, die andere schwer oder tödlich. Auch nicht, warum Kinder fast nie schwere Formen der Infektion haben. Weder ob die geheilten Patienten das Virus weiter übertragen, noch ob sie wirklich immun werden.
Aber unter internationalen Forschern [20] herrscht weitgehend Einigkeit darüber, dass dieser neue Keim auf die gleiche Weise aufgetaucht ist wie andere vor ihm: über den Sprung vom Tier zum Menschen... Fledermäuse, Vögel und verschiedene Säugetiere (insbesondere Schweine) beherbergen von Natur aus mehrere Coronaviren. Beim Menschen gibt es sieben bekannte Typen des Coronavirus, die uns infizieren können. Vier von ihnen verursachen verschiedene Arten der gewöhnlichen Erkältung. Und drei andere, die kürzlich aufgetreten sind, verursachen weitaus tödlichere Krankheiten, wie das schwere akute respiratorische Syndrom (SARS), das 2002 auftrat; das respiratorische Syndrom des Nahen Ostens (MERS), das 2012 auftauchte; und schließlich diese neue Krankheit, Covid-19, verursacht durch SARS-CoV-2, deren erster Ausbruch, wie bereits erwähnt, im Dezember 2019 auf dem Meeresfrüchtemarkt von Wuhan entdeckt wurde. Dieser neue Keim habe die Fledermaus als "ursprünglichen Wirt" und ein anderes noch nicht formell identifiziertes Tier ‒ das Schuppentier [21]? ‒ als "Zwischenwirt" gehabt, von dem er, nachdem er besonders gefährlich geworden war, auf den Menschen übergesprungen sei.
Was noch nicht ganz geklärt wurde, ist, warum dieser neue Erreger, wo wir doch bereits mit sechs anderen Coronaviren leben und sie weltweit unter Kontrolle haben, eine so kolossale Pandemie verursachen konnte? Welche Besonderheit hat dieser Keim? Warum hat seine Infektionsgeschwindigkeit die Prognosen der besten Gesundheitsbehörden der Welt übertroffen?
Zweifellos haben, wie vielfach wiederholt wurde, Bedingungen, die nichts mit dem Virus zu tun haben, wie die derzeitige Geschwindigkeit der Kommunikation, die Hypermobilität und die Intensität des Austauschs im Zeitalter der Globalisierung seine Verbreitung begünstigt. Dies ist offensichtlich. Aber warum haben sich dann SARS im Jahr 2002 oder MERS im Jahr 2012, die ebenfalls durch neue Coronaviren verursacht werden, nicht auf der ganzen Welt gleichermaßen "globalisiert"?
Um diese Fragen zu beantworten, muss man sich als Erstes daran erinnern, dass "Viren beunruhigend sind, da sie weder tot noch lebendig sind. Sie sind nicht lebendig, weil sie sich nicht selbst reproduzieren können. Sie sind nicht tot, denn sie können in unsere Zellen eindringen, ihre Maschinerie kapern und sich vermehren. Und darin sind sie wirksam und raffiniert, weil sie seit Millionen von Jahren immer neue Wege zur Umgehung unseres Immunsystems entwickelt haben [22]."
Aber was SARS-CoV-2 speziell von anderen Killerviren unterscheidet, ist genau seine Strategie der stillen Verbreitung. Das heißt, seine Fähigkeit, sich auszubreiten, ohne Verdacht zu erregen, selbst bei seinen eigenen Opfer. Zumindest in den ersten Tagen der Infektion, wenn die infizierte Person keinerlei Symptome der Krankheit zeigt.
Wir wissen nicht genau, warum sich das Virus so schnell ausbreitet, aber was wir wissen, ist, dass es in dem Moment, in dem es durch die Augen, die Nase oder den Mund in den Körper seines Opfers eindringt, bereits beginnt, sich exponentiell zu vermehren... Laut der Forscherin Isabel Sola vom spanischen Nationalen Zentrum für Biotechnologie: "Sobald es sich in der ersten menschlichen Zelle befindet, erzeugt jedes Coronavirus in weniger als 24 Stunden bis zu 100. 000 Kopien von sich selbst ... " [23]. Aber darüber hinaus ist eine weitere einzigartige und clevere Eigenschaft dieses Erregers, dass er, wenn er in den menschlichen Körper eindringt, seinen ersten Angriff, während er noch nicht nachweisbar ist, auf die oberen Atemwege der infizierten Person konzentriert, von der Nase bis zum Rachen, wo er sich mit rasender Intensität vermehrt. Ab dem Moment wird dieser Mensch ‒ der nichts davon spürt – schon zu einer bakteriologischen Bombe und beginnt, das tödliche Virus einfach durch Sprechen oder Atmen massiv in seiner Umgebung zu verbreiten.
Das ist das Hauptmerkmal, die fatale Einzigartigkeit dieses neuen Coronavirus. In China waren bis zu 86 Prozent der Infektionen auf Menschen ohne irgendwelche Symptome, ohne erkennbare Anzeichen einer Erkrankung zurückzuführen. An der Universität Oxford zeigte eine Gruppe von Forschern auf, dass bis zur Hälfte der SARS-CoV-2-Infektionen auf nicht diagnostizierte Personen ohne erkennbare Symptome zurückzuführen sind.
Nur eine Minderheit der Infizierten erleidet den zweiten Angriff des Keims, diesmal konzentriert auf die Lunge, ähnlich wie bei SARS im Jahr 2002 (obwohl die Virusbelastung des neuen Coronavirus tausendmal höher ist als die von SARS) und verursacht Lungenentzündungen, die vor allem bei Menschen über 65 Jahren mit chronischen Krankheiten tödlich verlaufen können.
Da die Zahl der Infizierten massiv und gleichzeitig ist, kann diese Minderheit, die 15 Prozent aller Infizierten ausmacht und die in die Krankenhäuser geht, je nach Bevölkerungszahl schnell sehr hohe Zahlen erreichen ... Wie wir in China, Iran, Italien, Spanien, Frankreich, Großbritannien oder den USA gesehen haben, reicht es aus, wenn mehrere Tausend Menschen gleichzeitig in die Notaufnahmen der Krankenhäuser gehen, um das gesamte Gesundheitssystem eines Landes, egal wie entwickelt es ist, zusammenbrechen zu lassen [24].
In Wuhan, Teheran, Mailand, Madrid, Paris, London oder New York waren die Ärzte und Pflegekräfte bald völlig überfordert. Es fehlte an Masken, Desinfektionsgel, Schutzkleidung für das Gesundheitspersonal, Intensivbetten, Beatmungsgeräten usw. In mehreren Städten (Wuhan, Madrid, New York) mussten die überforderten Behörden auf die Streitkräfte oder zivile Freiwillige zurückgreifen, um mit Hochdruck provisorische Krankenhäuser mit Tausenden Betten zu bauen. Fast überall gestanden die Behörden ein, dass sie eine solche Lawine von Kranken nicht vorhergesehen hatten, "einen anhaltenden Tsunami von Patienten in ernstem Zustand…" [25]
Eine lang angekündigte Pandemie
Angesichts der Lawine von Kritik an dem, was die Öffentlichkeit als "Missmanagement" der Pandemie empfand, argumentierten einige Führungskräfte auch, dass die Geschwindigkeit des Pandemieangriffs sie überrascht habe... Als die ersten Coronavirus-Todesfälle in seinem Land auftraten ‒ Monate nach China oder Europa ‒, zögerte Trump zum Beispiel nicht, wiederholt zu erklären, dass "niemand wusste, dass es eine Pandemie oder eine Epidemie dieses Ausmaßes geben würde" und dass es sich um ein "unvorhersehbares Problem" handle, "etwas, das niemand erwartet hatte", "das aus dem Nichts auftauchte." [26]
Man kann vieles sagen, um die mangelnde Vorbereitung der Behörden auf diese brutale Geißel zu erklären, aber das Argument der Überraschung ist nicht akzeptabel.
Erstens, weil es im Bereich der öffentlichen Gesundheit ein berühmtes Sprichwort gibt: "Ausbrüche sind unvermeidlich, Epidemien nicht".
Zweitens, weil Dutzende von Belletristik- und Science-Fiction-Autoren (von James Graham Ballard über Stephen King und Cormac McCarthy bis hin zum Filmemacher Steven Soderbergh in seinem Film Contagious von 2011) den apokalyptischen Gesundheitsalbtraum, der die Welt bedroht, ausführlich beschrieben haben.
Drittens, weil visionäre Persönlichkeiten (Rosa Luxemburg, Gandhi, Fidel Castro, Hans Jonas, Ivan Illich, Jürgen Habermas) schon vor langer Zeit davor gewarnt haben, dass die Ausplünderung und Zerstörung der Umwelt schwerwiegende Folgen für die Gesundheit haben könnte.
Viertens, weil jüngste Epidemien wie SARS im Jahr 2002, die Vogelgrippe 2005 [27], die Schweinegrippe 2009 [28] und MERS 2012 in einigen Fällen bereits ein unkontrollierbares Pandemie-Niveau erreicht und Tausende von Todesfällen auf der ganzen Welt verursacht haben.
Fünftens, weil es, als am 10. März 2020 in New Jersey der erste Todesfall durch das neue Coronavirus in den USA eintrat, fast drei Monate her war (wie wir bereits gesagt haben), dass die Epidemie in Wuhan ausgebrochen war und schnell das gesamte Gesundheitssystem sowohl in China als auch in mehreren europäischen Ländern überwältigt hatte; das heißt, es gab Zeit, sich vorzubereiten.
Und sechstens, weil Dutzende von Prospektivisten und mehrere Studien aus der jüngsten Zeit sehr ernsthafte Warnungen über das bevorstehende Auftreten einer Art neuen Virus herausgegeben hatten, der so etwas wie die Mutter aller Epidemien verursachen könnte.
Die vielleicht wichtigste dieser Analysen wurde im November 2008 vom National Intelligence Council (NIC), der geopolitischen Strategie-Abteilung der CIA, vorgelegt, das einen Bericht für das Weiße Haus mit dem Titel "Global Trends 2025: A Transformed World" [29] erarbeitete. Dieses Dokument war das Ergebnis der ‒ von den US-Geheimdiensten überprüften ‒ Zusammenführung von Studien, die von rund 2.500 unabhängigen Experten von Universitäten in rund 35 Ländern in Europa, China, Indien, Afrika, Lateinamerika, der arabisch-muslimischen Welt usw. durchgeführt wurden.
Mit einem ungewöhnlichen Sinn für Antizipation kündigte das vertrauliche Dokument bis 2025 "das Auftreten einer neuen, hochgradig übertragbaren und virulenten Atemwegserkrankung beim Menschen an, für die es keine angemessenen Gegenmaßnahmen gibt und die zu einer globalen Pandemie werden könnte". Der Bericht warnte davor, dass "das Entstehen einer pandemischen Krankheit durch die Mutation oder genetische Neuordnung der gegenwärtig zirkulierenden Krankheitsstämme bedingt ist oder durch das Auftreten eines neuen Krankheitserregers, bei dem es sich um einen hoch pathogenen Vogelgrippestamm wie H5N1 oder andere Erreger wie das SARS-Coronavirus handeln könnte, die ebenfalls dieses Potenzial haben".
Der Bericht warnte bereits sehr früh davor, dass, "wenn eine pandemische Krankheit ausbrechen sollte, dies wahrscheinlich in einem Gebiet geschieht, das von hoher Bevölkerungsdichte und enger Verbindung zwischen Mensch und Tier gekennzeichnet ist, wie viele Gebiete Südchinas und Südostasiens, wo die Wildtierhaltung nicht reguliert ist und dadurch ein Virus mutieren und eine potentiell pandemische Infektionskrankheit verursachen könnte...".
Die Autoren sahen auch das Risiko einer zu langsamen Reaktion der Behörden voraus: "Es könnte Wochen dauern, bis endgültige Laborergebnisse die Existenz einer neuen Krankheit mit Pandemiepotenzial bestätigen. In der Zwischenzeit gäbe es die ersten Kranken in südostasiatischen Städten. Trotz der Beschränkungen des internationalen Reiseverkehr könnten Reisende mit leichten oder gar keinen Symptomen die Krankheit auf andere Kontinente übertragen [...,] “ so dass "innerhalb weniger Monate Wellen neuer Fälle auftreten würden. Das Fehlen eines wirksamen Impfstoffs und der allgemeinen Immunität würde die Bevölkerungen anfällig für Infektionen machen. Im schlimmsten Fall würden Zehn- bis Hunderttausende US-Amerikaner erkranken und die Zahl der Todesfälle würde weltweit in die Millionen gehen."
Als ob dieses Dokument nicht schon genug wäre, warnte ein anderer, neuerer Bericht vom Januar 2017, diesmal vom Pentagon ausgearbeitet und ebenfalls an den Präsidenten der USA gerichtet (der bereits Donald Trump hieß), erneut deutlich davor, dass "die wahrscheinlichste und bedeutendste Bedrohung für die amerikanischen Bürger eine neue Atemwegserkrankung ist" und dass in diesem Szenario "allen Industrieländern, einschließlich der USA, die Atemschutzgeräte, Medikamente, Krankenhausbetten, Schutzausrüstung und Masken fehlen würden, um einer möglichen Pandemie zu begegnen." [30]
Trotz solcher ausdrücklichen und wiederholten Warnungen zögerte Donald Trump nicht, einige Monate nach diesem letzten Bericht (!) das im Nationalen Sicherheitsrat für globalen Gesundheitsschutz und Biosicherheit zuständige Komitee unter dem Vorsitz von Admiral Timothy Ziemer, einem anerkannten Experten in Epidemiologie, aufzulösen [31]. Dieser Ausschuss von Technikern war genau derjenige, der den Entscheidungsprozess im Falle einer neuen Pandemie leiten sollte.
"Aber", so erklärt der Journalist Lawrence Wright, der Ziemer und alle Mitglieder dieses Ausschusses interviewte, "Trump schaltete diejenigen aus, die am meisten über dieses Sache wussten... Einer von vielen kolossalen Fehlern, die der US-Präsident gemacht hat. Die Annalen werden zeigen, dass er für eines der katastrophalsten Versagen im Bereich der öffentlichen Gesundheit in der Geschichte dieses Landes verantwortlich ist. Hätte er vor Monaten auf die Warnungen der Geheimdienste und der Experten für öffentliche Gesundheit vor der ernsten Bedrohung durch den Coronavirus-Ausbruch in China gehört, hätte die gegenwärtige Explosion von Covid-19-Fällen vermieden werden können." [32]
Es hätte auch genügt, wenn Trump und andere führende Politiker der Welt die wiederholten Warnungen der WHO selbst gehört hätten. Insbesondere den Alarmruf dieser Organisation im September 2019, also am Vorabend des ersten Angriffs des neuen Coronavirus in Wuhan. Die WHO warnte davor, dass die nächste Seuche apokalyptisch werden könnte: "Wir stehen vor der sehr realen Gefahr einer schnell verlaufenen, extrem tödlichen Pandemie, die durch einen Atemwegserreger verursacht wird, der 50 bis 80 Millionen Menschen töten und fast fünf Prozent der Weltwirtschaft auslöschen könnte. Eine globale Pandemie dieses Ausmaßes wäre eine Katastrophe und würde allgemeines Chaos, Instabilität und Unsicherheit auslösen. Die Welt ist darauf nicht vorbereitet." [33]
Genauer gesagt hatte bereits ein anderer, früherer Bericht vor der spezifischen Gefahr neuer Coronaviren gewarnt: "Das Vorhandensein eines großen Reservoirs SARS-CoV-ähnlicher Viren in Hufeisenfledermäusen ist zusammen mit der Kultur des Verzehrs exotischer Säugetiere in Südchina eine Zeitbombe... Die Möglichkeit des Auftretens eines weiteren SARS durch neue tierische Coronaviren sollte nicht ausgeschlossen werden. Deshalb ist es eine Notwendigkeit, vorbereitet zu sein." [34]
Zwischen 2011 und 2019 haben viele Wissenschaftler immer wieder die Alarmglocken über verschiedene Infektionsausbrüche geläutet, die ihrer Meinung nach eine erhöhte Häufigkeit von sich potenziell schnell ausbreitenden Erregern ankündigen, die immer schwieriger zu bekämpfen sind ... [35] Der ehemalige Präsident Barack Obama hatte im Dezember 2014 darauf hingewiesen, dass Investitionen in die Gesundheitsinfrastrukturen notwendig sind, um mit dem möglichen Auftreten einer neuen Art von Epidemie fertig zu werden. Er erinnerte sogar daran, dass eine Geißel wie die "Kansas-Grippe" (fälschlicherweise "Spanische Grippe" genannt) von 1918 jederzeit wieder auftreten könne: "Wahrscheinlich wird ein Moment kommen, in der wir mit einer tödlichen Krankheit konfrontiert werden, und um mit ihr fertig zu werden, brauchen wir Infrastrukturen, nicht nur hier in den USA, sondern auch auf der ganzen Welt, um sie schnell entdecken und isolieren zu können." [36]
Es ist auch wohlbekannt, dass Bill Gates, der Gründer von Microsoft, im Jahr 2015 davor warnte, dass alle Voraussetzungen für das Auftreten einer neuen Infektionsgeißel gegeben seien, die von asymptomatischen Patienten leicht über die ganze Welt verbreitet werden könne: "Ein Virus könnte auftauchen", erklärte er, "mit dem es den Menschen, während sie schon infiziert sind, gut genug ginge, um in ein Flugzeug zu steigen oder in den Supermarkt zu gehen... Und so könnte das Virus sich sehr schnell auf der ganzen Welt ausbreiten... Die Weltbank schätzt, dass eine solche weltweite Epidemie nicht weniger als drei Billionen Dollar kosten würde, mit Abermillionen von Toten..." [37]
Mit anderen Worten, auch wenn es Donald Trump und jenen Führern, die von "Überraschung" oder "Erstaunen" sprachen, nicht gefällt, sieht die Realität so aus: Die unmittelbare Gefahr des Ausbruchs eines neuartigen Coronavirus, das vom Tier auf den Menschen überspringen und eine schreckliche Pandemie auslösen könnte, war seit Jahren bekannt… "Die Wissenschaft wusste, dass dies geschehen würde. Die Regierungen wussten, dass es passieren könnte, machten sich aber nicht die Mühe, sich darauf vorzubereiten“, erklärt der altgediente Wissenschaftsreporter und Publizist David Quammen, der für sein Buch "Spillover, Tierinfektionen und die nächste menschliche Pandemie" [38] alle Winkel des Planeten bereiste, um zoonotische Viren zu jagen, also solche, die vom Tier auf den Menschen überspringen. "Die Warnungen lauteten: Es könnte nächstes Jahr, in drei Jahren oder in acht Jahren geschehen. Die Politiker sagten sich: Ich werde das Geld nicht für etwas ausgeben, was vielleicht in meiner Amtszeit nicht passiert. Deshalb wurde kein Geld für mehr Krankenhausbetten, Intensivstationen, Beatmungsgeräte, Masken, Handschuhe... ausgegeben. Die entsprechende Wissenschaft und die Technologie für den Umgang mit dem Virus sind vorhanden. Aber es fehlte der politische Wille. Es fehlt auch der Wille, den Klimawandel zu bekämpfen. Der Unterschied zwischem dem Virus und dem Klimawandel besteht darin, dass dieses schneller tötet." [39]
Anders gesagt: Diese Pandemie ist die vorhersehbarste Katastrophe in der Geschichte der USA. Offensichtlich viel eher als Pearl Harbor, das Kennedy-Attentat oder der 11. September. Die Warnungen vor dem bevorstehenden Angriff eines neuen Coronavirus waren mehr als zahlreich und offenkundig. Es bedurfte keiner Untersuchungen irgendeines Supergeheimdienstes, um zu wissen, was auf uns zukommt. Es war bekannt... Sie wussten es... Die Katastrophe hätte vermieden werden können.
Klimawandel
Zwar liegt der Ursprung von allem, wie David Quammen sagt, in den räuberischen ökologischen Verhaltensweisen, die uns, wenn wir es nicht verhindern, zum Verhängnis des Klimawandels verurteilen. Worum es aber wirklich geht ist das Produktionsmodell, das seit Jahrzehnten die Natur ausplündert und das Klima verändert. Seit langem warnen Umweltaktivisten davor, dass die Zerstörung der biologischen Vielfalt durch den Menschen die objektiven Bedingungen für das Auftreten neuer Viren und neuer Krankheiten schafft:
"Die Entwaldung, die Eröffnung neuer Straßen, Bergbau und Jagd sind Aktivitäten, die an der Auslösung verschiedener Epidemien beteiligt sind", erklärt z. B. Alex Richter-Boix, Doktor der Biologie und Spezialist für Klimawandel. Bei Wildtieren kommen verschiedene Viren und andere Krankheitserreger vor. Wenn menschliche Aktivitäten auf die wilde Tierwelt treffen, kann ein Erreger überspringen und Haustiere infizieren und dann wiederum auf den Menschen springen; oder direkt von einem Wildtier auf den Menschen... Fledermäuse, Primaten und sogar Schnecken können Krankheiten haben, die irgendwann, wenn wir ihre natürlichen Lebensräume verändern, auf den Menschen überspringen können." [40]
Seit Millionen von Jahren haben Tiere eine Vielzahl von Viren in ihrem Organismus, gegen die sie in diesem langen Zusammenleben eine Immunität entwickeln konnten. Doch wenn der Mensch ein Tier aus seiner natürlichen Umgebung entfernt, wird dieses Gleichgewicht gestört und ein Virus kann dann auf eine andere Art mutieren, mit der das Tier nie gelebt hat... Die Zerstörung der Lebensräume wildlebender Arten und die Invasion dieser ursprünglichen Ökosysteme durch städtische oder industrielle Projekte schaffen besondere Situationen für die beschleunigte Mutation von Viren... Möglicherweise geschah dies in Wuhan. Viele chinesische Tierrechtsorganisationen fordern seit Jahren ein dauerhaftes Handels- und Konsumverbot für Wildtiere, um die Arten zu erhalten und vor allem, um vorhersehbare Epidemien zu vermeiden. [41]
Europa und die USA haben alle diese Warnungen ignoriert. Und als die "Pandemie der Pandemien" eintrat, hatten ihre Regierungen keine Vorkehrungen getroffen, keine Strategie und keine Maßnahmen für kurz-, mittel- und langfristige Aktionen vorbereitet... In Ostasien hingegen waren die Modelle für den Umgang mit der Epidemie erfolgreicher. Insbesondere in Südkorea. In einem der meistkommentierten Artikel über diese Krise [42] lobte der in Berlin lebende südkoreanische Intellektuelle Byung-Chul Han, ein Anhänger des Dataismus (die Betrachtung des Universums als endlosen Datenfluss), die von der südkoreanischen Regierung umgesetzte "digitale Biopolitik" und stellte fest, dass die asiatischen Länder besser mit dieser Pandemie zurechtkommen als der Westen, weil sie sich auf neue Technologien, Big Data und Algorithmen stützen. Das Risiko des Eindringens in die Privatsphäre wird heruntergespielt: "Ein kritisches Bewusstsein gegenüber der digitalen Überwachung", räumte Byung-Chul Han ein, "ist in Asien praktisch nicht vorhanden." [43]
Sanitäre Cyberüberwachung
Das neue Coronavirus breitet sich so schnell aus und es gibt so viele Menschen, die ohne Symptome infiziert sind, dass es in der Tat unmöglich ist, seine Ausbreitung "von Hand" nachzuvollziehen. Der beste Weg, einen solchen nicht nachweisbaren Mikroorganismus zu verfolgen, ist die Verwendung eines computerisierten Systems, das mit Hilfe von Mobilfunkgeräten berechnet, wie viele Menschen in der Nähe der Infizierten waren [44].
Südkorea, Singapur und China, die oft als Nationen zitiert werden, die erfolgreich gegen das Coronavirus gewesen sind, haben insbesondere Strategien der Makrodaten und der digitalen Überwachung angewandt, um die Infektionszahlen unter Kontrolle zu halten. Dieser "technologische Lösungsansatz" [45] bedeutet, einen Teil der Privatsphäre des Einzelnen zu opfern. Und das wirft offensichtlich Probleme auf.
In Südkorea haben die Behörden eine App für Smartphones eingesetzt, um eine bessere Kontrolle über die Verbreitung des Coronavirus zu haben, indem sie Bürger, die sich in infizierten oder von der Krankheit befallenen Gebieten aufhalten, digital überwachen ... Diese App heißt "Self-Quarantine Safety Protection" und wurde vom Innen- und Sicherheitsministerium entwickelte. Die App enthüllt, ob sich ein Bürger in Risikogebieten aufgehalten hat und weiß, ob sein Test positiv ist oder nicht. Wenn er positiv ist, ordnet die App eine Quarantäne an. Sie verfolgt auch die Bewegungen aller Infizierten und lokalisiert die Kontakte jedes einzelnen von ihnen.
Die Orte, an denen sich die Infizierten aufgehalten haben, werden per Mobiltelefon den Personen, die in der Nähe waren, mitgeteilt. Und sie werden alle in Quarantäne geschickt. Wenn Bürger eine Einweisungsanordnung von ihrem örtlichen medizinischen Zentrum erhalten, ist es ihnen gesetzlich verboten, ihren Quarantänebereich ‒ in der Regel ihre Häuser ‒ zu verlassen, und sie sind verpflichtet, eine strikte Trennung von anderen Personen, einschließlich Familienmitgliedern, einzuhalten.
Die App ermöglicht auch eine GPS-Verfolgung via Satellit jedes Verdächtigen. Wenn dieser den im zugewiesenen Sperrbereich verlässt, weiß die App das sofort und sendet eine Warnung sowohl an den Verdächtigen als auch an den Beamten, der seine Zone kontrolliert. Die Strafe für Nichtbefolgung kann bis zu 8.000 Dollar betragen. Die App sendet auch Benachrichtigungen über neue Fälle von Corona an die Nachbarschaft oder an nahe gelegene Gebiete. Ziel ist es, eine bessere Kontrolle des Virus zu gewährleisten, indem jederzeit bekannt ist, wo sich sowohl infizierte als auch unter Quarantäne gestellte Bürger aufhalten [46].
In Singapur, einer hochgradig überwachten Nation, starteten die staatliche Technologiebehörde und das Gesundheitsministerium im vergangenen März eine sehr ähnliche App: TraceTogether, für Mobiltelefone, die im Nachhinein alle engen Kontakte jeder Person identifizieren und sie warnen kann, wenn sich ein Familienmitglied, ein Freund oder Bekannter mit dem Virus angesteckt hat. Die Bürger können durch eine ausgeklügelte Kombination aus Bildern von Überwachungskameras, Telefonlokalisierung und polizeilichen Ermittlungen erfasst werden, die von echten "Krankheitsdetektiven" mit möglicher Unterstützung der Kriminalpolizei, des Antidrogenbüros und der polizeilichen Nachrichtendienste durchgeführt werden... Der Singapore Infectious Diseases Act schreibt den Bürgern die Zusammenarbeit mit der Polizei gesetzlich vor. Ein einzigartiger Fall in der Welt. Die Strafe für Disziplinlosigkeit kann eine Geldbuße von bis zu 7.000 Dollar oder eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten oder beides sein.
Auch China hat eine ähnliche App eingesetzt, HealthCheck. Sie wird über Messaging-Systeme wie Wechat oder Alipay auf Mobiltelefonen installiert und generiert einen "Gesundheitscode" , der je nach der dem Bürger gewährten Bewegungsfreiheit (freie Bewegung, Quarantäne von einer oder zwei Wochen) in grün, orange oder rot abgestuft ist. In etwa zweihundert chinesischen Städten nutzen die Menschen HealthCheck, um sich freier bewegen zu können und liefern im Gegenzug Informationen über ihr Privatleben. Diese App hat sich als derart effektiv erwiesen, dass sich die WHO selbst davon inspirieren lässt, eine ähnliche Software namens MyHealth zu entwickeln...
Das "südkoreanische Modell", das von diesen Ländern und auch von Hongkong und Taiwan [47] übernommen wurde, basiert auf der massiven Nutzung von Daten und ist mit verschiedenen "Videoüberwachungs"-Systemen verbunden. Bis vor kurzem hätte dies dystopisch und futuristisch auf uns gewirkt, aber jetzt wird es in Deutschland, Großbritannien, Frankreich, Spanien und anderen westlichen Demokratien gleichermaßen nachgemacht.
Man muss dazu sagen, dass einige Staaten und die großen privaten Mobilfunkbetreiber in den letzten Jahren schon Milliarden Daten angehäuft haben und genau wissen, wo sich jeder ihrer zahlreichen Nutzer befindet. Auch Google und Facebook haben Berge von Daten gespeichert, die unter dem Vorwand der Pandemie für eine massive, in die Privatsphäre eindringende Überwachung genutzt werden könnten... Und außerdem könnten Apps mit Stadtkoordinaten wie Happn oder Tinder jetzt dazu dienen, Infizierte aufzuspüren... Ganz zu schweigen davon, dass auch Google Maps, Uber, Grab, Cabify oder Waze die Wege und die Abläufe ihrer Millionen Kunden kennen...
Überall hat sich die digitale Kontrolle beschleunigt. In Spanien zum Beispiel startete der Staatssekretär für Digitalisierung und künstliche Intelligenz am 1. April ein "Datacovid" -Programm, um 40 Millionen Mobiltelefone zu verfolgen und die Ansteckungen zu kontrollieren. Auf der anderen Seite zwingt die Eisenbahngesellschaft RENFE die Fahrgäste, ihren Namen und ihre Handynummer anzugeben, um eine Fahrkarte zu kaufen.
In Italien haben die wichtigsten Mobilfunk- und Internetanbieter beschlossen, die sensiblen, aber anonyme Daten ihrer Kunden an die beim Ministerium für Wissenschaft und Innovation gebildete Arbeitsgruppe für die Prävention der Epidemie weiterzugeben. In der Lombardei wird die GPS-Lokalisierung ebenfalls in Zusammenarbeit mit Mobilfunkbetreibern eingesetzt. Die Bewegungen der Menschen werden anonym verfolgt. So konnte festgestellt werden, dass sich die Bewegungen trotz der Ausgangssperre nur um 60 Prozent verringert haben... Viel weniger als erwartet.
In Israel beschloss die Regierung, "digitale Überwachungstechnologien zur Terrorismusbekämpfung" einzusetzen, um Patienten, bei denen das Coronavirus diagnostiziert wurde, zu verfolgen. Das Justizministerium gab grünes Licht für den Einsatz von "Intelligence-Tracking-Tools" zur digitalen Überwachung infizierter Patienten über das Internet und Mobiltelefone ohne die Genehmigung der Benutzer. Obwohl sie "einen gewissen Eingriff in die Privatsphäre" einräumten, erklärten die Behörden, dass das Ziel darin besteht, "das Coronavirus zu isolieren und nicht das ganze Land", indem überprüft wird, mit wem die Infizierten in Kontakt kamen, was davor und was danach geschah... [48]
In der gleichen Perspektive und auf globaler Ebene beschlossen die beiden planetarischen Digitalriesen Google und Apple, sich zusammenzuschließen, um die Kontakte der von der Pandemie Betroffenen zu verfolgen. Kürzlich kündigten sie an, dass sie gemeinsam an der Entwicklung einer Technologie arbeiten werden, die es mobilen Geräten ermöglicht, Informationen über Bluetooth auszutauschen, um Menschen zu warnen, wenn sie sich in der Nähe von Personen aufhalten, die positiv auf das neue Coronavirus getestet wurden [49].
Covid-19 ist damit zur ersten globalen Krankheit geworden, die digital bekämpft wird. Und dies gibt natürlich, wie wir bereits sagten, Anlass zu einer Debatte über die Risiken für die Privatsphäre des Einzelnen. Sogar einige Verteidiger des Cyber-Überwachungssystems räumen dies ein: "Die Tatsache, dass die App die Person lokalisiert und dass sie anhand bestimmter Daten eine Art Ampel errichtet, die als Zertifikat dient, um auf die Straße zu gehen, kann mit der Privatsphäre kollidieren." [50]
Zweifelsohne eröffnet die Ortung von Mobiltelefonen, selbst für einen guten Zweck, die Tür zur Möglichkeit einer massenhaften digitalen Überwachung. Umso mehr, als die Apps, die deinen Aufenthaltsort zu einem bestimmten Zeitpunkt ermitteln, dem Staat alles sagen können... Und das könnte sich, wenn die Pandemie vorüber ist, ausbreiten und zur neuen Normalität werden... Der Staat wird auch Zugang zu den Krankenakten der Bürger und anderen Informationen haben wollen, die bisher durch die Privatsphäre geschützt waren. Und wenn diese Pandemie vorbei ist, werden die Behörden in der ganzen Welt die Überwachung nutzen wollen, um die Gesellschaft ganz einfach besser zu kontrollieren. So geschehen bei der Antiterrorgesetzgebung (man denke an den USA Patriot Act [51]) nach den Anschlägen vom 11. September 2001.
Cyber-Überwachungsparadiese wie Südkorea, Singapur, Taiwan und China könnten die Modelle der Zukunft werden. Gesellschaften, in denen eine Art Coronoptikon herrscht [52], wo das Eindringen in das Privatleben und die technologische Totalüberwachung etwas Alltägliches werden. Tatsächlich zeigte eine kürzlich in Europa durchgeführte Meinungsumfrage über die Akzeptanz oder Nichtakzeptanz einer App auf dem Mobiltelefon, die das Verfolgen von mit dem Coronavirus infizierten Personen ermöglicht, dass 75 Prozent der Befragten zustimmen würden [53]. So könnten sich Regierungen ‒ selbst die demokratischsten ‒ als die Großen Brüder von heute aufstellen, die nicht zögern, ihre eigenen Gesetze zu brechen, um die Bürger besser überwachen zu können [54].
Die "außergewöhnlichen" Maßnahmen, die von staatlichen Institutionen angesichts des Pandemiealarms ergriffen werden, könnten auch in Zukunft bestehen bleiben, insbesondere diejenigen, die sich auf die Cyber-Überwachung und Biokontrolle beziehen. Regierungen ebenso wie Google, Facebook oder Apple könnten unsere aktuelle Angst ausnutzen, um uns dazu zu bringen, einen großen Teil unserer intimen Geheimnisse preiszugeben. Nach alledem könnten sie uns sagen: Während der Pandemie habt ihr doch, um Leben zu retten, ohne zu protestieren akzeptiert, dass andere Freiheiten absolut eingeschränkt wurden.
Teil II
Die Seife und die Nähmaschine
Es besteht kein Zweifel daran, dass die Lokalisierung und das Tracking der Mobiltelefonie zusammen mit der Verwendung von Prognosealgorithmen, hochentwickelten digitalen Apps und der computergestützten Untersuchung sehr zuverlässiger statistischer Modelle zu einer gewissen Kontrolle der Infektionen beigetragen haben. Aber es ist auch wahr, dass diese massive Anwendung futuristischer Technologien, ungeachtet dessen, was Byung-Chul Han sagt, nicht ausreichend und ausschlaggebend war, um die Ausbreitung von Covid-19 zu bekämpfen. Nicht einmal in Südkorea, China, Taiwan, Hongkong, Vietnam oder Singapur.
Der relative Erfolg dieser Länder gegen Covid-19 erklärt sich vor allem aus der Erfahrung, die sie zwischen 2003 und 2018 in ihrem langen Kampf gegen SARS und MERS gesammelt haben, den beiden vorhergehenden Epidemien, die auch durch Coronaviren verursacht wurden. SARS ‒ das erste tödliche Virus, das durch die Hyperglobalisierung befördert wurde ‒ sprang von Zibetkatzen, einem weiteren Säugetier, das auf den Märkten in China verkauft wurde, auf den Menschen über. Dieser Mikroorganismus verbreitete sich durch globalisierte kommerzielle Flüge über die ganze Welt und kam in etwa dreißig Länder. Während der Epidemie ‒ gegen die es auch keinen Impfstoff und keine therapeutische Behandlung gab ‒ wurden etwa 10.000 Menschen als infiziert bestätigt und fast 800 starben [1]. Im Jahr 2012, gerade als diese Länder mit der SARS-Epidemie fertig wurden, tauchte MERS auf, verursacht durch ein anderes Coronavirus, das im Nahen Osten von Kamelen auf Menschen übersprang.
Keine dieser beiden Seuchen erreichte Europa oder die USA. Dies erklärt zum Teil auch, warum die europäischen und US-amerikanischen Regierungen spät und schlecht auf die Pandemie reagiert haben. Es fehlte ihnen an Erfahrung... Während China, Taiwan, Hongkong, Singapur und Vietnam dem grausamen Ausbruch von SARS erlitten hatten... Und Südkorea war 2015 zudem mit einem besonders schwerwiegenden Ausbruch der MERS-Epidemie konfrontiert [2].
In einer Situation absoluter Dringlichkeit und ohne dass ihnen irgendeine westliche Macht zu Hilfe kam, begannen diese asiatischen Nationen sofort, mit digitalen Technologien zu experimentieren, um die Ansteckungen zu stoppen. Sie nutzten frühere Bestimmungen zur öffentlichen Gesundheit, die die Epidemiologen gut kannten, weil sie wie gesagt angesichts zahlreicher Epidemien bereits seit dem Mittelalter wirksam eingesetzt worden waren... Seit dem 14. Jahrhundert fanden Maßnahmen wie Quarantäne, soziale Isolation, Sperrgebiete, Grenzschließungen, Straßensperren, Sicherheitsabstände und Kontaktverfolgung jedes Infizierten unverzüglich Anwendung... Ohne auf digitale Technologien zurückzugreifen, stützten sich die Behörden auf eine sehr einfache Überzeugung: Wenn wie durch Zauberei alle Einwohner vierzehn Tage lang dort bleiben würden, wo sie sich befanden, eineinhalb Meter voneinander entfernt, würde die ganze Pandemie sofort aufhören.
Von da an verbreitete sich die Verwendung von Masken in ganz Asien. Und Dutzende Fabriken wurden errichtet, die sich auf die Massenproduktion von Schutzmasken spezialisierten... Die Fieberkontrollen mit digitalen Infrarot-Thermometern in Form einer Pistole wurden zur Routine. In den Städten der betroffenen asiatischen Länder ist es seit 2003 üblich, vor dem Betreten eines Busses, eines Zuges, einer U-Bahn-Station, eines Bürogebäudes, einer Fabrik, einer Diskothek, eines Theaters, eines Kinos oder sogar eines Restaurants die Temperatur der Leute zu messen... Auch das Händewaschen mit gechlortem Wasser [3] oder Seife wurde zur Pflicht. In Krankenhäusern wurden ‒ wie im 19. Jahrhundert ‒ die Bereiche in "saubere" und "schmutzige" Zonen unterteilt, und die Ärzteteams gingen nicht von einer in die andere. Es wurden Trennwände eingebaut, um ganze Flügel voneinander zu trennen; das Gesundheitspersonal betrat den Raum an einem Ende mit Schutzanzügen und verließ ihn unter der Aufsicht von Hygiene-Personal desinfiziert am anderen Ende.
Diese ganze Region Ostasiens erlebte also zum ersten Mal, was wir jetzt auf planetarischer Ebene erleben. Dort, vor allem in Südkorea, entstanden nicht zufällig einige der besten post-apokalyptischen Filme zum Thema der rasch verlaufenden Ansteckung: Virus (2013) von Kim Sung-soos und Train to Busan (2016) von Yeon Sangho's .
Mit SARS und MERS haben die Regierungen dieser Länder gelernt, vorsorglich riesige Mengen an Schutzausrüstung (Masken, Gesichtsschutz, Handschuhe, Helme, Desinfektionsgel, Kittel usw.) zu lagern. Sie wussten, dass sie im Falle einer neuen Epidemie schnell und aggressiv handeln mussten [4]. Das taten sie in diesem Januar, als die Verbreitung von Covid-19 begann. China hat schnell eine strenge Quarantäne verhängt. Es isolierte die Infizierten und ihre Kontakte in hermetisch abgeschlossenen Bereichen. Südkorea und Japan taten dies zwar nicht, verlangten aber einen Sicherheitsabstand und das Tragen von Hygienemasken. Und vervielfachten die Screening-Tests massiv.
Beispielhaft in Südostasien ist Vietnam. Es war eines der Länder, das 2003 am schnellsten und entschiedensten gegen SARS handelte. Und es hat die Lektion gelernt. Als sich das neue SARS-CoV-2-Virus in der Region auszubreiten begann, wendeten die Behörden in Hanoi ‒ bei nur sechs infizierten Personen ‒ sofort strengste Eindämmungs- und Isolationsmaßnahmen an. Und im Februar 2020 haben sie bekannt gegeben, dass die Pandemie eingedämmt sei [5]. Vietnam war das erste Land der Welt, das das neue Coronavirus besiegte [6]. Alle Infizierten wurden gesund. Kein einziger Patient starb.
All dies zeigt, dass digitale Technologien zur Lokalisierung und Identifizierung trotz ihrer Bedeutung nicht ausreichen, um das Coronavirus einzudämmen. Außerdem verhindert die weit verbreitete Verwendung von Hygienemasken den effektiven Einsatz von biometrischen Gesichtserkennungssystemen. Von den ersten Wochen an stellten China, Südkorea, Hongkong, Taiwan und Singapur fest, dass ihr Bio-Monitoring-System mit Videokameras aufgrund des massiven Einsatzes von Masken und Brillen nicht effektiv war.
Mit anderen Worten, die spektakuläre technologische Vormachtstellung, mit der wir uns so sehr brüsteten, mit unseren hochmodernen intelligenten Telefonen, den futuristischen Drohnen, Science-Fiction-Robotern und innovativen Biotechnologien, hat, wie wir bereits sagten, wenig dazu beigetragen, die ersten Auswirkungen der Pandemieflut einzudämmen.
Für drei sehr dringende Anliegen ‒ unsere Hände desinfizieren, Masken herstellen und den Vormarsch des Virus aufhalten ‒ musste die Menschheit auf Produkte und Techniken zurückgreifen, die mehrere Jahrhunderte alt sind. Die Seife, die von den Römern vor unserer Zeitrechnung entdeckt wurde; die Nähmaschine, die von Thomas Saint um 1790 in London erfunden wurde; und vor allem die Anwendung der Ausgangssperre und der sozialen Isolation, die in Europa seit dem 5. Jahrhundert gegen Dutzende aufeinanderfolgende Pestwellen verfeinert wurde. [7] Was für eine Lektion in Bescheidenheit!
Diejenigen opfern, die "zu alt" sind
Dies sind auch Zeiten mangelnder Solidarität. Nationale Egoismen haben sich mit überraschender und brutaler Geschwindigkeit manifestiert. Nachbar- und befreundete Staaten haben nicht gezögert, einen "Krieg der Masken" [8] zu beginnen oder sich wie Piraten medizinische Geräte anzueignen, die für ihre Partner bestimmt sind.
Wir haben Regierungen gesehen, die den doppelten oder dreifachen Preis für medizinische Geräte zahlen, um die Produkte zu erhalten und zu verhindern, dass sie an andere Nationen verkauft werden.
Die Medien haben gezeigt, wie auf den Start- und Landebahnen von Flughäfen Container mit Schutzmasken aus Frachtflugzeugen gerissen wurden, um sie an andere Ziele umzuleiten. Italien beschuldigte die Tschechische Republik, die in China gekauften Maskenlieferungen gestohlen zu haben, die in Prag zwischenlandeten. Frankreich prangerte die USA für die gleiche Sache an. Spanien beschuldigte Frankreich... Asiatische Hersteller informierten afrikanische und lateinamerikanische Regierungen, dass sie ihnen vorerst keine medizinischen Geräte verkaufen könnten, weil die USA und die Europäische Union höhere Preise zahlten [9].
Im Alltag haben Misstrauen und Verdächtigungen zugenommen. Viele Ausländer oder Außenseiter oder einfach ältere und kranke Menschen [10], die im Verdacht stehen, das Virus einzuschleppen, sind diskriminiert, verfolgt, gesteinigt, vertrieben worden... Es stimmt, dass die älteren Menschen die Gruppe mit der höchsten Sterblichkeitsrate darstellen [11]. Wir wissen nicht, warum. Einige ultraliberale Fanatiker haben gleich schonungslos die Eliminierung der Schwächsten gefordert.
Ein stellvertretender Gouverneur in den USA erklärte: "Die Großeltern sollten sich opfern und sterben, um die Wirtschaft zu retten" [12]. In derselben vernichtenden Art forderte der neoliberale Analyst des US-Senders CNBC, Rick Santelli, zum "Gesundheits-Darwinismus" auf und verlangte, "die gesamte Bevölkerung mit dem Virus zu impfen. Das würde den unvermeidlichen Verlauf nur beschleunigen… Aber die Märkte würden sich stabilisieren" [13].
In den Niederlanden, wo der ultraliberale Premierminister Mark Rutte ebenfalls für "Herdenimmunität" [14] eintritt, erklärte der Leiter der Epidemiologie am Medizinischen Zentrum der Universität Leiden, Frits Rosendaal, dass "Menschen, die zu alt oder zu schwach sind, nicht auf Intensivstationen aufgenommen werden sollten". [15]
Das sind Drohungen, die Exterminatoren aus Comics würdig sind... Und außerdem absurd, denn, wie eine Krankenschwester erklärt: "Covid-19 ist tödlich. Und ich kann sagen, dass es nicht nach Altersgrenzen unterscheidet. Nicht nach Farbe. Nicht nach Größe. Nicht nach Herkunft. Nicht nach sozialer Klasse. Nach gar nichts. Das Virus wird jeden angreifen." [16]
Covid-19 unterscheidet nicht, das stimmt, aber die ungleichen Gesellschaften tun dies sehr wohl. Denn wenn Gesundheit eine Ware ist, sind arme, diskriminierte, marginalisierte und ausgebeutete soziale Gruppen der Infektion viel stärker ausgesetzt.
Dies ist zum Beispiel in Singapur der Fall, wo es ‒ wie wir gesehen haben ‒ den Behörden zunächst gelang, die Epidemie unter Kontrolle zu bringen. In diesem opulenten Stadtstaat gibt es jedoch eine Minderheit von Hunderttausenden Migranten aus armen Ländern, die in den Bereichen Bau, Transport, Hausarbeit und Dienstleistungen beschäftigt sind.
Das Land ist für das Funktionieren seiner Wirtschaft von diesen Arbeitskräften abhängig. Aber die physische Isolierung ist bei diesen Tätigkeiten fast unmöglich. Aufgrund ihres sozialen Status mussten viele dieser Einwanderer trotz der Ansteckungsgefahr ihre Arbeit fortsetzen... Andererseits schreibt ein Gesetz vor, dass ausländische Arbeitnehmer in „Schlafsälen“ leben müssen. Das sind Räume, die bis zu einem Dutzend Männer beherbergen, mit einem gemeinsamen Bad, einer Küche und einer Dusche. Diese Orte wurden unweigerlich zu Infektionsherden… Von diesen Zentren wurde das Virus weiterverbreitet... Es ist dokumentiert, dass von dort etwa 500 neue Infektionen ausgegangen sind. Ein einziger "Schlafsaal" verursachte 15 Prozent aller neuen Fälle im Land. Derart, dass Singapur, das "Beispiel" eines Landes, das die Pandemie besiegt hatte, nun mit einem gefährlichen Aufschwung von Covid-19 konfrontiert ist. Das Coronavirus offenbarte die verborgenen Ungleichheiten der Gesellschaft...
Was in diesen "Schlafsälen" in Singapur geschah, gibt eine Vorstellung davon, was in Südostasien, in Indien, in Afrika, in Lateinamerika sowie in Ländern mit wenig Ressourcen und embryonalen Gesundheitssystemen geschehen könnte. Wenn das Virus in reichen Staaten – Italien, Frankreich, Spanien – den schrecklichsten Tribut gefordert hat, den wir kennen, was wird dann in einigen verarmten Gebieten Afrikas geschehen? Wie können wir von " Quarantäne" oder "Isolation" oder "Desinfektionsgel" oder "Schutzabstand" oder selbst von "Händewaschen" bei Millionen von Menschen sprechen, die ohne fließendes Wasser in Favelas, in Siedlungen aus Baracken oder Blechhütten zusammengedrängt sind, auf der Straße schlafen oder in behelfsmäßigen Flüchtlingslagern oder in den Ruinen von Gebäuden leben, die durch Kriege zerstört wurden? Allein in Lateinamerika sind 56 Prozent der arbeitenden Bevölkerung in der informellen Wirtschaft tätig...
Die größte Supermacht der Welt, die USA, hat es wiederum zum ersten Mal in ihrer Geschichte aufgegeben, den Kampf um Gesundheit und Hilfe für die Kranken der Welt anzuführen. In einer Nation von solchem Reichtum hat das Virus die exzessiven Ungleichheiten in Sachen Gesundheit offenbart. Die Einwohner entdecken den Mangel an grundlegenden Ressourcen sowie die Defizite in ihrem öffentlichen Gesundheitssystem. Seit Langem fordert Senator Bernie Sanders, dass "das Gesundheitssystem als ein grundlegendes Menschenrecht" betrachtet werden solle. Und viele weitere Persönlichkeiten fordern diesen Wandel: "Wir brauchen eine neue Pflegeökonomie ‒ sagte zum Beispiel Robert J. Shiller, Nobelpreisträger für Wirtschaftswissenschaften ‒ welche die nationalen öffentlichen und privaten Gesundheitssysteme integriert." [17]
Unterdessen verursacht Covid-19 in diesem Land Zehntausende Tote. Und die Situation kann sich noch verschlimmern, denn etwa 27 Millionen Menschen (8,5 Prozent der Bevölkerung) sind nicht krankenversichert und weitere elf Millionen sind illegale Arbeiter ohne Papiere, die sich nicht trauen, in die Krankenhäuser zu gehen...
Im heutigen globalen Epizentrum der Pandemie sehen Analysten eine "sich vergrößernde Kluft im Gesundheitswesen". Einige ethnische Minderheiten ‒ Afroamerikaner, Latinos ‒ haben in der Tat eine Coronavirus-Todesrate, die weit über ihrem Anteil an der Bevölkerung liegt. In New York etwa machen Afroamerikaner und Latinos 51 Prozent der Bevölkerung aus, auf sie fallen jedoch 62 Prozent der Todesfälle durch Covid-19. Im Bundesstaat Michigan machen Afroamerikaner 14 Prozent aus, konzentrieren aber 33 Prozent der Infizierten und 41 Prozent der Todesfälle auf sich. In Chicago machen Afroamerikaner 30 Prozent der Bevölkerung aus, machen aber 72 Prozent der Todesfälle aus... "Bei diesen Zahlen bleibt einem die Luft weg...", sagte Lori Lightfoot, die Bürgermeisterin von Chicago. [18]
In einem Land, in dem der Test auf das neue Coronavirus 3.500 US-Dollar kostet [19], ist Gesundheit oft ein Spiegelbild sozialer Ungleichheit. Der wilde Kapitalismus kümmert sich nicht um den Schmerz der Armen. Wenn Latinos und Afroamerikaner in den USA anfälliger für das Coronavirus sind, dann deshalb, weil sie Opfer einer Reihe von sozialen Benachteiligungen sind. Sie sind auch die Minderheiten, die aufgrund ihres historisch geringeren Zugangs zu Gesundheitsdiensten oft unter einer Reihe schwerwiegender Erkrankungen leiden: "Wir haben immer gewusst," erklärt Dr. Anthony Fauci, Direktor des National Institute of Allergies and Infectious Diseases in den USA, "dass Krankheiten wie Diabetes, Bluthochdruck, Fettleibigkeit und Asthma Minderheitenbevölkerungen, insbesondere Afroamerikaner, unverhältnismäßig stark betreffen." [20]
Trotz der Geißel des Covid-19 fordern einige Unternehmer die Rückkehr der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer an ihren Arbeitsplatz, um die Wirtschaft zu retten. Latinos und Afroamerikaner müssen daher weiterhin auf der Straße arbeiten und einige der härtesten Arbeiten verrichten, Gebäude reinigen, Busse fahren, Krankenhäuser desinfizieren, in Supermärkten arbeiten, Taxi fahren, Pakete ausliefern usw. Zu der Ansteckungsgefahr, der sie in ihren Armenvierteln ausgesetzt sind, kommen die Gefahren in öffentlichen Verkehrsmitteln und bei der Arbeit... Was die illegalisierten und undokumentierten Einwanderer betrifft, die von den Behörden schikaniert werden, so gehen sie, wie gesagt, aus Angst verhaftet zu werden, nicht zu den Gesundheitsdiensten...
Mit jedem Tag der Pandemie sind die Menschen mehr davon überzeugt, dass es der Staat und nicht der Markt ist, der rettet. "Diese Krise", erklärt Noam Chomsky, "ist das x-te Beispiel für das Versagen des Marktes. Und auch ein Beispiel für die Realität der Bedrohung durch eine Umweltkatastrophe. Der neoliberale Angriff hat die Krankenhäuser ohne Ressourcen gelassen. Krankenhausbetten wurden im Namen der 'wirtschaftlichen Effizienz' abgeschafft. [...] Die US-Regierung und die multinationalen Pharmakonzerne wissen seit Jahren, dass die Wahrscheinlichkeit einer Pandemie hoch ist. Aber da die Vorbereitung darauf nicht gut für die Geschäfte waren, wurde nichts getan." [21]
Der französische Philosoph Edgar Morin stellt seinerseits fest: "Schließlich ist die Opferung der Schwächsten ‒ der Alten, der Kranken ‒ funktional für eine Logik der natürlichen Auslese. Wie in der Welt des Marktes ist derjenige, der dem Wettbewerb nicht standhalten kann, dem Untergang geweiht. Eine wirklich humane Gesellschaft zu schaffen bedeutet, sich diesem Sozialdarwinismus um jeden Preis zu widersetzen."
Helden unserer Zeit
Die Pandemie hat auch ihre Helden und ihre Märtyrer. Und in dieses Schlacht sind die Krieger, die sich an die Frontlinien, an die vorderen Posten gestellt haben, um dem tödlichen SARS-CoV-2 entgegenzutreten ‒ die Ärzte, Krankenschwestern, Hilfskräfte und andere Mitarbeiter des Gesundheitswesens ‒ zu unfreiwilligen Protagonisten geworden, die von den Balkonen, Plätzen und Straßen der Städte auf der ganzen Welt Lob und Beifall ernten. Fast alle von ihnen sind öffentliche Angestellte, für die die Gesundheit der Bevölkerung keine Ware, sondern ein Grundbedürfnis, ein Menschenrecht ist.
Sie werden für ihren Einsatz bei der täglichen Arbeit zur Bekämpfung der Infektion und zur Rettung von Leben in die Geschichte eingehen, erschöpft und entkräftet. Oftmals haben sie sich dem ansteckenden Virus ohne Masken, Kittel oder Schutzausrüstung gestellt… "Wir ziehen ohne Waffen in den Krieg!" klagte eine altgediente Krankenschwester aus Guayaquil, Ecuador, die wütend war über die Infektion von achtzig Kollegen und den Tod von fünf weiteren. [22]
Das Gesundheitspersonal riskiert tatsächlich das eigene Leben. Nach Angaben des Center for Disease Control der USA sind zwischen 10 und 20 Prozent aller mit dem Coronavirus Infizierten im Gesundheitswesen tätig. Viele liegen im Sterben. Eines Tages, wenn dieser Alptraum vorüber ist, werden wir Denkmäler zu Ehren dieser Märtyrer in weißen Kitteln errichten müssen. Um für immer an ihren Mut, ihre Selbstlosigkeit, ihre Menschlichkeit zu erinnern. Als Albert Camus sagte, dass "die Pest uns lehrt, dass es in den Menschen mehr Dinge gibt, die der Bewunderung als der Verachtung würdig sind" [23], dachte er an sie.
In dieser Hinsicht hat sich ein kleines Land, ebenfalls bewunderungswürdig, durch seinen Altruismus und seine Großzügigkeit hervorgetan. Es handelt sich um Kuba. Seit 60 Jahren von den USA belagert und blockiert und zudem brutalen einseitigen Zwangsmaßnahmen durch Washington ausgesetzt, war das Land das erste, das China beim Ausbruch dieser Pandemie zu Hilfe kam. Seitdem haben die kubanischen Behörden nicht aufgehört, Brigaden von Ärzten und medizinischem Personal zur Bekämpfung von Covid-19 in etwa zwanzig Länder zu schicken [24], darunter drei aus dem reichen Europa: Italien, Frankreich und Andorra [25]. Kuba kam damit den verzweifelten Bitten ihrer Regierungen nach.
Diese Internationalen Brigaden von Ärzten, die auf Katastrophensituationen und schwere Epidemien spezialisiert sind, gibt es seit den 1960er Jahren. Anlässlich des Durchzugs des Hurrikans Katrina durch den Süden der USA im Jahr 2005 nahmen sie den Namen "Henry Reeve" an ‒ ein US-amerikanischer Brigadier, der für die kubanische Unabhängigkeit kämpfte und starb [26].
Die Welt erkennt, was die großen internationalen Mainstream-Medien bisher zu verbergen versuchten, nämlich dass Kuba eine medizinische Supermacht [27] mit mehr als 30.000 Ärztinnen und Ärzten und Krankenschwestern in 66 Ländern ist. [28]
All dies folgt einem humanistischen und visionären Motto von Fidel Castro, das er mit diesen Wortern ausdrückte: "Eines Tages sagte ich, wir könnten und würden niemals vorbeugende und überraschende Angriffe gegen irgendeinen dunklen Winkel der Welt durchführen; aber stattdessen ist unser Land in der Lage, die notwendigen Ärzte in die dunkelsten Winkel der Welt zu schicken. Ärzte und keine Bomben, Ärzte und keine intelligenten Waffen." [29] Havanna stellt dazu auch sein antivirales Medikament Interferon Alpha-2B Recombinante zur Verfügung, das von seinen Wissenschaftlern in biotechnologischen Laboren der Insel entwickelt wurde und dessen Einsatz die Verschlimmerung und die Komplikationen bei Patienten, die mit dem neuen Coronavirus infiziert sind, verhindern soll.
Höhepunkt der Desinformation
Die großen Medien verschweigen die medizinische Solidarität Kubas, während sie gleichzeitig eine universelle und permanente Berichterstattung über die Pandemie bieten, wie man sie noch nie erlebt hat. Seit Monaten haben die wichtigsten Medien des gesamten Planeten ohne Unterlass nur über ein einziges Thema zu uns gesprochen: das Coronavirus. Über-Information hoch Tausend. Ein chorales, hypermediales Phänomen [30] von solch globalem Ausmaß hatte es zuvor noch nie gegeben. Weder beim Fall der Berliner Mauer noch bei den Anschlägen auf die Zwillingstürme in New York.
Gleichzeitig sind wir Zeugen eines erbitterten Krieges zwischen verschiedenen Fraktionen, um dieser Krise ein dominierendes Narrativ aufzudrücken [31]. Dies führt zu einer regelrechten Epidemie von fake news und Post-Wahrheiten. Die WHO hat dieses Phänomen als Infodemie definiert, als eine Pandemie von Informationsfälschungen. Die Angst vor Covid-19 sowie der Wunsch nach viel Information und das Bestreben, alles über die Seuche zu verstehen, haben die Voraussetzungen für einen regelrechten Sturm giftiger Nachrichten geschaffen. Diese haben sich mit gleicher oder größerer Geschwindigkeit verbreitet als das neue Virus. In sozialen Netzwerken sind bergeweise Schwindeleien in Umlauf gebracht worden. Die Mobilen Messaging-Systeme sind regelrechte Produktionsstätten für ununterbrochene Lügen, Betrug und Täuschung geworden. In einigen Ländern wird geschätzt, dass 88 Prozent der Menschen, die sich in sozialen Netzwerken über SARS-CoV-2 informierten, durch fake news infiziert wurden. [32]
Es ist bekannt, dass sich falsche Nachrichten zehnmal schneller verbreiten als wahre; und dass sie, selbst wenn sie dementiert werden, in den Netzwerken überleben, weil sie weiterhin ohne jede Kontrolle verbreitet werden.
Viele von ihnen sind mit beeindruckender Professionalität ausgearbeitet: Tadellose Texte, perfekt redigiert, inspiriert von den angesehensten Medien, sehr sorgfältige Bilder, hohe Tonqualität, eine sonore und gemäßigte Stimme des Kommentars im Off, unruhige und süchtig machende Montage und Bearbeitung, betörende Musik... Alles soll den Eindruck von Ernsthaftigkeit, von Seriosität, von Vertrauenswürdigkeit vermitteln... Es ist die Garantie für Glaubwürdigkeit, die unverzichtbar ist, um die Täuschung zu untermauern. Und damit die Nutzer sie viral werden lassen...
Man darf nicht vergessen, dass während dieser endlosen Quarantäne in einem Kontext der Unsicherheit und der Emotionen und angesichts des realen Bedürfnisses aller, die Seuche zu verstehen und sie mit Argumenten zu begreifen, zwei miteinander kombinierte Zutaten die starke Ausstrahlung von Lügen begünstigt haben. Auf der einen Seite die Vertrautheit, das Vertrauen zwischen Menschen, die im selben Netzwerk Informationen austauschen. Auf der anderen Seite die ständige Wiederholung von Botschaften mit identischem Muster.
Wenn mir jemand, den ich kenne, ein Information schickt und ich auf verschiedenen anderen Wegen die gleiche Information oder sehr ähnliche Versionen erhalte, werde ich glauben, dass sie glaubwürdig ist und der Wahrheit entspricht. Weil ich der Quelle vertraue und weil andere Quellen damit übereinstimmen und es bestätigen. Ich werde sogar instinktiv folgern, dass durch diese beiden Mechanismen (Nähe und Wiederholung) die Authentizität der Information überprüft ist. Dennoch kann sie falsch sein. Mit anderen Worten: Jede gefälschte Nachricht wird versuchen, beiden Anforderungen zu genügen, um ihre Falschheit besser zu verbergen oder zu verschleiern. Das ist ein Gesetz der medialen Vergiftung: Jede Manipulation der öffentlichen Meinung durch falsche Nachrichten muss diesen Richtlinien folgen.
Es ist unmöglich, eine erschöpfende Liste der gefälschten Nachrichten zu erstellen, die unsere Netzwerke seit Beginn der Pandemie überschwemmen, aber wir sollten uns daran erinnern, dass sich fast sofort verschiedene Verschwörungstheorien zu verbreiten begannen. Die am meisten verbreiteten behaupteten, wie bereits erwähnt, dass das neue Coronavirus in einem geheimen Biolabor in China (oder den USA) entwickelt wurde, und dass es eine bakteriologische Kriegswaffe zwischen den beiden Supermächten sei... Andere ebenso absurde Falschmeldungen besagten, dass SARS-CoV-2 von Bill Gates erschaffen wurde... Oder dass es von China hergestellt wurde, um seine ethnischen Minderheiten auszulöschen... Oder dass sich die Epidemie so schnell ausbreitete, weil das Virus in den von China exportierten Waren transportiert werde... Oder dass Covid-19 eine Krankheit ist, die von großen pharmazeutischen Labors verbreitet wird, um Impfstoffe zu verkaufen... Oder dass die 5G-Antennen das Coronavirus verstärken und tödlicher machen. [33] ... Oder dass die Seuche dazu bestimmt war, die Exportwirtschaft eines Rivalen Chinas aus Norditalien zu ruinieren... Oder dass es bereits einen Impfstoff gibt... Oder dass das Virus bereits mutiert ist. [34]
Viele dieser gefälschten Nachrichten sind immer noch im Umlauf, endlos vervielfältigt durch Bots, Profile von Tausenden von Konten, die von einem einzigen Benutzer verwaltet werden. Ziel ist dabei, eine "große Menge" von Nachrichten anzuzeigen, die vorgeben, dass viele Menschen ein Thema teilen oder kommentieren, um die Wahrnehmung dieses Themas zu manipulieren. Einige fake news erscheinen harmlos, aber andere ‒ insbesondere wenn sie die Existenz einer Wunderbehandlung oder eines magischen Antiviren-Medikaments verbreiten [35] ‒ können tödliche Folgen haben. Im Iran zum Beispiel verbreiteten die Netzwerke eine Falschmeldung, nach der Methanol Covid-19 verhindere und heile. Ergebnis: 44 Menschen starben und Hunderte von Opfern wurden ins Krankenhaus eingeliefert, weil sie Methylalkohol zu sich genommen hatten. [36]
Mit der allgemeinen Panik, die durch die Pandemie ausgelöst wurde, und mit Millionen Menschen, die verzweifelt auf ihren Bildschirmen nach Daten über das unbekannte Coronavirus suchten, fanden die "Desinformationsblasen" ein perfektes Ökosystem vor, um sich bis ins Unendliche zu vervielfachen. Alles wurde zudem noch dadurch vereinfacht, dass im Jahr 2016 die wichtigsten Unternehmen für soziale Netzwerke die Algorithmen der Nachrichtenhierarchie verändert hatten. Seither geben sie Mitteilungen von Freunden und Bekannten zu Lasten von Nachrichten von Organisationen oder den Medien den Vorrang.
Auf jeden Fall können wir nicht länger naiv sein. Und unschuldig alles glauben, was über soziale Netzwerke auf unsere Bildschirme kommt. In diesem Zusammenhang ist das Momentum Coronavirus auch ein Wendepunkt. Angesichts der überwältigenden Menge an Falschmeldungen muss von nun an jeder Bürger die verschiedenen Verifizierungsplattformen kennen, die uns kostenlos zur Verfügung stehen, zum Beispiel: Maldita.es und Newtral.es in Spanien ; FactCheck.org, NewsGuard und PolitiFact.com in den USA; oder die Allianz #CoronavirusFacts, die vom International Fact-Checking Network (IFCN) des Poynter-Instituts [37] gefördert wird und mehr als 100 Verifikationsplattformen in siebzig Ländern und vierzig Sprachen umfasst [38]; oder LatamChequea, die etwa zwanzig Medien aus fünfzehn lateinamerikanischen Ländern vereint.
Darüber hinaus gibt es im Internet viele kostenlose Tools zur Überprüfung der Echtheit von Fotos, die in sozialen Netzwerken veröffentlicht wurden: Zum Beispiel TinEye, Google Reverse Image Search, FotoForensics, die wichtige Überprüfungen ermöglichen, wie die Kenntnis der Originalquelle des Bildes, ob es schon einmal veröffentlicht wurde, welche anderen Medien es bereits gebracht haben, ob es manipuliert wurde und ob das Original retuschiert wurde.
Um auch die so weit verbreiteten gefälschten Videos aufzuspüren, können wir InVid verwenden, das für die Browser Google Chrome und Mozilla Firefox verfügbar ist und mit dem wir manipulierte Videos entschlüsseln können [39]. Auch auf der Reverso-Website ‒ einem Gemeinschaftsprojekt von Cheque [40], AFP Factual [41], First Draft [42] und Pop-Up Newsroom [43] ‒ können wir gefälschte virale Videos im Internet aufspüren [44]. Es gibt keine Ausrede mehr dafür, sich täuschen zu lassen. Zumindest dafür wird uns diese Pandemie gute Dienste geleistet haben.
Auf dem Weg zu einem digitalen Kapitalismus?
Eine weitere Konsequenz für die Kommunikation: Mit mehr als der Hälfte der Menschheit wochenlang in ihren Wohnungen eingesperrt, hat die digitale Vergöttlichung ihren bisherigen Zenit erreicht... Nie waren die Internet-Galaxie und ihre vielfältigen Angebote auf dem Bildschirm (kommunikativ, ablenkend, kommerziell) zeitgemäßer und invasiver.
In diesem Zusammenhang haben sich soziale Netzwerke, mobile Messaging- und Microblogging-Dienste ‒ Twitter, Mastodon [45], Facebook, WhatsApp, Messenger, Instagram [46], Youtube, LinkedIn, Reddit, Snapchat, Amino, Signal, Telegramm, Wechat, WT:Social [47] usw. ‒ definitiv als das dominierende Mittel der Information (und Desinformation) durchgesetzt. Sie sind auch zu einer viralen Quelle der Ablenkung geworden, denn trotz des Schreckens der Gesundheitskrise waren Humor und Lachen, wie es in diesen Fällen oft vorkommt, die absoluten Protagonisten in den sozialen Netzwerken, der bevorzugten Verbindung mit der Außenwelt und mit Familie und Freunden.
Wir verbringen mehr Stunden als je zuvor vor den Bildschirmen unserer digitalen Geräte: Mobiltelefone, Computer, Tablets oder intelligente Fernseher. [48] Wir konsumieren alles: Informationen, Serien, Filme, Memes, Lieder, Fotos, Telearbeit, Beratungen und Verwaltungsverfahren, Online-Unterricht, Videoanrufe, Videokonferenzen, Chats, Konsolenspiele, Mitteilungen... Die tägliche Zeit, die wir im Internet verbringen, ist in die Höhe geschossen [49]. In Spanien zum Beispiel ist der Internetverkehr seit dem 14. März letzten Jahres, als der Alarmzustand und die soziale Isolation ausgerufen wurden, um 80 Prozent gestiegen [50]. Dieser starke Anstieg ist vor allem auf den außergewöhnlichen Verbrauch von Videostreaming zurückzuführen, nicht nur von Video-on-Demand-Diensten, sondern vor allem auf das für diese Zeit charakteristischste Kommunikationsphänomen: Videoanrufe über Skype, WhatsApp, Webex, Houseparty [51] und Zoom.
Die bisher wenig bekannte Anwendung für Videoanrufe Zoom hat in den letzten zwei Monaten ein in der Geschichte des Internets nie gekanntes Wachstum erlebt. Seit Beginn der Pandemie ist sie die am häufigsten heruntergeladene App für das iPhone. Im vergangenen März betrug die tägliche Traffic-Zunahme 535 Prozent... Führungspersonen der Welt nutzen Zoom für ihre Videokonferenzen; Unternehmen, um Telearbeit zu organisieren; Universitäten, um Online-Kurse anzubieten; Musiker und Sänger, um in Gruppen ihre Corona-Clips zu kreieren; Freunde und Familien, um während der Ausgangssperre virtuell zusammen zu bleiben.
Die Zahlen sind überwältigend. Zoom hatte Ende 2019 10 Millionen aktive Nutzer, Ende März waren es über 200 Millionen. Um eine Vorstellung zu bekommen, was das bedeutet, erinnern wir daran, dass Instagram mehr als drei Jahre gebraucht hat, um auf diese Nutzerzahl zu kommen. Vor der Ausbreitung des Coronavirus kosteten die Zoom-Aktien 70 Dollar. Am 23. März waren sie 160 Dollar wert, in anderen Worten, eine Gesamtkapitalisierung von über 44 Milliarden Dollar. Das Virus ist global, aber seine Auswirkungen sind nicht für alle gleich. Insbesondere für den Hauptaktionär von Zoom, Eric Yuan, der nun mit einem geschätzten Vermögen von 5,5 Milliarden Dollar auf der Liste der "reichsten Personen der Welt" steht. [52]
Ein weiterer "Gewinner" dieser Krise ist die bei jungen Leuten sehr beliebte App TikTok, die ebenfalls einen phänomenalen Anstieg der Nutzer verzeichnet. TikTok wurde von der chinesischen Technologiefirma ByteDance entwickelt und ist eine Social-Media-App ähnlich wie Likee oder MadLipz, mit der man kurze Videos von 15 bis 60 Sekunden in einer Schleife (also in einer Schleifenwiederholung wie GIFs [53]) aufnehmen, bearbeiten und teilen kann, mit der Möglichkeit, musikalische Hintergründe, Klangeffekte und Filter oder visuelle Effekte hinzuzufügen.
Die weltweite Quarantäne bedroht überall auf der Welt das wirtschaftliche Überleben unzähliger Unterhaltungs-, Kultur- und Freizeitunternehmen (Theater, Museen, Buchhandlungen, Kinos, Stadien, Konzerthallen usw.). Auf der anderen Seite erleben digitale Riesen wie Google, Amazon, Facebook oder Netflix, die den Markt bereits beherrschten, einen grandiosen Moment des kommerziellen Erfolgs. [54] Die gewaltige Injektion von Geld und vor allem von Makrodaten, die sie erhalten, wird es ihnen ermöglichen, ihre Kontrolle über die algorithmische Intelligenz exponentiell zu entwickeln. [55] Um die digitale Kommunikationssphäre im globalen Maßstab noch stärker zu dominieren.
Diese gigantischen technologischen Plattformen sind in wirtschaftlicher Hinsicht die absoluten Gewinner dieses tragischen Moments der Geschichte. Dies bestätigt, dass im Kapitalismus nach der Ära von Kohle und Stahl, der Ära der Eisenbahnen und der Elektrizität und der Ära des Öls die Zeit der Daten, dem neuen dominierenden Rohstoff in der Ära nach der Pandemie, gekommen ist. Willkommen im digitalen Kapitalismus.
Teil III
Die Wirtschaft: Ein Blutbad
Im Übrigen geht es dem Kapitalismus schlecht... Weil die Aussicht auf eine beispiellose wirtschaftliche Katastrophe droht. [1] Noch nie hat man eine Vollbremsung der Wirtschaft des gesamten Planeten erlebt. Die von Covid-19 am stärksten betroffenen Gebiete sind ‒ vorerst ‒ China und Ostasien, Europa und die USA, also das zentrale Dreieck der weltweiten wirtschaftlichen Entwicklung. Millionen von Unternehmen, große und kleine, befinden sich in einer Krise, sind geschlossen, stehen am Rande des Bankrotts. [2] Mehrere Hundert Millionen Arbeitnehmer haben ihren Arbeitsplatz ganz oder teilweise verloren. [3]
Wie bei so vielen früheren Gelegenheiten werden die am schlechtesten bezahlten Angestellten und die Kleinunternehmen den höchsten Preis zahlen. 500 Millionen Menschen könnten in die Armut zurückgedrängt werden. [4] Diese globale Wirtschaftskrise ist beispiellos und wird tiefer und länger sein als die von 1929. Sie übertrifft in ihrer Schwere auch die Finanzkrise von 2008. Die Pandemie erzeugt eine allgemeine Ablehnung des anarchischen Hyperkapitalismus, der obszöne Ungleichheiten zugelassen hat, wie die Tatsache, dass ein Prozent der Reichen der Welt mehr besitzen als die restlichen 99 Prozent. [5] Auch die Auswüchse der wirtschaftlichen Globalisierung werden in Frage gestellt. Die Börsen sind, mit Höhen und Tiefen, abgestürzt [6]: "Das ist ein wahres Blutbad!", rief der Broker eines Vermögensverwaltungsunternehmens [7] angesichts der historischen Verluste seiner Investoren. Die Ölpreise sind in unbekannte Tiefen gefallen. [8] Am 20. April kostete das Referenzbarrel West Texas Intermediate (WTI) auf dem Rohstoffmarkt in Chicago minus 37 Dollar [9] .. ja, minus 37 Dollar, das heißt, der Verkäufer zahlte dem Käufer 37 Dollar, damit dieser ihm ein Barrel Öl abnimmt... Ein in der Geschichte noch nie dagewesener Einbruch... Was für die Importländer hervorragend ist: China, Japan, Deutschland, Frankreich, Südkorea..., aber unheilvoll für die bevölkerungsreichen Exportländer: Russland, Nigeria, Mexiko, Venezuela.
Eine weitere negative Konsequenz: Solch billiges Öl kann den notwendigen ökologischen Wandel verzögern, weil es automatisch den Preis für alternative Energien (Sonne, Wind, Biomasse, usw.) erhöht. ... Die Weltwirtschaft betritt nun Neuland. [10] Niemand hat eine genaue Vorstellung von den Ausmaßen der Katastrophe. Wie [Henry] Kissinger sagte: "Die gegenwärtige Wirtschaftskrise ist von einer beispiellosen Komplexität. Die durch das Coronavirus ausgelöste Schrumpfung ist aufgrund ihrer hohen Geschwindigkeit und globalen Ausdehnung anders als alles, was wir je in der Geschichte erlebt haben." [11]
Die Europäische Union (EU) zum Beispiel schlug zunächst einen 25-Milliarden-Euro-Plan vor, um den Mitgliedsländern zu helfen. Dann sprach die Europäische Zentralbank von 750 Milliarden... ! Ein solch gigantischer Umfang gibt eine Vorstellung vom Ausmaß der Verwirrung... Man schätzt, dass das BIP der entwickelten Länder um zehn Prozent einbrechen könnte... Viel mehr als in der Krise 1929... Ein brutaler Schock. Fieberhaft, panisch praktizieren die Regierungen eine Art "Kriegs-Keynesianismus". Sie müssen den Angestellten, den Bauern, den Familien, den Unternehmen helfen. Und sie geben umgehend astronomische Summen frei, um sie in die Finanzkreisläufe zu injizieren und so eine Implosion des Wirtschaftssystems zu vermeiden. [12] Und auch um möglichst zu verhindern, dass das Coronavirus schließlich mehr Armut als Tote verursacht.
Aber der Preis wird unvorstellbar sein. Mit der Erschwernis für den Staat, dass seine Steuereinnahmen drastisch reduziert werden. Das Defizit wird galaktisch sein. Auf der Ebene der Eurozone zum Beispiel, wird das Defizit bis Ende dieses Jahres 1,5 Billionen Euro (das sind 1.500 Milliarden) erreichen, so der französische Ökonom Jacques Sapir. [13] Das hat es noch nie gegeben. Im Falle Großbritanniens, das nicht mehr in der EU und nicht in der Eurozone ist, wird die Bank of England das Problem einfach dadurch lösen, dass sie Geld druckt... Was weder Italien, noch Spanien, noch Frankreich tun können, also die Staaten, die die meiste Liquidität benötigen werden. Und die bereits überschuldet sind.
In diesen drei Ländern wird der Austritt aus der Union oder aus der Eurozone stark in Betracht gezogen werden. Denn Deutschland, Österreich, Finnland und die Niederlande weigern sich seit Wochen, ihnen bedingungslose Kredite zu gewähren (die berühmten "Coronabonds")... – während die Probleme der Gesundheitssysteme in Italien, Spanien und Frankreich zum Teil die direkte Folge der Sparpolitik und der Haushaltskürzungen bei den öffentlichen Dienstleistungen sind, die von diesen vier "strengen" Partnern aus dem Norden gefordert werden. Es sei daran erinnert, dass Südeuropa, bevor es zum Epizentrum der aktuellen Pandemie wurde, das Epizentrum der sadistischsten Sparpolitik nach der Finanzkrise von 2008 war.[14] Das eine führte zum anderen.
Europa als Schutzunion ist gescheitert. Der Gemeinschaftsclub ist unfähig gewesen, zusammen und multilateral auf das menschliche und soziale Drama zu reagieren, das den alten Kontinent heimsucht. Die Menschen – insbesondere die Familien und Freunde der Abertausenden von Toten – werden das nicht vergessen. "Es ist ein Wirtschaftsmodell, das in Blut getränkt ist", prangert Naomi Klein an, "Und jetzt beginnen die Menschen, das zu begreifen. Denn sie schalten den Fernseher ein und sehen Kommentatoren und Politiker, die ihnen sagen, dass sie vielleicht ihre Großeltern opfern sollten, damit die Aktienkurse steigen können... Und die Leute fragen sich: Was ist das für ein System?"[15]
In einem so tragischen und heiklen Moment – mit der ersten Sezession in der Europäischen Union (Brexit Großbritanniens), erst am 31. Januar vollzogen – und angesichts einer so entscheidenden gesundheitspolitischen Herausforderung hat der europäische Traum nicht funktioniert. Und es war wahrscheinlich die letzte Chance... Welches Schicksal erwartet diese Europäische Union, die ihre schwächsten Partner nicht unterstützt und von den rechten Populisten und Extremisten von Innen zerfressen wird, nach der Pandemie?
Der internationale Handel ist auf das Niveau von vor einem Jahrhundert zurückgegangen.[16] Die Rohstoffpreise sind zusammengebrochen. Nicht nur die Ölpreise, sondern auch Kupfer, Nickel, Baumwolle, Kakao, Palmöl usw. Für die Volkswirtschaften der Exportländer des Südens, in denen zwei Drittel Weltbevölkerung leben, ist dies eine verheerende Situation. Denn zum Einbruch der Exporte muss man den Ausfall der Tourismuseinkünfte hinzufügen und den drastischen Rückgang der Überweisungen von Emigranten, die vom Verlust der Arbeitsplätze in den von der Geißel gelähmten reichen Ländern betroffen sind. Mit anderen Worten, die drei Hauptressourcen der Länder des Südens brechen ein. Millionen Menschen, denen es in den letzten Jahrzehnten gelungen war, Teil einer wachsenden weltweiten 'Mittelschicht' zu werden, sind nun in Gefahr, wieder in die Armut zurückzufallen.
Darüber hinaus haben die Kapitale in diesem Kritischen Umfeld auch noch begonnen, massenhaft aus den Entwicklungsländer zu desertieren. Es wird geschätzt, dass seit dem 21. Februar 2020, dem Datum des ersten Todesfalls in Italien durch Covid-19, bis Ende März rund 59 Milliarden Dollar aus diesen Nationen geflüchtet sind.[17] Infolgedessen sind viele Währungen eingebrochen: der mexikanische Peso verlor 25 Prozent seines Wertes gegenüber dem US-Dollar, der brasilianische Real und der südafrikanische Rand 20 Prozent. Und alle Importe werden in diesen Ländern jetzt teurer sein.
Vor einem so düsteren Hintergrund ist das Wahrscheinlichste, dass, wenn die Pandemie vorüber ist, mehrere dieser geschwächten, ruinierten und verschuldeten Staaten starke soziale Umwälzungen erleben werden... Auch hier könnte es zu Blutbädern kommen... Auch ist es wahrscheinlich, dass wir in bestimmten Regionen eine verzweifelte Auswanderungswelle in Richtung Norden erleben werden... Dessen Länder in diesem Moment mit den schmerzlichen Folgen der schlimmsten Krise ihrer Geschichte zu kämpfen haben. Unnötig zu sagen, dass die neuen Einwanderer, die zu Sündenböcken gemacht werden, nicht willkommen sein werden... Sie werden die Fremdenfeindlichkeit und den Hass der ultrarechten Gruppen nähren, die sowohl in Europa als auch in den USA auf dem Vormarsch sind... Die Geschichte lehrt, dass Katastrophen Chauvinismus und Rassismus fördern.
Um alptraumartige Szenarien zu vermeiden, werden viele Stimmen laut, die verschiedene dringende Maßnahmen fordern. Darunter der Erlass der Schulden der Entwicklungsländer, die bereits vor der Krise eine enorme Auslandsverschuldung hatten. Und sie müssen der UNO zufolge von jetzt an bis Ende 2021 rund 2,7 Milliarden Dollar an Zinsen auf ihre Schulden zahlen.[18] Viele Persönlichkeiten und Institutionen verlangen ein Moratorium für die Schuldenzahlungen zugunsten der am stärksten betroffenen Nationen. Selbst Papst Franziskus hat gefordert, dass "in Anbetracht der Umstände die großen Erfordernisse dieses Augenblicks von allen Ländern angegangen werden sollten, und die Schulden, die auf den Budgets der ärmsten Länder lasten, reduziert oder sogar gestrichen werden."[19] Unter diesen kritischen Umständen wird auch von den USA verlangt, die ungerechten "einseitigen Zwangsmaßnahmen" gegen Kuba, Venezuela, Iran, Nicaragua, Syrien usw. aufzuheben.
Entglobalisieren?
Die Pandemie zwingt uns auch, das vorherrschende wirtschaftlich-kommerzielle Modell in Frage zu stellen. Vierzig Jahre lang hat die neoliberale Globalisierung den Austausch befördert und transnationale Lieferketten entwickelt. Die Gesundheitskrise hat gezeigt, dass die logistischen Versorgungslinien zu lang und zu zerbrechlich sind. Und dass in einem Ernstfall wie diesem die Lieferanten aus der Ferne nicht in der Lage sind, auf Notfälle zu reagieren. All dies hat gezeigt, dass die Souveränität der Staaten in vielen Fällen sehr relativ ist.
Durch neoliberalen ideologischen Extremismus ist die Welt bei der Verlagerung der Produktion, bei der Deindustrialisierung und der Doktrin "Null-Lagerhaltung" zweifellos zu weit gegangen. Jetzt, in einer Situation von Leben und Tod, haben viele Gesellschaften erstaunt entdeckt, dass wir für einige unverzichtbare Güter ‒ Antibiotika, Tests, Masken, Handschuhe, Atemschutzgeräte usw. ‒ von Herstellern am anderen Ende der Welt abhängig sind... Dass in unseren eigenen Ländern sehr wenig hergestellt wird... Der "Maskenkrieg" hat einen sehr schmerzhaften Eindruck von Ohnmacht hinterlassen.
Seit der Finanzkrise von 2008 haben nationalistische und rechtspopulistische Gruppen ‒ zu denen zum Beispiel die Wähler von Donald Trump, Boris Johnson, Viktor Orbán und Jair Bolsonaro gehören ‒ ihre Ablehnung der wirtschaftlichen Globalisierung zum Ausdruck gebracht. Auf der anderen Seite haben Aktivisten seit Ende der 1990er Jahre aus linker und humanistischer Sicht auch die umweltzerstörende finanzielle Globalisierung massiv kritisiert und eine "andere mögliche Welt" eingefordert.
Zu diesen bereits beträchtlichen Kräften werden nun die Massen von Personen hinzukommen, die unzufrieden sind mit der Abhängigkeit ihrer Länder bei der Bewältigung der Covid-19-Katastrophe. Es herrscht das Gefühl, dass viele Regierungen mit der Globalisierung grundlegende Aspekte ihrer Souveränität, Unabhängigkeit und Sicherheit aufgegeben haben.
Der Anti-Globalisierungsdruck wird nach der Pandemie sehr stark sein. In vielen Hauptstädten wird das Prinzip einer auf Importen beruhenden Wirtschaft in Frage gestellt. Zweifellos werden verschiedene Industriesektoren repatriiert, zurückverlagert werden. Auch die Idee der Planung kommt wieder auf. Der Rückgriff auf ein gewisses Maß an Protektionismus ist kein Skandal mehr. Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron, ein ehemaliger Banker, hat eingeräumt, dass "sich unsere Welt zweifellos fragmentieren wird", aber dass es unabdingbar sei, "die Unabhängigkeit Frankreichs in der Landwirtschaft, der Gesundheit, der Industrie und der Technologie wiederherzustellen. Wir werden eine Strategie ausarbeiten müssen, die auf Langfristigkeit und Planbarkeit basiert."[20]
Statt die Völker zu einigen und ihr gegenseitiges Verständnis zu fördern, hat die Globalisierung die Egoismen, die Brüche und den Ultranationalismus begünstigt. Die allgemeine Schließung der Grenzen und der nationale Rückzug im Namen des Schutzes vor Covid-19 verstärken die unilateralen und nationalistischen Tendenzen, die von Donald Trump aus dem Weißen Haus genährt und aus verschiedenen Motiven aus anderen Hauptstädten wie London, Budapest, Brasília, Manila usw. unterstützt werden.
Seit den von Deng-Tsiao Ping 1979 angestoßenen Reformen ist die Macht, die am meisten von der wirtschaftlichen Globalisierung profitiert hat, zweifelsohne China. Zur "Weltfabrik" geworden, ist dieses Land heute die einzige Supermacht, die in der Lage ist, auf der Weltbühne ein Gegengewicht zu den USA zu bilden. Zusammen mit der Europäischen Union, Japan und Südkorea ist Peking nach wie vor einer der größten Verfechter der Globalisierung. Insbesondere seit seinem Beitritt zur Welthandelsorganisation (WTO) im Jahr 2001.
Die chinesische Regierung geht davon aus, dass die Anti-Globalisierung nichts lösen wird und der Protektionismus eine Sackgasse ist, weil am Ende niemand exportieren kann und alle blockiert sind. Präsident Xi-Jin Ping hat dies mit folgenden Worten ausgedrückt: "Den Ozean Weltwirtschaft in eine Reihe von kleinen, gut voneinander getrennten Seen aufteilen zu wollen, ist nicht nur unmöglich, sondern widerspricht auch dem Lauf der Geschichte."[21]
In jedem Fall scheint die neoliberale Hyper-Globalisierung schwer getroffen zu sein, und es ist nicht abwegig, ihre Schwächung vorherzusagen.[22] Die Kontinuität des Kapitalismus selbst wird in seiner ultraliberalen Form in Frage gestellt... Auch wird die Notwendigkeit einer Art kolossalen globalen Marhall-Plans heraufbeschworen... Zweifellos wird die aktuelle Tragödie Covid-19 die Nationen zu einer neuen Weltwirtschaftsordnung drängen.
Führungsrollen
Die meisten Regierungen haben versagt. Gebeutelt wie sonst nie in Friedenszeiten waren sie nicht in der Lage, sich der enormen Herausforderung zu stellen. Sie haben nicht mal eine ihrer wichtigsten verfassungsrechtlichen Befugnisse wahrgenommen: Die Verantwortung für den Schutz ihrer Bevölkerung. Es gibt zahlreiche Beispiele von Anführern wie Boris Johnson, Großbritanniens Premierminister, der, bevor er sich infizierte und in eine Intensivstation eingeliefert wurde, die Bedrohung kleinredete. Johnson entschied sich zunächst für die Theorie der "Herdenimmunität", sodass sich die britischen Bevölkerung infizieren soll... Ausgehend von der Idee, dass wenn 60 oder 70 Prozent der Bevölkerung infiziert würden, dies als Firewall fungieren und die Ausbreitung des Virus stoppen werde. Bis er begriff, dass es für Großbritannien etwa zwei Millionen Tote bedeuten würde, wenn "nur" drei Prozent der Bevölkerung sterben würden... Andere Führer, wie der brasilianische Präsident Jair Bolsonaro, legen weiterhin eine verleugnende Haltung an den Tag und beschreiben die mörderische Pandemie grinsend als "einen kleine, unbedeutende Grippe". Vielleicht werden einige der Verantwortlichen, wenn das Coronavirus besiegt ist, vor einem Gericht ähnlich dem Nürnberger Tribunal Rechenschaft ablegen müssen.
Viele Führungskräfte haben sich auf lokale, nationale Reaktionen konzentriert und die Pandemie auf eigene Faust und ohne wirkliche internationale Koordination gemanagt. Während es doch offensichtlich ist, dass kein Land, wie mächtig es auch sein mag, die Pandemie in einer ausschließlich lokalen Anstrengung besiegen kann. Die Großmächte haben sich als unfähig erwiesen, sich auf globaler Ebene abzustimmen (was für ein Desaster ist der UN-Sicherheitsrat!), um eine gemeinsame weltweite Front zu bilden und bei der Suche nach Lösungen und kollektiven Auswegen aus der Krise zusammenzuarbeiten. Keine Stimme – nicht einmal der Generalsekretär der Vereinten Nationen, der Dalai Lama, der Nobelpreisträger oder selbst der Papst – vermochte es, sich in dem allgemeinen Lärm von Angst und Wut angesichts dieses ungeheuren Schocks Gehör zu verschaffen.
Es ist wahr, dass die großen historischen Anführer für gewöhnlich in schlechten Zeiten auftauchen, aber dieser pandemische Moment von Stress, Verwirrung und Kontrollverlust ist im Gegenteil von der Abwesenheit von Führungspersönlichkeiten an der Spitze der wichtigsten westlichen Mächte gekennzeichnet. Das Chaos hat vor allem das Können einiger von ihnen besonders auf die Probe gestellt.[23] Wie wir bereits betont haben, hat speziell Donald Trump durch sein übles Management die Auszeichnung als "schlechtester amerikanischer Präsident aller Zeiten" [24] verdient. Für ihn und für einige andere hat das neue Coronavirus wie eine Art Peter-Prinzip gewirkt, es zog ihnen die Maske herunter, offenbarte ihre Hochstapelei [25] und ihre extreme Inkompetenz.
In diesem brisanten Szenario haben andere Führungspersönlichkeiten dagegen eine langfristige Vision, die Antizipation von Ereignissen und den Entschluss zu raschem Handeln gezeigt. Zwei davon sind Frauen, und beide progressiv: Die isländische Premierministerin Katrin Jakobsdottir, eine Feministin und Umweltschützerin der Grünen, und die neuseeländische Premierministerin Jacinda Ardern, Vorsitzende der Labour Party.
Island hat dabei eine in der Welt einzigartige Strategie verfolgt, indem es der gesamten Bevölkerung kostenlose Massentests für das Covid-19-Virus anbot, als der erste Fall des Virus entdeckt worden war. Im vergangenen Februar hatte das Land bereits seit Wochen Touristen oder Reisende, die in ihre Heimat zurückkehrten, auf Erreger getestet. Katrin Jakobsdottir und ihre Regierung baten diejenigen, die nach Island einreisten, sich in Gesundheitszentren untersuchen zu lassen, auch wenn sie keine Symptome hatten. Dieser proaktive Ansatz, SARS-CoV-2 zu identifizieren noch bevor es auftrat, war entscheidend.[26]
Auch in Neuseeland traf Jacinta Ardern schon sehr früh aggressivere Entscheidungen als in anderen entwickelten Ländern, wie z.B. strengste Ausgangsbeschränkungen für die gesamte Bevölkerung für einen Monat und die vollständige Schließung der Grenzen der Inselgruppe. Ihr Ziel war es, die "Eliminierung" der Krankheit anzustreben anstatt der "Linderung", die in vielen anderen Ländern angewandt wurde. Die Idee war, die Kurve zu zerstören und nicht nur abzuflachen.[27]
Viele Experten sind der Ansicht, dass Island und Neuseeland zusammen mit Südkorea die Nationen sind, die am besten mit der Pandemie fertig geworden sind. Aber auch der Fall Venezuelas muss hinzugefügt werden. Obwohl die dominanten internationalen Medien sich weigern, dies zuzugeben, war Präsident Nicolás Maduro in Südamerika die Führungsperson, die es am schnellsten verstanden hat, wie man drastisch gegen den Erreger vorgeht.[28]
Dank der von seiner Regierung beschlossenen Maßnahmen (Ausgangsbeschränkung, Grenzschließungen, Befragungen von Haus zu Haus, Krankenhauseinweisung aller positiv getesteten Personen) ‒ und trotz der von den USA verhängten illegalen Wirtschafts-, Finanz- und Handelsblockade und militärischen Drohungen [29] ‒ konnte Venezuela die in Italien, Spanien oder den USA begangenen Fehler vermeiden und Hunderte von Leben retten.[30] Die "Venezuela-Methode“ hat sich als eine der effektivsten der Welt erwiesen. Die WHO erkannte an, dass die Zahl der Infizierten in Venezuela in Lateinamerika niedriger ist als in Brasilien, Chile, Ecuador, Peru, Mexiko, Panama, der Dominikanischen Republik, Kolumbien, Argentinien, Costa Rica, Uruguay, Honduras und Bolivien.
In Bezug auf die Führerschaft ist eine Kontroverse darüber aufgekommen, welche Art von Führung am besten mit der Pandemie fertig geworden ist, ob demokratische oder "autoritäre" Regierungen.[31] Das ist jedoch eine falsche Debatte. Mitten im Kampf gegen das Virus – mit dem Ansturm von Massen in die Krankenhäuser und Bestattungssysteme, die durch so viele Todesfälle zusammenbrechen – sind alle Regierenden, wie ungeschickt sie den Virusangriff auch vorausgesehen haben mögen, täglich auf den Bildschirmen der Medien zu sehen und haben die Offensive gegen den tödlichen Feind geleitet. Wie ein Generalstabskapitän in einer letzten Schlacht. Nirgendwo ist dies ein "demokratischer Moment", sondern eine Stunde der Entschiedenheit und der Entschlossenheit. Und dies zur Freude der öffentlichen Meinung. Lässt sich daraus ableiten, dass die Ära nach der Pandemie notwendigerweise den Sieg des Autoritarismus in der Welt erleben wird? Das ist nicht sicher. Viele autoritäre Führer handelten angesichts des Coronavirus langsam und ungeschickt, eher enttäuschend, haben Informationen verschwiegen oder gelogen: zum Beispiel Donald Trump in den USA, Viktor Orbán in Ungarn, Jair Bolsonaro in Brasilien, Rodrigo Duterte auf den Philippinen, Narendra Modi in Indien, Jeanine Áñez in Bolivien usw.
Auf jeden Fall konnte der neue Erreger auf weltweiter Ebene nicht sofort in dem Gebiet, in dem er auftrat, eingedämmt und eingeschlossen werden. Und diese ersten Tage der Unentschlossenheit und Verwirrung erwiesen sich als entscheidend. So konnte der Keim aus seiner Entstehungszone entkommen und mit ungewöhnlicher Geschwindigkeit die Welt erobern. Nicht einmal die überzeugtesten Anhänger von Theorien der Kollapsologie konnten sich vorstellen, dass die gesamte Menschheit in so kurzer Zeit mit solcher Wucht getroffen werden würde. Seit dem Zeitpunkt (Dezember 2019), zu dem die ersten Fälle dieser neuen infektiösen Lungenentzündung in Wuhan identifiziert wurden, sind erst vier Monate vergangen. Und in einer so kurzen Zeitspanne hat die Seuche eine echte Systemkrise und eine Infragestellung der eigentlichen Bedeutung der menschlichen Zivilisation hervorgerufen.
Der Alptraum, den wir durchleben, hat unsere Gesellschaften bereits verändert. Erschütterungen aller Art ‒ noch vor wenigen Wochen unvorstellbar ‒ treten in vielen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens auf, in zwischenmenschlichen Beziehungen, in der Politik, in der Wirtschaft, in den Gesundheitssystemen, der Rolle des Staates, in den Technologien, der Kommunikation, den internationalen Beziehungen... Dutzende von Staaten ‒ auch innerhalb der Europäischen Union ‒ haben ihre Grenzen auf unbestimmte Zeit geschlossen oder militarisiert. Viele Länder und Hunderte von Städten haben zum ersten Mal in Friedenszeiten Ausgangssperren eingeführt. Millionen Menschen haben ihre Bewegungsfreiheit aufgegeben.
Das demokratische Leben ist völlig aus den Fugen geraten. Dutzende Wahlprozesse wurden verschoben oder ausgesetzt. Die mächtigsten Streitkräfte können der Ansteckung nicht entkommen. Sie ziehen Kämpfer [32] und Schiffe zurück und gestehen ein, dass sie in diesem seltsamen Krieg gegen einen unsichtbaren Feind unfähig sind.[33] Die wichtigsten Fluggesellschaften haben ihre Flüge abgesagt, sodass Hunderttausende von Reisenden in allen Teilen der Welt gestrandet sind.[34] Die wichtigsten Sportwettbewerbe ‒ darunter die Olympischen Spiele, die UEFA Champions League, die Tour de France – wurden ausgesetzt und verschoben. Die Hälfte der Menschheit trägt heute eine Schutzmaske, während die andere Hälfte auch eine tragen möchte ‒ aber keine bekommen kann.
Wie wird die Welt aussehen, wenn die Pandemie vorüber ist? Die Welt wird kompetente Stimmen mit Charisma und Symbolkraft brauchen, die den guten kollektiven Weg zu einer neuen Etappe aufzeigen, so wie es nach dem Zweiten Weltkrieg der Fall war. Die UNO muss sich reformieren und als ständige Mitglieder des Sicherheitsrates neuen Nationen wie Indien, Nigeria, Ägypten, Brasilien und Mexiko aufnehmen, die repräsentativer für die Realität der heutigen Welt sind.
Das Versagen der Führung der USA eröffnet ein gefährliches Machtvakuum. Das Spiel um den Thron wird auf gefährliche Weise wieder aufgenommen. Die Europäische Union kommt, wie wir gesehen haben, auch wegen ihres enttäuschenden Mangels an Zusammenhalt während der Pandemie schlecht weg. China und Russland hingegen haben ihre internationale Rolle gefestigt, indem sie vielen Ländern, die vom Zusammenbruch ihrer Gesundheitssysteme überwältigt wurden, Hilfe geleistet haben. Sie haben sogar den USA geholfen!
Wir sehen ungewöhnliche Bilder: Russische Militärflugzeuge landen in Italien, bieten Ärzte an und verteilen Gesundheitsmaterial. China hat hundert Ländern Millionen Testkits, Masken, Lungenbeatmungsgeräte, Schutzanzüge und alle Arten von Gesundheitslogistik gespendet. "Wir sind Wellen desselben Meeres, Blätter desselben Baumes, Blumen desselben Gartens", so die schönen Worte auf Containern, die China einem Großteil der Welt angeboten hat. Pekings internationaler Einfluss ist gewachsen.
Alle Länder der Welt sind weiterhin ‒ zur gleichen Zeit und zum ersten Mal ‒ mit dem Angriff einer Art von Alien konfrontiert... Die Pandemie wird andauern. Und es ist möglich, dass das Virus, nachdem es mutiert ist, zurückkehrt. Vielleicht im nächsten Winter... Angesichts der Ungeheuerlichkeit dessen, was geschieht, kommen Veränderungen auf uns zu. Auch wenn niemand weiß, wie die möglichen Szenarien aussehen werden. Die Unsicherheiten sind zahlreich. Aber es ist klar, dass dies ein Moment gundlegender Veränderungen sein kann.
Die Dinge werden nicht so weitergehen können, wie sie waren. Ein großer Teil der Menschheit kann nicht länger in einer Welt leben, die so ungerecht, so ungleich und so zerstörerisch für die Umwelt ist. Wie eines der am weitesten verbreiteten Memes während der Quarantäne besagt: "Wir wollen nicht zur Normalität zurück, denn die Normalität ist das Problem." Die "Normalität" hat uns die Pandemie gebracht.
Diese traumatische Erfahrung muss genutzt werden, um den Sozialvertrag neu zu formulieren und zu mehr gemeinschaftlicher Solidarität und größerer sozialer Integration zu gelangen. Überall auf der Welt fordern jetzt viele Stimmen wirtschaftliche und politische Institutionen, die mehr Umverteilung praktizieren und feministischer sind, und sie verlangen eine größere Sorge um die sozial Ausgegrenzten, die diskriminierten Minderheiten, die Armen und die älteren Menschen. Jede Antwort in Zeiten nach der Pandemie sollte, wie Edgar Morin vorschlägt, "auf den Prinzipien einer wirklich regenerativen Wirtschaft beruhen, die auf Schutz und Instandsetzung beruht".
Das Konzept der "nationalen Sicherheit" sollte von nun an die Umverteilung von Reichtum, eine gerechtere Besteuerung zum Abbau obszöner Ungleichheiten und die Konsolidierung des Wohlfahrtsstaates umfassen. Es besteht der Wunsch, sich auf eine Form des Sozialismus zuzubewegen. Auf globaler Ebene ist es dringend erforderlich, ein Grundeinkommen zu schaffen, das allen Bürgern in Krisenzeiten Schutz bietet... und in gewöhnlichen Zeiten.
Die Gesundheitssysteme müssen staatlich und allgemein zugänglich sein. Krankenhäuser wie Unternehmen zu leiten, hat dazu geführt, Patienten als Waren zu behandeln. Das Ergebnis: eine menschliche und gesundheitliche Katastrophe. In jedem Fall besteht Einmütigkeit in der Forderung, dass der Impfstoff gegen Covid-19, wenn er denn entdeckt wird, als "globales öffentliches Gut" betrachtet werden und für die gesamte Menschheit frei und zugänglich sein muss. Das neue Coronavirus hat uns gezeigt, dass, wenn es darauf ankommt, Ärzte, Krankenschwestern und Gesundheitspersonal unendlich viel wichtiger und wertvoller sind als Makler oder Finanzspekulanten.
Es wäre klug, auch die nächste Klimakrise vorherzusehen, die uns bald genauso überraschen könnte wie SARS-CoV-2... Schluss mit dem rasenden Konsumismus und Schluss mit der Vorstellung vom unendlichen Wachstum. Unser Planet hält das nicht mehr durch. Er liegt im Sterben. Er stirbt uns in unseren Armen weg... Es ist dringend notwendig, den Übergang zu sauberer Energie zu beschleunigen und sich zu beeilen, das umzusetzen, was Umweltschützer seit langem fordern, einen "Green New Deal", ein ehrgeiziges Grünes Abkommen, das die neue globale wirtschaftliche Alternative zum Raubtierkapitalismus darstellt.
Aber unmittelbar muss vermieden werden, wie Naomi Klein warnt, dass die Verteidiger des Systems ‒ ultraliberale Regierungen, Spekulationsfonds, transnationale Unternehmen, digitale Riesen ‒ unter den Auswirkungen des "Schock-Kapitalismus" ihre Vorherrschaft festigen und die Krise manipulieren, um weitere Ungleichheiten, mehr Ausbeutung und mehr Ungerechtigkeiten zu schaffen... Wir müssen verhindern, dass die Pandemie dazu benutzt wird, eine Große Globale Regression zu etablieren, die die Räume der Demokratie verkleinert, unser Ökosystem noch mehr zerstört, die Menschenrechte beschneidet, den Süden erneut kolonisiert, den Rassismus verharmlost, die Migranten ausweist und die massenhafte Cyberüberwachung zur Normalität macht.
Gegenwärtig sind ganze Gesellschaften noch in ihrem Zuhause eingesperrt. Fügsam, verängstigt, kontrolliert, schweigend. Was wird geschehen, wenn dieser Einschluss aufgehoben wird? Worüber werden die Menschen während ihrer beispiellosen "sozialen Isolation" nachgedacht haben? Wie viele Vorwürfe werden sie gegen einige Herrschenden angesammelt haben? Es ist nicht unwahrscheinlich, dass wir hier oder dort eine Art unbändigen Ansturm empörter Bürger ‒ sehr empörter Bürger ‒ gegen verschiedene Machtzentren erleben werden, die der schlechten Handhabung der Pandemie beschuldigt werden.
Einige Führer spüren bereits, wie die Wut des Volkes zunimmt... Und nachdem sie viele Jahre lang das neoliberale Modell angenommen und verteidigt haben, werden sie sich der Kardinalfehler des Neoliberalismus [35] bewusst, sowohl im politischen als auch im sozialen und wirtschaftlichen, im wissenschaftlichen und administrativen Bereich... Jetzt versprechen diese Politiker ihren Bürgern, dass, sobald die Pandemie besiegt sei, alles geändert werde, um eine Art "gerechte Gesellschaft" aufzubauen. Sie schlagen ein neues Modell vor, das definitiv gerechter, ökologischer, feministischer, demokratischer, sozialer und weniger ungleich ist... Sicherlich denken sie unter dem Druck der Situation durchaus darüber nach.
Es ist sehr unwahrscheinlich, dass sie, sobald die Geißel überwunden ist, solche Absichten beibehalten werden. Das wäre eine echte Revolution... Und ein Virus, egal wie beunruhigend, ist kein Ersatz für eine Revolution... Wir können nicht so naiv sein. Die sozialen Kämpfe bleiben weiterhin unumgänglich. Wie der britische Historiker Neal Ascherson sagt: "Nach der Pandemie wird die neue Welt nicht wie durch Zauberei entstehen. Wir werden dafür kämpfen müssen."[36] Denn wenn der Schock sich gelegt hat, werden die herrschenden Mächte, so sehr sie auch ins Wanken gekommen waren, alles daran setzen, die Kontrolle wiederzuerlangen.[37] Sogar mit noch mehr Gewalt. Sie werden versuchen, uns zur alten "Normalität" zurückzubringen. Das heißt, in den Zustand permanenter Ungleichheiten.
Bedenken wir, was bei der "Kansas-Grippe" (fälschlicherweise die "Spanische Grippe" genannt) passiert ist, die sich zwischen Januar 1918 und Dezember 1920 auf der ganzen Welt ausgebreitet hat. Wer hat sich vor der aktuellen Seuche, abgesehen von einigen Historikern, noch daran erinnert? Wir hatten es alle vergessen... Auch wenn etwa 500 Millionen Menschen infiziert waren ‒ damals ein Drittel der Menschheit ‒ und mehr als fünfzig Millionen Kranke starben.
Und was geschah danach? Haben Europa und die USA die "gerechte Gesellschaft" aufgebaut? Die Antwort lautet: Nein. Die Versprechen verschwanden. Die Mehrheit der Überlebenden der tödlichen Grippe waren schnell vergessen. Ein Schleier der Amnesie überdeckte die Erinnerung. In den sogenannten Wilden Zwanzigern (the roaring twenties) stürzten sich die Menschen lieber mit ungezügeltem Appetit ins Leben. Es war die Ära des Jazz, des Tango, des Charleston, des Siegeszugs von Hollywood und der Massenkultur. Eine künstliche und entfremdete Euphorie, die zehn Jahre später schließlich in den Börsenkrach von 1929 und die Große Depression münden sollte.
Genau in diesem Moment kam in Italien eine neue Doktrin an die Macht. Sie sollte sehr erfolgreich werden. Ihr Name: Faschismus... Wird sich die Geschichte wiederholen?
Ignacio Ramonet
Havanna, Cuba, 22. April 2020
Danksagungen:
Mein inniger Dank an die Freundinnen und Freunde ‒ Bernard Cassen, Lydia Castro, Camilo Pérez Casal, Miguel Mejía, Ferràn Montesa, Marisa Ros und Sandra Sarmiento ‒, die so freundlich waren, meinen Text ‒ in so kurzer Zeit und inmitten der Turbulenzen dieser globalen Quarantäne – noch einmal zu lesen, zu korrigieren, zu ändern und eine ganze Reihe Anregungen zu machen, die es mir ermöglichten, das Manuskript zu bereichern und meiner Meinung nach erheblich zu verbessern. Danke.
Anmerkungen zu Teil I
1. José Natanson, «Lo imposible», Le Monde diplomatique Edición Cono Sur, Buenos Aires, April 2020.
2. Interview mit Germán Velásquez: «Han privatizado la OMS, la financiación privada condiciona sus decisiones», Cadena SER, Madrid, 25. August 2016.
https://cadenaser.com/ser/2016/06/16/sociedad/1466079742_072124.html
3. Anfang April 2020 wiesen nur 9 Länder (mehrheitlich Inselgruppen) laut örtlichen Behörden keine Fälle von Covid-19 auf. El País, Madrid, 8. April 2020.
4. Es gibt (Stand: 22. April 2020) keine spezifische Therapie, die das Virus "tötet" oder unschädlich macht wie die HIV-AIDS-Retrovirus-Therapie. Die derzeitigen Behandlungen für das neue Coronavirus zielen im Wesentlichen darauf ab, das Immunsystem des Patienten zu stärken, um den Erreger zurückzudrängen.
5. Hugo Sigman, «La vacuna contra el coronavirus puede demorar de 6 meses a una año y medio», Perfil, Buenos Aires, 26. März 2020.
https://www.perfil.com/noticias/salud/coronavirus-hugo-sihman-vacuna-puede-demorar-6-meses-1-ano.phtml
6. Yuval Noah Harari, «La mejor defensa contra los patógenos es la información», El País, Madrid, 22. März 2020.
7. Offizieller Name der Krankheit, der am 11. Februar 2020 von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) vergeben wurde und der bedeutet: coronavirus disease 2019.
8. Bedeutung: Coronavirus 2 des schweren akuten respiratorischen Syndroms (SARS-CoV-2).
9. Manuel Ansede, «¿Salió el coronavirus de un laboratorio?», El País, Madrid, 17. April 2020.
10. «China acusa al ejército de EE.UU. de instalar el coronavirus », El País, Madrid, 14. März 2020.
11. Allerdings wurde Patient 1 in China identifiziert: Ein 55-jähriger Mann, der in der Provinz Hubei lebt, war der erste bestätigte Fall von Covid-19 und geht auf den 17. November 2019 zurück, Wochen bevor China die Welt offiziell alarmiert hat.
12. Clarín, Buenos Aires, 18. April 2020.
13. Soziale Netzwerke in den USA haben auch versucht, die (falsche) These zu belegen, dass der US-Wissenschaftler Charles Lieber, ein Genie in der Nanotechnologie, Professor an der Universität Harvard, das neue Coronavirus hergestellt und an die chinesischen Behörden verkauft habe. Die Verhaftung von Professor Lieber auf Anordnung des US-Generalstaatsanwalts für das Bezirksgericht in Massachusetts, Andrew Lelling, am 28. Januar 2020 unter dem Vorwurf, er habe von der Technischen Universität Wuhan (WUT) Gelder für seine angebliche Teilnahme am "Thousand Talents Plan" erhalten, der von China ins Leben gerufen wurde, um im Ausland lebende und ausländische Wissenschaftler für seine Universitäten zu rekrutieren (was offensichtlich nichts mit dem Coronavirus zu tun hat), diente als Vorwand für die gefälschten Nachrichten, die weithin verbreitet wurden...
https://observers.france24.com/fr/20200403-non-scientifique-americain-charles-lieber-covid-19-chine-etats-unis
14. «Republican senator: It's time to hold China 'accountable' for the coronavirus», Business Insider, 12. März 2020.
15. «Un periodista de la TV argentina acusa a los judíos de crear el Coronavirus»,Aurora, Israel, 3. April 2020; und «Coronavirus: fuerte reacción ante la teoría conspirativa que difundió C5N», La Nación, Buenos Aires, 2. April 2020.
16. Siehe: «El coronavirus y sus bulos: 378 mentiras, alertas falsas y desinformaciones sobre COVID-19»,Maldita.es, 7. April 2020.
https://maldita.es/malditobulo/2020/04/07/coronavirus-bulos-pandemia-prevenir-virus/
17. Amparo Tolosa, «Acotando el origen del coronavirus SARS-CoV-2», Genética Médica News, Valencia (España), 1. April 2020.
18. Kristian G. Andersen, Andrew Rambaut, W. Ian Lipkin, Edward C. Holmes, «The proximal origin of SARS-CoV-2 », Nature Medicine, 17. März 2020.
19. Roujian Lu, Xiang Zhao, Juan Li, Peihua Niu, Bo Yang, Honglong Wu et al., «Genomic characterisation and epidemiology of 2019 novel coronavirus: implications for virus origins and receptor binding», The Lancet, London, 30. Januar 2020.
20. Helen Briggs, «Coronavirus: cómo se estrecha el cerco sobre el pangolín como probable transmisor del patógeno que causa el covid-19», BBC News, 27. März 2020.
21. Siehe dazu die ausgezeichnete Studie von Artur Galocha und Nuño Domínguez, «Así infecta el coronavirus», El País, Madrid, 11. März 2020.
22. El País, Madrid, 14. März 2020.
23. Siehe dazu die beiden grundlegenden Artikel von Tomás Pueyo, «Coronavirus: Por qué tenemos que actuar ahora» y «Coronavirus: el martillo y el baile», Página 12, Buenos Aires, 16. bzw. 21. März 2020.
24. El Periódico, Barcelona, 26. März 2020.
25. CNN en español, Atlanta, 3. April 2020.
https://cnnespanol.cnn.com/2020/04/03/altos-funcionarios-del-gobierno-trump-dijeron-el-ano-pasado-que-la-amenaza-de-una-pandemia-los-preocupaba/
26. Durch das H5N1-Virus, das 1997 auch die Hongkong-Grippe und 1918 die "spanische" Grippe in Kansas verursachte, starben 50 bis 100 Millionen Menschen.
27. Siehe dazu Ignacio Ramonet, «Los culpables de la gripe porcina», Le Monde diplomatique en español, Valencia (España), Juli 2009.
28. Siehe dazu den vollständigen Berichtstext auf Englisch:
https://www.files.ethz.ch/isn/94769/2008_11_Global_Trends_2025.pdf
29. Ken Klippenstein, «Military Knew Years Ago That a Coronavirus Was Coming», The Nation, New York, 1. April 2020.
30. The Washington Post, Washington, 10. Mai 2018.
31. El País, Madrid, 31. März 2020.
32. Im Vorwort des Dokuments unter dem Titel "Un Mundo en peligro : informe anual sobre la preparación mundial para las emergencias sanitarias", das von führenden Epidemiologen und Wissenschaftlern aus der ganzen Welt erstellt und von Gro Harlem-Brundtland, der ehemaligen Generaldirektorin der WHO, und Elhadj As Sy, Generalsekretärin des Internationalen Roten Kreuzes, unterzeichnet wurde.
https://apps.who.int/gpmb/assets/annual_report/GPMB_Annual_Report_Spanish.pdf
33. Vincent C. C. Cheng, Susanna K. P. Lau, Patrick C. Y. Woo y Kwok Yung Yuen, de la Universidad de Hong Kong, «Severe Acute Respiratory Syndrome Coronavirus as an Agent of Emerging and Reemerging Infection », Clinical Microbiology Reviews, Washington, Oktober 2007.
34. https://www.investigacionyciencia.es/blogs/medicina-y-biologia/27/posts/en-2007-la-ciencia-predijo-esta-pandemia-nadie-hizo-caso-18485
35. Erklärung vom 2. Dezember 2014 anlässlich seines Besuches am National Institute of Health (NIH) in Bethesda, Maryland.
36. BBC News Mundo, Londres, 23. März 2020.
37. Debate, Barcelona, 2020.
38. El País, Madrid, 20. April 2020.
39. Darío Aranda, «La dimensión ecológica de las pandemias», Página 12, Buenos Aires, 30. März 2020.
40. Der Ständige Ausschuss des Nationalen Volkskongresses (NPC), des höchsten gesetzgebenden Organs Chinas, hat am 24. Februar beschlossen, den illegalen Handel und Konsum von Wildtieren vollständig zu verbieten, um das Leben und die Gesundheit der Bevölkerung zu schützen. Kabel der Agentur Xinhua, Beijing, 24. Februar 2020.
41. Byung-Chul Han, «La emergencia viral y el mundo de mañana», El País, Madrid, 22. März 2020.
42. Ebd.
43. Science Magazine, 22 März 2020.
https://www.sciencemag.org/news/2020/03/cellphone-tracking-could-help-stem-spread-coronavirus-privacy-price
44. Evgeny Morozov, La locura del solucionismo tecnológico, Clave intelectual, Madrid, 2014.
45. Max S. Kim, «La app que vigila a las personas en cuarentena por coronavirus», MIT Technology Review, 11 marzo 2020.
46. Russia Today, Moskau, 15. März 2020.
47. La Nación, Buenos Aires, 10. April 2020.
48. La Vanguardia, Barcelona, 2. April 2020
49. The Economist, Londres, 26. März 2020.
50. https://www.lemonde.fr/pixels/article/2020/04/01/coronavirus-les-francais-favorables-a-une-application-mobile-pour-combattre-la-pandemie-selon-un-sondage_6035233_4408996.html
51. Siehe Ignacio Ramonet, El Imperio de la Vigilancia, Clave intelectual, Madrid, 2016.
52. La Vanguardia, Barcelona, 11. Februar 2020.
53. El País, Madrid, 4. Juni 2015.
54. Eine Hygienemaßnahme, die im Jahre 1847 zum ersten Mal von dem ungarischen Arzt Ignacio Semmelweis vorgeschlagen wurde.
Anmerkungen zu Teil II
1. La Vanguardia, Barcelona, 11. Februar 2020
2. El País, Madrid, 4. Juni 2015
3. Eine Hygienmaßnahme, die erstmal 1847 von dem ungarischen Arzt Ignacio Semmelweis vorgeschlagen wurde.
4. South China Morning Post, Hong Kong, 22. März 2020
5. Aber dieser Sieg zeigt auch, was von nun an anderen Ländern geschehen kann. Denn die Behörden gaben am 13. April 2020 die Existenz von 265 neuen, auf dem Luftweg importierten Fällen bekannt.
6. https://chaohanoi.com/2020/03/04/why-vietnam-has-been-the-number-one-country-in-the-world-on-coronavirus/
7. Vicente G. Olaya, « Escenas de una pandemia de hace 1 500 años que se repiten hoy », El País, Madrid, 11 abril 2020.
8. El País, Madrid, 2. April 2020.
9. Clarín, Buenos Aires, 10. April 2020
10. Siehe, «Unos 50 vecinos de La Línea de la Concepción apedrean un convoy de ancianos enfermos por coronavirus », La Vanguardia, Barcelona, 25. März 2020
11. In Spanien sind 86 Prozent der Verstorbenen älter als 70 Jahre. RTVE, Madrid, 14 abril 2020
12. Dan Patrick, Vizegouverneur von Texas. El Mundo, Madrid, 24.März 2020
13. Maurizio Lazzarato, « ¡Es el capitalismo, estúpido ! », El Salto, Madrid, 11.April 2020
14. https://www.clarin.com/mundo/coronavirus-holanda-ancianos-debiles-hospitalizados_0_BV-kOz__z.html
15. https://okdiario.com/salud/coronavirus-holanda-no-hospitaliza-ancianos-ni-debiles-5372513
16. BBC News Mundo, Londres, 11.April 2020.
17. El País, Madrid, 12 abril 2020
18. The New York Times, 6. April 2020
19. La Vanguardia, Barcelona, 26. März 2020
20. Cubadebate, La Habana, 8.April 2020.
21. Il Manifesto, Roma, 18 marzo 2020
22. France 24, Paris, 15.April 2020.
https://www.france24.com/es/20200415-el-personal-sanitario-encarna-el-hero%C3%ADsmo-contra-el-coronavirus
23. Albert Camus, La Peste (1947), übersetzt ins spanische von Rosa Chacel, Vorwort von José Manuel Caballero Bonald, Unidad Editorial, Madrid, 1999.
24. Darunter: Andorra, Italien (zwei Brigaden in der Lombardía und in Piemont), Frankreich (in Guadeloupe, Martinique und Französisch-Guyana), Katar, Angola, Togo, Antigua und Barbuda, Barbados, Belice, Dominica, Granada, Guyana, Haití, Honduras, Jamaica, Mexiko, Nicaragua, San Cristóbal und Nieves, Santa Lucía, San Vicente und die Granadinen, Surinam und Venezuela
25. Tom O’Connor, « Cuba Uses ‘Wonder Drug’ to Fight Coronavirus Around World Despite U.S. Sanctions », Newsweek, 24. März 2020.
26. Hernando Calvo Ospina, "Une Internationale… de la santé", Le Monde diplomatique, Paris, August 2006.
27. Kuba verfügt über etwa 100.000 aktive Ärzte, was 9 Ärzten auf 1.000 Einwohnern entspricht, die höchste Zahl der Welt (Deutschland, Spanien und die Schweiz verfügen zum Beispiel über 4/1.000; die USA, Israel und Frankreich über 3/1.000).
28. El País, Madrid, 22.März 2020
29. "Fragmente einer Rede von Fidel Castro in Buenos Aires im Mai 2003.", Granma, La Habana, 3. Mai 2020.
30. José Natanson, « Coronavirus e hipertelevisión », Página 12, Buenos Aires, 28.März 2020
31. Fernando Buen Abad, « Semiótica de la pandemia », Granma, La Habana, 26. März 2020
32. https://www.dgcs.unam.mx/boletin/bdboletin/2020_318.html
33. https://www.elmundo.es/tecnologia/2020/04/06/5e8b67bafc6c83372d8b4649.html
34. Das Virus mutiert nicht: Die Weltgesundheitsorganisation versichert, dass das Virus eine stabile Struktur behält. Variationen der Symptome bei den Betroffenen stehen im Zusammenhang mit früheren Pathologien und der Interaktion des Coronavirus mit ihnen. Siehe Juventud Rebelde, Havanna, 18. März 2020.
35. "Bulos y falsos remedios para ‘prevenir y curar’ el coronavirus", El Periódico, Barcelona, 17. März 2020.
36. Es gibt ein Sterberisiko von zwischen 12 und 36 Stunden nach der Einnahme von Metanol.
37. https://es.qwe.wiki/wiki/Poynter_Institute
38. https://semanariouniversidad.com/pais/infodemia-la-pandemia-de-noticias-falsas-sobre-covid-19-tambien-cobra-vidas/
39. https://compromiso.atresmedia.com/levanta-la-cabeza/buenas-practicas/herramientas-detectar-fake-news_202001245e2a8b020cf20ef4411cffec.html
40. https://chequeado.com/tag/falso-en-las-redes/
41. https://factual.afp.com/
42. https://firstdraftnews.org/
43. https://popup.news/
44. https://www.infobae.com/politica/2019/07/13/fake-news-como-saber-si-una-noticia-es-verdadera-o-falsa/
45. Rubén Velasco, "¿Cansado de Twitter? Prueba estas redes sociales alternativas", Redes Zone, 7. Januar 2018.
https://www.redeszone.net/2018/01/07/alternativas-twitter/
46. Facebook, Messenger, Whatsapp und Instagram, "die vier meist heruntergeladenen Applikationen der Welt in den letzten zehn Jahren", gehören laut "AppAnnie" zur Facebookgruppe von Mark Zuckerberg,
https://www.xatakamovil.com/aplicaciones/facebook-dueno-cuatro-apps-moviles-descargadas-decada-app-annie
47. "Así es WT: Social, la red social ‘antiFacebook‘ sin anuncios ni fake news creada por el fundador de Wikipedia", BBC News Mundo, London, 20. November 2019.
48. La Vanguardia, Barcelona, 6. April 2020.
49. El Periódico, Barcelona, 19. März 2020.
50. Cable Europapress, Madrid, 21. März 2020.
51. Die Downloads von Houseparty wuchsen während der letzten Märzwoche 2020 um das 735-fache.
52. La Vanguardia, Barcelona, 11. April 2020.
53. Graphics Interchange Format (GIF)
54. Seit der Pandemie hat Netflix fast 16 Millionen neue Nutzer und kommt heute auf insgesamt über 183 Millionen. El País, Madrid, 21. April 2020.
55. Dominique Strauss-Kahn, "L’être, l’avoir et le pouvoir dans la crise", Politique internationale, Paris, 5. April 2020.
Anmerkungen zu Teil III
1. El País, Madrid,12. April 2020
2. «Coronavirus: “Estamos frente a una crisis generalizada del capitalismo democrático mundial y del no democrático, como el de China“», BBC News Mundo, Londres, 30 marzo 2020.
3. Nach Angaben der Internationalen Arbeitsorganisation (IAO) sind 2,4 Milliarden Arbeitnehmer von der Einstellung der Tätigkeit an ihren Arbeitsplätzen betroffen, und etwa 195 Millionen haben ihren Arbeitsplatz verloren. Le Figaro, París, 7. April 2020.
4. Siehe «Oxfam: El Covid-19 podría llevar a 500 millones de personas a la pobreza», France 24, París, 9.April 2020.
5. La Vanguardia, Barcelona, 20. Januar 2020.
6. L’Express, París, 16. März 2020.
7. The Wall Street Journal, New York, 27. Februar 2020.
8. Les Echos, Paris, 6. April 2020.
9. El País, Madrid, 21.April 2020
10. El País, Madrid, 15. März 2020.
11. Henry A. Kissinger: «The Coronavirus Pandemic Will Forever Alter the World Order», The Wall Street Journal, New York, 3.April 2020
12. "EE UU y Europa movilizan 6 billones de euros para combatir el impacto económico virus", Cinco Días, Madrid, 26. März 2020.
13. https://www.causeur.fr/jacques-sapir-coronavirus-crise-economique-euro-175682
14. Ignacio Ramonet, «Sadismo económico », Le Monde diplomatique en español, Valencia (Spanien), Juli 2012.
15. https://www.elsaltodiario.com/coronavirus/entrevista-naomi-klein-gente-habla-volver-normalidad-crisis-doctrina-shock
16. Le Monde, Paris, 8.April 2020
17. https://www.lopinion.fr/edition/international/coronavirus-monnaies-matieres-premieres-pays-en-developpement-pris-215333
18. El País, Madrid, 11. April 2020.
19. https://www.farodiroma.it/francisco-que-el-senor-permita-alcanzar-soluciones-practicas-e-inmediatas-en-venezuela-orientadas-a-fa...
20. Le Monde, Paris, 13. April 2020.
21. http://www.amb-chine.fr/fra/zfzj/t1693080.htm
22. Siehe Marcelo Colussi, «Coronavirus, ¿fin de la globalización neoliberal ? », Rebelión, Madrid, 8.Februar 2020 und John Gray, « Adiós globalización, empieza un mundo nuevo. O por qué esta crisis es un punto de inflexión en la historia », El País, Madrid, 12.April 2020.
23. Was Lateinamerika angeht, können wir u.a. Jair Bolsonaro (Brasilien), Lenín Moreno (Ecuador), Iván Duque (Kolombien), Sebastián Piñera (Chile) nennen
24. Max Boot, "The worst President. Ever», The Washington Post, 9. April 2020.
25. Abel Prieto, El rey desnudo, Granma, Havanna, 10. April 2020.
26. BBC News Mundo, London, 10. April 2020.
27. BBC News Mundo, London, 9. April 2020.
28. https://www.telesurtv.net/news/venezuela-coronavirus-balance-segundo-dia-cuarentena-20200317-0026.html
29. Siehe "Estados Unidos despliega buques frente a Venezuela", Deutsche Welle, Berlín, 2. April 2020.
30. Siehe "Venezuela pionera en combatir el coronavirus en Suramérica", Telesur, Caracas, 22. März 2020.
31. BBC News Mundo, London, 9. April 2020.
32. "Francia retira a sus soldados de Irak por el coronavirus", EFE, 26. März 2020
33. William Serafino, "Coronavirus y tormenta política en el Pentágono: Las claves de una crisis inédita", Cubadebate, Havanna, 14. April 2020.
34. BBC News Mundo, London, 6. März 2020.
35. Atilio Borón, "La pandemia y el fin de la era neoliberal", Clacso, 3. April 2020.
36. Neal Ascherson, «After the crisis, a new world won’t emerge as if by magic. We will have to fight for it», The Guardian, London, 19.April 2020.
37. Serge Halimi, “¡Ahora mismo!”, Le Monde diplomatique en español, Valencia (Spanien), abril 2020.