30.01.2017: Während des vergangenen Jahrzehnts hat China beim wirtschaftlichen Wachstum und Fortschritt Lateinamerikas und der Karibik eine strategische Rolle gespielt. Die Entwicklung neuer Beziehungsformen sowie gemeinsamer Ziele und Vorstellungen fern der alten Abhängigkeitsschemata stellte die Grundlage für die bilaterale Zusammenarbeit zwischen dem asiatischen Giganten und der Region dar. Aus diesem Grund war die dritte Lateinamerika-Reise von Xi Jinping, dem Präsidenten der Volksrepublik China, die am 17. November in Ecuador begann, eine gute Gelegenheit, sowohl um das Engagement in der Region zu bekräftigen wie auch, um die Entwicklung dieser Beziehungen nicht nur im quantitativen, sondern auch im qualitativen Sinne zu stärken.
Süd-Süd-Beziehungen
China ist Lateinamerikas zweitgrößter Wirtschaftspartner. Dieser Vorteil könnte genutzt werden, um im Gegenzug zu finanzieller Unterstützung die Wirtschaftspolitik der Länder der Region mitzubestimmen, so wie es die meisten internationalen Kreditorganismen tun. Dass man sich jedoch in der Regierungsführung und in der gegenseitigen Achtung der inneren Angelegenheiten jedes Landes einig ist, hat dazu geführt, dass ein offener und inklusiver Prozess auf der Grundlage eines neuen Modells einer auf den Nutzen beider Seiten bedachten Zusammenarbeit angestoßen wurde.
Von daher überrascht es nicht, dass das asiatische Land als Partner bei der Umwandlung der Produktionsstruktur der Region gesehen wird. China wird nicht nur zum Handel und zu gezielten Investitionen für den Kauf und Verkauf von Primärrohstoffen beitragen. Nach dieser ersten Etappe einer intensiven Annäherung muss ein neuer Fahrplan entworfen werden, mit dem nicht nur die wirtschaftlichen und finanziellen Beziehungen zu Peking gefördert, sondern auch der Austausch auf allen Gebieten gestärkt wird, um eine gerechtere und ausgewogenere Weltordnung zu schaffen, die den Teufelskreis von Unterwerfung und Unterentwicklung durchbrechen kann.
Die Lateinamerikareise von Xi Jinping
Die erste offizielle Station dieser Reise war Ecuador. Xi Jinping wurde von seinem ecuadorianischen Amtskollegen Rafael Correa empfangen, der von "dem wichtigsten Besuch" eines Staatschefs in der Geschichte seines Landes sprach. Das ist nachvollziehbar, wenn man bedenkt, dass zwischen den Regierungen beider Länder über 200 Instrumente der bilateralen Zusammenarbeit und Investitionen existieren und dass Ecuador nach Brasilien und Venezuela der drittgrößte Empfänger von Finanzhilfen aus Peking ist.
Die je nach Sichtweise zweitgrößte oder größte Volkswirtschaft der Welt finanziert Projekte zum beiderseitigen Nutzen, die allein im Jahr 2015 eine Größenordnung von über vier Milliarden US-Dollar Direktinvestitionen in den Ölsektor, den Bergbau, Infrastruktur und Energie umfassten. Die Investitionen im Energiebereich haben unmittelbar zur Schaffung von über 14.000 Arbeitsplätzen geführt. Diese Beziehungen haben sich auch positiv auf die Handelsbilanz von Ecuador ausgewirkt: Seit 2011 stiegen die Exporte Ecuadors nach China jährlich um durchschnittlich 30 Prozent.
Bei dem Treffen haben China und Ecuador elf Kooperationsabkommen unterzeichnet, die nicht tilgbare Zahlung von 150 Millionen US-Dollar für den Bau von 400 Wohnhäusern und zwei Krankenhäusern in einer vom Erdbeben am 16. April schwer getroffenen Region vereinbart und das Wasserkraftwerk Coca Codo Sinclair eröffnet. Hierbei handelt es sich um ein gigantisches Infrastrukturprojekt, das mit einer Stromerzeugung von über 1.500 Megawatt sämtliche Haushalte Ecuadors versorgen kann. 2,25 Milliarden Dollar wurden hierfür gesamtschuldnerisch mit China investiert.
Die zweite Station seines Besuchs in der Region war Peru. Nach der Teilnahme am 24. Gipfel der Asiatisch-Pazifischen Wirtschaftsgemeinschaft (Apec) in Lima verlängerte der Präsident Chinas seinen Aufenthalt in der Hauptstadt um einen weiteren Tag, um mit seinem peruanischen Amtskollegen Pedro Pablo Kuczynski über Aspekte des bilateralen Handels zu sprechen. Die Regierungen beider Länder unterzeichneten achtzehn Abkommen und eine Absichtserklärung über die Optimierung des bestehenden Freihandelsabkommens zwischen Peru und China, die Zusammenarbeit von Industrieregionen und die Stärkung des Bergbausektors.
In Chile, der dritten und letzten Station der Reise, unterzeichnete der chinesische Staatschef zwölf Abkommen und Absichtserklärungen. Während der Unterzeichnungszeremonie mit Präsidentin Michelle Bachelet im Moneda-Palast, dem Sitz der chilenischen Regierung, rief Xi Jinping dazu auf, die bilateralen Beziehungen zu einer integralen strategischen Partnerschaft auszuweiten und damit ein neues Kapitel in den Verbindungen zwischen beiden Länder aufzuschlagen.
Auch wenn Venezuela bei dem Staatsbesuch des chinesischen Präsidenten nicht auf der Tagesordnung stand, ist es doch ein entscheidender Akteur in der Zusammenarbeit zwischen China und Lateinamerika. Gleich zum Auftakt der Reise am Donnerstag, während der Präsident Chinas Abkommen in Ecuador unterzeichnete, handelte eine Delegation des chinesischen Unternehmens CNCP mit der staatlichen venezolanischen Erdölgesellschaft PdVSA einen Investitionsplan mit einem Volumen von über 200 Millionen US-Dollar aus, um mit PdVSA und weiteren Joint Ventures die Ölproduktion im "Erdölfördergebiet Orinoco Hugo Chávez" um insgesamt 227.000 Barrel täglich zu steigern. Von diesen Abkommen ausgehend wird die Allianz zur Entwicklung eines Pilotprojekts zum sogenannten Dampffluten beitragen, das die Förderung von schwerem Rohöl steigern und zur neuerlichen Nutzung von 500 Feldern von leichtem Rohöl führen wird. Es handelt sich also um ein Bündnis, das keine anderen Ziele als den beiderseitigen Nutzen und den gemeinsamen Gewinn verfolgt.
Das Engagement Chinas für wirtschaftlich und gesellschaftlich bedeutsame Projekte in Lateinamerika ist bezeichnend dafür, wie die bilateralen Beziehungen immer ehrgeizigere und vielseitigere Formen annehmen. Wenn diese mit einer Entwicklung der Industrie der Region einhergehen, werden sie quantitativ einen höheren Mehrwert schaffen und zugleich die regionale qualitative Integration befördern. Wenn die bilateralen Beziehungen mit dem Besuch des chinesischen Präsidenten in Lateinamerika neue Impulse erfahren haben, so geht es jetzt darum, eine tatsächliche Diversifizierung und die Überwindung der Asymmetrien hin zu einem gleichen Maß an gegenseitiger Ergänzung zu erreichen.
txt: Crismar Lujano
Quelle: tsur
deutsche Übersetzung übernommen von amerika21