04.11.2021: Der NSU wurde nicht enttarnt von anderen, weder gab es einen Schlag von Polizei- und anderen Sicherheitsbehörden gegen das faschistische Netzwerk, noch wurde in der Aufklärung genug getan, um tatsächlich ein Ende zumindest dieses Netzwerks zu bekommen.
Enver Şimşek, Abdurrahim Özüdoğru, Süleyman Taşköprü, Habil Kılıç, Mehmet Turgut, İsmail Yaşar, Theodoros Boulgarides, Mehmet Kubaşık, Halit Yozgat, Michèle Kiesewetter
In den Jahren 2000 bis 2007 ermordet von den Tätern des NSU.
Am 4. November 2011 erschossen sich Mundlos und Böhnhardt, zwei feige Mörder des NSU, Zschäpe wollte durch einen gelegten Brand Beweismaterial vernichten. Damit haben die Mörder selbst den NSU enttarnt.
Der NSU wurde nicht enttarnt von anderen, weder gab es einen Schlag von Polizei- und anderen Sicherheitsbehörden gegen das faschistische Netzwerk, noch wurde in der Aufklärung genug getan, um tatsächlich ein Ende zumindest dieses Netzwerks zu bekommen.
Ab September 2000 wurden 10 Menschen aus rassistischen Gründen vom NSU ermordet. Ebenfalls aus rassistischen Gründen wurden von den Behörden in vielen Fällen die Täter fälschlich in den Familien der Getöteten gesucht, nicht genug zur Aufklärung getan.
Der Prozess gegen die Täter, wie Zschäpe und Unterstützer*innen, brachte nicht alle Antworten. Eine der offenen Fragen ist die, nach der Verantwortung des Bundesinnengeheimdienstes "Verfassungsschutz“.
Am 5.7.2018 hieß es auf kommunisten.de:
"Trotz der regelrechten Einkesselung des Trios durch Spitzel, beharrt der Verfassungsschutz bis heute erst mit der Selbstenttarnung 2011 von der Existenz der Terrorgruppe erfahren zu haben. Trotz der immer noch lückenhaften Aufklärung verfestigt sich der Eindruck, dass der Verfassungsschutz eine Mitverantwortung bei der Entstehung des NSU und dessen rassistischen Mordserie trägt. Darüber hinaus muss davon ausgegangen werden, das der sogenannten NSU weiterhin aktiv ist oder zumindest seine Taten bis heute eine große Resonanz in der rechtsextremen Szene finden. So hieß es in einer Antwort auf eine kleine Anfrage der Linken Bundestagsabgeordneten Martina Renner vom September 2016, dass den Sicherheitsbehörden nach dem breiten öffentlichen Bekanntwerden des NSU insgesamt 288 Straftaten mit Bezug zur rassistischen Mordserie übermittelt wurden.“
Akten 30 Jahre unter Verschluss
Bis heute wird beharrlich darüber geschwiegen, welche Rolle den V-Männer in diesem, aber auch in anderen faschistisch-rassistischen Zusammenhängen, bei den Gewalttaten zukommen.
Die Akten der Verhandlungen gegen den NSU-Komplex werden unter Verschluss gehalten, zunächst sollten es 120 Jahre werden, reduziert ist es nun auf 30 Jahre, allerdings mit der Option diese Frist zu verlängern. Die Öffentlichkeit soll nicht erfahren, wie die Morde vorbereitet wurden. Doch faschistische Morde müssen aufgeklärt werden, sie sind nicht unter Verschluss zu halten!
Der Verfassungsschutzpräsident Thomas Haldenwang gab in einer Diskussionsveranstaltung zu, dass es noch offene Fragen bei der Aufarbeitung der Morde gibt. So sei nach wie vor etwa die Rolle des V-Mann-Führers Andreas Temme unklar, ebenso wie das Motiv für den Mord an der Polizistin Michèle Kiesewetter. "Am Ende bleibt dieses sehr, sehr unwohle Gefühl“. (Quelle: tagesschau 15.10.21)
Dessen ungeachtet hält Haldenwang die Wiederholung so einer Mordserie für unmöglich.
In diese Kerbe schlägt auch der (Noch-)Bundesinnenminister Seehofer, der dies damit begründet, dass die Arbeit und Empfehlungen der Untersuchungsausschüsse "für Polizei, Justiz, Nachrichtendienste und Demokratieförderung weitestgehend umgesetzt wurden.“ Außerdem ergänzt er auf Twitter "Diese Bundesregierung hat alles in ihrer Macht Stehende getan, damit sich so etwas nicht wiederholt.“
Horst Seehofer scheint vergesslich und blind zu sein. Nicht durch den Überwachungsapparat dieses Ministeriums sind die NSU-Mörder aufgeflogen, nicht die V-Männer haben den NSU aufgedeckt.
Mag das Bundesinnenministerium vergessen – Wir vergessen nicht!
Wir sehen und hören, wie die rechte Brut weiter hetzt.
Wir hören, dass die Morde an Walter Lübcke, die Morde in Halle und in Hanau von einzelnen Personen ausgeführt wurden. Wir erkennen jedoch: Sie sind keine Einzeltäter!
Sie leben und sind umgeben von Strukturen, die rassistische Gewalt geradezu produziert. Der institutionelle und strukturelle Rassismus trägt ebenso dazu bei, wie die Aussagen von Politiker*innen in den Parlamenten, millionenfach und oft kritiklos wiedergegeben von den Medien.
Diese rechten Strukturen gibt es, auch wenn der Bundesinnenminister sie nicht sehen will.
Aus dem Blick nach Rechts einige wenige aktuelle Bespiele:
"20.10.2021 – Bei Durchsuchungen in mehreren Bundesländern gegen Anhänger des rechtsextremen "Berserker Clan“ fand die Polizei unter anderem Schusswaffen und Drogen. Der Gruppe wird vorgeworfen, einen bewaffneten Aufstand geplant zu haben. Die Gruppierung marschierte bei Querdenken mit.
15.10.2021 – Ein gescheiterter Hammerskin baut in Westfalen ein Chapter der Allgäuer Skinhead-Kameradschaft "Voice of Anger“ auf. Die Behörden tappen im Dunkeln.
12.10.2021 – Empörung über Neonazi in jüdischem Grab: Die Bestattung des Holocaustleugners Henry Hafenmayer in dem Grab des jüdischen Wissenschaftlers Max Friedlaender in Stahnsdorf sorgte für breite Empörung.“
Zu dem Genannten fügen sich die von rechten, völkischen Organisationen und Parteien hinzu.
Der 3. Weg, gegründet von ehemaligen NPD´lern, steht gerade an der Grenze zu Polen und will mit Gewalt die Einreise von Geflüchteten abwehren. Die NPD ist immer noch aktiv, die LKR (Liberal-Konservative Reformer) des AfD-Gründers Lucke, dieBasis mit ihrer Verbindung zu rechten und antisemitischen Querdenkern – sie sind die Parteien, die rassistische Ideologien verbreiten.
Und es gibt die AfD, die auch über die Parlamente – und damit über die öffentlichen Medien – hetzt gegen Migrant*innen, Geflüchtete, gegen alle Menschen, die nicht ihrem Weltbild entsprechen.
Verstärkt wird dies durch Auftritte und Aussagen wie beispielsweise dem Landtagsabgeordneten der AfD Stefan Räpple in Baden-Württemberg, der 2019 von einem "Fake-NSU Unsinn“ sprach.
Der Stadtrat Lars Franke von der AfD Chemnitz soll auf der Liste der 100 Personen stehen, die Kontakte zum NSU hatte und jetzt Mitglied im Migrationsbeirat und Strategieausschuss Kulturhauptstadt 2025 in Chemnitz ist.
Wenn Namen genannt werden, soll Björn Höcke dabei sein, der AfD´ler, der laut Gerichtsurteil ungestraft "Faschist“ genannt werden kann.
Das alles kann Seehofer bekannt sein. Es wird also wohl ein anderer Grund vorliegen, der den Bundesinnenminister zur Aussage treibt "Diese Bundesregierung hat alles in ihrer Macht Stehende getan, damit sich so etwas nicht wiederholt.“
Der Polizeiexperte Philipp Krüger von Amnesty International meint: "So wie die Polizei heute aufgestellt ist, erscheint es nicht wirklich wahrscheinlich, dass ein erneutes Versagen wie beim NSU-Komplex tatsächlich verhindert werden kann.“
Grund genug, weiterhin die antifaschistische und antirassistische Initiative selbst in die Hand zu nehmen!
Wir vergessen nicht die Ermordeten durch rassistische Taten auf der Straße, nicht die in den Gefängniszellen dieses Landes.
Wir sehen die rassistische Gewalt in diesem Land, mit der täglich Menschen bedroht und verletzt werden. Und wir kämpfen dagegen. Gemeinsam mit den Opfern dieser Gewalt, mit ihren Angehörigen, mit ihren Organisationen und Communities.
Wir fordern:
- Kein Schlussstrich! – NSU-Komplex aufklären und auflösen!
- Verfassungsschutz auflösen!
- Dem anhaltenden rassistischen Terror gegen Geflüchtete und Migrant*innen entgegentreten!
- Strukturellen und institutionellen Rassismus in Behörden und Gesellschaft bekämpfen!
Bettina Jürgensen, marxistische linke