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Bettina mit FahneKommentar von Bettina Jürgensen (marxistische linke

14.02.2020: Thüringen, das war kein "Versehen", sondern ein Versuchsballon, der nur durch das antifaschistische Engagement von Zehntausenden zum Platzen gebracht wurde, meint Bettina Jürgensen in ihrem Kommentar. Die Annäherung von "bürgerlicher Mitte" und extremer Rechten wurde blockiert.  Aber nur vorerst. Und sie ruft auf, morgen in Erfurt zu demonstrieren: #nichtmituns. Kein Pakt mit Faschist*innen – niemals und nirgendwo!

 

Während Christian Lindner (FDP) sich nach der Wahl seines Parteikollegen Kemmerich zum Ministerpräsidenten in Thüringen flugs die Absolution seines Bundesvorstands zum "Weiter so" holte, hat Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) ihren Rücktritt angekündigt. Beides folgte, ebenso wie der zweimalige Rücktritt des Herrn Kemmerich, unter dem Eindruck der sofort einsetzenden unüberhörbaren Proteste der Bevölkerung.

CDU, FDP und ein großer Teil der Medien tun so, als wäre Kemmerich ein schnell aus dem Hut gezauberter Kandidat der FDP, der sich erst im dritten Wahlgang zum Ministerpräsidenten stellte und dann mit einer Stimme Mehrheit im Thüringer Landtag als vermeintlicher Sieger dastand. Gewonnen mit den Stimmen der AfD; derjenigen Partei, deren Fraktionsvorsitzender Höcke lt. einem Gerichtsurteil als Faschist bezeichnet werden darf. Die FDP zielte bewusst darauf, von dem rechten Mob im Landtag ins Amt gehoben zu werden.

Noch im Landtag setzte der Widerstand gegen diesen Vorgang ein. Dem sprachlosen Protest der Fraktionsvorsitzenden von DIE LINKE, Susanne Hennig-Wellsow, mit ihrem bewundernswert deutlichen Blumenwurf - darauf muss frau erst mal kommen - gegen diese Wahl, folgten wenige Stunden später Demonstrationen und Kundgebungen im ganzen Land.

Was von den Medien und Politiker*innen verschiedener Parteien als "Dammbruch" bezeichnet wird, brachte viele Menschen auf die Straße, insbesondere vor FDP-Zentralen.

CDU und FDP wollten mit dem Auf- und angekündigten Rückritt ihrer Vorsitzenden, mit ihren Forderungen nach Neuwahlen in Thüringen alles schnell vergessen machen.

War das alles nur ein Versehen?

Müssen wir die nun durch die Bundestagssitzung überbrachten Entschuldigungen ernst nehmen, vielleicht sogar noch trösten "Ein Fehler kann doch jeder/m mal passieren"?

Nein - ich entschuldige nicht!

Wenn Kemmerich vom FDP-Bundesvize Wolfgang Kubicki Glückwünsche zur Wahl erhält: "Es ist ein großartiger Erfolg für Thomas Kemmerich. Ein Kandidat der demokratischen Mitte hat gesiegt", wenn der Vorsitzende Lindner gratuliert und sich später nur halbherzig distanziert, dann zeigt dies Machtkalkül, aber vor allem das politische Herangehen der FDP und die Verschiebung nach rechts.

Der "Dammbruch" war doch in Wahrheit nur eine zu direkte Darstellung dessen, was sowohl die FDP als auch die CDU seit ihrem Bestehen eint: Mit Wehrmachtsoffizieren, NSDAP-Mitgliedern und anderen Nazis an ihrer Spitze, ging es ihnen schon in den 50er Jahren nicht darum, ihren eigenen Sumpf zu entnazifizieren, sondern den Kampf gegen "links" zu führen - mit FDJ- und KPD-Verbot und Hetze gegen alles, was "links" erschien. Kriminalisierung von Linken, von Antifaschist*innen, von Kriegsgegner*innen - das gehört zur genetischen Grundstruktur dieser Parteien. Und diese Spur zieht sich bis heute fort.

Dieser "Dammbruch" war ein eingefädelter Vorgang, um mit den Stimmen der AfD und dem Faschisten Höcke im thüringischen Landtag die Wahl von Bodo Ramelow zu verhindern.

"Hauptsache, die Sozialisten sind weg", jubelte der CDU-Mann und Ex-Chef des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Hans-Georg Maaßen, der der CDU empfiehlt, sie solle "mit der FDP eine Minderheitsregierung bilden". Diese könnte mit der Unterstützung durch die AfD rechnen.

Das zentrale Problem sind wieder einmal nicht die "verwirrten Abgehängten", die Rassisten und Faschisten wählen, sondern die "bürgerlichen Parteien", die in Hinterzimmern mit den Ultrarechten klüngeln, um sich Mehrheiten zu organisieren. Wie anno-nazimal. Auch damals hat es in Thüringen begonnen.

Thueringen Tweet Ramelow 2020 02 05

 

Ich rede deshalb nicht von einem "Dammbruch", weil es diesen Damm, die gemeinsame Ebene gegen rechts, so wie es dargestellt wird nicht gegeben hat.

Es gab und gibt ihn in Initiativen wie "Aufstehen gegen Rassismus" und in der Bewegung #unteilbar. Es gab und gibt ihn oft in regionalen Initiativen, die eine große Breite des politischen und gesellschaftlichen Spektrums gegen die Nazis darstellt.

Doch wo war besagte Damm als der VVN-BdA die Gemeinnützigkeit entzogen wurde, wo war er mit politischem Aufschrei aller Parteien, als die Prozesse gegen den NSU geführt wurden?

Immer wieder gibt es, nicht nur in Parlamenten, die Diskussion über die Frage: "Wie gehen wir mit den Nazis der AfD um?" Überall sind sie präsent, erhalten Raum und Zeit ihre Ideologie zu verbreiten, sehen wir in Talkshows den Gauland, die Weidel, den Höcke, hören sie hetzen und hören wie sie Ausgrenzung, Verfolgung und Mord begründen und damit gleichzeitig dazu aufrufen. Wir erleben seit Jahren, wie sich Politiker*innen, bis hinein in die SPD und Grüne, winden, wenn es darum geht diese Nazis zu stoppen, ihnen mindestens den öffentlichen Raum für ihre Propaganda zu nehmen. Die Angst, damit als undemokratisch genannt zu werden, ist größer, als die Angst vor einer Republik die schnurstracks dabei ist, dieser Partei noch mehr Zulauf, Wähler*innenstimmen und, was wesentlich schwerer wiegt, die inhaltliche Deutung darüber zu überlassen, was Demokratie in diesem Land bedeutet.

Erfurt war ein Versuchsballon.

Es war ein Versuch, ein Austesten, was heute bereits parlamentarisch möglich ist, um Mehrheiten für die "bürgerliche Mitte" zu gewinnen und rechte reaktionäre Politik zu sichern. Das Ziel hieß: einen Ministerpräsidenten von DIE LINKE verhindern. Und es war gleichzeitig der Versuch die bestehende Koalition Rot-Rot-Grün zu spalten.

Dieser Versuchsballon ist geplatzt.

Dazu hat auch beigetragen, dass es, über linke Organisationen hinaus, auch in der SPD und bei den Grünen einen antifaschistischen Grundkonsens gibt, dass auch in Teilen der CDU und bei deren Anhänger*innen zumindest gegen gemeinsames politisches Arbeiten mit der AfD Position bezogen wird.

Doch angesichts der Schwierigkeiten, parlamentarische Mehrheiten der "bürgerlichen Mitte" zu gewinnen, werden die rechten Kräfte in CDU und FDP versuchen, ihre Parteien nach rechts zu öffnen,  wird die AfD daran arbeiten, das Denken (und Handeln) dieser Parteien noch weiter in ihre Richtung zu treiben.

Die angekündigte Kandidatur von Friedrich Merz für den Parteivorsitz der CDU geht in diese Richtung. Und die Reaktion der Grünen-Fraktionsvorsitzenden Göring-Eckart, die eine schwarz-grüne Regierung auch mit Merz nicht ausschließen mag, zeigt wie ernst wir diesen in Erfurt gestarteten Angriff nehmen müssen. Es geht um eine grundsätzliche Weichenstellung.

Katja Kipping (DIE LINKE) meint dazu: "Die kommende Bundestagswahl bietet, mehr als vorangegangene, die Chance zum politischen Wechsel. Sie wird, und das ist spätestens durch die Rücktrittsankündigung von Annegret Kramp-Karrenbauer klar, ein Kampf um den grundsätzlichen Kurs in unserer Republik werden. Dabei geht es nicht nur darum, wie viel soziale Sicherheit wir realisieren können oder ob ein ökologischer Wandel gelingt, der nicht auf Kosten der Ärmsten geht. Es wird auch um den republikanischen Grundkonsens in unserer Gesellschaft gehen. Dass dieser in Gefahr ist, haben die Ereignisse in Thüringen gezeigt." (Die Zeit, 13.2.20)

In der Erklärung des DGB heißt es: "Deshalb rufen wir Gewerkschaften die demokratischen Parteien überall dazu auf, sich endlich glaubwürdig von der AfD zu distanzieren. Die Wählerinnen und Wähler müssen sich darauf verlassen können, dass sie mit ihrer Stimme für klare demokratische Mehrheitsverhältnisse sorgen und damit Regierungen von AfD Gnaden verhindern können. ... Der DGB und seine Mitgliedsgewerkschaften bedanken sich ausdrücklich bei allen Demokratinnen und Demokraten, die nach dem Tabubruch auf die Straße gehen und für unsere Demokratie aufstehen."

Die linken und antifaschistischen Menschen, die Friedenskräfte, die sozialen und die Klimabewegungen, die emanzipatorischen Kräfte, die Gewerkschaften sind gefordert, die weitere politische Entwicklung nach rechts zu stoppen!

Dazu gehört meiner Meinung nach auch, DIE LINKE im Landtag Thüringen als stärkste Kraft zu unterstützen, ob nun mit, wegen oder trotz Bodo Ramelow. Ja - auch ich habe kritische Fragen/Positionen zu einigen Punkten der Politik dort, aber verdammt: wenn wir in allen Landtagen nur annähernd so viele linke Abgeordnete hätten wie dort, was könnten wir gemeinsam – parlamentarische und außerparlamentarische Linke – an Veränderungen zugunsten einer sozialen, gerechten, antirassistischen und gleichberechtigten Politik in Gang setzen?! Auch mit kritischen Beiträgen, mit den Anregungen der außerparlamentarischen Linken und der fortschrittlichen Bewegungen.

Eine Möglichkeit gemeinsam aktiv zu werden hat der DGB genannt: Auf die Straße gehen!

Zum Beispiel morgen in Erfurt: Kein Pakt mit Faschist*innen – niemals und nirgendwo!

Ich füge hinzu, offenen und vielfältigen Protest organisieren, sich der AfD und Faschisten in den Weg stellen, keine Veranstaltung, Kundgebung, keinen Fernsehauftritt mehr schweigend hinnehmen! Widerstand tut not! Nehmen wir es endlich ernst: NIE WIEDER FASCHISMUS – heißt NIE WIEDER!

Bettina Jürgensen, Vorstandsmitglied marxistische linke


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