16.03.1016: Die Ergebnisse der Kommunalwahl in Hessen und der Landtagswahlen in Sachsen-Anhalt, Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz sind erschreckend. Allerdings hat sich der Aufstieg der extremen Rechten seit Monaten abgezeichnet. Die Flüchtlingsbewegung und der Umgang mit den Flüchtenden haben zu einer gesellschaftlichen Polarisierung geführt. Dabei war es nicht nur die CSU, sondern auch CDU, SPD und zum Teil auch die Grünen, die mit ihrer Debatte über "Grenzen der Belastbarkeit" und einer Politik der Flüchtlingsabwehr die AfD legitimiert und gestärkt haben. Einmal mehr wurde an diesem Wochenende bestätigt, dass das Übernehmen von Positionen der Rechtspopulisten diese nur stärker macht, anstatt ihnen das Wasser abzugraben.
Der Erfolg der rassistischen AfD ist eine Folge der neoliberalen Politik der zurückliegenden Jahrzehnte, für die die große Koalition sowie die vorhergehende SPD/Grüne-Regierung die politische Verantwortung tragen. Diese Politik hat zu wachsender gesellschaftlicher Spaltung, Entsolidarisierung und sozialer Verunsicherung geführt. In einer Gesellschaft, in der die kollektiven, sozialen Sicherungssysteme zerschlagen und individualisiert werden, in der es keine Nachbarn mehr gibt, sondern nur noch KonkurrentInnen um eine bezahlbare Wohnung, in der es keine KollegInnen mehr gibt, sondern nur noch KonkurrentInnen um den Arbeits- und Ausbildungsplatz, ist es der AfD leicht gefallen, die Umverteilungsfrage von einer Klassenfrage in eine völkisch-nationale zu wenden. Vor dem Hintergrund der Flüchtlingsdebatte, in der die Ursachen von Flucht beharrlich ausgeklammert werden und die Regierung z.B. mit ihrer Zustimmung zu Rüstungsexporten täglich neue Fluchtgründe schafft, gelingt die rechtspopulistische Mobilisierung zu einem "Krieg der Armen gegen die Armen".
Das Wahlergebnis ist Ausdruck der Krise des etablierten Parteiensystems und der Krise der Politik. In einer "marktkonformen Demokratie" (Angela Merkel) exekutieren die Regierungen mit dem Argument der "Alternativlosigkeit" die Interessen der Konzerne und Finanzmärkte; politische Debatte und Auseinandersetzung um alternative Konzepte und Entscheidungen werden ersetzt durch "alternativlose, technokratische" Verfahren. Immer mehr Menschen erleben "Politik" als etwas feindliches oder fremdes, was nichts mit ihrem Leben zu tun hat. Sie sehen sich von den Parteien nicht mehr vertreten und wenden sich von der Politik ab. Dass es der AfD gelungen ist, in erheblichem Umfang Stimmen aus dem Lager der NichtwählerInnen zu gewinnen, zeigt jedoch, dass viele Menschen diese angebliche Alternativlosigkeit der Politik leid sind. Das Fatale ist, dass sie die Lösung bei einer rassistischen Partei der sozialen Ausgrenzung suchen.
Trotz der Rechtsverschiebung im parlamentarischen Spektrum, darf nicht übersehen werden, dass nach wie vor überall im Lande Hunderttausende Menschen jeden Tag den Geflüchteten solidarisch und hilfsbereit zur Seite stehen – und sich auch nicht durch staatlich-bürokratischen Hürden davon abhalten lassen. Zehntausende stellen sich den Aufmärschen der extremen Rechten entgegen. In Kitas und Krankenhäusern haben sich die Beschäftigten mit Streiks für ihre sozialen Interessen und gegen die Austeritätspolitik engagiert – zum Teil zum ersten Mal in ihrem Leben. Im Widerstand gegen TTIP finden die unterschiedlichsten gesellschaftlichen Sektoren zusammen. Aber dieses "Drittel" der Bevölkerung, quer liegend zu den Parteien, findet keine politische Repräsentation. Wie die Wahlergebnisse zeigen, erreicht die Partei DIE LINKE diese Menschen nur zu einem sehr geringen Teil. Deutlich wird auch, dass es selbst rein wahlarithmetisch keine Mehrheiten mehr für rot-rot-grünen Regierungskoalitionen gibt.
Diese Entwicklung muss als Aufruf gesehen werden, jetzt den Dialog der verschiedenen sozialen und politischen Kräfte zu initiieren, die Zusammenarbeit zu entwickeln und gemeinsam an einem politischen Projekt für eine solidarische Gesellschaft – alternativ zu Austerität und Neoliberalismus – zu arbeiten. Ein alternatives politisches Projekt muss die Menschen einbeziehen, ihnen Möglichkeiten eröffnen, selbst mitzuentscheiden; es muss die Interessen und Hoffnungen der arbeitenden Menschen, der Jugend, der Arbeitslosen, Rentner und sozial Ausgegrenzten aufgreifen und deren privatem und beruflichem Leben wieder eine Perspektive geben können.
Nur so lässt sich Gegenhegemonie aufbauen und die Option für eine Gesellschaft der Solidarität und Humanität aufrechterhalten.
Die Mitglieder der marxistischen linken werden sich aktiv an diesem Prozess beteiligen.
Vorstand marxistische linke
Berlin, 15.3.2016