Linke / Wahlen in Europa

14.07.2025: Der Vorsitzende der Izquierda Unida: "Im Moment hat die Europäische Union geopolitisch gesehen nur einen einzigen Widerstandspunkt, und das ist Spanien. Auf diesem Widerstandspunkt muss ein gegenhegemoniales Beispiel für andere Länder aufgebaut werden."

 

Antonio Maíllo, Philologe und Latein- und Griechischlehrer, ist seit etwas mehr als einem Jahr amtierenden Generalkoordinator der Vereinigten Linken Spaniens ( Izquierda Unida, IU). Luca Tancredi Barone sprach für die italienische kommunistische Zeitung il manifesto mit Antonio Maíllo. Auf die Frage, ob gesellschaftliche Errungenschaften wieder abgebaut werden können, antwortet er:

Ich bin rational. Diese Veränderungen sind reversibel, wenn die extreme Rechte dazu in der Lage ist. Gesellschaftlich ist es nie festgeschrieben, dass Fortschritte nicht wieder verschwinden können. Vor allem solche, die ein zivilisatorisches Modell darstellen, wie die allgemeine Gesundheitsversorgung. Diese kann zerstört werden und zu einer historischen Episode werden.
Das Gleiche kann mit den LGTBI-Rechten geschehen. Die neuen Faschismen konstruieren ein autoritäres Modell, das eine Art "Jetzt reicht's”-Bewusstsein durchsetzen will, eine Erkenntnis, dass man ihrer Meinung nach zu weit gegangen ist. Diese Rhetorik der Niederlage führt dazu, dass sie ihr reaktionäres Projekt im etymologischen Sinne des Wortes auf epische Weise wiederbeleben: eine Reaktion auf Fortschritte, die sie als Bedrohung für ihr Gesellschaftsmodell betrachten. In dieser Situation bewege ich mich weniger in Optimismus oder Pessimismus, die subjektive Werte sind, sondern eher in der Dialektik. Das heißt: Es wird davon abhängen, wie wir uns organisieren, wie wir auf der linken Seite handeln, um nicht als selbstverständlich hinzunehmen, dass der Aufstieg der autoritären Rechten unumkehrbar ist.

Wie konkretisiert sich diese Idee?

Indem man beispielsweise den historischen Moment in Spanien als einen Moment des Widerstands interpretiert. Heute ist die spanische Regierung in historischer und geopolitischer Hinsicht eine Regierung des Widerstands. Wir müssen dafür sorgen, dass das Modell der spanischen Regierung auf andere Länder in Europa übertragen wird. Mutatis mutandis (‘nachdem die zu ändernden Dinge geändert worden sind’) ist es wie 1942, als Menschen wie Stefan Zweig oder der Generalsekretär der Kommunistischen Partei Spaniens, Pepe Díaz, in dem Glauben starben, dass die Nazis den Krieg gewinnen würden. Was aus dieser Debatte hervorgeht, wird unser zukünftiges Leben bestimmen. Und im Moment hat die Europäische Union geopolitisch gesehen nur einen einzigen Widerstandspunkt, und das ist Spanien. Auf diesem Widerstandspunkt muss ein gegenhegemoniales Beispiel für andere Länder aufgebaut werden.

 

 

NATO Gipfel 2025 06 25 Sanchez

Spaniens Regierungschef Pedro Sánchez fordert ein internationales Waffenembargo gegen Israel und die Aussetzung des Assoziierungsabkommens der EU mit Israel. Er lehnte die 5%-Forderung für Rüstung beim NATO-Gipfel in Den Haag am 24. und 25. Juni 2025 ab und stellte sich beim Gruppenfoto demonstrativ mit Abstand auf die Seite.
Spanien stimmte der NATO-Gipfelerklärung zwar zu, verweigerte aber zugleich die Erhöhung der Ausgaben auf fünf Prozent des BIP. US-Präsident Trump war empört. Er werde Spanien dafür bezahlen lassen - und drohte dem Land mit doppelt so hohen Zöllen.

Die Vereinigte Linke erklärte dazu:
Die Vereinigte Linke verurteilt aufs Schärfste die Drohungen Donald Trumps gegen den spanischen Staat während des NATO-Gipfels in Den Haag. Der US-Präsident hat unverhohlen seine Rolle als imperialer Tyrann zur Schau gestellt, indem er warnte, dass Spanien in künftigen Handelsverhandlungen „doppelt zahlen“ werde, wenn es seine Militärausgaben nicht auf 5 % des BIP erhöhe.

Die Äußerungen des US-Präsidenten sind eine Beleidigung der Souveränität Spaniens und offenbaren die wahre Natur der NATO als Instrument der Herrschaft im Dienste des US-amerikanischen Militär-Industrie-Komplexes, der die Mitgliedstaaten zu Vasallen macht, die verpflichtet sind, seine Kassen zu füllen.

Darüber hinaus lehnen wir von der Vereinigten Linken ebenfalls die Entscheidung des spanischen Präsidenten Pedro Sánchez ab, die Verteidigungsausgaben auf 2,1 % des BIP zu erhöhen. Auch wenn dieser Betrag unter dem von der Allianz geforderten liegt, entspricht er nicht den tatsächlichen Bedürfnissen unseres Volkes. Es geht nicht darum, über einen Prozentsatz zu diskutieren, sondern darum, die Aufrüstung zu beenden und diese Mittel für Gesundheit, Bildung und Sozialpolitik einzusetzen.

Wir bekräftigen weiterhin klar und deutlich unsere Parole: NEIN ZUR NATO, WEG MIT DEN STÜTZPUNKTEN!

Spanien muss aus der NATO austreten, deren Aufgabe es ist, Konflikte im Sinne des US-Imperialismus zu schüren, und es muss die ausländischen Militärstützpunkte auf seinem Territorium schließen. Nur so können wir eine Außenpolitik gestalten, die auf Frieden, internationaler Zusammenarbeit und der Achtung des Völkerrechts basiert.
Angesichts der Erpressung durch Trump und der militaristischen Eskalation rufen wir zu sozialer und politischer Mobilisierung auf, um die Souveränität Spaniens und das Recht der Völker auf Selbstbestimmung zu verteidigen.
Kein Euro mehr für den Krieg!
NATO NEIN! Stützpunkte schließen!

siehe auch: NATO und EU: Kanonen statt Butter. Klassenprimus Deutschland

 

 

Nicht die gesamte Linke sieht das so.

Ich halte es für einen Fehler, wenn sich die selbsternannte "wahre" Linke sagt: "Na ja, die konservative Volkspartei (PP) und die faschistische Vox werden an die Macht kommen, und wir müssen uns für den Widerstand organisieren, wenn es soweit ist." Nein, der Widerstand ist jetzt, und er besteht nicht darin, zum Sturz dieser Regierung beizutragen. Ob es uns gefällt oder nicht, und wir würden uns wünschen, dass sie mutiger wäre. Aber politisch gesehen ist dies meiner Meinung nach derzeit die beste Gelegenheit, ein Modell der demokratischen Hoffnung zu verteidigen.

Wie hat Ihnen die Rede von Sánchez am Mittwoch im Parlament zur Überwindung der aktuellen Krise gefallen?

Izquierda Unida hat sich sehr dafür eingesetzt, dass er sie hält. Wir interpretieren sie als eine erste Antwort auf eine Krise, die sehr schwerwiegend war und immer noch ist und die ein mehrgleisiges Vorgehen erfordert. Aber eine Regierung spricht durch ihre Entscheidungen. Und die Bekämpfung der Korruption muss eine davon sein, die mit absoluter Transparenz, Entschlossenheit und vor allem mit Vorschriften angegangen wird, die die Praktiken beseitigen, die die Korruption nähren und die das spanische politische System über Jahre hinweg untergraben haben.
Wir könnten sie jedoch nicht als vollständig betrachten, wenn sie nicht auch von einer Offensive auf materieller Ebene begleitet würde.
Aus diesem Grund halten wir es für notwendig, die Debatte über das Haushaltsgesetz wieder aufzunehmen und uns insbesondere auf die Frage des Wohnraums zu konzentrieren, ein Problem, das die Arbeiterklasse direkt betrifft. Ich sage dies, weil wir glauben, dass der beste Weg für eine Regierung, ein politisches Problem anzugehen, nicht darin besteht, sich zurückzuziehen, sondern mit größerer Entschlossenheit in die Offensive zu gehen.

Aber reichen die Maßnahmen, die Sánchez bisher nur vorgeschlagen hat, aus?

Wir hätten uns mehr Maßnahmen gegen Korruption gewünscht; wir hatten 35 ausgearbeitet, von denen einige anerkannt wurden. Aber der Eindruck ist positiv: Es war eine tiefe Überzeugung aller Kräfte, die die Regierung unterstützen, zu spüren, dass diese Regierung sich ändern muss, um weitermachen zu können.

Welche Maßnahmen erwartet die IU neben den Themen Wohnen und Korruption von dieser Regierung?

Die Wohnungsfrage steht im Mittelpunkt der sozialen Widersprüche, da sie den größten Teil des Arbeitseinkommens verschlingt und oft Lohn- oder Vertragsverbesserungen, Arbeitszeitverkürzungen und andere Maßnahmen zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen zunichte macht. Deshalb ist sie von zentraler Bedeutung, weil sie allen anderen Problemen vorausgeht. Ohne Wohnung hat man nicht einmal den Raum, um ein Leben mit einer gewissen Sicherheit zu planen.

Die andere große Debatte dreht sich hingegen um den Aufbau alternativer Systeme: ein auf Frieden basierendes Sicherheitssystem, das eine Spirale immer höherer Militärausgaben verhindert. Und deshalb wollen wir über den Haushalt sprechen, denn gerade in den Haushalten werden alle Fragen, die verbessert werden müssen, behandelt und entschieden (die Regierung Sánchez hat seit 2022 keinen Haushalt mehr verabschiedet, Anm. d. Red.).

Was rechtfertigt und stützt die Kontinuität einer Regierung?

Ich glaube, es ist die Notwendigkeit, strukturelle Reformen voranzutreiben, Reformen, die unumkehrbar sind, unabhängig davon, wer in Zukunft regiert. In diesem Sinne liegt der Schlüssel in der Stärkung und dem Schutz der öffentlichen Dienstleistungen und in der Einführung einer Verankerung der Grundrechte in der Verfassung. Ich halte eine ernsthafte Debatte über eine Verfassungsreform in dieser Richtung für äußerst interessant und notwendig.

Aber hat Izquierda Unida mit nur einem Ministerium (dem von Sira Rego, Ministerin für Jugend und Kinder) die Kraft, die Debatte anzuführen?

Wir konzentrieren uns nicht ausschließlich auf das Ministerium, das uns anvertraut wurde – das zwar wichtig ist, aber nicht unser gesamtes Engagement ausmacht –, sondern wir interessieren uns auch für Bildung, Gesundheit, Wohnen, Arbeit, Sicherheit und Verteidigung. Wir engagieren uns in allen grundlegenden Fragen.
Es stimmt, dass wir sehr schlecht behandelt wurden, vor allem in der Debatte über die Zusammensetzung der europäischen Listen. Es gab eine Haltung seitens einiger Personen, die sich nicht auf der Höhe der Aufgabe befanden und eine gewisse Absicht zeigten, Izquierda Unida zu demütigen. Und wir haben den Preis für eine verantwortungsvolle Entscheidung bezahlt: Zwei Monate vor den Europawahlen haben wir beschlossen, das Wahlangebot nicht weiter zu zersplittern, da wir uns der Auswirkungen auf nationaler Ebene bewusst waren. Aber wir sind in 1.085 Gemeinden mit mehr als 100 Bürgermeistern vertreten. Das heißt, wir sind eine konkrete, solide Realität mit tiefen Wurzeln in der Zivilgesellschaft, die für jedes glaubwürdige politische Projekt unverzichtbar ist.

Und nun?

Wir müssen die Methode ändern. Wir müssen die Logik der Hyper-Führung überwinden, die die gescheiterte Erfahrung von Unidas Podemos und auch die von Sumar geprägt hat. In einem linken Projekt muss entweder eine gemeinsame Vision mit gemeinsamer Beteiligung entwickelt werden, oder das Projekt stirbt, so wie jene Führer sterben, die aufgrund des aktuellen politischen Zyklus nur kurzlebige Figuren sind.
Wir bleiben auf die Politik konzentriert und beanspruchen mit allem Respekt unsere Rolle.
Wenn es andere Formeln und andere Organisationen gibt, die mehr Unterstützung genießen, werden wir dies zur Kenntnis nehmen. Aber das muss sich in Taten zeigen und nicht durch die Kontrolle institutioneller Hebel oder Macht, die anderen ihren Willen aufzwingen.
Ich glaube, dass sich diese Dynamik bereits zu ändern beginnt, und wir vertrauen darauf, dass dies wirklich der Fall ist. Denn nur so kann ein Projekt aufgebaut werden, das über alle unsere Abkürzungen hinausgeht und auch Einzelpersonen einbezieht.
Auf der linken Seite ist dies unsere Tradition, wenn wir ein wirklich transformatives Projekt aufbauen wollen, bei dem die Menschen für eine politische Vision und nicht für eine Person stimmen. Manchmal verstricken wir uns in kindische Debatten über Themen von geringer Bedeutung und über persönliche Ambitionen, die wenig mit den politischen Zielen eines wirklich würdigen Transformations- und Emanzipationsprojekts zu tun haben.

Apropos Menschen: Ihr Vorgänger, Alberto Garzón, hat die politische Front mit einem Burnout verlassen. Und er ist nicht der Einzige. Sie haben zumindest das Glück, nicht an vorderster Front der Institutionen zu stehen: Sie sind noch weder Abgeordneter noch Minister. Werden auch Sie irgendwann ausgebrannt sein?

Leider muss man derzeit akzeptieren, dass man am Ende einer Phase erschöpft ist. Politische Zyklen sind heute wie das Leben von Hunden: Ein Jahr entspricht sieben Jahren. Wir leben nicht mehr in der sogenannten "fordistischen” Ära, in der es ein Führungsmodell gab, das 10, 15 oder sogar 20 Jahre Bestand hatte – wie die legendären Generalsekretäre der kommunistischen oder sozialistischen Parteien.
Der Postfordismus, in dem wir leben, hat jede Gewissheit in dieser Hinsicht zerstört. Und man sollte auch nicht dramatisieren, dass man am Ende eines Zyklus müde ist. Um ehrlich zu sein, sind wir genau dafür hier, um müde zu werden, um in einer begrenzten Zeit das Beste aus uns herauszuholen. Ich würde mir wünschen, dass dies etwas Strukturelles ist und nicht nur das Ergebnis unseres Willens oder der Umstände: eine echte Form, Politik zu leben. Denn ich glaube, dass einer der großen Fehler gerade darin besteht, hohe Verantwortung über einen längeren Zeitraum auszuüben. Entweder man gibt sein Bestes, und dann kann man nicht zu lange bleiben. Oder man bleibt zu lange, weil man im Grunde genommen nicht mehr sein Bestes gibt.

Übernommen von il manifesto, 13.7.2025: Antonio Maíllo: «In Spagna governa la resistenza d’Europa»
eigene Übersetzung

 


zum Thema

 

 

 

 

 

Demo Palestina 2025 09 27

Die Kundgebung am 27. September in Berlin könnte die größte pro-palästinensische Demonstration werden, die es in Deutschland je gegeben hat. Wer den politischen Wind drehen und den Genozid in Gaza noch stoppen will, muss am Samstag auf die Straße gehen.
Infos: https://all-eyes-on-gaza.de/


 

Wir werden in unsere Heimat zurückkehren

Palestina Wir werden zurüückkehren

Viva Palästina

++++++++++++++++++++++++++++++++

Solidaritätskampagne mit der Palästinensischen Volkspartei für Gaza: 30.000 Euro überwiesen. Die Solidarität geht weiter!

Gaza Soliaktion 2024 12 09 5
zum Text hier
++++++++++++++++++++++++++++++++

EL Star 150

Wir nutzen Cookies auf unserer Website. Einige von ihnen sind essenziell für den Betrieb der Seite, während andere uns helfen, diese Website und die Nutzererfahrung zu verbessern (Tracking Cookies). Sie können selbst entscheiden, ob Sie die Cookies zulassen möchten. Bitte beachten Sie, dass bei einer Ablehnung womöglich nicht mehr alle Funktionalitäten der Seite zur Verfügung stehen.