11.06.2020: Die linksorientierte Regierung des kleinen Landes auf der iberischen Halbinsel macht vor, wie es gehen kann: Portugals Banken müssen für ihre Rettung und für die Kosten der Corna-Krise bezahlen ++ Corona-Nachtragshaushalt stärkt öffentliches Gesundheitssystem und unterstützt Arbeitslose und Kurzarbeiter*innen
Die Regierung von António Costa (Sozialistische Partei) hat im Rahmen ihres Plans zur ökonomischen und sozialen Stabilisierung (PEES) erste Schritte bekanntgegeben. Mit der Einführung einer Solidaritätssteuer für Banken soll der Finanzstabilisierungsfonds der Sozialversicherung um zusätzliche 33 Millionen Euro gestärkt werden. Betroffen sind von der Steuer alle Kreditinstitute mit Hauptsitz in Portugal, aber auch Tochtergesellschaften und Zweigstellen von Banken, die in Portugal Geschäfte machen, ihren Sitz aber in anderen Ländern haben.
Zwar handelt es sich nur um eine Abgabe von zaghaften 0,02% auf Einlagen die von einem Einlagenfonds abgesichert sind, aber die Richtung stimmt. Denn diese Maßnahme, mit der Banken an der Finanzierung der Staatsausgaben beteiligt werden, steht nicht allein.
Es gab schon bisher eine Bankenabgabe, mit der die Banken für ihre Rettung zur Kasse gebeten werden. Sie war erst am 1. Januar auf 0,06 Prozent erhöht worden. Hinzu kommt, dass die Regierung auch das Kreditmoratorium bis zum 31. März 2021 verlängert hat. Firmen und von der Krise gebeutelte Familien müssen ihre Hypothekenkredite bis zu diesem Datum nicht mehr bedienen. Ausgeweitet wurde die Maßnahme auf Auswanderer*innen, die in Portugal Hypotheken abbezahlen, und auch auf die Rückzahlung von Bildungskrediten. Zwar müssen die Banken auf Einnahmen verzichten und gleichzeitig höhere Abgaben leisten, aber gleichzeitig wird dadurch verhindert, dass sie wieder in Schieflage geraten, weil Kredite von Firmen und Haushalten wegen kurzfristiger Zahlungsschwierigkeiten bei Arbeitslosigkeit oder Einnahmeausfällen »faul« werden.
Zur Realisierung des Plans zur ökonomischen und sozialen Stabilisierung (PEES) hat die Regierung am Montag (8.6.) einen Corona-Nachtragshaushalts im Umfang von 13 Milliarden Euro vorgestellt, der am 17. Juni im Parlament debattiert wird.
Regierungschef António Costa verwies bei der Vorstellung des Nachtragshaushaltes darauf hin, dass dieser "nur eine der Finanzierungsquellen" für das Programm zur ökonomischen und sozialen Stabilisierung sei, "die insbesondere durch einen wichtigen Anteil und Beitrag der europäischen Fonds ergänzt werden muss", sowohl aus dem Programm Portugal 2020 als auch aus den neuen, von der Europäischen Union geschaffenen Programmen.
Portugal ist bisher relativ gut durch die CoronaKrise gekommen, da die Regierung frühzeitig Maßnahmen ergriffen hat, weshalb sowohl ein realer Lockdown und viele Tote verhindert werden konnten. Der Regierung von António Costa geht es jetzt darum, die Wirtschaft möglichst schnell zu stabilisieren. Es wird damit gerechnet, dass die Wirtschaft um 6,9% schrumpft. Die Arbeitslosenquote werde deshalb auf bis zu 9,6% steigen, sie soll aber mit einem Wachstum von 4,1% im folgenden Jahr wieder auf 6,5% fallen, prognostiziert die Regierung, die von massiven Einnahmeausfällen und einer steigenden Verschuldung ausgeht.
Aber die Regierung hat etwas Spielraum für Maßnahmen in der Corona-Krise. Denn unter dem Druck der beiden linken Partner – Linksblock und Portugiesische Kommunistische Partei PCP – hat die Regierung eine vorsichtige Abkehr von der Austeritätspolitik durchgeführt. Im Ergebnis hatte Portugal vor der Corona-Pandemie eine geringe Arbeitslosenquote von 6,4 Prozent und erwirtschaftete 2019 erstmals einen Überschuss von 0,2 Prozent. Der spanische Nachbar verzeichnete dagegen eine Arbeitslosigkeit von 14,5 Prozent und hat zudem ein Haushaltsdefizit von 2,6 Prozent.
So sieht der Nachtragshaushalt auch massive Steuerentlastungen vor, um die Wirtschaft rasch zu stabilisieren. Hotels und Restaurants, deren Einnahmen in den letzten Monaten fast komplett ausgefallen sind, werden von der Zahlung der Unternehmenssteuern befreit. Und das gilt für alle Firmen, deren Umsätze um mehr als 40 Prozent einbrechen. Sind es nur 20 bis 40 Prozent, wird die Körperschaftssteuer auf 50 Prozent reduziert. Sie wird zudem erst 2021 eingezogen. Verhindert werden soll, dass eigentlich gesunde Betriebe in die Pleite abrutschen, womit zahllose Arbeitsplätze zerstört und die Staatskassen dauerhaft belastetet werden würden. Außerdem sollen die Hilfsmaßnahmen für Kurzarbeit und Arbeitslose verlängert sowie das Gesundheitssystem gestärkt werden. Die Verträge von 2.800 in der Krise neu eingestellten Beschäftigten im Gesundheitswesen werden verlängert. Bis Dezember sollen weitere 2.700 Menschen eingestellt werden.
Die Europaabgeordnete des Linksblocks, Marisa Matias, verweist darauf, dass der öffentliche Nationalen Gesundheitsdienst SNS "der große Pfeiler im Kampf gegen die Covid-19 ist". "Die außerordentliche Leistung der öffentlichen Krankenhäuser, während die privaten ihre Türen schlossen, bewies, dass der Nationale Gesundheitsdienst für das Land unverzichtbar ist." Sie erinnert daran, dass die Stärkung des SNS gegen den Willen von Ministerpräsident António Costa durchgesetzt wurde und sich diese jetzt mit dem Nachtragshaushalts fortsetze. "Die Stärkung des SNS setzt sich mit diesem Nachtragshaushalts fort, der das Budget des Nationalen Gesundheitsdienstes um etwa 1.500 Millionen Euro erhöht", so die Linksblock-Politikerin.
Catarina Martins, Koordinatorin des Linkblocks, bekräftigte, dass die Zustimmung des Blocks "von der Vertiefung von Maßnahmen" wie der Verlängerung der gesamten Nothilfe bis Ende des Jahres, der Verbesserung der Bedingungen für entlassene Arbeiter*innen und der Arbeitslosenunterstützung – u.a. die Ausdehnung der Arbeitslosenunterstützung auf Sektoren, die derzeit davon ausgeschlossen sind, z.B. Hausangestellte, aber auch Zeitarbeitnehmer, die noch nicht über die Garantiefristen verfügen -, der Unterstützung bei Einkommensverlusten, Einstellungen zur Stärkung des SNS und den Schutz der Wohnungen, abhängen wird.
Linksblock: öffentliche Kontrolle über Unternehmen von strategischer Bedeutung
Klärungsbedarf sieht der Linksblock bei den Bedingungen für die staatlichen Beihilfen, die der Luftfahrtgesellschaft TAP gewährt werden sollen. Die Linksblock-Abgeordnete Isabel Pires kritisiert, dass der Staat einen Kredit gewähren soll, ohne in die Geschäftsführung des Unternehmens einzutreten. Für den Linksblock "sollte der Staat präsent sein". "Wir müssen das öffentliche Interesse sicherstellen, aber auch, dass es keinen Kredit gibt, der nicht garantiert, dass der Staat eine effektivere Entscheidungsgewalt im Unternehmen hat", sagte Isabel Pires. Es gehe um staatlichen Einfluss "hinsichtlich der Routen, der strategischen, wirtschaftlichen Interessen, des territorialen Zusammenhalts und der Umweltziele", so die Linkspolitikerin.
PCP: Ein unzureichendes Budget für die angespannte Situation des Landes
Die kommunistische Abgeordnete Paula Santos erklärt, dass der Nachtragshaushalt zwar eine Reihe von Vorschlägen enthält, die von der PCP unterbreitet wurden, dass er jedoch nicht ausreicht, um auf die Probleme der Arbeiter*innen und der portugiesischen Bevölkerung nach dem Ausbruch von Covid-19 angemessen zu reagieren. "Probleme in Bezug auf Löhne, Unterstützung von Kleinst-, Klein- und Mittelbetrieben, Sozialleistungen im nationalen Gesundheitsdienst finden in diesem Haushalt nicht die angemessene Antwort, um diese Probleme zu überwinden", so die Abgeordnete. Sie kündigte an, dass die PCP "mit konkreten Vorschlägen" eingreifen werde. Insbesondere gehe es um die Gewährleistung der vollen Auszahlung der Löhne und Gehälter, das Verbot von Entlassungen zum Schutz der Arbeitsplätze, die Stärkung des nationalen Gesundheitsdienstes und die Unterstützung von Kleinst-, Klein- und Mittelunternehmen.
Initiative für sozialen Schutz in der EU
Minister aus Italien, Portugal und Spanien fordern ein garantiertes Mindesteinkommen für alle Bürger*innen
Gemeinsam mit der italienischen Ministerin für Arbeit und Soziales, Nunzia Cadalfo (5-Sterne) und dem spanischen Sozialminister und Vize-Regierungschef Pablo Iglesias (Podemos) fordert die portugiesische Ministerin für Arbeit, Solidarität und soziale Sicherheit, Ana Mendes Godinho, die EU auf, ein "europäisches soziales Schutzschild" zu entwickeln, um dem millionenfachen Risiko von Armut und sozialer Ausgrenzung zu begegnen. Die Auswirkungen der Krise im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie seien "auf nationaler und europäischer Ebene" und im Leben der Bürger*innen immer stärker zu spüren und ganz besonders auf dem Arbeitsmarkt.
Die Europäische Union brauche einen gemeinsamen rechtsverbindlichen Rahmen für ein Mindesteinkommen, so die drei Minister*innen. Dabei dürfe man sich weder auf Existenzsicherung beschränken noch allein an Armutsgrenzen orientieren, die nach Durchschnittseinkommen berechneten werden, sondern am Maßstab der soziokulturellen Teilhabe. Es gehe darum, "in jedem Lebensabschnitt das Recht auf angemessene Mindesteinkommensleistungen, die ein würdevolles Leben ermöglichen, und einen wirksamen Zugang zu dafür erforderlichen Gütern und Dienstleistungen" zu garantieren. Für Arbeitsfähige sollen solche Leistungen mit Anreizen zur Aufnahme einer Erwerbstätigkeit kombiniert werden.
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