01.04.2025: Wieder steht der Russe angeblich Gewehr bei Fuß, um in den Westen durchzubrechen. Hunderte Milliarden Euro investiert die Bundesregierung in den kommenden Jahren, um die Russen – inzwischen nicht mehr unter roter Fahne – aufzuhalten. Doch wer soll das machen? Eine Bundeswehr, bei der die Wehrpflicht wieder eingeführt wird. Noch in diesem Jahr, wenn es nach CDU/CSU und Bundeswehrverband geht. Und eine deutsche Atombombe wäre auch nicht schlecht.
Günther Stamer zur Debatte um Aufrüstung und Wehrpflicht:
Bei den gegenwärtigen Debatten um Aufrüstung (ohne Limit), Wehrpflicht, "Kriegsfähigkeit" bis hin zu Atom-Bomben-Wünschen fühlt man sich unwillkürlich an die Zeit Ende der 40er und der 50er Jahre erinnert, als mit - vor allem anti-russischen Droh-Szenarien - die Wiederbewaffnung und die "Westbindung" die Bundesrepublik als Frontstaat gegen "den Sozialismus" (nach außen und nach innen) etabliert wurde. Ohne Wiederbewaffnung und Aufrüstung würden die "Russen kommen und ihre Pferde im Rhein tränken", rüttelte der damalige Bundeskanzler Konrad Adenauer (CDU) die rüstungsunwilligen Deutschen auf.
"... weil ich weiß, daß dann die Bundesrepublik sehr schnell in die russische Machtsphäre kommen wird."
Bundeskanzler Konrad Adenauer (CDU) wirbt am 14.9.1951 in Bad Ems für die Wiederbewaffnung Deutschlands
Heute, fünfundsiebzig Jahre danach, wird wieder fast wortgleich argumentiert: "Was nützt die schönste Schuldenbremse, wenn der Russe vor der Tür steht? Wir Europäer haben doch zugespitzt gesagt nur zwei Möglichkeiten: Wir können uns verteidigen lernen oder alle Russisch lernen", so Ex-Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) in der FAZ vom 12.3.25.
"Wir können uns verteidigen lernen oder alle Russisch lernen"
Ex-Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) in der FAZ vom 12.3.25.
Leider würde ich in diesem Fall nicht auf das Marx-Zitat wetten, wonach sich " Geschichte immer zweimal wiederholt– das erste Mal als Tragödie, das zweite Mal als Farce” - denn auch bei diesem jetzigen zweiten Mal kann es am Ende bitter ausgehen.
Täglich berichten die bürgerlichen Medien über neue Aufrüstungspläne mit monströsen Ausmaßen – regierungstreue Ökonomen, Thinktanks und Militärs wollen die vollständige Kriegsfähigkeit Deutschlands herstellen.
In der Frankfurter Allgemeinen Zeitung fordert der verantwortlicher Redakteur für "Zeitgeschehen", Reinhard Müller, in einem Leitkommentar den "Ausstieg aus dem Zwei-plus-vier-Vertrag“, um die nukleare Aufrüstung der Bundesrepublik zu ermöglichen. "Deutsche Wehrhaftigkeit gebiete“ dies, heißt es dort. In dem Artikel wird Bezug auf die Tatsache genommen, dass der Vertrag Berlin nicht nur die Beschaffung von ABC-Waffen untersagt, sondern auch die Aufstockung des Personalbestandes der Bundeswehr auf mehr als 370.000 Soldaten. Deshalb müsse Deutschland "Die Fesseln des Zwei-plus-vier-Vertrags" abstreifen. Auch wenn es "nicht leicht wäre, sich aus diesen Bindungen zu lösen". (FAZ, 24.3.2025: "Die Fesseln des Zwei-plus-vier-Vertrags")
Moritz Schularick, Präsident des Kiel Instituts für Weltwirtschaft (IfW), fordert "einen weiträumigen Drohnenwall von mehreren zehntausend Kampfdrohnen über der NATO-Ostflanke", neue Hyperschallraketen und eine Ausweitung des in der EU verfügbaren Atomwaffenarsenals. (FAZ 5.3.2025).
Dabei stützt sich Schularick auf eine aktuelle Studie seines Instituts, die zu dem Ergebnis kommt: Ob ein Staat aus einem militärischen Konflikt als Sieger oder Verlierer hervorgeht, wird maßgeblich von seinen finanziellen Ressourcen beeinflusst. In ihrer umfassenden Studie von mehr als 700 Konflikten von 1977 bis 2013 haben die Forscher demnach einen kausalen Effekt steigender Militärausgaben auf das Ergebnis eines Krieges nachgewiesen: Erhöhen sich die Militärausgaben einer der Konfliktparteien um 10 Prozentpunkte des BIP, erhöht sich damit die Wahrscheinlichkeit auf militärischen Erfolg um 32 Prozentpunkte.[1]
Um die Bevölkerung auf bevorstehende Kriege - auch mit deutschen Atomwaffen - einzustimmen, geht die FAZ in einem Leitkommentar auf Seite Eins noch einen Schritt weiter: Darin heißt es: "Deutsche Wehrhaftigkeit gebiete es, aus dem ‚Zwei-plus-vier-Vertrag‘ auszusteigen."[2] Der Kommentator begründet es damit, dass der Vertrag Deutschland nicht nur die Beschaffung von ABC-Waffen untersagt, sondern auch die Aufstockung des Personalbestandes der Bundeswehr auf mehr als 370.000 Soldaten. Die "alten Fesseln", die in dem Vertrag zwischen den beiden deutschen Staaten und den vier Siegermächten des Zweiten Weltkrieges (USA, UdSSR, Frankreich, Großbritannien) 1990 in Moskau festgelegt wurden, gelte es endlich zu lösen.
Und in der selben Ausgabe der sich mehr und mehr kriegerisch gebärdenden FAZ plädieren ein Wissenschaftsoffizier und ein Prof. für Neuere Geschichte der Bundeswehr-Hochschule Hamburg (der Helmut Schmidt-Uni), dafür, "die Bombe verstehen zu lernen. Deutschland muss seine Passivität in Fragen der nuklearen Abschreckung überwinden...Es gilt, die eigene Bevölkerung zu überzeugen."[3]
Da ist er wieder, der deutsche Traum von der Bombe, den Konrad Adenauer schon vor siebzig Jahren träumte. Nach einer Forsa-Umfrage von Ende Februar 2025 lehnen aber 64 Prozent der Bevölkerung die nukleare Bewaffnung der Bundesrepublik noch ab, nur 31 Prozent sprachen sich dafür aus; das waren allerdings schon vier Prozentpunkte mehr als 2024.[4]
Vor allem soll auch die Jugend wieder wehrtüchtig gemacht werden; das beste Mittel ist nach wie vor die Wehrpflicht. Sie war 2011 unter Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) nach 55 Jahren ausgesetzt worden. Das kam einer Abschaffung von Wehr- und Zivildienst gleich, denn gleichzeitig wurden praktisch alle Strukturen für eine Wehrpflicht aufgelöst. Aber: Für Konfliktzeiten ist im Wehrpflichtgesetz ohnehin festgelegt, dass die Wehrpflicht für Männer auflebt, wenn der Bundestag den Spannungs- und Verteidigungsfall feststellt.
"Die Aussetzung der Wehrpflicht passt nicht mehr zur aktuellen Gefährdungslage", sagt u.a. der verteidigungspolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. "Noch im Jahr 2025 müssen die ersten Wehrpflichtigen durch die Kasernentore schreiten." Zustimmung für eine Wiedereinführung der Wehrpflicht kommt ebenfalls vom ehemaligen grünen Außenminister Joschka Fischer. "Ich war ein Befürworter der Abschaffung", sagte Fischer in einem Interview mit dem Magazin stern. Das sei ein Fehler gewesen, den man nun revidieren müsse. "Ohne diesen Schritt werden wir beim Schutz Europas nicht vorankommen".
Der noch geschäftsführende Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) hatte im November 2024 einen Gesetzentwurf für ein neues Wehrdienstmodell vorgelegt. Verpflichtend wäre danach gewesen, dass junge Männer Auskunft über ihre Bereitschaft und Fähigkeit zum Militärdienst hätten geben müssen. Für junge Frauen war eine freiwillige Teilnahme am Fragebogen vorgesehen. Wegen des Ampel-Aus kam es jedoch nicht mehr parlamentarischen Beratung dieses Vorschlags.
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Doch trotz Aussetzung der Wehrpflicht tummeln sich seit Jahren Jugendoffiziere zunehmend in Schulen, auf Berufsmessen und im öffentlichen Raum, um Jugendliche für das Soldatenhandwerk zu begeistern. In Aussicht gestellt werden Ausbildung an High-Tech-Geräten (Panzer, Flugzeuge, U-Boote) und vermeintlich sichere Jobs.
So soll es z.B. auf der diesjährigen Kieler Woche erstmalig ein "Camp Marine" geben. Im Januar hat die Bundeswehr alle Schulen Schleswig-Holsteins angeschrieben und Schulklassen ab der Stufe 8 im Rahmen der Kieler Woche zur Teilnahme an ihrem "CAMP MARINE" eingeladen. Neben vier Info-Stationen wird dabei ein Schwerpunkt auf den "Kampf" gelegt denn: "Kern des Militärs ist das Kämpfen – und dies soll mit all seinen Facetten auch dargestellt werden", so die Bundeswehr in ihrer Einladung. Und natürlich soll während der gesamten Dauer des Camps für die Kinder die Möglichkeit bestehen, sich im Karriere-Truck direkt für eine Karriere in der Bundeswehr gewinnen zu lassen.
Tag der Bundeswehr in Plön
Widerstand gegen die Rekrutierung der Jugend ist dringend geboten. Ein "Bündnis Nein zur Wehrpflicht"[5] hat sich Ende letzten Jahres gegründet und mit ihrer Kampagne "Ihre Kriege – Ohne Uns!" kämpft der sozialistische Jugendverband SDAJ gegen den zunehmenden Einfluss der Bundeswehr auf die Bildung. "Bundeswehr und Jugendoffiziere raus aus unseren Schulen – Kein Werben fürs Sterben!"
Anmerkungen
[1] IfW-news 22.1.2025
[2] Reinhard Müller: Deutschland muss alte Fesseln lösen. FAZ 24.3.2025
[3] Michael Jonas/Severin Pleyer, Die Bombe verstehen lernen. FAZ 24.3.2025
[4] Lorenz Wolf-Doettinchem: Sollte Deutschland zum Schutz vor Putin eigene Atombomben bauen? stern.de 11.3.2025
[5] https://neinzurwehrpflicht.wordpress.com/2024/11/25