Meinungen

Schwangerschaftsabbruch Kristina HaenelKersten Artus zum Stand der Diskussion um den § 219 a Strafgesetzbuch     

Vielen war gar nicht bewusst, dass in Deutschland Schwangerschaftsabbrüche nicht straffrei sind. Umso größer die kollektive Empörung, als vor Kurzem bekannt wurde, dass (nicht nur) eine Ärztin zu 6.000 Euro Strafe verurteilt wurde, weil sie gegen den § 219a StGB verstoßen hatte. Kersten Artus, Vorsitzende pro familia Hamburg, zur Debatte um den § 219a StGB:

 

Kersten ArtusDer § 219a StGB war bis vor wenigen Monaten nur in Fachkreisen bekannt. Und zwei Männern, die seit Jahren akribisch das Internet durchforsten, um jene Medizinerinnen und Mediziner anzuzeigen, die auf ihrer Website darüber informieren, dass sie Schwangerschaftsabbrüche anbieten. Gleiches galt für die Folgen dieses Strafrechtsparagraphen – für ungewollt Schwangere und für Ärztinnen und Ärzte, die Abbrüche durchführen.

Vor allem Jüngere waren sich gar nicht mehr bewusst, dass Schwangerschaftsabbrüche nicht straffrei sind. Die Generation, die in den 1980er Jahren zur Welt gekommen ist, hatte Pflichtberatungen und die 12-Wochen-Grenze offenbar so verinnerlicht, dass es kein Bewusstsein mehr dafür gab, dass Schwangerschaftsabbrüche in Deutschland unter Strafe stehen.

Umso größer die kollektive Empörung, als bekannt wurde, dass (nicht nur) eine Ärztin zu 6.000 Euro Strafe verurteilt wurde, weil sie gegen den § 219a StGB verstoßen hatte.

Jutta Franz beschrieb 2015 in dem Buch "Abtreibung – Diskurse und Tendenzen“ zudem die sehr differenzierten Sichtweisen und Gefühlslagen von Frauen, die ungewollt schwanger sind. Selten seien sie voll informiert, wenn sie in die Pflichtberatung kommen schreibt sie. Und längst nicht alle befänden sich in einem Konflikt. Die meisten seien "sehr wohl in der Lage, widerstreitende Gefühle und Gedanken abzuwägen und sich sehr schnell klar, welcher in ihrer aktuellen Situation der bessere Weg ist". Allen Frauen sei aber gemein, dass sie mit dem Strafgesetz in Konflikt geraten, stellt sie fest. Diese Darstellung widerspricht der Version von Abtreibungsgegnern, das sie gern über ungewollt Schwangere verbreiten. Frauen soll nach wie vor ein Schuldkomplex eingeredet werden, wenn sie eine Schwangerschaft nicht austragen. Unhaltbare Drohungen und Verwünschungen werden prophezeit, von lebenslangen Traumata bis hin zur Unfruchtbarkeit als Folgen eines Abbruchs.

Jugendliche und Frauen im ganzen Land haben sich mittlerweile aufgemacht, die Abschaffung des 219a zu erreichen. Kundgebungen, Fachtagungen, Diskussionsrunden, Demonstrationen gegen "Märsche für das Leben“ und Mahnwachen vor Beratungseinrichtungen haben stattgefunden. Erklärungen, Solidaritätsbekundungen erhöhten in den letzten Monaten den gesellschaftlichen Druck.

Der Streit um den § 219a StGB ist auch in den Medien breit dargestellt worden: Dass es nach ihm untersagt ist, für Schwangerschaftsabbrüche zu werben, wenn mit ihnen ein Vermögensvorteilt erzielt werden kann, was nach gängiger Rechtsprechung jede Information mit einschließt, wirkt widersinnig und seltsam antiquiert im Internetzeitalter. Ist es ja auch. Und er bewirkt seit Jahren, dass Ärztinnen und Ärzte, die Abbrüche vornehmen, kriminalisiert und Frauen eingeschüchtert werden.

Aber es hat sich viel getan, seit die Ärztin und Feministin Kristina Hänel ihre Online-Petition für die Informationsrechte von Frauen und für ihr Berufsrecht als Ärztin startete und damit eine neue Frauen- und Menschenrechtsbewegung entfachte. Frauen wie Männer, Medizinerinnen und Mediziner, Verbände, Parteien, Landtags- und Bundestagsfraktionen, Studierende, Christinnen und Christen, Juristinnen und Juristen debattieren leidenschaftlich und streitvoll über die Abschaffung des § 219a StGB.

Würde es nach der Mehrheit der Bevölkerung gehen, wäre der 219a bereits Geschichte: Die breite Mehrheit lehnt ihn ab. Und fast wäre es soweit gewesen: Noch bevor der Koalitionsvertrag zwischen CDU/CSU und SPD unterzeichnet wurde, hatte sich nach Grünen und Linken auch die SPD festgelegt, den 219a zu kippen. Die FDP sah die komplette Streichung als eine mögliche Option. Einen Tag vor der Kanzlerinnenwahl zog der Fraktionsvorstand der SPD den Gesetzesantrag zurück. Selbst eine für Mitte April bereits angedachte Anhörung im Fachausschuss des Bundestages blockierte sie mit einem Mal. Die Blamage für die SPD aber auch Wut und der Ärger waren groß.

Der Druck lässt nicht nach. Auch immer mehr Ärztinnen und Ärzte trauen sich aus ihrer Deckung und bekennen sich, berichten über Anzeigen gegen sie wie Nora Szász und ihre Kollegin Natascha Nicklaus. Wie bereits die Ärztinnen und Ärzte, die auf den Taz-Titelbild im November offenbarten: Wir führen Schwangerschaftsabbrüche durch.

Zuletzt positionierte sich der Präsident der Bundesärztekammer, Prof. Dr. Frank Montgomery: Er plädierte zunächst für die Abschaffung, schlug aber wenige Tage später nur noch vor, dass eine zentrale Liste erstellt werden könne, auf denen Ärztinnen und Ärzte stehen, die Abbrüche vornehmen. Eine Vorschlag, der nicht nur beim Arbeitskreis Frauengesundheit scharfen Protest hervorgerufen hat. Sie schrieben im Vorweg des Ärztetages einen Brief: Die Nennung in einer Liste von Ärzt*innen, die bereit sind Schwangerschaftsabbrüche durchzuführen, bedeute in der momentanen Situation, sich schutzlos den Angriffen und Diffamierungen der Abtreibungsgegner auszusetzen. Diesen Ängsten und dem Druck würde sich kaum eine Kollegin/ein Kollege freiwillig ausliefern, solange der § 219a in seiner jetzigen Form bestehen bliebe, heißt es unter anderem.

Am 8. Mai fand in Hamburg eine von pro familia und dem FPZ durchgeführte internationale offene Fachtagung statt. Sie befasste sich mit dem Recht auf Information, den Berufsrechten von Ärztinnen und Ärzten und den Folgen der strafrechtlichen Repressionen. Die Ärztin Kristina Hänel, der österreichische Arzt Christian Fiala, die Juristin Ulrike Lembke, die Frauenärztin Helga Seyler und die langjährige Bundesvorstandsfrau von pro familia, Ulrike Busch, hielten Vorträge.

Die Informationsrechte von Frauen und die Berufsrechte von Ärztinnen und Ärzte sind zum Spielball der Politik geworden. Denn es wird – obwohl es bei § 219a StGB nicht um die generelle Frage Schwangerschaftsabbruch ja oder nein geht – sehr grundsätzlich über das Recht von Frauen gestritten, eine Schwangerschaft unterbrechen zu können. Behörden müssen sich die Frage gefallen lassen, warum sie nicht nach dem Vorbild Hamburgs bereits seit langem Listen auf ihren Websites veröffentlichen, auf denen sie darüber informieren, wo Frauen detailliertere Informationen erhalten. Berlin und Bremen werden allerdings ebenfalls bald Listen online setzen. (Anm.: inzwischen hat der Berliner Senat die Liste veröffentlicht) Sie sind eine gute Ergänzung zu dem eigenständigen Informationsrecht von Ärztinnen und Ärzten, reichen aber nicht aus.

Was sind die Alternativen?

  1. Statt des § 219a StGB brauchen Frauen eine gute Informationsstruktur. Denn die gibt es nicht, auch wenn einige hartnäckig das Gegenteil behaupten – den Beweis aber schuldig bleiben.

  2. Ärztinnen und Ärzte müssen das Recht bekommen, nach eigenem Ermessen und nach Maßgabe ihrer Berufsordnungen über ihre Leistungsspektren zu informieren.

  3. Die Versorgungslage muss verbessert werden: Es braucht mehr Ärztinnen und Ärzte, die Abbrüche vornehmen.

  4. Die Ausbildungsstandards der Medizinerinnen- und Medizinerausbildung muss verbessert werden, es bedarf einer Ausweitung der Lehrinhalte um den am häufigsten durchgeführten gynäkologischen Eingriff.

Grundsätzlich haben Schwangerschaftsabbrüche überhaupt nicht im Strafgesetzbuch verloren. Andere Länder zeigen, dass bei Straffreiheit weniger Abbrüche stattfinden und die Qualität der Frauengesundheit steigt. Hier und heute geht es um etwas anderes: Informations- und Berufsrechte. Wer das aber vermischt, löst damit den Gesellschaftskonflikt nicht auf. Der spielt vielmehr Frauenfeinden in die Hände und verkennt die gesundheitspolitische Verantwortung, dass der Staat die medizinische Versorgung sicherzustellen hat, vor allem in einer Notlage, die ein Schwangerschaftsabbruch immer bedeutet.

Kersten Artus, Vorsitzende pro familia Hamburg, 30. April 2018

fotos: https://solidaritaetfuerkristinahaenel.wordpress.com/

Farkha Festival Komitee ruft zu Spenden für die Solidaritätsarbeit in Gaza auf

CfD communist solidarity dt
zum Text hier
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Hilfswerk der Vereinten Nationen für Palästina-Flüchtlinge

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