Literatur und Kunst

19.04.2024: Die Ampel-Regierung und der Militär-Industrie-Komplex sind dabei, Deutschland "kriegsfähig" zu machen – angefangen von der Bundeswehr über Medien, Krankenhäuser, Unis bis zu Schulen. Dabei wäre es angesichts von weltweiten Kriegen, wachsender Armut und Hunger-, Klima- und Umweltkatastrophen angebracht, sich auf Kants "Zum ewigen Frieden" zu besinnen. Sein 300. Geburtstag (22. April 1724 - 12. Februar 1804) wäre eine Gelegenheit, sich seinen vor dreihundert Jahren gemachten friedensfördernden Vorschlägen anzunähern.

 

Mitte März spielte Immanuel Kants Blick auf die Welt jedenfalls in Leipzig eine Rolle. Auf der dortigen Buchmesse wurde dem israelischen Philosophen Omri Boehm, einem "Kantianer", der Buchpreis für Europäische Verständigung für sein Werk "Radikaler Universalismus" verliehen. Darin plädiert er für eine Rückbesinnung auf Kants praktischer Vernunftsphilosophie, die Boehm als "radikalen Universalismus" bezeichnet, und verteidigt den Universalismus gegen Identitätspolitik und selbstgerechte liberale Demokraten. Kant erhob das Selbstdenken zum Maßstab der Aufklärung: Zu seiner Ethik gehört der zentrale Gedanke, dass man Menschen stets als "Zweck an sich" und nie bloß als "Mittel" behandeln sollte, dass man sie, grob gesagt, nicht instrumentalisieren darf.

https://youtu.be/MECdCLreMi8

 

"Radikaler Universalismus" mit Blick auf Israel-Palästina

In seiner Rede auf der Leipziger Buchmesse sagte Boehm:
"Kants Begriff der Menschheit gilt es als moralische und nicht als biologische Kategorie zu bewahren und damit die Flut des dunklen Posthumanismus einzudämmen, der die identitäre Linke, die identitäre Rechte und - nicht weniger wichtig - die identitäre Mitte infiziert hat, deren vermeintlicher Gegensatz zur Identität allzu oft auf die Brüderlichkeit der Privilegierten hinausläuft.

Wir schauen auf die Kibbuzim an der Grenze zu Gaza am 7. Oktober – als ganze Familien abgeschlachtet, Kinder vor den Augen ihrer Eltern ermordet, Frauen systematisch vergewaltigt wurden - und erleben dann den moralischen Bankrott jener angeblichen Radikalen, die dies 'bewaffneten Widerstand' nennen. Wir schauen auf die Zerstörung des Gazastreifens, die Tötung Tausender Frauen und Kinder, das Verhungern - und erleben dann, wie angebliche liberale Theoretiker eine humanitäre Waffenruhe im Namen der 'Selbstverteidigung' monatelang delegitimieren. In der Auseinandersetzung zwischen den Verfechtern der Doktrin des 'bewaffneten Widerstands' und der Theorie der 'Selbstverteidigung' sehen wir die Öffentlichkeit verdunkelt."[1]

Boehm vertritt die Idee eines jüdisch-palästinensischen binationalen Bundesstaates mit gleichen Rechten für Alle als Alternative zum 1948 gegründeten jüdischen Staat Israel.

"Die Zweistaatenlösung zu unterstützen ist ähnlich, wie den Klimawandel zu leugnen."
Omri Boehm

 

https://youtu.be/yA8b8Zf7Exw
26. Juli 2020

 

"Zum ewigen Frieden", Weltbürgerrecht und allgemeine Hospitalität

Kant Zum ewigen FriedenKants Schrift "Zum ewigen Frieden" (erste Auflage 1795) ist über zwei Jahrhunderte alt. Die in ihr entwickelte Idee des Friedens ist auch heute von beeindruckender Aktualität: vor allem in ihrem nüchternen politischen Realismus und ihrer Skepsis gegenüber schnell wirkenden Heilmitteln. Kant sagt, immerwährender Friede müsse dann keine bloße Idee bleiben, wenn wir es als unsere Pflicht und als berechtigte Hoffnung ansehen, schrittweise und kontinuierlich den Weg in eine friedliche Weltgesellschaft zu gehen.

Wichtigste Voraussetzungen dafür sind: Das Prinzip der Nichteinmischung und die Begründung eines Völkerrechts, fußend auf einem Föderalismus freier Staaten und eines "Weltbürgerrechts und allgemeiner Hospitalität[2]". Mit diesen Forderungen machte er sich auch zu einem Kritiker des Kolonialismus. "Die moralisch-praktische Vernunft in uns spricht ihr unwiderstehliches Veto aus: Es soll kein Krieg sein. Das Völkerrecht soll auf einen Föderalismus freier Staaten gegründet sein."

Im Einzelnen fordert Kant in seiner Schrift:

  • "Es soll kein für sich bestehender Staat (klein oder groß, das gilt hier gleichviel) von einem anderen Staate durch Erhebung, Tausch, Kauf oder Schenkung erworben werden können. Das gilt auch für die Verdingung der Truppen eines Staates an einen anderen."
  • "Stehende Heere sollen mit der Zeit ganz aufhören. Denn sie bedrohen andere Staaten unaufhörlich mit Krieg, durch die Bereitschaft, immer dazu gerüstet zu erscheinen; reizen diese an, sich einander in Menge der Gerüsteten, die keine Grenzen kennt, zu übertreffen."
  • "Kein Staat soll sich in die Verfassung und Regierung eines anderen Staates gewalttätig einmischen."
  • "Es soll sich kein Staat im Kriege mit einem anderen Staat solche Feindseligkeiten erlauben, welche das wechselseitige Zutrauen im künftigen Frieden unmöglich machen müssen. Denn irgendein Vertrauen auf die Denkungsart des Feindes muß mitten im Kriege noch übrigbleiben."

Kant und die Begründung des bürgerlichen Denkens

"Die Lebensgeschichte des Immanuel Kant ist schwer zu beschreiben, Denn er hatte weder Leben noch Geschichte. Er lebte ein mechanisch geordnetes, fast abstraktes Hagestolzenleben in einem stillen, abgelegenen Gäßchen zu Königsberg (…) Sonderbarer Kontrast zwischen dem äußeren Leben des Mannes und seinen zerstörenden, weltzermalenden Gedanken."[3]

"Es war ein Kant, der mit einer beispiellosen Scheidekunst alles zerlegte und auflöste, ein radikaler Revolutionär, dämonischer Nihilist und unbarmherziger Zerstörer des bisherigen Weltbilds. Da war aber auch ein Kant, der nichts anderes war als der kleine Bürger, altpreußisch, protestantisch, pedantisch, konservativ, vor der Staatsallmacht, dem Kirchendogma und der öffentlichen Meinung kapitulierend."[4]

Er war aber auch einer der wenigen von der anfänglich großen Zahl der Anhänger der Französischen Revolution, die dieser zeit seines Lebens treu blieb. "Zu einer Zeit, wo in Königsberg jeder, der die Französische Revolution nicht schlechthin ablehnte, unter dem Namen eines Jakobiners ins schwarze Register kam, ließ sich Kant dadurch nicht abschrecken, an den vornehmsten Tafeln der Revolution das Wort zu reden."[5]

Kant 1

 

Immanuel Kant (22. April 1724 - 12. Februar 1804) hat seine Heimatstadt Königsberg (das heutige Kaliningrad) sein Leben lang nicht verlassen. Seine "Karriere" ist schnell erzählt: Nach dem Studium der Philosophie, Mathematik und Physik an der Universität Königsberg lehrt er ab 1755 als Privatdozent an der Uni. Erst fünfzehn später – da ist er bereits 46 Jahre alt – wird er zum Professor für Metaphysik und Logik an der Universität ernannt. 1781 veröffentlicht er sein Hauptwerk, die "Kritik der reinen Vernunft", sieben Jahre darauf die "Kritik der praktischen Vernunft“. "Zum ewigen Frieden. Ein Philosophischer Entwurf" veröffentlichte er 1795.

Die Titel dieser Schriften sind Programm: Es geht Grunde um die Frage, wie der Mensch Natur und Gesellschaft rational beherrschen kann. Seine Antwort lautet: Allein durch die tätige Vernunft. "Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbst verschuldeten Unmündigkeit. Unmündigkeit ist das Unvermögen, sich seines Verstandes ohne Leitung eines anderen zu bedienen. Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen!"

Das Individuum wird von Kant als Subjekt gesehen, das aktiv zu selbständigen Handlungen und Entscheidungen fähig ist. Das bedeutet einerseits: Erkenntnisoptimismus auf der Grundlage vernünftigen Denkens und Handelns. Andererseits ist damit die Zurückweisung feudal-absolutistischer Autoritäten (Könige, Kirche) verbunden. Es galt nun, einen Weg zu finden, das der Selbständigkeit der Persönlichkeit voll gerecht wird, ohne dass der Blick auf die Mitmenschen verloren geht. Um dieses Spannungsverhältnis aufzulösen, formuliert er seinen "kategorische Imperativ": "Handle so, dass die Maxime deines Willens jederzeit zugleich als Prinzip einer allgemeinen Gesetzgebung gelten könne."

 

Kant Kritik der

 

Das Verdienst Kants besteht – zusammengefasst - nicht nur in der wissenschaftlich-fundierten Zerstörung des theologisch-obrigkeitmäßigen Weltbildes sondern auch in der Zusammenführung des bürgerlichen Denkens zu einem Ganzen. Er fasst dies in den Begriff der "reinen Vernunft". Damit kann das Individuum durch Wahrnehmung seiner persönlichen Interessen und Nutzung seines Verstandes seine persönliche Zukunft und gleichermaßen den Fortschritt der Gesellschaft auf den Weg bringen.

Diese idealistische Sichtweise allgemein-menschlicher Werte wird später Gegenstand der materialistisch-dialektischen Kritik von Marx und Engels sein. Die von Kant postulierten Werte als „allgemeinmenschliche“ gesetzt, sind letzten Endes die "bürgerliche Vernunft und Freiheit" und sind im Kapitalismus für die Ausgebeuteten und Subalternen höchst "unvernünftig" und halten sie in ökonomischer Abhängigkeit und Unfreiheit.

Kant - Rassist oder Anti-Rassist?

Vor vier Jahren, als weltweit Denkmäler von Rassisten und Sklavenhändlern gestürzt wurden, gerieten auch unsere Vorzeige-Denker Hegel und Kant auf die Anklagebank. "Kant war ein Rassist", titelte z.B. die Frankfurter Allgemeine am 23.6.20.

In der folgenden Debatte in den bürgerliche Feuilletons ließen sich folgende "Frontverläufe" ausmachen: Auf der einen Seite die an postkolonialer Theorie geschulten Attacken, munitioniert mit für sich selbst sprechenden Zitaten Kants. Auf der anderen Seite die Versuche, den moralischen Universalismus zu verteidigen, auch mit dem Hinweis, Kants Bemerkungen über Menschenrassen seien in seinem Werk nur randständig, Wem soll man bei dieser widersprüchlichen Ausgangslage also Glauben schenken?

Pauline Kleingeld, Professorin für Philosophie der Universität Groningen und Mitglied der Kant-Kommission der Berlinisch-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften stellt dazu fest: Noch 1788, in "Über den Gebrauch teleologischer Prinzipien in der Philosophie", beruft sich Kant auf eine Hierarchie der "Rassen", um die europäische Kolonialherrschaft zu rechtfertigen. Dann aber passiert etwas, das Kleingeld als "Kants innere Revolution" bezeichnet. Unter dem Eindruck der Französischen und Haitianischen Revolution habe Kant in den 1790er Jahren ernsthaft an einer Revision seiner bisherigen Rechts- und politischen Philosophie zu arbeiten begonnen. Freiheit und Gleichheit waren seine neuen Ideale. Er verzichtete fortan auf jegliche Rassenhierarchie und entsprechende Äußerungen. Doch nicht nur das: "Er hat auch eingesehen, dass die wirkliche Überwindung des Rassismus in seiner Philosophie mehr erforderte als nur die Streichung der Hierarchie: Zum Beispiel hat er die neue Kategorie des Weltbürgerrechts eingeführt und den Kolonialismus aktiv und explizit verurteilt", so Kleingeld. Das Weltbürgerrecht garantiert nach Kant jedem "Erdbürger" die gleichen Rechte. Den Kolonialismus erklärte er für mit dem Weltbürgerrecht unvereinbar - also zum Verbrechen.[6]

Kant und der "ethische Sozialismus"

"Wir deutschen Sozialisten sind stolz darauf, dass wir abstammen nicht nur von Saint-Simon, Fourier und Owen, sondern auch von Kant, Fichte und Hegel," schreibt Friedrich Engels.[7]

Vierzig Jahre später, anlässlich des hundertsten Todestages von Kant, beklagte der marxistische Journalist Franz Mehring allerdings, "dass der heutigen Arbeiterklasse geraten wird, von Marx,‘dem Gefangenen der Doktrin‘, auf den unbestechlichen und unerschütterlichen Wahrheitsforscher Kant zurückzugehen."[8]

Unter der Losung "Zurück zu Kant" bildete der sog. "Neukantianismus" eine einflussreiche Strömung innerhalb der II. Internationale. Der Kapitalismus sei ungerecht und unmoralisch, weil der Arbeiter nicht für sich selbst handeln könne, sondern nur als Mittel gebraucht werde. Der von Kant vertretene kategorische Imperativ sei ein zeitloses Prinzip, in dem auch der Sozialismus gründe. Eduard Bernstein begründete seine theoretische Neuausrichtung der Sozialdemokratie an der Wende zum 20.Jahrhundert wesentlich auf einer neukantianischen Revision des Marxismus.

Unter dem Transparent "Geh mit der Zeit, geh mit der SPD" debattierte ein Parteitag der SPD vom 13. bis zum 15. November 1959 in Bad Godesberg über ein neues Grundsatzprogramm. Darin heißt es über die "Grundwerte des Sozialismus: "Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität sind die Grundwerte des sozialistischen Wollens. Der demokratische Sozialismus, der in Europa in christlicher Ethik, im Humanismus und in der klassischen Philosophie verwurzelt ist, will keine letzten Wahrheiten verkünden."[9]

Die Verheißung, diese drei Grundwerte ohne eine grundlegende Veränderung der Produktions- und Machtverhältnisse erreichen zu können, hat sich – mit Blick auf die heutige Realität – als immer größer werdende Illusion erwiesen.

Als vor zwanzig Jahren Der Spiegel anlässlich seines 200. Todestages Immanuel Kant die Titelgeschichte widmete (Das reine Gold des Denkens), hieß es daraufhin in einem Leserbrief, man solle Kant lieber nicht feiern – habe er doch zu Hegel und Marx geführt. Eben darum sollten wir ihn feiern.

txt: Günther Stamer

Fußnoten

[1] https://www.leipzig.de/news/news/reden-zur-verleihung-des-leipziger-buchpreises-zur-europaeischen-verstaendigung
[2] Hospitalität: freundliches, entgegenkommendes Verhalten gegenüber einem Gast
[3] Heinrich Heine, Zur Geschichte der Religion und Philosophie in Deutschland (1835). In: Heines Werke in fünf Bänden, Berlin/Weimar 1974, Bd 5, S.99/100
[4] Egon Friedell, Kulturgeschichte der Neuzeit (1928),.München o.J. , S. 763
[5] Zit. nach: Immanuel Kant, Zum ewigen Frieden. Ein Philosophischer Entwurf. Reclam, Stuttgart 1983, S. 6 (Einführung)
[6] Zitiert nach ND 22.5.21
[7] Engels am 21.9.1882, MEW 19, S. 188
[8] Franz Mehring, Kant und Marx (1904). In: Aufsätze zur Geschichte der Philosophie, Leipzig 1975, S. 72
[9] Programme der deutschen Sozialdemokratie, Hannover 1963, S. 187

Farkha Festival Komitee ruft zu Spenden für die Solidaritätsarbeit in Gaza auf

CfD communist solidarity dt
zum Text hier
++++++++++++++++++++++++++++++++

UNRWA Gazakrieg Essenausgabe

UNRWA Nothilfeaufruf für Gaza
Vereint in Menschlichkeit, vereint in Aktion

Mehr als 2 Millionen Menschen, darunter 1,7 Millionen Palästina-Flüchtlinge, zahlen den verheerenden Preis für die Eskalation im Gazastreifen.
Zivilisten sterben, während die Welt zusieht. Die Luftangriffe gehen weiter. Familien werden massenweise vertrieben. Lebensrettende Hilfsgüter gehen zur Neige. Der Zugang für humanitäre Hilfe wird nach wie vor verweigert.
Unter diesen Umständen sind Hunderttausende von Vertriebenen in UNRWA-Schulen untergebracht. Tausende unserer humanitären Helfer sind vor Ort, um Hilfe zu leisten, aber Nahrungsmittel, Wasser und andere lebenswichtige Güter werden bald aufgebraucht sein.
Das UNRWA fordert den sofortigen Zugang zu humanitärer Hilfe und die Bereitstellung von Nahrungsmitteln und anderen Hilfsgütern für bedürftige Palästina-Flüchtlinge.
Dies ist ein Moment, der zum Handeln auffordert. Lassen Sie uns gemeinsam für die Menschlichkeit eintreten und denjenigen, die es am meisten brauchen, die dringend benötigte Hilfe bringen.

Hilfswerk der Vereinten Nationen für Palästina-Flüchtlinge

Spenden: https://donate.unrwa.org/gaza/~my-donation


 

EL Star 150

Wir nutzen Cookies auf unserer Website. Einige von ihnen sind essenziell für den Betrieb der Seite, während andere uns helfen, diese Website und die Nutzererfahrung zu verbessern (Tracking Cookies). Sie können selbst entscheiden, ob Sie die Cookies zulassen möchten. Bitte beachten Sie, dass bei einer Ablehnung womöglich nicht mehr alle Funktionalitäten der Seite zur Verfügung stehen.