Max Aub, der großartige Chronist des Spanischen Bürgerkrieges starb vor 50 Jahren
22.07.2022: Er ist nach wie vor ein großer Unbekannter in Deutschland, der am 22. Juli 1972 in Mexiko-Stadt verstorbene Schriftsteller und Theatermann Max Aub - und das auch unter Linken. Der deutsch klingende Name täuscht, denn Aub, Sohn eines deutschen Vaters und einer französischen Mutter, war seinem Selbstverständnis nach ein spanischer Schriftsteller und hat mit dem sechsbändigen Romanwerk "Das Magische Labyrinth" das umfassendste literarische Werk geschaffen, das bis heute dem Spanischen Bürgerkrieg gewidmet ist.
Im zweiten Band ("Theater der Hoffnung") lässt Aub einen Protagonisten das Ziel des Kampfes der Republikaner*innen formulieren: "Wenn wir gewinnen (…) Was wir dann nicht aus Spanien machen werden! Ein freies Spanien, in dem überall gearbeitet wird, ein neues Spanien, in dem jeder hat, was er braucht. Ein Spanien, in dem die Bauern Herren sind über die Erde, die sie bebauen, ein Spanien, in dem alle lesen können, ein Spanien, in dem es genügend Wasser gibt."
Der am 22. Juli 1972 im mexikanischen Exil Verstorbene teilt das Schicksal vieler ins Exil Getriebener. Sie wurden und werden in ihren Heimatländern, für deren dort Lebenden sie ihre Bücher geschrieben haben, kaum wahrgenommen. Für Max Aub und das Franco-Spanien gilt das besonders ausgeprägt.
Erst drei Jahre vor seinem Tod, im August 1969, wurde Aub durch die spanische Regierung ein Touristenvisum erteilt. Mit der Herausgabe seiner Werkausgabe in Spanien wurde erst 2001 begonnen.
In Deutschland wird Aub erst um die Jahrtausendwende durch den Frankfurter Eichborn-Verlag entdeckt. Im Sommer 2003, zu seinem 100. Geburtstag, hatte das Städtchen Aub bei Würzburg, aus dem seine väterlichen Vorfahren stammten, den fernen Schriftsteller zumindest mit einem Symposion gewürdigt.
In der DDR war Aub trotz seiner Anti-Franquistischen und antifaschistischen Haltung eine literarische Persona non grata, weil in der Darstellung der politischen Vielstimmigkeit während des Kampfes um die Spanische Republik die Rolle der Kommunist*innen als zu gering und zu widersprüchlich gewürdigt wurde.
Zur Vita Max Aubs
Geboren wurde Max Aub 1903 als Sohn eines Deutschen und einer Französin in Paris, Nach Ausbruch des 1. Weltkrieges verlässt die Familie Frankreich und lässt sich in Valencia nieder. Dort kam Aub in Kontakt zu den damals berühmtesten spanischen Schriftstellern (unter ihnen Rafael Alberti, Vicente Aleixandre). Im Alter von 22 Jahren veröffentlicht er seinen ersten Gedichtband. In den folgenden Jahren publizierte er weiterhin Gedichte, drei Romane und 1931 sein erstes Theaterstück. Mit seinen Theaterarbeiten nahm er u.a. auch an Festivals in der Sowjetunion und Deutschland teil.
Im September 1936, also zu Beginn des Bürgerkriegs, leitet er ein Theater in Valencia. In seinem Tagebuch hält er fest:"Während des Krieges habe ich keinen Schuß abgegeben. Meine Kurzsichtigkeit hatte mich daran gehindert, und so kämpfte ich an verschiedenen Fronten. Ich machte einen Film, hielt Reden, veranstaltete Ausstellungen und verschaffte Picasso den Auftrag für Guernica."
Aub war 1929 in die Sozialistische Arbeiterpartei Spaniens, PSOE, eingetreten; 1936 wurde er als spanischer Kulturattaché nach Paris entsandt. In dieser Zeit beauftragte er Pablo Picasso mit der Schaffung eines Wandgemäldes für den spanischen Pavillon bei der Weltausstellung von 1937. In Erinnerung an die Vernichtung des baskischen Dorfes durch die deutschen Bomber der Legion Condor entstand das berühmte Bild Guernica.
Nach der Niederlage der Republik beginnt für Aub eine dreijährige Odyssee durch Frankreich, Algerien und Marokko, in deren Verlauf er Haft in Gefängnissen und Konzentrationslagern erdulden muss, so u.a. im berüchtigten Lager Vernet [1] am Fuße der Pyrenäen.
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Im Herbst 1942 gelingt ihm mit Hilfe des mexikanischen Konsuls in Frankreich die Ausreise nach Mexiko. 1949 wird er Professor für Theater an der Universidad Autónoma in Mexiko-Stadt. 1956 nimmt er die mexikanische Staatsbürgerschaft an.
Neben seiner schriftstellerischen Tätigkeit ist er politisch aktiv: So reist er 1966 reist in den Nahen Osten und gründet im Auftrag der UNESCO an der Hebräischen Universität in Jerusalem ein Institut für lateinamerikanische Literatur und lehrt dort bis Februar 1967. Vom 4. bis 11. Januar 1968 nimmt er in Kuba eine Woche lang an einem antiimperialistischen Kongress teil, auf dem prominente Literaten wie Jorge Semprun, der Argentinier Julio Cortázar, Hans Magnus Enzensberger oder der Mexikanische Maler David Álvaro Siqueiros mit Vertretern von antikolonialen Bewegungen diskutieren.
Das Magische Labyrinth
Die Bedeutung Aubs als Schriftsteller gründet vor allem auf seinem Romanzyklus "Das Magische Labyrinth", an dem er von Mitte der vierziger Jahre bis 1968 arbeitet und der ein Solitär in der literarischen Verarbeitung des spanischen Bürgerkrieges darstellt. In deutscher Übersetzung sind diese Bände zwischen 1999 und 2003 im Eichborn-Verlag Frankfurt/Main veröffentlicht worden.
Das magische Labyrinth ("El laberinto mágico"):
- Nichts geht mehr ("Campo cerrado"), 1999
- Theater der Hoffnung. ("Campo abierto"), 1999
- Blutiges Spiel ("Campo de sangre"), 2000
- Die Stunde des Verrats ("Campo del Moro"), 2001
- Am Ende der Flucht ("Campo francés"), 2002
- Bittere Mandeln ("Campo de los almendros"), 2003
Schauplätze des Geschehens sind sowohl die Metropolen Madrid, Barcelona und Valencia als auch die spanische Provinz mit ihren Landschaften und Dörfern. Das Figurenensemble besteht aus Menschen quer durch alle gesellschaftlichen Schichten und politischen Lagern.
Aub beginnt seinen Zyklus wie einen Bildungsroman mit Kapiteln über einen mittelmäßigen Helden. Rafael Serrador, der Bauernsohn, zieht Mitte der dreißiger Jahre im Alter von sechzehn Jahren nach Barcelona, wo er sich als Goldschmiedelehrling und Fabrikarbeiter verdingt. Bald schon sind die nächtlichen Gesprächsrunden in den Cafés fast das Einzige, was wir von ihm erfahren: Die verschiedensten politischen Ideen dringen an seine unbedarften Ohren, die Rhetorik von Monarchisten, Sozialisten, Anarchosyndikalisten und Falangisten der ersten Stunde. Er wechselt die Lager nach Opportunität und tappt im sich radikalisierenden Milieu der Vorkriegsjahre orientierungslos dahin.
Im zweiten Band ,"Theater der Hoffnung", fächert Aub sein Personal noch weiter auf. Er lässt eine Fülle von Figuren auftreten, deren Schicksale eine immense Vielfalt von Meinungen, Positionen und Haltungen zum Krieg und zu den politischen Hintergründen spiegeln. "Das Magische Labyrinth" bevölkert nun Heerscharen von Sinnsuchern, die alle auf der Suche nach der politischen Zauberformel sind. Im Mittelpunkt stehen dabei Mitglieder einer republikanischen Theatertruppe.
Die Bände drei und vier schildern die Ereignisse von Ende 1937 bis zu den letzten Tagen des republikanischen Madrids. Nur selten beschreibt Max Aub direkt die kriegerischen Auseinandersetzungen. Vielmehr porträtiert er einzelne Protagonisten und ihr Verhalten in extremen Situationen. Durch diese individuelle Darstellung von einzelnen Schicksalen wird deutlich, worauf es Max Aub mit diesem Zyklus ankam: obwohl er nie einen Hehl aus seiner republikanisch-demokratischen Gesinnung und seiner Sympathie für Sozialismus und Kommunismus macht, prangert er vor allem die Gräuel des Krieges an.
Die letzten beiden Bände handeln von den letzten Kriegstagen im Hafen von Alicante, wo zahlreiche Republikaner*innen – meist vergeblich – auf Schiffe warteten, um den Massenhinrichtungen der Franco-Soldateska zu entgehen. Geschildert werden die Flucht nach Frankreich und die dortigen Internierungen in Konzentrationslagern.
Der fünfte Band des Zyklus ("Am Ende der Flucht") spielt im französischen Lager Vernet.
Dort treffen die unterschiedlichsten Menschen aufeinander: geflohene Republikaner, politische Gefangene, Akademiker, Stadtstreicher, gewöhnliche Kriminelle. Indem Aub sie zu Wort kommen lässt,- etliche wie den Professor Radványi, den Mann von Anna Seghers hat er dort selbst kennen gelernt - entsteht ein bewegendes, ein deprimierendes Bild des Übergangs in der Zeit zwischen der Niederlage der Spanischen Republik und dem nahenden Faschismus.
In Aubs Romanzyklus über den Spanischen Bürgerkrieg, gibt es keine klare Grenze zwischen Fiktion und Geschichte. Ist der 1. Band ("Nichts geht mehr") noch zu einem großen Teil in der Tradition eines "Bildungsromans" mit einer Hauptfigur (Rafael Serrador) geschrieben, verändert sich in den folgenden Bänden die Sichtweise weg von einem im Hintergrund ordnenden Erzähler in Richtung Dokumentarischem: Dem Theater entlehnte Dialogformen, die Wiedergabe von Briefen und amtlichen Schriftstücken gewinnen an Raum. "Von 'Bittere Mandeln' dem letzten Roman des 'Magischen Labyrints' könnte ich tatsächlich sagen, dass ich fünfzehn oder zwanzig Jahre an ihm geschrieben habe. Ungelogen! Sobald ich jemanden traf, irgend jemanden, der die letzten drei Kriegstage in Alicabte miterlebt hat, fragte ich ihn nach seinen Erlebnissen", so Max Aub in einem Interview zur Entstehungsgeschichte.
https://www.facebook.com/fundacion.maxaub |
Nach eigenen Angaben verfolgte Aub mit dem Magischen Labyrinth zwei Ziele. Zum einen war ihm an einer intensiven Aufarbeitung des Bürgerkrieges gelegen. Tragischerweise erreichte er im Franco-Spanien kaum Leser, da seine Bücher verboten waren. Gleichzeitig, und da findet sich der zweite Grund, widersetze er sich mit dem Magischen Labyrinth der offiziellen Geschichtsschreibung des Franco-Regimes, indem er eine Rekonstruktion der Geschichte aus der Perspektive der Besiegten unternahm.
Wer sich mit der Spanischen Republik und dem Bürgerkrieg beschäftigen will und Lust hat, in ein 3.000 seitiges Literaturerlebnis einzutauchen, ist bei Max Aub und seinem "Magischen Labyrinth" bestens aufgehoben. "Das Magische Labyrinth" gibt es auch als Hörbuch.
Max Aub: Bücher und Hörbücher : https://www.perlentaucher.de/autor/max-aub.html
Anmerkungen
[1] siehe auch: "Die Männer von Vernet" von Dirk Krüger
https://kommunisten.de/rubriken/kultur/7741-die-maenner-von-vernet