Literatur und Kunst

gerd fuchs heimwege cover nautilus11.05.2016: Gerd Fuchs, der bundesdeutsche Schriftsteller, der seit den späten 60er Jahren die deutsche Geschichte und Gegenwart literarisch kritisch begleitet hat, ist am 13. April 83jährig in Hamburg verstorben. Gemeinsam mit Heinar Kipphardt und Uwe Timm war er von 1973 bis 1982 Mitherausgeber der AutorenEdition, die für den Versuch einer neuen realistischen Prosa und zugleich für ein neues verlegerisches Modell in der Bundesrepublik stand, in der ein Autoren-Kollektiv bestimmte, welche Bücher verlegt werden und nicht die Verlagsvertreter.

Die Basis dafür bot zunächst der Bertelsmann-Verlag, später der Athenäum-Verlag. „Angestrebt wird eine realistische Schreibweise. Nicht die Schreibschwierigkeiten des Autors angesichts einer widersprüchlichen Realität, sondern die Realität selber ist das Thema der AutorenEdition,“ so die inhaltliche Plattform. Auch nach dem Ende des Projekts blieb Gerd Fuchs diesem schriftstellerischen  Anspruch treu.

„Zeitweilig zog es ihn weit nach links“ schreibt die Frankfurter Rundschau (27.4.16) in ihrem Nachruf. Ja, er gehörte seit Anfang der 70er Jahre zu den zahlreichen Künstlern, die mit ihren Werken in und mit der DKP ihren Beitrag für gesellschaftliche Veränderungen in der Bundesrepublik geleistet haben. „Gut gemeint gilt nicht; am Schreibtisch so wenig wie an der Werkbank. Aber noch der vermeintlich gelungenste ästhetische Ausdruck ist nichts wert, wenn er auf die Verbreitung von Unwissenheit abzielt, auf stillschweigendes Hinnehmen oder gar Verherrlichung von Ausbeutung und Krieg.“ Diesem Credo, das ihm sein Schriftstellerfreund Hermann Peter Piwitt zu seinem 50. Geburtstag attestiert hatte (UZ 14.9.82) war Gerd Fuchs zeit seines Lebens verpflichtet. Das hatte zur Folge, dass der „Kulturbetrieb“ und die öffentlichen Medien ab Mitte der 80er Jahre  im Zuge der der Republik verordneten „geistig-moralischen Wende“ immer weniger mit seinen Werken anfangen konnten und es stiller um ihn wurde. Erst Anfang des neuen Jahrtausends und mit tätiger Unterstützung seines neuen Verlages, der „Edition Nautilus“, wurde er im literarischen Betrieb wieder wahrgenommen – vor allem mit seinem Roman „Die Auswanderer“ (2003).

Deutsche Geschichte – von unten erzählt

In Gerd Fuchs' Erzählungen und Romanen geht es um individuelle, aber gesellschaftlich verursachte Identitätsverunsicherungen und -suchen in konkret verorteten Phasen der jüngeren und jüngsten Zeitgeschichte. Seine Werke können so als eine „Geschichte von unten“ gelesen werden, in denen die sog. „einfachen Menschen“ im Mittelpunkt stehen, mit ihrem ganzen Leben, ihren Hoffnungen und Enttäuschungen. So erzählt er in seinem Erstling „Landru und andere“ (1966) in Momentaufnahmen vor allem von Konfrontationen mit Weltkrieg und Faschismus und deren Nachwirkungen bis in die Gegenwart der 60er Jahre hinein. In „Beringer und die lange Wut“ (1973) geht es um die Entwicklungsgeschichte und Politisierung eines Intellektuellen Anfang der 1970er Jahre, als die studentenbewegten Köpfe nach Orientierungen suchten. Zum Ende des Buches heißt es im Gespräch zwischen dem Arbeiter Kern und dem Studenten Beringer: „Ich glaube, dass es keine Grenze für das Elend gibt, sagte Kern. Wo es ganz von selbst umschlägt. Wo die Menschen sagen, jetzt ist es genug. Den Punkt gibt es nicht. Es sei denn, sie können sich verständigen über ihr Elend und wie man es abschafft. Das ist es, die Verständigung. Die aber muss organisiert werden. Die Organisation, das ist das Entscheidende. Er meint nicht die Gewerkschaft, er meint die Partei, dachte Beringer.“

„Ein Mann fürs Leben“ (1978) – sein erfolgreichsten Buch, das mit Manfred Krug und Hannelore Hoger in den Hauptrollen 1980 verfilmt wurde -  handelt von dem arbeitslos gewordenen Dreher Heinz Mattek und den verheerenden Auswirkungen von Arbeitslosigkeit in Bezug auf Partnerschaft und „gesellschaftlicher Teilhabe“, wie man heute sagt. Seinerzeit aber ein Thema, das in der Literatur und im Fernsehen so gut wie nicht vorkam.

In „Stunde Null“ (1981) untersucht Fuchs mit einem breit aufgestellten Personal die Situation der Menschen eines Dorfes im Hunsrück ( in einem Hunsrück-Dorf ist Fuchs geboren und aufgewachsen) in den letzten Tagen des Zweiten Weltkriegs und in den ersten Nachkriegsjahren. Da werden dem Leser Kriegsheimkehrer, Schieber, Nazis, Mitläufer, Verführte aber auch Antifaschisten plastisch vor Augen geführt. In seinem folgenden Buch bleibt der Hunsrück Schauplatz des Geschehens. Im „Schinderhannes“ (1986) erzählt Gerd Fuchs vielschichtig die Geschichte des legendären Räuberhauptmanns Johannes Bückler, genannt Schinderhannes, um den sich schon zu Lebzeiten ein romantischer Robin-Hood-Mythos rankte. In der Epoche des gesellschaftlichen Umbruchs nach der französischen Revolution stand der Schinderhannes für die Hoffnung auf eine bessere Welt – auch für eine sozial gerechtere Welt, in der auch die Armen ihr Auskommen finden. Dies erwies sich als trügerisch, da die im Entstehen begriffene bürgerliche Welt eine kapitalistische war. Und so war wohl kein Zufall, dass Bückler in Mainz hingerichtet wurde, der Stadt, in der elf Jahre zuvor die jakobinische Mainzer Republik ausgerufen worden war. „Als er am 21. November 1803 in Mainz geköpft wurde,waren dreißigtausend Menschen da. Kein beliebiger Verbrecher sollte da geköpft werden. Da sollte eine Hoffnung geköpft werden, eine irrwitzige, wilde Hoffnung auf eine Herrschaft, die nicht in Frack und steifem Hut ging, sondern im Kittel kam.“

“Katharinas Nacht“ (1992), das die Zeit des aufkommenden Faschismus im Saarland kurz vor der Saarabstimmung 1935 zum Thema hat und stilistisch sicher eines der besten Bücher von Fuchs ist, wird von der Literaturkritik aber kaum noch zur Kenntnis genommen, ebenso wie sein thematisch erster gesamt- deutscher mit viel Esprit und Selbstironie gespickter Schelmenroman „Schußfahrt“ (1995).

„Niemand wandert ohne Not aus, niemand wandert ohne Hoffnung aus. Auch heute noch sind Millionen unterwegs.“

Im Jahre 2001 durfte Gerd Fuchs, der seit Anfang der 70er Jahre in Hamburg lebte, im noblen Übersee-Club lesen - eine Ehre, die man in Hamburg sehr selten vergibt. Er war gebeten worden, aus den Vorarbeiten zu seinem Roman „Die Auswanderer“ zu lesen, quasi als Illustration auf ein gerade in Hamburg aktuelles historisches Thema: „Hamburg Emigration. Link To Your Roots“. Die vor 100 Jahren errichteten Auswanderhallen in Hamburg-Veddel wurden seinerzeit als Auswanderer-Museum eröffnet – Hamburg das Tor zur Welt.

Für den Bau von „Auswanderhallen“ hatte sich Ende des 19. Jahrhunderts insbesondere die Hamburger Reederei Hapag eingesetzt, die den Großteil der Auswanderer über den Atlantik beförderte. Im Volksmund wurde Hapag deshalb auch mit „Haben alle Passagiere auch Geld?“ umformuliert. Um das einträgliche Geschäft mit den Emigranten effektiv betreiben zu können, ließ Generaldirektor Albert Ballin auf der Elbinsel Veddel ein „Auswanderstädtchen“ errichten, das zum Wartesaal für die Neue Welt werden sollte. Damit verdiente die Reederei schon mit, bevor die Emigranten überhaupt die Hapag-Schiffe betraten. In den ersten zwölf Monaten passierten fast hunderttausend  Menschen das Durchgangslager, vorwiegend aus Polen, Russland, Galizien, Rumänien und der Ukraine.

Gerd Fuchs schildert in seinem Buch einige fiktive Lebensgeschichten dieser von Hamburg aus mit den Hapag-Auswandererschiffen nach Nordamerika emigrierenden Menschen (so von einem Hapag-Werber, einer vor einem Pogrom geflüchteten jüdischen Familie aus Russland, einem flüchtigen Rekruten, einem Hamburger Werftarbeiter) und verknüpft diese Schicksale zu einem aufwühlenden Roman. Hieraus las er also vor den hanseatischen Honoratioren und Geldsäcken und hoffte auf Diskussion, aber: „Ich las, man hörte artig zu und anschließend haben wir gegessen. Das war alles.“

Seine eigene Geschichte hat Gerd Fuchs in „Heimwege“ (2010) beschrieben – eine Autobiografie aus Momentaufnahmen und Schlaglichtern sowie ein poetischer Rückblick auf das Werden eines Schriftstellers. Mit all den Facetten, die sein Schreiben ausmachten : idyllisch, komisch, ironisch, bitter und milde.                                                                                                                           

Text: Günther Stamer

Lieferbare Titel von Gerd Fuchs: www.edition-nautilus.de

Farkha Festival Komitee ruft zu Spenden für die Solidaritätsarbeit in Gaza auf

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Hilfswerk der Vereinten Nationen für Palästina-Flüchtlinge

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