02.08.2013: Vor 50 Jahren, Mitte 1963, erscheint das zweite Album von Bob Dylan. The Freewheelin’ Bob Dylan wird sein künstlerischer und kommerzieller Durchbruch. Das Album, durch das Dylan erstmalig das einer breiten Öffentlichkeit zum ersten Mal bekannt wird, beginnt mit dem Lied Blowin’ in the Wind, welches das meistgespielte seiner Karriere werden sollte. Dieses Lied, zusammen mit Masters of war und Times are a-changing (das ein Jahr später auf seinem 3. Album erscheint) werden zu Hymnen des geselllschaftlichen Aufbruchs der Bürgerrechts- und Friedensbewegung in den USA und in Europa.
Auf dem Newport Folk Festival, dem Mekka der nordamerikanischen Folkszene, (das es übrigens immer noch gibt) tritt Dylan 1963 erstmals mit dem Lied vor 45.000 Zuhörer_innen auf. Der Abschluss des Festivals bildet das gemeinsame Singen von Blowin’ in the Wind, bei dem Dylan beim Finale gemeinsam mit Joan Baez, Peter, Paul and Mary, den Freedom Singers und Pete Seeger auf der Bühne steht. Im August ist Dylan beim großen Bürgerrechtsmarsch der 250.000 in Washingten für die gleichen Rechte der farbigen Bevölkerung dabei und singt unmittelbar nach Martin Luther Kings Rede "I have a dream".
Fortan ist das Lied auch in der bundesdeutschen Ostermarschbewegung der 60er Jahre neben "We shall overcome" ein fester Bestandteil des musikalischen Repertoires.
Und auch auf seinem einzigen Konzert in der DDR spielte Dylan am 17. September 1987 vor 70.000 Zuhörer_innen im Treptower Park in Berlin sein „Blowin' in the Wind“.
Neben diesem politisch eher unverbindlichen Friedenslied sind auf Dylans '63er Album eine Reihe von Songs, die kritisch zur gesellschaftlichen Situation in den USA Anfang der 60er Jahre Stellung beziehen.
In Masters of War heißt es in der ersten Strophe
„ Kommt, ihr Meister des Krieges, / Die ihr all die Kanonen baut, / All die Flugzeuge des Todes. /
Die tonnenschwere Bomben, / Ihr, die ihr hinter Mauern / Und Schreibtischen euch versteckt: /
Ich hab hinter eurer Maske / Euer wahres Gesicht entdeckt.“
Und zum Schluss wünscht Dylan den Waffenhändlern, den Vertretern des militärisch-industriellen Komplexes, den schnellstmöglichen Trod an den Hals. Als Dylan 1991 den Grammy für sein Lebenswerk erhält, spielt er dort als Dank diesen Song. Es war dies zur Zeit des ersten Golfkrieges unter Bush sen.
In Oxford Town brandmarkt er rassistische Morde:
„Oxford Town, am Nachmittag / Da wird getrauert und geklagt / Zwei liegen tot unterm Mississippi-Mond / Bleiben ihre Mörder verschont?“
Im Talkin' World War III Blues macht er sich über die grassierende Kommunistenfurcht lustig. Ursprünglich hatte Dylan für das Album einen weitaus schärferen Song zum selben Thema vorgesehen, den Talkin' John Birch Paranoid Blues : Darin berichtet er von einem jungen Mann, der in den USA überall Kommunisten am Werk sieht und deshalb der extrem antikommunistischen John Birch Society beitritt (die es übrigens bis heute gibt und z.B. an vorderste Front gegen die „sozialistische“ gesetzliche Krankenversicherung kämpft) und in deren Mission kommunistischen Umtrieben auf der Spur ist. Am Ende entlarvt er dann sogar Präsident Eisenhower als russischen Spion. Dieser Song wurde dann auf Geheiß der Plattenbosse nicht in das Album aufgenommen – ebenso wenig wie Dylan diesen Song in der berühmten Ed Sullivan Show singen durfte – woraufhin er den dortigen Auftritt ganz absagte.
1963/64 glaubten viele Aktivisten der Bürgerechts- und Friedenbewegung, in Dylan einen Hoffnungsträger und einen beständigen Weggenossen für grundlegende gesellschaftliche Veränderungen zu finden. Dies aber war Dylans Sache nicht. „Wer immer es ist, den ihr sucht, ich bis es nicht“, lautete seine Lebensmaxime – und war damit natürlich als politische und künstlerische Identifikationsfigur aus dem Rennen. Erklärungsversuche für die Wandlungen des Bob Dylan in weltanschaulicher und musikalischer Hinsicht in seiner nunmehr über 50jährigen Karriere gibt es zuhauf. Unbestritten ist, dass seine Songs wichtige Inspirationen sowohl für viele Zuhörer seiner Musik als auch für viele Musiker seiner Generation und nachfolgender gegeben haben.
Seine alten Songs spielt Bob Dylan auch heute noch. Doch anders als bei Oldie-Parties oder Karaoke-Veranstaltungen kennt man die Songs oftmals auf Anhieb nicht wieder. Er verändert sie musikalisch, wandelt Harmonien in Dissonanzen um, zertrümmert Melodienfolgen. Die dadurch hervorgerufene Distanz zu diesen bekannten Liedern erfordert von den Zuhörern, sich neu auf diese Lieder einzulassen, noch einmal neu hinzuhören.
Text: Günther Stamer Foto: FOTOROCK&ROLL