24.06.2013: Angela Davis: "Wir fechten dieselben Kämpfe jedes Jahr neu aus. Sie werden nie für die Ewigkeit gewonnen, aber in dem Prozess, in dem wir gemeinsam kämpfen, lernen wir neue Möglichkeiten zu erkennen, die wir sonst nie gesehen hätten, und so bereichern wir unsere Vorstellung von Freiheit."
Ein Buchtipp von Jürgen Köster
Vor nun über 40 Jahren setzten sich Hunderte von Millionen Menschen in der ganzen Welt für das Leben der US-amerikanischen Bürgerrechtskämpferin Angela Davis ein, die wegen Mordes, Kidnapping und Verschwörung zum Tode verurteilt werden sollte. Die Solidaritätsbewegung hatte schließlich Erfolg - Angela Davis musste von allen Anklagepunkten 1972 freigesprochen und freigelassen werden.
Sie wurde Professorin, lehrte an verschiedenen Universitäten der USA, in den letzten 15 Jahren an der Universität Kaliforniens Santa Cruz, wo sie jetzt emeritierte Professorin für die Geschichte des Bewusstseins und für Feministische Studien ist. Aber nicht ihre akademische Karriere, sondern ihr bis heute und all die Jahrzehnte durchgehaltenes Engagement gegen alle Formen von Unterdrückung und für vollständige Demokratie haben sie zu einer der führenden radikalen Intellektuellen der USA gemacht. So hält sie immer wieder vielbeachtete Vorträge an Universitäten und bei verschiedensten Organisationen; die neuesten von Mai und Juni 2013 können beispielsweise bei www.youtube.de angesehen und angehört werden.
Damals (vgl. Bettina Aptheker, The Morning Breaks, The Trial of Angela Davis, 2nd Ed., Ithaca and London 1999, vgl. auch den neuen Film von 2013, 'Free Angela and all Political Prisoners") erschien Angela Davis als das perfekte Opfer der Staatsmaschinerie auf verschiedenen Ebenen: Als Schwarze, als Kommunistin, als Frau und besonders in dieser Kombination. Um so wichtiger ihre Befreiung.
In ihren späteren Studien ging und geht es ihr immer darum, den Zusammenhang zwischen diesen Formen der Unterdrückung und damit den verschiedenen Widerstandsbewegungen herzustellen, um so einen möglichst umfassenden Kampf zu ermöglichen gegen das, was sie heute immer wieder als den gemeinsamen Gegner definiert - den heutigen internationalen Monopolkapitalismus, nämlich den Neoliberalismus und seine menschenfeindliche Logik sowie seine Machtmechanismen.
Wenn man den Kampf gegen die verschiedenen Ebenen der Unterdrückung nicht verbindet, sondern nur eines dieser Themen sieht, kann man leicht in gefährliche Schieflagen geraten. So Davis am Beispiel eines Schwerpunktes ihrer Studien in den letzten 15 Jahren, der Entwicklung eines 'Gefängnis-industriellen Komplexes' in den USA (über zwei Millionen US-Bürgern sitzen durchschnittlich jeden Tag hinter Gittern, die Gefängnisse werden privatisiert, aus Zwangsarbeiten der Gefangenen entstehen riesige Profite für die Konzerne). Bei Flucht aus dem Gefängnis können männliche Gefangene sofort erschossen werden, bei weiblichen muss erst ein Warnschuss erfolgen. Also gibt es - tatsächlich - die Forderung aus einer bestimmten feministischen Richtung, dass auch flüchtende Frauen ohne Warnschuss sofort erschossen werden können, damit die Gleichberechtigung hergestellt wird (S. 78).
Angela Davis ist immer bemüht, alle Gegenkräfte zusammenzuführen. Deshalb belässt sie ihre Zuhörerschaft nie in der Bestätigung der bisherigen Einsichten, sondern versucht, neue Zusammenhänge herzustellen. So redet sie beispielsweise vor Gewerkschaftern über lesbische Frauen, vor lesbischen Frauen über die Klassenfrage. Und vor allen darüber, wie diese Kämpfe mit dem gemeinsamen Gegner zusammenhängen.
Dies tut sie schon seit ihren Büchern 'Women, Race and Class' (deutsch: 'Rassismus und Sexismus' , Westberlin 1982), 'Women, Culture and Politics' (1984), ihrer wunderbaren Studie über 'Blues Legacies and Black Feminism'(1998), nämlich über die Bluessängerinnen Gertrude Rainey, Bessie Smith und Billie Holiday und seit 'Are Prisons Obsolete?' (2003), ihrer wegweisenden Studie über das Gefängnissystem und seine Verwurzelung in der Sklaverei, sowie in 'Abolition Democracy' (2005), wo sie mit Verweis auf die Bewegung zur Abschaffung der Sklaverei zu einer neuen Bewegung aufruft, in der es diesmal um die Abschaffung aller Unterdrückungsformen gegen echte Demokratie auf allen Ebenen geht - immer im Kampf gegen das globalisierte Monopolkapital und seine Interessen.
So findet man Angela Davis 2013 selbstverständlich bei aktuellen Demonstrationen der 'Blockupy' und ähnlichen Bewegungen.
'The Meaning of Freedom' , die Bedeutung von Freiheit, das neue Buch von Angela Davis, versammelt bisher unveröffentlichte Vorträge zu diesen und verwandten Themen, die sie zwischen 1994 und 2009 gehalten hat. Immer stellt sie aus ihrem ganzen Lebensweg die Zusammenhänge her, immer erinnert sie die ZuhörerInnen oder jetzt LeserInnen daran, dass einmal erkämpfte demokratische Möglichkeiten nie gesichert sind, sondern angesichts des Gegners immer neu verteidigt werden müssen. Die Bedeutung der Freiheit ist für sie immer nur im Kampf vorstellbar und stellt sich auch nur so her.
Die jüngste der zwölf Reden, 'Difficult Dialogues' (Schwierige Dialog) von 2009, beendet das Buch mit den Worten "Wir fechten dieselben Kämpfe jedes Jahr neu aus. Sie werden nie für die Ewigkeit gewonnen, aber in dem Prozess, in dem wir gemeinsam kämpfen, lernen wir neue Möglichkeiten zu erkennen, die wir sonst nie gesehen hätten, und so bereichern wir unsere Vorstellung von Freiheit." (S. 198)
Angela Y. Davis, The Meaning of Freedom and Other Difficult Dialogues, San Francisco 2012, 201 Seiten.
txt: Jürgen Köster