06.03.2013: Sie nennen sich schlicht Weber-Herzog Musiktheater, doch der Theatertrupp um Christa Weber (Regisseurin, Texterin, Schauspielerin und Sängerin) und ihren Komponisten und Pianisten Christof Herzog hätte wohl auch gegen die Bezeichnung als Agitproptheater keine Einwände. Weber und Herzog treten seit den späten 1980er Jahren zuerst in München, später in Berlin auf diversen Bühnen, aber auch als Straßentheater bei Demonstrationen mit politisch links engagierten Stücken auf, darunter „Sieben Witwen“, ein Stück über den Bundeswehrkrieg in Afghanistan mit Liedtexten von Erich Mühsam, oder zuletzt 2012 die Kantate „Friede den Hütten – Krieg den Palästen“ nach Georg Büchners Klassiker „Der Hessische Landbote“. Die Besetzung ihrer Stücke rekrutierten die beiden für jede Inszenierung neu, umso mehr erstaunt die hohe Professionalität ihrer oft im a-capella-Gesang vorgetragenen Stücke. In den Berliner Sophiensälen gab es jetzt die Uraufführung ihrer Politkantate „Friederich der Wüterich“, wiederum eine gelungene Mischung aus altem deutschem Kulturgut – diesmal „Struwwelpeter“ und „Max und Moritz“ – und leider allzu brandaktuellem Zeitgeschehen wie dem Treiben der Terroristen des NSU.
Wilhelm Buschs zwei Lausbuben überbieten Weber/Herzog gar noch um ein paar Streiche in ihrem großen Rundumschlag gegen den rechten Sumpf und seine Verfilzungen mit staatlichen Stellen. Doch sie bleiben bei der Beschreibung der Fakten nicht stehen. In einem Duett zwischen Polis und Moneta (Politik und Geld) wird auf satirische Weise deutlich, welche Funktion die wirklich Mächtigen im Staat den braunen Horden zugedacht haben: als Unruhestifter in ruhigen Zeiten, die aber durchaus handfest eingesetzt werden sollen, wenn das Volk einmal aufmüpfiger werden sollte und die Herrschaft nur noch „mit den alten Methoden“, also offenem Faschismus zu sichern ist. Dass der nicht unbedingt mehr einen „Führer“ braucht, sondern durch zahlreiche einflussreiche Einflüsterer aus Wissenschaft, Justiz und Medien vom Historiker Ernst Nolte bis zu Autoren wie Wüllenweber und Sarrazin herbeigeredet werden kann, belegen gut ausgewählte Zitate.
Den Himmel, so scheint es in diesem Stück, haben die Nazis schon längst erobert, und so hat ein junger Türke, den die NSU-Mörder umgebracht haben, an der Himmelspforte keine Gnade zu erwarten, noch dazu, wenn er sich erdreistet, Nazim Hikmets Zeilen „Leben, einzeln und frei wie ein Baum und dabei brüderlich wie ein Wald, das ist unsere Sehnsucht“ zu zitieren. Als gleich darauf ein junger Mann namens Uwe Mundlos anklopft, wird ihm nicht nur aufgemacht; „Gott mit uns“ stand schließlich auf dem Koppelschloss der Nazi-Wehrmacht, und so wird man Mundlos seine Mordtaten, die er freimütig mit nationalistischem Gedröhne bekennt, wohl mit einem Ehrenplatz gleich neben Gott vergelten. Auf Erden sorgt derweil ein Staatsanwalt, der der selbstverständlich „unabhängigen“ Justitia seine Direktiven diktiert, dafür, dass rechten Tätern vor Gericht nicht allzu viel Ungemach geschieht.
Fast ein wenig zu voll scheint die Revue braunen Ungeists, in der auch noch Stichworte wie Gladio, Veldensteiner Kreis und andere fallen, die wohl nur einem sehr politisierten Publikum vertraut sind. Einer wirklich massenhaften Verbreitung von „Friederich der Wüterich“ wird das im Wege stehen, aber das Premierenpublikum stimmte offenbar vorbehaltlos der Warnung zu, mit der das Stück endet: „Wartet nicht auf den elften Streich! Dann kommt der hundertste sogleich.“ Im mehr als ausverkauften Saal dankte es für die nahezu perfekte Darbietung mit kräftigem Applaus.
Text: Hans-Günther Dicks Foto: Weber-Herzog Musiktheater
Die nächste Aufführung in Berlin:
Freitag, den 15 März 18:30 Uhr LiMA (Linke Medienakademie)
siehe: www.lima-akademie.de