13.10.2012: Während die Entscheider der Verleihung des Friedensnobelpreises wieder einmal ihre rückwärts gewandte, die Absichten Alfred Nobels missachtende und den westlichen Imperialismus stützende geistige Orientierung unter Beweis stellten, wurde mit dem Literatur-Nobelpreis für Mo Yan eine Wahl getroffen, die tatsächlich dem Literaten und dem sozialistischen China gerecht wird. Doch während im Westen seine künstlerischen Qualitäten kaum bestritten werden (Martin Walser etwa sieht ihn als "den wichtigsten Schriftsteller unseres Zeitalters" an), regte sich in anderen bürgerlichen Kreisen sofort die Kritik an dem Künstler, weil er diesen "zu fügsam gegenüber dem Regime" sei.
Für die Süddeutsche Zeitung war dabei folgendes besonders verwerflich: "Selbst Bewunderer erschraken in diesem Sommer, als der Verlag des Schriftstellerverbandes beschloss, Mao Zedongs berüchtigte 'Yenaner Reden über Literatur und Kunst' [aus dem Jahre 1942] in einem Prachtband neu aufzulegen. ... Der Clou bei der Neuauflage: Hundert bekannte Schriftsteller pinselten Auszüge der Rede als Kalligrafien nach. Tausend Yuan Lohn gab es für diesen Bückling vor der Unterjochung der eigenen Zunft. Mo Yan machte mit, in seiner Handschrift lassen sich nun Maos Worte bewundern, wonach viele Künstler noch längst nicht 'auf dem Standpunkt des Proletariats und der Volksmassen stehen' - eine Kritik, die unzähligen von ihnen unter dem Großen Vorsitzenden Verfolgung, Folter und den Tod brachte."
Nun ist die erwähnte politische Leitlinie der Kommunisten Chinas aus dem Jahre 1942 allenfalls bei denjenigen 'berüchtigt', die dem Grundgedanken "Dem Volke dienen" feindlich gegenüber stehen. Und der Autor der Zeilen verschweigt sehr bewusst, dass die am Schluss erwähnten Verbrechen sich aus ganz anderen Quellen im Kontext des Kampfes gegen Chruschtschows selbstzerstörerische Politik der Sowjetunion und der Exzesse der falschen Politik der "Kulturrevolution" ergaben - Letzter zwar das Wort 'Kultur' benutzend, aber im Kern ganz andere Zielsetzungen verfolgend, die mit denen der Yenaner Kulturkonferenz von 1942 nichts, aber auch gar nichts zu tun hatten.
Um die Hetze des SZ-Autors und Anderer gegen die offensichtliche Unterstützung der Yenaner Leitlinien der KP Chinas für Literatur und Kunst durch Mo Yan nicht in Allgemeinen zu lassen, seien nachstehend wichtige Passagen des Schlusswortes von Mao Zedong (vollständig als Anlage - s.u.) auf der Yenaner Konferenz (in der Zentrale der befreiten Gebiete im anti-faschistischen Krieg gegen Japan) zitiert:
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Die erste Frage lautet: Für wen ist unsere Literatur und Kunst bestimmt? Eigentlich ist diese Frage von den Marxisten, insbesondere von Lenin, längst beantwortet worden. Schon 1905 betonte Lenin, daß unsere Literatur und Kunst „den Millionen und aber Millionen Werktätigen . . . dienen“ sollen. ...
Gewiß gibt es eine Literatur und eine Kunst, die den Ausbeutern und den Unterdrückern dienen. Bei uns aber dienen Literatur und Kunst ... dem Volk. Wir haben gesagt, daß die neue Kultur Chinas in dem gegenwärtigen Stadium eine antiimperialistische und antifeudale Kultur der Volksmassen unter Führung des Proletariats ist. Wahrhaft volksverbunden ist heute nur das, was unter Führung des Proletariats steht. Alles, was von der Bourgeoisie geführt wird, kann nicht den Volksmassen gehören. Das gilt natürlich auch für die neue Literatur und die neue Kunst als Bestandteile der neuen Kultur. Wir wollen das von früheren Generationen in China und im Ausland hinterlassene reiche literarische und künstlerische Erbe sowie die besten literarischen und künstlerischen Traditionen Chinas und des Auslands übernehmen, wobei aber das Ziel dasselbe bleibt: sie in den Dienst der Volksmassen zu stellen. Wir lehnen es auch nicht ab, die literarischen und künstlerischen Formen vergangener Epochen zu benutzen, aber in unseren Händen werden diese alten Formen — umgestaltet und mit neuem Inhalt erfüllt — zu etwas Revolutionärem im Dienste des Volkes. ...
Wir ermutigen die revolutionären Schriftsteller und Künstler zur aktiven Annäherung an die Arbeiter, Bauern und Soldaten, bieten ihnen die volle Freiheit, unter die Massen zu gehen und eine wahrhaft revolutionäre Literatur und Kunst zu schaffen. Deshalb steht diese Frage hier bei uns kurz vor der Lösung. Aber die nahe Lösung ist noch nicht die vollständige und endgültige Lösung; und eben wegen dieser vollständigen und endgültigen Lösung der Frage ist es notwendig, wie wir sagten, den Marxismus und die Gesellschaft zu studieren. Wenn wir vom Marxismus sprechen, dann meinen wir den lebendigen Marxismus, der im Leben und im Kampf der Massen real wirksam ist, nicht aber den Marxismus in Worten. Wird der Marxismus in Worten in den Marxismus des realen Lebens verwandelt, dann gibt es kein Sektierertum mehr. Und nicht nur die Frage des Sektierertums, sondern auch zahlreiche andere Fragen würden gelöst werden. ...
Sobald die Frage, wem Literatur und Kunst dienen sollen, geklärt ist, muß die Frage beantwortet werden, wie man den Volksmassen zu dienen hat. Um mit den Worten der Genossen zu sprechen: Sollen wir uns um die Hebung des Niveaus oder um die Popularisierung bemühen? In der Vergangenheit haben einige Genossen in gewissem, zuweilen beträchtlichem Maße die Popularisierung mißachtet oder übersehen und in unangebrachter Weise die Hebung des Niveaus übermäßig betont. Auf die Niveauhebung soll man Nachdruck legen, aber es ist ein Fehler, das einseitig, isoliert und übermäßig zu tun. ... Da unsere Literatur und Kunst grundsätzlich den Arbeitern, Bauern und Soldaten dienen sollen, bedeutet Popularisierung, sie unter diesen Menschen zu verbreiten, während Hebung des Niveaus bedeutet, von deren Niveau aus emporzusteigen. ... Wir dürfen nur das popularisieren, was die Arbeiter, Bauern und Soldaten selbst brauchen und was von ihnen bereitwillig aufgenommen wird. Deshalb kommt vor der Aufgabe, die Arbeiter, Bauern und Soldaten zu erziehen, die Aufgabe, von ihnen zu lernen.
Nur wenn wir die Arbeiter, Bauern und Soldaten zum Ausgangspunkt nehmen, können wir die Popularisierung und die Hebung des Niveaus richtig verstehen und die richtige Beziehung zwischen beiden finden. ... Die Werke der Literatur und Kunst als ideologische Form sind das Produkt der Widerspiegelung des Lebens einer gegebenen Gesellschaft im menschlichen Gehirn. Die revolutionäre Literatur und Kunst ist das Produkt der Widerspiegelung des Lebens des Volkes im Bewußtsein der revolutionären Schriftsteller und Künstler. Das Leben des Volkes ist die eigentliche Fundgrube, aus welcher der Stoff für das literarische und künstlerische Schaffen geschürft wird, ein Stoff im Naturzustand, ein roher Stoff, aber zugleich der lebendigste, reichhaltigste, allem zu Grunde liegende Stoff; in diesem Sinne verblaßt vor ihm jegliche Literatur und Kunst, deren unerschöpfliche und einzige Quelle er ist. Das ist die einzige Quelle, denn es kann außer ihr keine andere geben. ...
Die revolutionäre Literatur und Kunst müssen, indem sie die verschiedensten Gestalten aus dem wirklichen Leben nehmen, den Massen helfen, die Geschichte vorwärtszutreiben. Die einen leiden beispielsweise Hunger und Kälte, werden unterdrückt, die anderen beuten die Menschen aus und unterdrücken sie — das gibt es überall, und die Menschen sehen darin nichts Außergewöhnliches. Schriftsteller und Künstler schaffen Werke der Literatur und Kunst — indem sie diese alltäglichen Erscheinungen in einem Brennpunkt konzentrieren und die in ihnen enthaltenen Widersprüche und Kämpfe typisieren —, welche die Volksmassen aufrütteln, in Begeisterung versetzen und dazu treiben können, für die Änderung der Verhältnisse, in denen sie leben, sich zusammenzuschließen und zu kämpfen. ...
Popularisierung und Hebung des Niveaus können jedoch nicht scharf voneinander getrennt werden. Es geht nicht nur darum, daß einige der besten Werke schon heute Massenverbreitung finden können, sondern auch darum, daß das kulturelle Niveau der breiten Massen ununterbrochen steigt. ... Das Volk fordert eine Popularisierung, doch gefolgt von einer Niveauhebung; es fordert, daß Jahr für Jahr, Monat für Monat das Niveau gehoben wird. Hier bedeutet Popularisierung Zugänglichkeit für das Volk, und Niveauhebung — Hebung des Niveaus des Volkes. Und eine solche Niveauhebung erfolgt nicht in der Luft oder hinter verschlossenen Türen, sondern auf der Grundlage der Popularisierung. Sie wird von der Popularisierung bestimmt und weist dieser zugleich die Richtung. ...
Wenn wir sagen, Literatur und Kunst müßten sich der Politik unterordnen, dann meinen wir die Klassenpolitik, die Politik der Massen und nicht die Politik einer beschränkten Gruppe sogenannter Politiker. Die Politik ist, gleichgültig ob revolutionär oder konterrevolutionär, stets der Kampf einer Klasse gegen eine andere Klasse und nicht das Tun einer Handvoll von Personen. Der revolutionäre Kampf an der ideologischen Front und an der Front der Kunst muß dem politischen Kampf untergeordnet sein, denn die Bedürfnisse der Klassen und der Massen können nur durch die Politik in konzentrierter Weise zum Ausdruck gebracht werden. Die revolutionären Politiker, die Fachleute der Politik, die die Wissenschaft oder die Kunst der revolutionären Politik beherrschen, sind nur die Führer der Millionen von Politikern — der Volksmassen, und ihre Aufgabe besteht darin, die Meinungen dieser Politiker in Gestalt der Volksmassen zu sammeln und zu konzentrieren, zu läutern und dann zurück in die Massen hineinzutragen, damit die Massen sie annehmen und in die Praxis umsetzen. ...
Es gibt also ein politisches und ein künstlerisches Kriterium. Wie ist nun die Beziehung zwischen beiden? Zwischen Politik und Kunst darf man ebenso wenig ein Gleichheitszeichen setzen wie zwischen der allgemeinen Weltanschauung und den Methoden des künstlerischen Schaffens und der Kunstkritik. Wir bestreiten nicht nur, daß es ein abstraktes, absolut unveränderliches politisches Kriterium gibt, sondern auch, daß es ein abstraktes, absolut unveränderliches künstlerisches Kriterium gibt; in jeder Klassengesellschaft hat jede Klasse ihre eigenen politischen und künstlerischen Kriterien. Aber in jeder Klassengesellschaft stellt jede Klasse immer das politische Kriterium an die erste und das künstlerische an die zweite Stelle. Die Bourgeoisie verwirft stets Werke der proletarischen Literatur und Kunst, wie hoch auch ihre künstlerischen Qualitäten sein mögen.
Auch das Proletariat muß die Werke der Literatur und Kunst vergangener Epochen vor allem auf ihre Einstellung zum Volk sowie darauf prüfen, ob sie in der Geschichte eine fortschrittliche Bedeutung hatten, und demgemäß eine differenzierte Haltung ihnen gegenüber einnehmen. Manche politisch von Grund auf reaktionäre Werke können gewissen Kunstwert besitzen. Je reaktionärer der Inhalt eines Werkes und je höher obendrein sein Kunstwert ist, desto stärker vermag es das Volk zu vergiften und umso entschiedener müssen wir es ablehnen. Die gemeinsame Besonderheit der Literatur und Kunst aller Ausbeuterklassen in der Periode ihres Niedergangs ist der Widerspruch zwischen ihrem reaktionären politischen Inhalt und ihrer künstlerischen Form. Wir fordern jedoch die Einheit von Politik und Kunst, die Einheit von Inhalt und Form, die Einheit von revolutionärem politischem Inhalt und möglichst vollkommener künstlerischer Form. Kunstwerke, denen es an Kunstwert mangelt, sind, wie fortschrittlich sie politisch auch sein mögen, kraftlos. Darum sind wir sowohl gegen Kunstwerke, die falsche politische Ansichten enthalten, als auch gegen die Tendenz des sogenannten Plakat- und Schlagwortstils, der nur richtige politische Ansichten ausdrückt, aber künstlerisch kraftlos ist. In Fragen der Literatur und Kunst müssen wir einen Zweifrontenkampf führen. ...
Folgende Zeilen von Lu Hsün müssen unsere Devise werden:
Eng die Brauen, kalten Blickes trotz’ ich tausend Zeigefingern,
willig wie ein Büffel beug’ mein Haupt ich vor den Kindern.
Unter „tausend Zeigefingern“ sind hier die Feinde zu verstehen; wir werden uns nie den Feinden beugen, wie grausam sie auch sein mögen. Mit den „Kindern“ sind hier das Proletariat und die breiten Volksmassen gemeint. Alle Kommunisten, alle Revolutionäre, alle revolutionären Literatur- und Kunstschaffenden müssen sich Lu Hsün zum Vorbild nehmen, müssen zum „Büffel“ für das Proletariat und die Volksmassen werden, ihnen hingebungsvoll mit ganzer Kraft bis zum letzten Atemzug dienen. Intellektuelle, die mit den Volksmassen verschmelzen und den Volksmassen dienen wollen, müssen einen Prozeß des gegenseitigen Kennenlernens durchmachen. Dieser Prozeß kann — und wird sicherlich — sehr schmerzhaft sein und keineswegs reibungslos verlaufen; doch wenn ihr dazu entschlossen seid, werdet ihr den Anforderungen entsprechen können.
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Eine der KP nahestehende Zeitung schrieb jetzt über Mo Yan anerkennend: "Mo ist ein gutes Beispiel für viele andere in der chinesischen Gesellschaft verwurzelten Literaten. Viele seiner Werke zeigen kritisch soziale Übel auf, ohne dass er in eine grundsätzliche Gegenerschaft unserer Gesellschaftsordnung wurde. Ihm gleiche viele chinesische Intellektuelle. Sie sind die Hauptkraft in Chinas Reform und sozialem Fortschritt und scheren sich nicht besonders um die westlichen Ansichten über sie."
Text: hth / Foto: GlobalTimes