09.07.2025: Das Punk-Rap-Duo Bob Vylan hat weltweite künstliche Empörung mit seinem Slogan "Death to the IDF" hervorgerufen und ist seither zahlreichen Sanktionen ausgesetzt. Doch das Duo gibt nicht nach. Der britische Journalist Joe Gill weist den Vorwurf des Antisemitismus zurück: "Die israelische Armee braucht keinen Schutz vor einem Punk-Poeten in Glastonbury. Sie muss für ihre Verbrechen zur Rechenschaft gezogen werden."
Das Punk-Rap-Duo Bob Vylan spricht sich mutig gegen Ungerechtigkeiten aus, wie zum Beispiel mit Sprechchören gegen die israelische Besatzungsarmee IDF beim Glastonbury Festival in England am letzten Juni-Wochenende. Sie skandierten nicht nur die mittlerweile weitverbreitete "From the river to the sea - Palestine will be free"-Parole, sondern auch "Death to the IDF". Ein Slogan, der von den Zehntausenden Festivalteilnehmern begeistert aufgenommen wurde.
Sofort hagelte es Antisemitismusvorwürfe gegen das Duo Bobby Vylan und Bobbie Vylan, das "Hassreden" verbreiten und zum Mord an Juden aufrufen würde.
Politik und Medien empören sich nicht darüber, dass die israelische Armee erbarmungslos die Bevölkerung in Gaza bombardiert – allein an den zwei Tagen des Festivals wurde über 200 Palästinenser, überwiegend Frauen und Kinder von der israelischen Armee ermordet -, dass die IDF in einem Café in Gaza, das von Journalisten zum Aufladen ihrer Handys genutzt wurde, ein Blutbad anrichtet, dass die UN warnt, dass Tausende Säuglinge infolge von Israels Blockade vom Hungertod bedroht sind, und dass 170 NGOs das menschenverachtende US-amerikanisch-israelische Nahrungsverteilsystem verurteilen, an dessen Ausgabezentren inzwischen an die 500 hungernde Palästinenser ermordet wurden, als sie um Essen anstanden.
Gaza-Stadt, 3.7.2025: Ein Vater und sein Kind verbrannten, als sie im Schlaf bei einem israelischen Luftangriff auf die Mustafa-Hafez-Schule getötet wurden, die in Al-Rimal im Westen von Gaza-Stadt vertriebene Familien beherbergte.
Die Empörung richtet sich gegen Bob Vylan, die auf ihrem Instagram-Account klarstellen: "Wir sind nicht für den Tod von Juden, Arabern oder irgendeiner anderen Gruppe von Menschen. Wir sind dafür eine gewalttätige Militärmaschine zu zerlegen", deren Soldaten selbst zugegeben, den Befehl erhalten zu haben, tödliche Gewalt gegen Zivilisten anzuwenden.
Die BBC, die den Auftritt live übertragen hatte und die dafür schweren Vorwürfen ausgesetzt war, sowie der Veranstalter distanzierten sich. Strafrechtliche Ermittlungen wurden eingeleitet. Das US-amerikanische Außenministerium verweigert die Visa für eine geplante Tournee in den Vereinigten Staaten. Wie die BBC und das US-Branchenmagazin Billboard übereinstimmend berichten, wurde die Band außerdem vom Line-up des englischen Radar-Festivals und des französischen Kave Fests gestrichen. In Köln wurde das für den 13. September geplante Konzert abgesagt. Der Antisemitismus-Beauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, hat alle Veranstalter in Deutschland zur Absage der Konzerte der britischen Musikband Bob Vylan aufgefordert.
David Draiman, Frontmann der US-Band Disturbed, signierte im Juni 2024 Artilleriegranaten, womit Israel palästinensische Zivilist:innen, darunter viele Kinder, ermordete.
Die Band tritt im Oktober in vier deutschen Städten auf. Ob auch diese Konzerte abgesagt werden?
Eine koordinierte Aktion richtet sich gegen Bob Vylan, um politische Äußerungen zu unterbinden, die die Komplizenschaft des Westens beim anhaltenden Völkermord Israels in Gaza in Frage stellen.
"Wenn Worte härter bestraft werden als Kriegsverbrechen und potenzieller Völkermord, sollten wir alle alarmiert sein. Denn hier geht es nicht nur um ein paar Worte bei einem Festivalauftritt, sondern darum, wer sprechen darf, welche Worte akzeptabel sind, welche Wahrheiten gesagt werden dürfen und welche Leben es wert sind, verteidigt zu werden."
Ismail Patel in Middle East Eye, 7. Juli 2025, https://www.middleeasteye.net/opinion/bob-vylan-backlash-britain-more-worried-about-words-war-crimes
Doch das Duo gibt nicht nach. Bei seinem jüngsten Konzert in Athen am 4. Juli äußerten es sich erneut in ähnlicher Weise. Das Publikum reagiert entsprechend – nicht nur in Griechenland, sondern generell. Ihr Album erreichte daraufhin Platz eins der Charts. Es ist eindeutig, wo das Herz des Publikums liegt.
Inzwischen wird ihr rhythmischer Slogan auf vielen Demonstrationen weltweit gerufen, Menschen drucken ihn auf T-Shirts, und es gibt bereits Graffiti mit diesem Spruch.
"Der wahre Skandal ist ein junges Publikum, das die Parolen aufgreift, tausendfach mitskandiert und die Bands für ihre Aussagen in Kommentarspalten vehement verteidigt", empört sich ein Dennis Sand in der WELT. "Eine radikale, linke Idee erobert die Popkultur. Wir verlieren gerade eine junge Generation an eine fehlgeleitete Ideologie, deren Antisemitismus ihre Apologeten offenbar gar nicht erkennen", stellt er fest. [1]
"Es gibt kaum etwas Gerechteres, als die Auflösung einer Organisation zu fordern, die für Kriegsverbrechen verantwortlich ist. Die israelischen Soldaten dürfen dafür natürlich nicht getötet werden – sie müssen sich wegen ihrer Verbrechen vor Gericht verantworten. Und wenn sie das – was wahrscheinlich ist – nicht tun werden, werden sie ihr Leben lang darunter leiden."
Jüdische Stimme für gerechten Frieden in Nahost
Der Kommentar von Joe Gill, der für Zeitungen wie Financial Times, den kommunistischen Morning Star und Middle East Eye schreibt, über die künstliche Empörung der britischen Regierung und Medien passt auch auf Deutschland.
"Millionen Menschen weltweit sind empört und entsetzt über die unzähligen Verbrechen Israels, die palästinensische Journalisten, Ärzte und Helfer in Gaza seit mehr als 20 Monaten dokumentieren. Diese Empörung scheint jedoch nicht von unseren politischen Führern geteilt zu werden, die den Schutz Israels über das Völkerrecht oder sogar über grundlegende Menschlichkeit stellen."
"Tod der IDF" ist nicht antisemitisch. Sparen Sie sich Ihre Empörung für die Verbrechen Israels in Gaza auf.
Joe Gill
Punkbands sind seit jeher dafür bekannt, die roten Linien der höflichen Gesellschaft zu überschreiten und den Mainstream zu schockieren. Wenn sie das nicht täten, wären sie keine Punks.
Sie sind nicht dazu da, den Menschen ein warmes, wohliges Gefühl über die Welt zu vermitteln. Dafür gibt es immer James Blunt oder Coldplay.
Punks sind dazu da, die Wut und Entfremdung zu kanalisieren, die viele gegenüber der Heuchelei und Bigotterie der Gesellschaft empfinden. Und in Glastonbury hielten sowohl Kneecap als auch Bob Vylan Großbritannien einen Spiegel vor, weil es den Völkermord Israels in Gaza unterstützt. Das löste Hysterie und künstliche Empörung aus.
Der Rapper Bobby Vylan begann seinen Gesang an einem sonnigen Nachmittag beim Glastonbury-Musikfestival mit dem bekannten "Free, free Palestine". Die Menge sang mit und unterstrich damit die breite Unterstützung für die palästinensische Sache unter den Festivalbesuchern und in der gesamten britischen Gesellschaft.
Dann sagte er: "Aber habt ihr das schon gehört?" Als er einen Sprechchor "Tod, Tod für die IDF" anstimmte, der sich auf die israelische Armee bezog, antwortete die Menge mit dem selben Slogan.
"Wir sind keine pazifistischen Punks ... Manchmal muss man seine Botschaft mit Gewalt vermitteln", sagte der Rapper auf der Bühne, "denn das ist die einzige Sprache, die manche Leute verstehen."
Bobby Vylan forderte jedoch nicht den Tod von Israelis, wie die Schlagzeile auf der Titelseite der Mail on Sunday fälschlicherweise behauptete – eine der eklatantesten gedruckten Lügen, für die die Mail seit Jahrzehnten bekannt ist.
Jetzt zahlt die Band den Preis für diesen Ausbruch der Wut über Massenmord und die Komplizenschaft des Westens: Die Visa für die US-Tournee wurden annulliert, der Vertrag mit dem Agenten gekündigt und polizeiliche Ermittlungen eingeleitet.
Völkermord
"Nach fast zwei Jahren eines völkermörderischen Krieges in Gaza ist der Wunsch, Israels Militärapparat zu zerschlagen, eine natürliche Reaktion für Millionen Palästinenser, deren Leben zerstört, deren Häuser in Schutt und Asche gelegt und deren Kinder von dieser Armee ausgehungert und getötet wurden."
Nach fast zwei Jahren einer völkermörderischen Krieges in Gaza ist der Wunsch, Israels Militärapparat zu zerschlagen, eine natürliche Reaktion für Millionen Palästinenser, deren Leben zerstört, deren Häuser in Schutt und Asche gelegt und deren Kinder von dieser Armee ausgehungert und getötet wurden.
Vor allem wollen sie ein Ende des Krieges – nicht nur dieses Krieges, sondern aller künftigen Angriffe, die der israelische Staat gegen sie führt. Nach fast acht Jahrzehnten wiederkehrender Kriege, Besatzung, Enteignung und Massakern wollen sie einfach nur in ihrer Heimat leben, ohne Angst vor Terror durch die israelische Armee.
Millionen Menschen weltweit sind empört und entsetzt über die unzähligen Verbrechen Israels, die palästinensische Journalisten, Ärzte und Helfer in Gaza seit mehr als 20 Monaten dokumentieren. Diese Empörung scheint jedoch nicht von unseren politischen Führern geteilt zu werden, die den Schutz Israels über das Völkerrecht oder sogar über grundlegende Menschlichkeit stellen.
Kulturministerin Lisa Nandy verurteilte in allen Medien die BBC für die Ausstrahlung von Bob Vylan und Kneecap und beschrieb die Ereignisse in Glastonbury als "entsetzliche und inakzeptable Szenen”. Zu den tatsächlichen Massakern, die seit fast zwei Jahren durch die israelische Armee verübt werden, findet sie keine Worte.
Letztes Jahr wurden Premierminister Benjamin Netanjahu und sein ehemaliger Verteidigungsminister Yoav Gallant vom Internationalen Strafgerichtshof wegen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit angeklagt. Es ist nichts passiert.
"Die israelische Armee braucht keinen Schutz vor einem Punk-Poeten in Glastonbury. Sie muss für ihre Verbrechen zur Rechenschaft gezogen werden."
Israelische Soldaten begehen häufig Völkermord durch rassistische Parolen wie "Tod den Arabern" und "Mögen ihre Dörfer brennen".
Die Tatsache, dass die Mail Bobby Vylans Sprechchor falsch wiedergegeben hat, lässt vermuten, dass die Worte "Tod der IDF" selbst unter den Lesern der Zeitung nicht als ausreichend provokativ angesehen wurden. Es impliziert auch, dass Israel und sein Militär nicht zu unterscheiden sind, dass die israelische Gesellschaft gleichbedeutend mit der Armee ist.
Nach israelischen Angaben dient etwa die Hälfte aller Israelis in der Armee. Es handelt sich um eine Wehrpflichtgesellschaft, und die Armee ist die mächtigste und am meisten verehrte Institution in einem militarisierten Siedlerkolonialstaat. Die meisten seiner führenden Offiziere sind Veteranen der vielen Kriege Israels.
Bobby Vylan hat nicht den Tod Netanjahus oder eines anderen israelischen Führers gefordert. Er forderte ein Ende der gewalttätigsten Macht auf der heutigen Weltbühne. Keine andere Streitmacht begeht so dreist und routinemäßig solche extremen Gräueltaten gegen Männer, Frauen und Kinder und prahlt offen damit.
Am Montag bombardierte die IDF ein Café am Strand von Gaza-Stadt und tötete den Fotojournalisten Ismail Abu Hatab, den bildenden Künstler Frans al-Salmi und 31 weitere Menschen. Wie unzählige andere israelische Gräueltaten schaffte es auch dieser Vorfall nicht auf die Titelseite der Mail. Von britischen Politikern gab es keine Worte der Verurteilung.
Israelische Soldaten erzählten der israelischen Zeitung Haaretz kürzlich, dass ihre Kommandeure ihnen befohlen hätten, hungernde Menschen, die sich Hilfszentren im Süden und Zentrum Gazas näherten, zu erschießen.
Ein Soldat sagte, dass palästinensische Hilfsuchende "wie eine feindliche Streitmacht behandelt wurden – keine Maßnahmen zur Kontrolle der Menschenmenge, kein Tränengas – nur scharfe Munition mit allem, was man sich vorstellen kann: schwere Maschinengewehre, Granatwerfer, Mörser". Der Soldat fügte hinzu: "Mir ist kein einziger Fall bekannt, in dem das Feuer erwidert wurde. Es gibt keinen Feind, keine Waffen.”
Künstliche Empörung
Doch statt sich auf diese Verbrechen zu konzentrieren, sind die britischen Medien und Politiker empört über die Worte eines Punk-Poeten und die Übertragung dieses Ereignisses durch die BBC im Rahmen ihrer Live-Berichterstattung von Glastonbury.
Die Organisatorin von Glastonbury, Emily Eavis, veröffentlichte eine Erklärung, in der sie sich von Bobby Vylans Worten distanzierte und Antisemitismus, Aufrufe zur Gewalt und Hassreden verurteilte.
Lisa Nandy behauptete im Unterhaus, dass "der Ruf ‚Tod der IDF‘ gleichbedeutend ist mit dem Aufruf zum Tod jedes einzelnen israelischen Juden". Lord Ian Austin, Handelsbeauftragter der Regierung für Israel, forderte die Polizei auf, "dringend Ermittlungen einzuleiten und gegebenenfalls die Bandmitglieder festzunehmen".
Am Montag leitete die Polizei eine strafrechtliche Untersuchung der Auftritte von Bob Vylan und Kneecap in Glastonbury ein.
Wie verschiedene Kommentatoren festgestellt haben, ist die Forderung nach dem Tod einer Armee, die von großen Menschenrechtsorganisationen des Völkermords beschuldigt wird, nicht antisemitisch. Entgegengesetzte Behauptungen in rechten Medien und von britischen Politikern sind bestenfalls unaufrichtig. Im schlimmsten Fall sind solche Behauptungen selbst antisemitisch, da sie suggerieren, dass jüdische Menschen im Allgemeinen nicht von der israelischen Armee zu unterscheiden sind, trotz all der Verbrechen, die diese bis heute begeht.
Sharren Haskel, Israels stellvertretende Außenministerin, setzte den Gesang der Band mit antijüdischem Hass gleich und sagte gegenüber der Mail on Sunday: "Weil das Ziel Israel ist – seien wir ehrlich, weil es Juden sind – wird es toleriert, sogar ausgestrahlt. Das ist eindeutig Aufstachelung."
Der Versuch, Empörung über den Gesang einer Punkband zu schüren und ihnen sogar Worte in den Mund zu legen, um Angst unter den Juden zu schüren, ist selbst eine gefährliche, aufrührerische Handlung.
Wie die sozialistische jüdische Aktivistin Naomi Wimborne-Idrissi mir sagte: "Er hat nicht den Tod der Israelis [Zivilisten] gefordert, sondern den Tod der IDF, einer mörderischen Streitmacht. Sein Slogan wird bereits bei Demonstrationen in Australien und anderswo aufgegriffen. Das ist nicht darauf ausgelegt, Menschen mit einer empfindlichen Einstellung für die Sache zu gewinnen, aber wenn man versucht, legitime Empörung über einen im Fernsehen übertragenen Völkermord zu unterdrücken, ist das das Ergebnis."
Bob Vylan sagte in einer am Dienstag veröffentlichten Erklärung: "Wir sind nicht für den Tod von Juden, Arabern oder anderen Rassen oder Volksgruppen. Wir sind für die Zerschlagung einer gewalttätigen Militärmaschine. Eine Maschine, deren Soldaten angewiesen wurden, "unnötige Gewalt" gegen Zivilisten anzuwenden, die auf Hilfe warteten. Eine Maschine, die einen Großteil des Gazastreifens zerstört hat. Wir sind, wie diejenigen, die vor uns im Rampenlicht standen, nicht die Geschichte. Wir sind eine Ablenkung... Die Regierung will nicht, dass wir sie fragen, warum sie angesichts dieser Gräueltaten schweigt. Warum sie nicht mehr unternimmt, um das Töten zu stoppen. Wir werden angegriffen, weil wir unsere Meinung sagen."
Die israelische Armee braucht keinen Schutz vor einem Punk-Poeten in Glastonbury. Sie muss für ihre Verbrechen zur Rechenschaft gezogen werden.
Übersetzung in deutsche Sprache: Bei Einstellungen "Audiotrack" auf deutsch stellen
Quelle: Middle East Eye, 1. Juli 2025
https://www.middleeasteye.net/opinion/death-death-idf-not-antisemitic-reserve-your-outrage-israeli-crimes-gaza
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Anmerkungen