Der Kommentar

24.06.2025: Ich bin Arzt in Gaza. Jeden Tag gehe ich durch die Trümmer und nähe Wunden, die die Welt nie sehen wird. Und nachts schreibe ich, weil manche Wahrheiten nicht verschwiegen werden dürfen. Wenn meine Worte Sie erreichen, dann nicht zufällig. Denn Leid muss dokumentiert werden.

 

Seit Beginn des israelischen Angriffs auf den Iran hat sich die internationale Aufmerksamkeit auf diesen neuen, von Israel begonnen Krieg gerichtet. Gaza ist in den Hintegrund gerückt. Dabei hat die israelische Armee im Schatten des Krieges mit dem Iran ihren Vernichtungskrieg in Gaza verstärkt. Fast zwei Millionen Palästinenser sind von Israel nun auf nur 18 Prozent des Gazastreifens zusammengedrängt und leiden unter Überbelegung, Krankheitsausbrüchen und großer Not. Die Auslöschung palästinensichen Lebens geht weiter mit Bombardierungen, kontrollierten Sprengungen, Artilleriefeuer und einem Massaker nach dem anderen. Die von den USA und Israel eingerichteten Verteilzentren für Lebensmittel erweisen sich immer mehr als Todesfallen für hungernde Palästinenser. Inzwischen wurden dort mehr als 400 nach Essen anstehende Palästinenser von israelischen Soldaten ermordet. Immer mehr Menschen sterben durch den von der israelischen Besatzung erzwungenen Hungertod.

 

Gazakrieg Kind verhungert 2025 06 23Gaza, 23. Juni 2025 | https://x.com/AbujomaaGaza/status/1937245835948900579

 


Dr. Ezzideen dokumentiert das Leid der palästinensichen Bevölkerung:

Ich bin Arzt in Gaza. Jeden Tag gehe ich durch die Trümmer und nähe Wunden, die die Welt nie sehen wird. Und nachts schreibe ich, weil manche Wahrheiten nicht verschwiegen werden dürfen. Wenn meine Worte Sie erreichen, dann nicht zufällig. Denn Leid muss dokumentiert werden.

Gestern kam die letzte Warnung aus dem Nasser-Krankenhaus: "In 24 Stunden wird es keine Babynahrung mehr für Frühgeborene geben." Das ist keine Metapher. Keine Übertreibung. Sondern eine klinische Tatsache.

Und die Reaktion?

Stille. Kein einziger Lastwagen. Keine einzige Ladung. Nur die Stille von Männern mit Herzen aus Stahl, die sich mit der Mathematik des Kindstods zufrieden geben.

 

Gazakrieg Baby fast verhungert 2025 06 23Gaza, 23. Juni 2025: Nur wenige Kilometer von den hungernden Kindern entfernt stehen Lastwagen mit Lebensmitteln, die ausreichen würden, um eine Million Menschen vier Monate lang zu ernähren. Erzwungener Hungertod ist Völkermord. (Mohamad Safa, Palästinas Vertreter beim Wirtschafts- und Sozialrat der Vereinten Nationen)


An diesem Abend wurde eine Mutter in die Klinik gebracht. Dreiunddreißig Jahre alt. Bewusstlos. Ihre Haut war kalt. Ihr Atem war flach. Ihr Körper war so dünn, dass ich beim Legen der Infusion ihre Knochen sehen konnte.

Ihr Baby klammerte sich noch an sie, ohne zu wissen, dass die Brust, an der es saugte, nichts mehr zu geben hatte als den Geruch des Todes.

Die Diagnose? Dehydrierung. Akute Unterernährung.

Aber in Wahrheit litt sie an etwas, das die Medizin nicht heilen kann: Verlassenheit.

Ich verabreichte ihr Flüssigkeit und stabilisierte ihre Vitalfunktionen.

Auf dem Papier wird es so aussehen, als hätten wir ihr geholfen.

Das haben wir nicht. Wir haben das Unvermeidliche hinausgezögert. Sie wird wiederkommen, so lange, bis sie stirbt oder die Welt aufwacht.

Und ich bin mir nicht sicher, was zuerst eintreten wird.

Mein Kollege, der von dieser Hölle noch verschont geblieben ist, flüsterte ihr zu, sie solle mit dem Stillen aufhören. "Sie muss wieder zu Kräften kommen", sagte er.

Ich antwortete nicht. Was hätte ich sagen sollen? Dass Babynahrung hier kein Produkt mehr ist, sondern ein Traum? Dass eine Dose Milchpulver jetzt mehr kostet als ein Monat Essen, wenn es denn Essen gäbe? Sie kann sich kein Brot kaufen. Und dennoch sprechen wir mit ihr, als hätte sie eine Wahl.

Das ist die Grausamkeit des Krieges: nicht nur die Bomben, sondern die Absurdität, den Verdammten Ratschläge zu geben.

Als sie ging, sah ich ihren Mann draußen stehen. Er sah mich mit den Augen eines Mannes an, der schon zu viel durchgemacht hat.

Ich gab ihm das Geld aus meiner Tasche. Es wird sie nicht retten. Es reicht vielleicht für zwei Laibe Brot. Es verschafft ihr vielleicht drei weitere Tage Leben. Aber sie wird zurückkommen.

Und wenn sie zurückkommt, werden wir sie wieder mit unseren leeren Händen, unseren nutzlosen Medikamenten und unserer unerträglichen Schuld behandeln.

Das ist keine Medizin. Das ist Triage in einem Massengrab, das noch nicht ausgehoben ist.

Verwechseln Sie das nicht mit einer humanitären Notlage. Das ist keine Hungersnot. Das ist eine Belagerung.

Das ist kein Zusammenbruch. Das ist Kalkül. Das ist keine Vernachlässigung. Das ist Absicht. Und Absicht, kalt und bewusst, macht es zu einem Verbrechen. Die Frauen, die in meinen Armen zusammenbrechen, sind keine Statistiken. Sie sind Hinrichtungen in Zeitlupe. Und welche Rolle spielt die Welt? Sie drückt nicht ab. Sie sieht einfach zu, wie wieder und wieder geschossen wird, und nennt es "kompliziert". Aber ich sage Ihnen, was einfach ist: Hunger tötet. Durst tötet. Schweigen tötet. Und hier, in Gaza, wirken alle drei mit perfekter Effizienz zusammen.

20. Juni 2025

 

Es ist wieder Nacht. Das bedeutet, dass die Drohnen zurück sind. Das Geräusch ist kein Geräusch mehr. Es ist eine Präsenz, wie Wahnsinn, der über deinem Kopf summt.

Ich schreibe im Schein meines Handys.

Meine Hände stinken nach Desinfektionsmittel, Salz und etwas, das ich nicht benennen kann.
Im Norden gibt es keine Krankenhäuser mehr. Keine Krankenstationen. Keine Betten. Nicht einmal Wände. Nur diesen Ort, den wir Klinik nennen: ein halb zerfallener, halb geisterhafter Ort der Medizin, der sich wie seine Bewohner an das Leben klammert.

Und sie kommen. Sie laufen, manche mehr als dreißig Minuten lang durch Trümmer, Stille und Rauch, nur für ein Stück Verband, ein Wort, eine Chance.

Sie kommen nicht, um Heilung zu suchen. Sie kommen, weil sie nirgendwo anders mehr verbluten können.

Heute kam eine Frau. Sie war siebenunddreißig Jahre alt, bewegte sich aber, als wäre sie schon zweimal gestorben. Ihre Hände sahen aus, als hätten sie sie in einem Ofen verbrannt. Aufgerissen. Blutig.

Ekzem? Ja, Ekzem, sagte ich wie ein Dummkopf.

Aber was ist schon ein Ekzem, wenn das Meer dein Waschbecken ist?

Sie erzählte mir, dass sie ihre Kleidung und ihr Geschirr mit Meerwasser wäscht. Und Zahnpasta. Nein, das ist keine Metapher. Keine Poesie. Zahnpasta. Weil Seife hier mehr kostet als das Leben. Weil sie in einem Zelt lebt, das zwischen dem Tod und der nächsten Rakete steht.

Ich sagte ihr, ich würde ihr Creme geben. Ich sagte es leise, wie eine Lüge, die man einem Kind zuflüstert.

Ich wollte schreien. Ich wollte sie an den Schultern packen und schreien: "Du verdienst ein Zuhause. Du verdienst ein Waschbecken. Du verdienst saubere Hände.“

Aber meine eigenen Hände sind nicht sauber. Ich habe nicht geschrien. Ich habe ihr die Creme gegeben und weggeguckt.

Ich bin kein Arzt mehr. Ich bin Zeuge. Zeuge des langsamen Mordes an der Würde.

Zeuge eines Landes, in dem Medizin ein grausamer Witz ist und Überleben eine Sünde.

Wie behandelt man einen Körper, wenn die Seele blutet?

Das Meer sollte reinigen. Aber hier zerfrisst es alles. Selbst das Meer ist der Barmherzigkeit überdrüssig.

Und Gott? Er muss weinen, wie wir alle.

Heute Nacht werde ich mich hinlegen und mir eine Welt vorstellen, in der ich mich nicht bei jedem Patienten dafür entschuldigen muss, dass ich ein Mensch bin. Ich werde mir eine Welt vorstellen, in der es keine Demütigung ist, jemandem Creme zu reichen.

Aber ich werde nicht schlafen können.
Niemand hier schläft wirklich.
Wir schließen nur die Augen und warten auf den nächsten Schrei.

22. Juni 2025

Dr. Ezzideen auf X folgen: https://x.com/ezzingaza

Veranstaltung zum KI-gesteuerten Töten des israelischen Militärs
MUC KI gesteuerte Kriege 2025 07 10
Infos hier  


Wir werden in unsere Heimat zurückkehren

Palestina Wir werden zurüückkehren

Viva Palästina

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Solidaritätskampagne mit der Palästinensischen Volkspartei für Gaza: 30.000 Euro überwiesen. Die Solidarität geht weiter!

Gaza Soliaktion 2024 12 09 5
zum Text hier
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