Die Linkenabgeordnete Cansın Köktürk wurde wegen eines T-Shirts mit dem Aufdruck "Palestine" aus dem Plenarsaal des Bundestages geworfen. Bis heute gibt es keine Solidaritätserklärung der Fraktion oder des Parteivorstandes mit ihrer Abgeordneten.
Ein Kommentar von Bettina Jürgensen
Am 4. Juni wagte die Abgeordnete Cansın Köktürk (Die Linke) in einem T-Shirt mit dem Schriftzug "Palestine" an der Sitzung des Bundestags teilzunehmen.
Das nahm die Bundestagspräsidentin Julia Klöckner (CDU) zum Anlass, von ihrer Macht Gebrauch zu machen und warf die Abgeordnete Cansın Köktürk aus dem Plenarsaal: "Dann würde ich Sie bitten, die Sitzung zu verlassen, bitte." Die "Würde des Hauses" verlange dies.
Es ist verrückt. Während Israels extremistischer Außenminister Gideon Saar Deutschland besucht, schmeißt die Bundestagspräsidentin Julia Klöckner (CDU) die Abgeordnete Cansin Köktürk (Die Linke) aus dem Plenarsaal, weil sie ein ein T-Shirt mit dem Schriftzug "Palestine" trägt. Daraufhin protestiert eine Frau im Besucherrang und wird rausgezerrt. Die Abgeordneten der Linksfraktion bleiben ungerührt sitzen.
Video: https://www.facebook.com/share/v/198BnGBfFM/
So zumindest lautet eine Begründung für den Rauswurf. Möglich ist auch, dass Klöckner schlicht genervt war, weil die Abgeordnete Köktürk sich der vorher und außerhalb des Sitzungssaals herangetragenen Aufforderung zum Wechseln dieses Shirts nicht nachgekommen ist. Es soll so aussehen, als ginge es "nur" um die Kleiderordnung, den Dress-Code des Bundestages. Diese allerdings, da sind sich deutsche Medien einig, gibt es so dezidiert gar nicht.
"Es scheint, als sei das Tragen gelber Anstecker (oder anderer Accessoires der 'Entführten') 'menschlich', während eine Kufiya oder ein Shirt mit der Aufschrift 'Palästina' nichts im öffentlichen oder politischen Raum zu suchen hat", kommentierte die Jüdische Stimme für gerechten Frieden in Nahost.
Den Konservativen und Liberalen geht es darum, den Bundestag von politischen Statements mittels Kleidung, Plakaten, Ansteckern, .. freizuhalten. Zumindest wenn es um linke Inhalte und Symbole geht.
Im Mai wurde bereits Marcel Bauer (Die Linke) wegen seiner schwarzen Baskenmütze von Frau Klöckner aufgefordert diese abzusetzen. Er verließ den Saal, kam aber mit Mütze wieder zurück und wurde von der Parlamentsvizepräsidentin Andrea Lindholz (CSU) von der Sitzung ausgeschlossen.
Jetzt also war es Cansın Köktürk mit einem T-Shirt auf dem "Palestine" stand. Sie verließ den Saal nach der Aufforderung Klöckners – die neben und hinter ihr sitzenden Genoss*innen reagierten nicht und taten ausdrücklich NICHTS.
Auch mehr als eine Woche später stellt sich die Frage: Wo bleibt die Solidarität von Die Linke?
Bisher ist noch keine solidarische Erklärung vom Parteivorstand oder der Bundestagsfraktion Die Linke zu lesen. Oder sie sind allesamt nichtöffentlich und mit Sperrvermerk.
Ja – es gibt viele Mitglieder, die ihrer Genossin Cansın Köktürk Solidarität zeigen und dies auch in den sozialen Netzwerken öffentlich machen. Das hat einen großen Wert.
Aber es fehlt eine klare Aussage der Gremien von Die Linke an die Öffentlichkeit. Es muss doch deutlich gemacht werden: Wir lassen unsere Fraktion nicht durch Kleidervorschriften der Bundestagspräsidentin spalten!
Das Tragen einer Baskenmütze kann selbstverständlich ebenso als politisches Signal gewertet werden, wie der Schriftzug "Palestine".
Aber wurden nicht dafür auch Genossinnen und Genossen in dieses Parlament gewählt? Mit ihrem Auftreten politisch Position beziehen, das ist doch das, wofür Die Linke im Wahlkampf angetreten ist.
Jetzt zeigt sich ein Trauerspiel linker Angepassheit!
Nicht einmal gegen den Rauswurf der eigenen Abgeordneten aus dem Bundestag erhebt sich Protest.
Natürlich gibt es Verständnis dafür, dass die Partei sich erstmal "sortieren" muss.
Doch nach Tagen darf wohl eine öffentliche Erklärung erwartet werden!
Aber klar: die offizielle Solidarität mit den Menschen in Gaza kam auch erst spät. Genau genommen auch erst, als der Kanzler Merz bereits dabei war die Partei Die Linke links zu überholen.
Es ist gut, dass Die Linke nun endlich zu Palästina/Gaza eine Erklärung hat. Wobei ein Schuss Selbstkritik auch nicht schaden und die Glaubwürdigkeit erhöhen würde .
Zur Glaubwürdigkeit zählt auch, ob Die Linke sich zur Solidarität mit Yasemin Acar durchringt, die von israelischem Militär nach der Kaperung des Schiffes Madleen in internationalen Gewässern verschleppt wurde. (siehe kommunisten.de: "Israelische Streitkräfte überfallen Hilfsboot für Gaza in internationalen Gewässern. "Marsch nach Gaza" in Tunesien gestartet.")
Bisher ist es nur die Bundestagsabgeordnete Nicole Gohlke, die schreibt:
"Die deutsche Staatsbürgerin Yasemin Acar wurde heute zusammen mit Greta Thunberg & der Crew der Madleen von der israelischen Armee verschleppt. Außenminister Wadephul muss alles in seiner Macht Stehende tun, um ihre sofortige Freilassung zu erreichen! Dass ist das Mindeste, was die Bundesregierung tun kann - nachdem sie die #FreedomFlottila weder geschützt noch Initiativen zur Beendigung der Blockade unternommen hat."