Der Kommentar

Tuerkei Verhaftung HandschellenEin Kommentar von Leo Mayer zum Verbotsverfahren gegen die HDP:  Sechs Millionen Wähler*innen lassen sich nicht verbieten!

22.03.2021: Das Erdoğan-Regime ist nicht nur eine Gefahr für die Demokratie in seinem Land, sondern auch für die gesamte Nahost- und Mittelmeerregion. Doch der türkische Autokrat hat einen Freibrief aus Brüssel und Berlin ++ Schluss mit den Doppelstandards der EU und der Bundesregierung! Solidarität mit der HDP!

 

Der türkische Autokrat Recep Tayyip Erdoğan hat einen Freibrief aus Brüssel und Berlin. Er kann mit seiner Armee und islamistischen Milizen Regionen im Irak und in Syrien angreifen und diese besetzen, kann an der Seite Aserbaidschans Krieg gegen Armenien führen, er kann Griechenland und Zypern drohen, kann das UN-Waffenenmargo gegen Libyen durchbrechen, ohne Konsequenzen von Seiten der Europäischen Union oder Berlins befürchten zu müssen. Wenn Brüssel oder Berlin mit "Besorgnis" auf diese Entwicklungen reagieren, weiß der Autokrat in Ankara, dass er weitermachen kann. Dabei wäre es längst an der Zeit, ihn zumindest mit Sanktionen unter Druck zu setzen. Doch statt dessen liefern sie weiter Waffen an die Türkei und greifen Erdoğan mit milliardenschweren Wirtschaftshilfen unter die Arme. 

Nicht anders, wenn der Autokrat gegen die linke Opposition im eigenen Land vorgeht. Deren Abgeordnete, Bürgermeister und Mitglieder verschwinden zu Tausenden nacheinander in türkischen Gefängnissen - neben kritischen Journalist*innen und Intellektuellen. Der ehemalige Vorsitzender der linken HDP, der populäre Parlamentsabageordnete Selahattin Demirtaş, sitzt seit November 2016 in Untersuchungshaft. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte EGMR hat im Dezember 2020 die sofortige Freilassung des Oppositionspolitikers angeordnet. Erdoğan kümmert sich nicht darum, obwohl die Urteile des EGMR für die Türkei bindend sind. Er hat ja keine Konsequenzen zu befürchten.

Der türkische Präsident Erdoğan hat den Austritt der Türkei aus der Istanbul-Konvention zum Schutz von Frauen vor Gewalt per Dekret beschlossen. Denn Gewalt gegen Frauen und die Unterdrückung von Frauen wollen sich Erdoğan und seine Moslembrüder nicht verbieten lassen, schließlich zählt die Unterdrückung der Frau zum Kern ihrer Herrschaftsideologie. Zwar ist Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) darüber "erschüttert", für die Bundesregierung ist es nur ein "falsches Signal an Europa". [1]

Nun will die Generalstaatsanwaltschaft in Ankara die Linkspartei HDP verbieten lassen, eine politische Partei, die bei der zurückliegenden Wahl von sechs Millionen Menschen gewählt wurde. Zudem soll mehr als 600 HDP-Politiker*innen das Recht auf politische Betätigung verboten werden.

Angeblich soll die HDP in »terroristische Aktivitäten« verstrickt sein. Damit meint die Justiz die verbotene kurdische Arbeiterpartei PKK, von deren Gewalt sich HDP-Spitzenpolitiker wie der inhaftierte Ex-Parteichef Selahattin Demirtaş distanzieren, aber auch zurecht betonen, dass Kurden unter dem Staatsterror der Türkei leiden. Es liegt auf der Hand, dass es nicht um "terroristische Aktivitäten" der HDP geht, sondern dass Staatschef Erdoğan die zweitgrößte Oppositionspartei ausschalten will, weil er seine Macht durch die HDP bedroht sieht.

"Es gibt keinerlei Zusammenhang zwischen der HDP und Gewalt - auch nicht zwischen der HDP und Waffen. Das wird es auch nie geben. Dass wir bei der Frage der Zukunft der Kurden eine andere politische Perspektive haben als andere politische Parteien, bedeutet im Umkehrschluss nicht, dass die HDP gewaltbereit ist. Jeder, der in der HDP eine Aufgabe übernimmt, ist in der HDP, weil er eine Politik des Friedens vertritt und verteidigt."
Selahattin Demirtas

EU "besorgt" und hebt Sanktionen auf

Die Europäische Union zeigt sich über das drohende Verbot "zutiefst besorgt", so der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell. Nur einem Tag später berichtet die Nachrichtenagentur Reuters, dass die EU Sanktionen gegen türkische Öl-Manager aufhebt, da sich die Beziehungen zur Türkei verbessern. "Die Arbeit an zusätzlichen schwarzen Listen wurde gestoppt, und wir sprechen nicht mehr von Wirtschaftssanktionen", zitiert Reuters einen EU-Diplomaten. Reuters: "Der Antrag der türkischen Staatsanwaltschaft, die pro-kurdische HDP-Partei zu verbieten, wird wahrscheinlich die Forderung nach Sanktionen nicht wiederbeleben, obwohl sie von der EU diskutiert werden könnte, fügte ein Diplomat hinzu." [2]

Bundesregierung blickt mit "großer Besorgnis" auf Ankara und fordert HDP auf, sich von der PKK abzugrenzen

Auch das Außenministerium in Berlin, dessen Chef angeblich ein Sozialdemokrat sein soll, ist wieder einmal besorgt, diesmal sogar sehr: "Die Bundesregierung blickt mit großer Besorgnis auf die Einleitung eines Verbotsverfahrens gegen die Demokratische Partei der Völker (HDP)" und werde "das weitere Verfahren deshalb sehr aufmerksam beobachten", droht Heiko Maas in Richtung Erdoğan. Um diesen nicht zu stark zu verärgern, schickt Maas gleich nach: "Von der HDP erwarten wir eine klare Abgrenzung gegenüber der PKK, die auch in der EU als terroristische Organisation gelistet ist." [3]

Wäre es in dieser Situation, in der die Türkei in die offene Diktatur rutscht, nicht passender, die Bundesregierung würde sich vom türkischen Staatsterror abgrenzen? Das kommt dem Außenministerium nicht in den Sinn. Sondern es übernimmt mit seiner Forderung nach einer "klaren Abgrenzung gegenüber der PKK" nicht nur die Begründung des Erdoğan-Regimes, sondern ermuntert den türkischen Staatsapparat, diese antidemokratische Politik gegen die HDP fortzusetzen.

Eine reine Nebelkerze ist der Verweis auf die EU. Denn bekanntermaßen sind es die EU-Mitgliedsländer die Organisationen ganz nach ihren innen- und außenpolitischen Interessen auf die EU-Terrorliste setzen. Immerhin ist das oberste Gericht Belgiens der Auffassung, dass die kurdische Arbeiterpartei PKK keine Terrororganisation ist und demnach nicht unter das belgische Anti-Terrorgesetz fällt.

Berlin ficht das nicht an. Mit aller Härte werden Aktivitäten angeblich PKK-naher, kurdischer Organisationen verfolgt und Aktivist*innen zu hohen Gefängnisstrafen verurteilt. Mit dieser Kriminalisierung der Kurd*innen gießt die Bundesregierung Öl ins Feuer, bestärkt hierzulande die islamistisch-nationalistischen Türk*innen in ihrem Hass auf alles kurdische und gibt Erdoğan Rückendeckung für seine diktatorische Politik. Geradezu beispielhaft für diese Politik wurde am Samstag, wenige Tage nach dem Verfahrensbeginn zum HDP-Verbot, in Düsseldorf die große Newroz-Feier in Deutschland von der Polizei aufgelöst. Die Demonstrant*innen hatten die Bundesregierung u.a. aufgefordert, sich gegen das Verbotsverfahren zu stellen.

Wenn anderswo auf der Welt selbsternannte Präsidenten, homophobe Rapper oder gewaltbereite Oppositionelle unter staatlichen Druck kommen, sind EU und Bundesregierung schnell mit Sanktionen bei der Hand - zumindest wenn es sich um Venezuela, Kuba, Nicaragua, Russland oder China handelt. Doch gegenüber der Türkei herrscht Schweigen. Diese Heuchelei und diese Doppelstandards sind unerträglich und müssen beendet werden.

"Unser mächtigstes Werkzeug in Europa sind zum Beispiel unsere wirtschaftlichen Beziehungen zur Türkei. Wir müssen bereit sein, unsere wirtschaftliche Position als geopolitisches Instrument zu nutzen, und eine klare Trennung zwischen Regierung und Bürgerinnen und Bürgern vornehmen", sagt die Abgeordnete im EU-Parlament, Kati Piri. [4] Doch EU und Berlin sind nicht bereit, dieses "mächtige Werkzeug" einzusetzen, obwohl das Erdoğan-Regime nicht nur eine Gefahr für die Demokratie in seinem Land, sondern auch für die gesamte Nahost- und Mittelmeerregion ist.

Jetzt gilt es, Solidarität mit der HDP zu zeigen! Sechs Millionen Wähler*innen lassen sich nicht verbieten!


Leo Mayer, marxistische linke - Partnerorganisation der Partei der Europäischen Linken  

Diyarbakir Newroz2021

     

 

Anmerkungen

[1] https://www.auswaertiges-amt.de/de/newsroom/-/2449194

[2] Reuters, 18.3.2021: "Exclusive: EU halts sanctions on Turkey oil executives as ties improve"
https://www.reuters.com/article/us-turkey-eu-exclusive-idUSKBN2BA1KP

[3] https://www.auswaertiges-amt.de/de/newsroom/tuerkei-hdp/2448722

[4] kommunisten.de, 17.3.2021: "Kati Piri: Die EU muss klare Konsequenzen ziehen"
https://www.kommunisten.de/rubriken/interviews/8146-kati-piri-die-eu-muss-klare-konsequenzen-ziehen

Farkha Festival Komitee ruft zu Spenden für die Solidaritätsarbeit in Gaza auf

CfD communist solidarity dt
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Farkha2023 21 Buehnentranspi

Farkha-Festival 2024 abgesagt.
Wegen Völkermord in Gaza und Staatsterror und Siedlergewalt im Westjordanland.
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