03.12.2024: "Wir, Arbeitende, Aktivisten und Bürger, erheben uns weltweit an den umsatzstärksten Einkaufstagen des Jahres, um gegen die Ausbeutung von Arbeitenden, unserer Gemeinden und des Planeten durch Amazon zu kämpfen", heißt es im Aufruf für den globalen Aktionstag gegen Amazon.
"Black Friday" ist inzwischen als Rabattschlacht über die USA hinaus bekannt und soll vor allen Dingen im Online-Handel höchste Umsätze bringen. Der Profitgier der Konzerne sind bis zum nächsten "Schwarzen Freitag" anscheinend keine Grenzen mehr gesetzt. Aus dem Friday sind längst die "Black (Friday) Week" geworden, der sich "Cyber Monday" oder auch die "Cyber Week" anschließt.
Es geht dabei um das Online-Kaufen und Liefern!
Und Amazon will und muss liefern – denn ohne Ware, kein Geld (bzw. Amazon muss Geld an die Kundschaft zurück bezahlen, die in der Regel bereitwillig schon mit der Bestellung bezahlt hat).
Das nimmt Amazon zum Anlass für schlechte Arbeitsbedingungen, Zeitdruck, digitale Überwachungsmechanismen zur Leistungskontrolle der Beschäftigten. Diese wiederum haben sich seit Jahren, insbesondere am umsatzstärksten Black Friday-Tag des Jahres, zum Ziel gesetzt, um ihre Rechte zu kämpfen.
So ist der internationale "Make Amazon Pay" Day entstanden.
Über 80 Organisationen, angeführt von UNI Global Union und Progressive International, haben sich unter dem Banner von "Make Amazon Pay" (https://makeamazonpay.com/) zusammengeschlossen. An jedem der vergangenen fünf Black Fridays – einem wichtigen Einkaufstag Ende November – haben weltweit koordinierte Streiks und Proteste Amazon getroffen, die an Zahl und Stärke zugenommen haben.
Die Gewerkschaft ver.di ruft seit 11 Jahren zu Streiks bei Amazon auf und beteiligt sich auch an dem internationalen Kampf:
- Für gute und gesunde Arbeit!
- Für höhere Löhne!
- Für Tarifverhandlungen!
Dies sind, auf einen Nenner gebracht, heute immer noch die Ziele.
Durch die kontinuierlich durchgeführten Streiks und den Druck der Belegschaften, deren Betriebsräte in ihrem Rahmen auch innerbetrieblich für Veränderungen kämpfen, wurden bereits einige Verbesserungen errungen, wie einen Stundenlohn, der geringfügig über dem Mindestlohn liegt.
Doch nach wie vor weigert sich das Unternehmen mit Gewerkschaften Tarifverhandlungen zu führen.
Amazon prägt den Kapitalismus des 21. Jahrhunderts
Amazon gibt dem Kapitalismus im 21. Jahrhundert eine neue Form. Das Unternehmen hat eine Marktkapitalisierung von über 2 Billionen US-Dollar. Seine Macht, die Gesundheit seiner Beschäftigten zu ruinieren, die Gesetze zu ändern, den öffentlichen Raum zu untergraben, den Planeten zu zerstören und Kriege zu unterstützen, ist immens. Amazon ist überall und kann überall hingehen.
Gegründet wurde Amazon im Jahr 1994 von Jeff Bezos, der bis Februar 2021 der Chef (CEO) des Unternehmens war. Diesen Posten gab er an Andy Jassy ab und übernahm selbst den geschäftsführenden Vorsitz des Verwaltungsrats, der dem Vorstand übergeordnet ist. Er ist also nicht, wie manchmal geäußert wird, aus seinem Unternehmen ausgestiegen.Mit einem Vermögen von über 225 Milliarden US-Dollar ist Bezos nach Elon Musk der zweitreichste Mann der Welt.
In den USA liegt Amazon mit 800.000 Beschäftigten (in 2022) hinsichtlich der Zahl der Beschäftigten an zweiter Stelle. Und das mit steigender Tendenz. Von Januar bis September 2021 wurden weltweit 170.000 neue Beschäftigte angeworben. Subunternehmer, deren Beschäftigte oder saisonale Aushilfskräfte sind in den Zahlen nicht enthalten. Dabei werden gerade deren miserable Arbeitsbedingungen besonders kritisiert.
Nach Angaben der US-Börsenaufsichtsbehörde wurde allein in Deutschland von den rund 36.000 Beschäftigten ein Umsatz in Höhe von umgerechnet rund 34,9 Milliarden Euro gemacht – ein Sprung von 11,9 Prozent gegenüber dem Jahr 2022. Geld ist also da, um den weltweit 1,5 Millionen Menschen bessere Löhne und Arbeitsbedingungen zu garantieren, die den Profit für Amazon und 2023 einen Umsatz von 575 Mrd. US-Dollar erarbeitet haben.
Vom Black Friday bis zum Cyber Monday (29. November bis 2. Dezember) schließen wir uns weltweit für ein Ziel zusammen: Amazon zur Kasse zu bitten.
Grund genug, dass Beschäftigte auch in diesem Jahr ihre Forderungen stellten und für deren Umsetzung streikten. Und zwar weltweit!
In Bad Hersfeld wurde die zentrale Aktion der internationalen Kampagne #MakeAmazonPayDay am Freitag, 29.11.24, durchgeführt. Hier befindet sich eines der Amazon Fulfillment Center in Deutschland. Die Aktion wurde gemeinsam organisiert von UNI Global, dem internationalen Gewerkschaftsdachverband im Dienstleistungssektor, und von ver.di.
Zu den Streikenden in Deutschland kam Unterstützung aus den Amazon Centern in den USA, Großbritannien, Schweden und Italien. Die gemeinsame Streikveranstaltung wurde als Video übertragen und erreichte streikende Amazon-Beschäftigte in 30 Ländern.
Silke Zimmer, für den Handel zuständiges ver.di-Bundesvorstandsmitglied, erklärte:
"Wir fordern für die Amazon-Beschäftigten rechtsverbindliche Tarifverträge, die Schluss machen mit einer Bezahlung nach Gutsherrenart. (…) Neben der Forderung, die Flächentarifverträge des Einzel- und Versandhandels anzuerkennen, fordern wir auch einen Tarifvertrag für Gute und Gesunde Arbeit. Denn die Beschäftigten berichten uns von einem enormen Leistungsdruck, von einer erschöpfenden Arbeitsverdichtung und von einer Überwachung am Arbeitsplatz, die ein Klima der Angst erzeugt, insbesondere in den Logistikzentren."
"Wir fordern gemeinsam, dass Amazon seine Mitarbeiter fair behandelt, die Grundrechte respektiert und aufhört, die Systeme zu untergraben, die uns alle schützen sollen. 'Make Amazon Pay Day' hat sich zu einem globalen Akt des Widerstands gegen den Machtmissbrauch von Amazon entwickelt. Jeder Streikposten, jeder Streik, jede Solidaritätsaktion zählt. Eine andere Welt ist möglich, und wir bauen diese Welt mit jedem Streik und jedem Gespräch auf. Gemeinsam sind wir nicht aufzuhalten. “
Christy Hoffman, Generalsekretärin der UNI Global Union.
Christy Hoffmann, die Generalssekretärin von UNI Global, machte in ihrer Rede deutlich:
"Egal, wie viel Geld große Konzerne wie Amazon ausgeben, um uns zu bekämpfen, sie können die Macht der Beschäftigten nicht brechen. In Deutschland kämpft ver.di mit den Amazon-Beschäftigten seit über einem Jahrzehnt für Tarifverträge – ein Kampf, der auf der ganzen Welt seinen Widerhall findet. Von Indien bis in die Vereinigten Staaten, von Großbritannien bis Kanada erheben sich die Beschäftigten gegen Ausbeutung und Einschüchterung durch das Unternehmen. Der 'Make Amazon Pay Day' demonstriert unsere Einigkeit und unsere Tatkraft. Kein Unternehmen – und sei es noch so mächtig – kann die Forderung der Beschäftigten nach Gerechtigkeit zum Schweigen bringen."
"Jeff Bezos verkörpert die Arroganz und Ignoranz des großen Geldes. Ihr, liebe Kollegen, verkörpert die Menschlichkeit und die Solidarität der Tradition der Arbeiter:innenbewegung."
Özlem Alev Demirel, MdEP, Fraktion The Left
Die EU-Abgeordnete Özlem Alev Demirel brachte Grüße der Fraktion The Left aus dem EU-Parlament. Sie erklärte, dass die Fraktion hinter den Forderungen der Streikenden steht und diese unterstützt. Die Fraktion hatte vor einiger Zeit bereits Jeff Bezos zu einem Gespräch eingeladen, er hielt es nicht für nötig zu kommen und auch niemanden aus der Leitung des Unternehmens zu senden. The Left hat deshalb die Parlamentspräsidentin aufgefordert, den Lobbyisten von Amazon ihren Ausweis zur "Arbeit" im Parlament zu entziehen. Dies, so Demirel, wäre auch eine Möglichkeit des Umgangs mit Lobbyisten von Amazon im Bundestag.
Rudi Kennes, EU-Abgeordneter der belgischen PTB und in der Fraktion The Left, hat per Video zu den Amazon-Beschäftigten gesprochen, die am #BlackFriday gegen Ausbeutung, Gewerkschaftsmissbrauch und Steuerhinterziehung streikten. "Ohne Sie ist Amazon wenig wert", so Kennes. Er fordert Amazon auf: "Verteilen Sie den Reichtum, die Arbeiter erwirtschaften, gerecht." Und endet mit den Aussage: "Volle Unterstützung für #MakeAmazonPay in diesem historischen Kampf."
"Amazon ist überall, aber wir sind es auch. Indem wir unsere Bewegungen über Grenzen hinweg vereinen, können wir Amazon nicht nur dazu zwingen, seine Vorgehensweise zu ändern, sondern auch den Grundstein für eine Welt legen, in der die Menschenwürde und nicht das Bankkonto von Jeff Bezos im Vordergrund steht.“
Varsha Gandikota-Nellutla, Co-General-Koordinatorin der Progressiven Internationale.(https://progressive.international/)
Auch an anderen Standorten streikten Amazon-Beschäftigte, teilweise von Donnerstag bis Samstagabend. Laut ver.di haben sich bundesweit 2.000 Beschäftigte allein am Freitag an Streikaktionen beteiligt.
Welche Forderungen in anderen Ländern gestellt werden, macht IndustriALL Global Union, die auch Textilarbeiter*innen vertritt, deutlich.
In Bangladesch hat die Sommilito Garments Sramik Federation (SGSF) am #BlackFriday demonstriert und Amazon aufgefordert, das Internationale Abkommen über Gesundheit und Sicherheit zu unterzeichnen.
"Von dem Milliarden Profit, zahlt Amazon den Arbeitern nicht einmal einen Mindestlohn von 200 Dollar. Wir protestieren und fordern, dass Amazon gerechte Löhne zahlt, Arbeitsverträge macht und die Freiheit zur (gewerkschaftlichen) Vereinigung gewährt. In Bangladesh produzieren Textilarbeiter die Kleidung, die Amazon verkauft und davon profitiert, doch Amazon erkennt sie nicht als seine Arbeiter an und hat das Abkommen über Brand und Gebäudesicherheit nicht unterzeichnet, um sichere Arbeitsbedingungen in unseren Fabriken zu gewährleisten", protestiert die Sommilito Garments Sramik Federation.
Die UNI Global Union berichtet am 29.11.2024:
"Nur wenige Tage nach Make Amazon Pay Day (…) gab die britische Gewerkschaft GMB heute bekannt, dass sich die Beschäftigten des neuen Amazon-Fulfillment-Zentrums in Birmingham der Streikwelle der Gewerkschaft anschließen werden."
Christy Hoffman, Generalsekretärin der Gewerkschaft UNI Global sagt dazu: "Nach einem Monat Arbeit haben die Minworth-Beschäftigten bereits genug davon, dass sie nicht den Lohn erhalten, den sie verdienen, dass sie sich am Arbeitsplatz nicht sicher fühlen und dass sie nicht durch einen Tarifvertrag geschützt sind. Mehr als 1.000 Amazon-Beschäftigte legten letzte Woche im Rahmen der Black Friday-Aktion der GMB Union bei dem Einzelhandelsriesen die Arbeit nieder. Ihnen schlossen sich Vertreter aus ganz Europa und Nordamerika an - UNI, die Teamsters, ver.di und FILCAMS CGIL"
In der Peoples World wird am 15.11.24 über den Kampf der Amazon-Arbeiter:innen in San Francisco (USA) von Beschäftigten berichtet:
"Unser Arbeitsplatz ist nicht sicher. Regelmäßig fallen meinen Kollegen schwere Kisten auf den Kopf. Ich habe gesehen, wie sich Leute beim Aufräumen von Gefahrstoffen Verätzungen zugezogen haben. Es ist nicht ungewöhnlich, dass man sich aufgrund von Überarbeitung Langzeitverletzungen zuzieht.
Kurz gesagt, meine Kollegen und ich kommen jeden Tag zur Arbeit und schuften für ein Unternehmen, das uns als Wegwerfware behandelt und sich weigert, existenzsichernde Löhne oder eine angemessene Gesundheitsversorgung anzubieten. Aber das muss nicht so sein. (...)
Deshalb haben meine Kollegen und ich uns in der Teamsters Union organisiert, um unseren Bossen die Stirn zu bieten und von Amazon die Anerkennung unserer Gewerkschaft zu fordern.
Amazon verschwendete keine Zeit, um ihren gewerkschaftsfeindlichen Kreuzzug zu starten. Wir fallen nicht darauf herein. Sie haben letztes Jahr 30 Milliarden Dollar verdient, während sie uns nur Cents zahlen. Amazon hat Angst vor uns. Sie sehen, dass wir zahlenmäßig stark sind, und wir werden nicht nachgeben. (…) Während wir weiter für die Anerkennung und einen Teamsters-Vertrag kämpfen, müssen wir weiterhin zeigen, dass die organisierte Arbeiterschaft, die Beamten und die Gemeinschaft hinter uns stehen. Wir nehmen diesen Kampf nicht nur in einem Werk auf, sondern im ganzen Land." (https://www.peoplesworld.org/article/san-francisco-worker-amazons-union-busting-crusade-doesnt-scare-us/)
NBC News berichtete am 30.11.2024:
"Black-Friday-Käufer stehen unter Druck, da Amazon-Arbeiter sich auf einen Streik vorbereiten. An diesem Black Friday ist das Rennen um Weihnachtseinkäufe im Gange, aber trotz der Abkühlung der Inflation versuchen viele im ganzen Land, ihr Geld zu sparen. Unterdessen bereitet sich Amazon, der weltweit größte Online-Händler, auf einen geplanten Streik der Arbeiter vor, und Experten warnen davor, dass sich dies auf die Feiertagslieferungen auswirken könnte. Brian Cheung von NBC News hat das Neueste."
Dennoch behauptet Amazon, die Streiks hätten "Keine Auswirkungen auf Bestellungen". Dabei gibt es auch in Deutschland Mails an die Kundschaft, wenn Streiks angekündigt sind. Es könne zu Verzögerungen bei der Auslieferung der Ware kommen. Es wird gebeten, dies zu entschuldigen.
Die Mitglieder und Vorstände in ver.di sind gefordert, die Notwendigkeit der gewerkschaftlichen Arbeit bei Amazon deutlich zu machen. Dass gegen den weltweit größten Online-Händler nur die Kraft der Organisation und der Aktion zur Durchsetzung aller Forderungen im Interesse der Beschäftigten für Tarifsicherheit und im Gesundheitsschutz wirkt, zeigen die erkämpften kleinen, aber nicht tariflich abgesicherten, Veränderungen in den Verträgen.
txt: Bettina Jürgensen
Quellen u.a. https://x.com/uniglobalunion
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