20.02.2016: Mit der Forderung nach einer Erhöhung der Entgelte um 6% bei einer Laufzeit von 12 Monaten geht ver.di in die Tarifrunde für die Beschäftigten der Kommunen und des Bundes. Für die Auszubildenden wird eine Steigerung der Vergütungen um 80 Euro und eine verbesserte tarifliche Regelung zur Übernahme gefordert. Hinter diesen eher schlichten Forderungen verbirgt sich in Wirklichkeit die Erwartung für eine sehr schwierige anstehende Tarifrunde. Und in Anbetracht dieser Kompliziertheit machten es sich die Mitglieder der Bundestarifkommission nicht leicht, die zweimonatige betriebliche Diskussion in einer Forderung zusammenzufassen.
Gerade aus den mitgliederstarken Landesverbänden war gefordert worden, wie in den letzten Tarifrunden, mit einer sozialen Forderungskomponente anzutreten. Also Festgeld- oder Mindestbetrag, Sockelbetrag plus prozentuale Erhöhung oder aber nach Entgeltgruppen differenziert.
Was sind die Punkte, die diese Forderungsdiskussion so schwierig machten?
Da ist zum einen die dringend notwendige Entgeltordnung: wie werden Tätigkeiten bewertet und letztlich eingruppiert. Seit 2005 der TVöD die alten Tarifwerke des öffentlichen Dienstes, den Bundesangestelltentarif (BAT) und die Bundesmanteltarifverträge für Arbeiter (MTArb und BMTG) ablöste, warten die Beschäftigte auf diese Systematik. Es wird immer noch nach den bis zum TVöD gültigen Richtlinien eingruppiert. Mit einer vor allem für den Bereich der „ehemaligen“ Angestellten negativen Konsequenz: Früher geltende Zeit- und Bewährungsaufstieg werden nicht mehr vollzogen, so dass nach 2005 eingestellte Kolleginnen und Kollegen teilweise zwei Entgeltgruppen niedriger eingruppiert sind, als die „Altbeschäftigten“. Ver.di will dieses in dieser Tarifrunde bereinigen und zum Abschluss einer Entgeltordnung kommen. Es gilt hier insbesondere die Solidarität von Alt- und Neubeschäftigten, sowie „Arbeiter und Angestelltenbereiche“ herzustellen. Denn profitieren werden hier vor allem Kolleginnen und Kollegen, die (noch) nicht organisiert sind.
Da ist zum anderen dann die Frage der betrieblichen Altersversorgung. Diese, in unterschiedlichen Kassen organisierte „zusätzliche Rente“, schützt viele Kolleginnen und Kollegen des Öffentlichen Dienstes vor Altersarmut. Rente ist in den letzten Jahrzehnten ein ständiges politisches Auseinandersetzungsfeld und spätestens mit der Agenda 2010 mit dem Ziel verknüpft, die Menschen in die private Absicherung des Alters zu drängen. Dazu diente die „Riester-Rente“ mit dem Absenken der umlagefinanzierten Rente, dazu diente die Erhöhung des Renteneintrittsalters auf 67 und dazu soll auch der Angriff auf die „Betriebsrenten“ dienen, die in der Tarifrunde der Länder schon eingeläutet wurde und nun vor allem durch die kommunalen Arbeitgeber fortgesetzt wird. Angestrebt von ihnen werden massive Verschlechterungen im Leistungsbezug – also im Grunde wird die Blaupause der Zerstörung der gesetzlichen Rentenversicherung genommen, um hier für die Arbeitgeber Einsparungen zu erzielen und die Beschäftigten in die eigentlich gescheiterte private, kapitalgedeckte Rentenversicherung zu zwingen, die sich Beschäftigte in den unteren Entgeltgruppen gar nicht leisten können.
Gerade die Verteidigung der „Betriebsrente“ ist somit hoch mobilisierungsfähig. Aus allen Betrieben kommen hier Signale, dass man dazu auch zu massiven Streiks bereit ist.
Die Forderung nach einer sozialen Komponente – das wurde in der Diskussion in der Bundestarifkommission deutlich – bleibt weiterhin für ver.di ein zentrales Mittel, um z.B. auch drohende Altersarmut durch proportional stärkeres Anheben des Lohnes für die unteren Entgeltgruppen zu begegnen. In dieser Tarifrunde sind aber für die BTK die Entgeltordnung und die Verteidigung der Leistungen der Betriebsrente die sozialen Komponenten, die durchgesetzt werden sollen.
Dass auch die Entgeltforderung ambitioniert ist, macht ein vergleichender Blick auf die Forderungen anderer Gewerkschaften, u.a. der IG Metall deutlich. Die BTK machte aber in der Diskussion deutlich, dass sie für den Öffentlichen Dienst gegenüber der Privatwirtschaft immer noch einen Nachholbedarf sehen. Auch, um für qualifizierte Fachkräfte attraktiv zu bleiben, bzw. zu werden.
Drei Verhandlungsrunden sind bis Ende April terminiert. Zwischen durchwird es sicherlich Gelegenheit geben, Solidarität bei den Streikaktionen zu zeigen.
Text: Wilhelm Koppelmann, Mitglied der ver.di-Bundestarifkommission
siehe auch ver.di-Information zur Tarifrunde