Wirtschaft

26.07.2011: Seit Jahren berechnet das Institut für sozial-ökologische Wirtschaftsforschung (isw e.V.) die Entwicklung der Reallöhne (Nettolöhne minus Inflationsrate) in Deutschland. Mit dem Ergebnis, dass die erste Dekade des neuen Jahrhunderts für die Arbeitnehmer ein verlorenes Jahrzehnt war. Die Reallöhne pro Arbeitnehmer sanken im Durchschnitt um 2,9% (vgl. isw-wirtschaftsinfo 44, S. 29). Diese Analysen wurden jetzt durch eine Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) im wesentlichen bestätigt. Die Studie weist nach, dass der Reallohn für Otto Normalverdiener zwischen 2000 und 2010 um 2,5% sank.

 

tabelle_nettoeinkommenNeu ist bei der DIW-Untersuchung, die sich auf Erhebungen des Sozio-ökonomischen Panels (SOEP) stützt – einer regelmäßigen Befragung von 23.000 Personen in 12.000 Privathaushalten – die Erhebung unterschiedlicher Auswirkungen auf verschiedene Einkommensgruppen. Dazu hat Markus Grabka, der Verfasser der Studie, die Beschäftigten in zehn Einkommensgruppen aufgeteilt und die Lohnentwicklung untersucht. Das Ergebnis ist frappierend: Während im Durchschnitt alle Beschäftigten um 2,5% weniger in der Tasche hatten, verloren die unteren Einkommensgruppen besonders stark, und zwar bis zu 22% in der untersten Gruppe. Aber auch die weiteren Geringverdiener büßten mit zweistelligen Prozentsätzen an Kaufkraft ein. Wer z.B. 2000 noch ein reales Nettoeinkommen von 835 Euro hatte, kam zehn Jahre später nur noch auf 705 Euro – hat also 130 Euro oder fast 16% weniger. Insgesamt ist die untere Mittelschicht am stärksten von der negativen Entwicklung betroffen. Laut Grabka liegt das „vor allem an der wachsenden Zahl atypischer Beschäftigungsverhältnisse“. Will besagen, dass die die zunehmenden Leiharbeitsstellen, Teilzeitjobs und andere prekäre Beschäftigungen die Löhne nach unten drücken. Bei den untersten
vier Einkommensgruppen sind die preisbereinigten Nettolöhne zwischen 10 und 22% gesunken.

Dazu passt die Pressemitteilung des Statistischen Bundesamtes vom gleichen Tag, wonach sich die Zahl der atypisch Beschäftigten im Jahr 2010 auf 7,84 Millionen erhöht hat. Von den 322.000 zusätzlichen abhängig Beschäftigten, entfielen 243.000 Personen auf atypisch Beschäftigte. „Damit trug die atypische Beschäftigung gut 75% zum Gesamtwachstum der Zahl abhängig Beschäftigter zwischen 2009 und 2010 bei“ (destatis). Soviel zur Qualität der neuen Arbeitsplätze, die im Aufschwung entstanden.

Festzuhalten bleibt: Der gewachsene Niedriglohnsektor ist nicht einfach zufällig entstanden, er wurde geschaffen, war von der Politik so gewollt. Insbesondere die Arbeitsmarktreformen von Rot-Grün unter Kanzler Schröder mit den Hartz-Gesetzen, bei gleichzeitiger Verweigerung gesetzlicher Mindestlöhne, zielten auf eine Ausdehnung des Niedriglohnsektors. Die deutsche Wirtschaft sollte noch wettbewerbsfähiger gemacht werden, damit Konzerne aus Deutschland den Weltmarkt aufrollen können. Die Folge war denn auch, dass die Exportwalze aus Deutschland in schwächeren und Peripherie-Ländern heimische Produktion platt machte hier zu Lande  Arbeitnehmer aber zunehmend mit  Kaufkraftverlusten und sinkenden Lebensstandard zu kämpfen haben und ihre Arbeitsplätze prekärer werden.

Deutschland: Eine Million Millionäre

Acht von den zehn untersuchten Einkommensgruppen haben sinkende reale Einkommensverluste hinzunehmen. Eine verzeichnet ein Plus von einem halben Prozent; die oberste Verdienstgruppe kann einen Zuwachs von 0,8% verbuchen. „Die Wirtschaft ist seit der Jahrtausendwende ordentlich gewachsen. Die Gewinne und Vermögenseinkommen sind insgesamt sogar kräftig gestiegen. Doch bei den meisten Erwerbstätigen ist vom Wirtschaftswachstum nichts angekommen“, sagt Markus Grabka. Wo hat sich dann der Zuwachs des BIP von realen neun Prozent seit dem Jahr 2000 niedergeschlagen? Wer profitierte vom angeblich größten Wirtschaftsboom seit der Wiedervereinigung, vom „XXL-Aufschwung“ (Brüderle)  in den beiden letzten Jahren?
Zunächst ist es bedauerlich, dass Grabka bei seiner Studie mit Nettoeinkommen zwischen 3419 und 3446 als höchster Einkommengruppe stehen bleibt. Höhere Einkommen werden in den Erhebungen des SOEP  nicht erfasst (auch nicht in der EVS – Einkommens- und Verbrauchsstichprobe des Statistischen Bundesamtes). Interessant wäre jedoch die Entwicklung der Einkommen der wirklichen Spitzenverdiener oder gar Einkommensmillionäre (etwa 20.000 in Deutschland). Zum Beispiel die Top Manager und Vorstände der großen Konzerne, die ihren Belegschaften stagnierende Reallöhne verordnen, selbst aber kräftig zulangen. Die Vorstände der Dax-30-Konzerne z.B. erhöhten sich im vergangenen Jahrzehnt ihre Fixgehälter um 75%, von den Boni, Prämien und sonstigen variablen Bezügen ganz zu schweigen (vgl. Artikel Vorstandsbezüge...).

Zu den Aufschwunggewinner gehören natürlich auch die Bezieher von Gewinneinkommen: Einzelunternehmer, Gesellschafter bei Personengesellschaften und GmbHs sowie die Aktionäre der AGs. Ihre Zugewinne schlagen sich in der Statistik im wesentlichen in der Verteilung des Volkseinkommens nieder, unter der Rubrik „Unternehmens- und Vermögenseinkommen“. Und hier stellt man fest, dass ihre Einkommen seit 2000 um über 50 Prozent (51,0%) gestiegen sind. Selbst wenn man die Teuerung der letzten zehn Jahre von insgesamt knapp 16% abzieht, bleibt ein satter Zugewinn von 35%. Für sie war die erste Dekade im neuen Jahrhundert ein goldenes Jahrzehnt.  Während Wirtschaftswachstum und Aufschwung an der Masse vorbeigingen, sind die Reichen noch reicher geworden.

Bleiben schließlich die Geldvermögenden, die Coupon-Abschneider und Zinseinstreicher. Das Private Geldvermögen (Bargeld, Spareinlagen, Termingelder, Wertpapiere, Investmentzertifikate, Aktien, Anlagen bei Versicherungen und Fonds) ist seit 2000 um 39% auf die schwindelerregende Summe von 4.880 Milliarden Euro (4.880.000.000.000 Euro)gestiegen. Noch stärker stieg die Zahl der Geldvermögens-Millionäre, die so genannten High-Net-Worth-Individuals (HNWI), wie sie von den Anlageberatern Merrill Lynch und Cap Gemini weltweit jährlich ermittelt werden. Diese HNWI sind Vermögende, die mindestens eine Million Dollar an Finanzvermögen zur freien Verfügung sprich! Anlage haben. Ihre Zahl dürfte in diesem Jahr eine Million erreichen, 2010 waren es 924.000 -  gegenüber 365.000 im Jahr 1999: Ein Zuwachs von gut 150 Prozent. Sie verfügen über ein Geldvermögen von durchschnittlich 3,3 Millionen Dollar und vereinnahmen damit fast die Hälfte des gesamten Geldvermögens: Umgerechnet etwa 2.300 Milliarden Euro. Eine Millionärssteuer von nur 5% würde jährlich 115 Milliarden Euro zusätzlich in die Kassen bringen. Und würde noch nicht einmal an die Substanz der Millionäre und Multimillionäre gehen.

Text: Fred Schmid, isw      Foto: Deymann (Krisendemo essen 2010)


 

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Hilfswerk der Vereinten Nationen für Palästina-Flüchtlinge

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