Im Interview

Lingenb PlakatFWL 202107.10.2021: Am 12. September wurde in Lingen im Emsland (Niedersachsen) ein neuer Stadtrat gewählt. Erstmals mit dabei, die ″Freie Wählergemeinschaft Lingen FWL″, die auf Anhieb ein Stadtratsmandat eroberte. Farid Frank ist mit 22 Jahren das jüngste Stadtratsmitglied. Bettina Jürgensen sprach für kommunisten.de mit Ralf Czogalla von der FWL.

 

 

 

Am 12. September wurde in Lingen im Emsland (Niedersachsen) ein neuer Stadtrat gewählt. Erstmals mit dabei, die ″Freie Wählergemeinschaft Lingen FWL″, die auf Anhieb ein Stadtratsmandat eroberte. Der Tischler und Messebauer Farid Frank ist mit 22 Jahren das jüngste Lingener Stadtratsmitglied.

Die FWL ist aus der 2017 gegründeten Bürgerinitiative ″Lingener Bürger für soziale Gerechtigkeit und direkte Demokratie″ hervorgegangen.

        siehe auf kommunisten.de:
  Niemand soll im Finstern und in der Kälte sitzen  

  Stadt Lingen: Sozialpass durchgesetzt

 

Diese Bürgerinitiative setzte sich vor allem für die Einführung des Lingen-Passes für Lingen Czogalla Barenkampeinkommensschwache Personen und einen Sozialtarif für Strom und Gas ein, erläutert Ralf Czogalla von der marxistischen linken und einer der Initiator*innen der Bürgerinitiative.

″Als der Verwaltungsausschuss ein Bürgerbegehren 2019 ablehnte, haben wir gemerkt, dass es gut wäre, sich auch selber im Rat zu engagieren″, sagt Jürgen Barenkamp, bis Ende 2019 stellvertretender Vorsitzender der SPD Lingen. Die Vorstellungen und Forderungen sind im Wahlprogramm der FWL festgehalten, ″welches für jeden verständlich und ohne Fremdwörter verfasst ist″, wie Barenkamp ausdrücklich betont. Mit einer achtseitigen Flugschrift wurden das Wahlprogramm sowie Informationen zu den Stadtratskandidat*innen den Bürger*innen Lingens nahegebracht. [1] Unterstützt wurde die FWL von der Partei DIE LINKE, die keine eigenen Kandidat*innen ins Rennen schickte, sondern zur Wahl der FWL aufrief.

Lingen FWL Rathaus 2021

 

Bettina Jürgensen sprach für kommunisten.de mit Ralf Czogalla von der FWL.

Frage: Die FWL hat sich gegründet und will sich für soziale Verbesserungen für die Mehrheit der Bevölkerung in Lingen durchsetzen. Welche Probleme gibt es in Lingen? Wie kam es zur Gründung der FWL? Gab es vorher bereits soziale Bündnisse, in denen gemeinsam außerparlamentarische gearbeitet wurde?

Ralf: In Lingen gibt es in etwa die selben Probleme, wie sie in der gesamten Bundesrepublik verbreitet sind. Die Schere zwischen arm und reich wird auch bei uns immer größer. Immer mehr Bürger*innen sind auf soziale Einrichtungen wie die Tafel angewiesen. Bezahlbaren Wohnraum gibt es hier auch kaum noch und das Bezahlen der dafür anfallenden Nebenkosten wird auch immer schwieriger. Deshalb gründete sich 2017 die Bürgerinitiative "Lingener Bürger*innen für soziale Gerechtigkeit und direkte Demokratie". Diese setzte sich mit der Einreichung eines Bürgerbegehrens erfolgreich für die Einführung eines Sozialpasses ein. Die Stadt Lingen bot daraufhin lieber an gemeinsam mit der Bürgerinitiative einen Sozialpass auszuarbeiten. Als es im Anschluss dazu um einen Sozialtarif bei Strom ging, wurde das dafür eingereichte Bürgerbegehren abgelehnt. Da es zudem dafür keine Unterstützung der kommunalpolitischen Verantwortlichen gab, kam die Bürgerinitiative zu der Erkenntnis, dass es auch wichtig parlamentarisch aktiv zu werden. Das war der Beginn der FWL.

Lingen NOZ2021

Der Unterschied zum Rest der Bundesrepublik ist jedoch, dass die oben genannten Probleme in Lingen verharmlost, wenn nicht sogar verkannt werden. Nur die FWL hat das Armutsproblem und die soziale Ungleichheit zu ihrem zentralen Gegenstand im Wahlkampf gemacht. Sonst wird das Problem in Lingen nur stark am Rande behandelt. Die meisten Lingener Stadtratspolitiker sind wohl der Auffassung, dass die relativ niedrige Arbeitslosenquote (ca. 3 %) das A und O sei. Armut ist aus ihrer Sichtweise etwas, was es in deutschen Großstädten wie Berlin gibt, aber nicht in Lingen. Tatsächlich hat aber zum Beispiel die Stadt Lingen eine höhere Austockerquote als z.B. Berlin (29.5 % > 27,2 %, Quelle: www.wegweiser-kommune.de, 2019). Aber selbst die vergleichsweise niedrigen Arbeitslosenquote bieten langfristig keine Sicherheit, z.B. hat noch in diesem Jahr das Werk des Acrylfaserherstellers Dralon geschlossen.

Frage: Lingen ist mit um die 57.000 Einwohner*innen eine Stadt, in der sich viele Menschen wahrscheinlich kennen – man grüßt sich. Bei Kandidat*innen zum Stadtparlament bedeutet das sicher auch, dass der Ruf und die politische Einstellung einem vorauseilt. In der FWL arbeiten Menschen mit unterschiedlichem politischem Hintergrund zusammen. Was hat euch dazu gebracht, eine gemeinsame Initiative für Wähler*innen zu gründen? Worin bestehen die größten Übereinstimmungen? Mit welchen Forderungen seid ihr angetreten, habt ihr die Bevölkerung damit gleich gewinnen können oder haben sich in der Diskussion am Infostand, auf Veranstaltungen neue Fragen gestellt, die dann in den Wahlkampf einbezogen wurden?

Ralf: Es gab im Umkreis der Bürgerinitiative einige unzufriedene kommunalpolitisch Aktive. Das waren neben ehemaligen Sozialdemokrat*innen auch einige Umweltaktivist*innen. Sie waren offen für die Idee eine Wählergemeinschaft zu gründen. Inhaltlich gibt es große Übereinstimmung nach der Forderung nach sozialer Gerechtigkeit und dem, was man als direkte Demokratie bezeichnet, d.h. eine Kommunalpolitik nicht nur für, sondern vor allem mit den Bürger*innen.

Wir hatten unser Kommunalwahlprogramm [1] schon sehr früh fertig formuliert. Beim Sammeln der nötigen Unterstützungsunterschriften stellten wir fest, dass es sehr gut bei den angesprochenen Bürger*innen ankam. Grund dafür war, dass es einfach und verständlich die richtigen Inhalte vermittelt und es dort noch genügend Möglichkeiten für Interessierte gibt ihre Ideen mit einzubringen. Aber auch das professionelle Design des Programmflyers sorgte bei dem kleinen Budget, was wir zur Verfügung hatten, wir positive Verwunderung.

Ob uns der Einzelne aber dann auch wirklich gewählt hat, können wir natürlich nicht wissen. Tatsächlich denken wir, dass da wohl noch sehr viel Luft nach oben ist. Schließlich sind wir in der Stadt noch relativ unbekannt, da sich die Wählergemeinschaft erst Anfang 2021 überhaupt gegründet hat. Wofür die FWL steht und welche "andere Politik" dahinter steckt, muss erst wohl noch richtig bekannt gemacht werden. Jetzt haben wir ja dafür 5 Jahre Zeit.

Frage: Redet ihr auch über eure Unterschiede – bringen diese euch weiter, hemmen sie in der Findung gemeinsamer Standpunkte oder verblassen Unterschiede in der politischen Aufgabenstellung?

Ralf: Unser Kommunalwahlprogramm haben wir gemeinsam erarbeitet. Es wurde jeder mitgenommen und jede(r) durfte die für ihn/sie wichtigen Punkte mit einbringen. Dabei stimmen wir unsere Positionen nicht einfach nach dem Mehrheitsprinzip ab, sondern wir versuchen stets durch die Diskussion auf einen gemeinsamen Nenner zu kommen.

Wir haben zur Kommunalwahl die emsländische Variante des Wahl-O-mats durchgeführt. Da ist uns bewusst geworden, wo wir große Einigkeit haben und wo noch Klärungsbedarf besteht. Die größten Gemeinsamkeiten hatten wir natürlich bei den sozialen Themen. Eine etwas lebhaftere Diskussion gab es zum Beispiel in der Verkehrspolitik.

Frage: Die acht Kandidat*innen der FWL haben doch ein beachtliches Ergebnisse errungen. Herzlichen Glückwunsch dazu! Aber auch dies mit einer Frage verbunden: Für welche Wahl seid ihr konkret angetreten?

Ralf: Die FWL ist nur zur Stadtratswahl angetreten aber in allen 6 Wahlbereichen. Erreicht wurden 1.42 Prozent der Stimmen was einen 1 Sitz im Rat bedeutet. Für die Ortsräte hat die FWL nicht kandidiert.

Frage: Und hat euch die Corona-Pandemie bzw. die Maßnahmen ausgebremst bei euren Aktivitäten und im Kampf um die Stimmen? Wahrscheinlich hat die FWL ja noch nicht das Finanzpolster, mit der teilweise andere Parteien den Wahlkampf bestreiten.

Ralf: Wegen mancher Maßnahmen in der Corona Pandemie mussten wir schon sehr kreativ werden. Da aber alle Kandidat*innen intensiv mitgearbeitet haben, konnten wir als so kleine Gruppe recht viel auf die Beine stellen. Natürlich hatte die FWL nicht so viel Geld wie die anderen für ihren Wahlkampf. Alles was ausgegeben wurde, finanzierten die Anhänger*innen der Wählergemeinschaft selbst.

Frage: Die Partei DIE LINKE hat in Lingen nicht kandidiert, sondern zur Wahl der FWL aufgerufen. War das unerwartete Unterstützung oder arbeitet ihr schon länger kommunalpolitisch zusammen?

Ralf: Es gab schon vorher Kontakte. Der Kreisverband DIE LINKE Emsland hatte im Vorfeld dazu aufgerufen die FWL in Lingen zu wählen. Ein Mitglied der Linkspartei kandidierte auf unserer Liste und zieht für uns in den Rat ein. Wir denken daher nun, dass es für beide Seiten von Vorteil gewesen ist, ein gemeinsames Bündnis für eine sozialere Politik in Lingen einzugehen.

Frage: Herzlichen Glückwunsch, dass ihr mit einem Sitz in den Stadtrat Lingen eingezogen seid! Wisst ihr bereits wie die Arbeit dort laufen wird? Gibt es Themenfelder, Bereiche und Ausschüsse, in denen ihr eure Schwerpunktforderungen vertreten wollt?

Ralf: Die FWL befindet sich momentan in einer intensiven Diskussion, wie die Ratsarbeit in den kommenden Jahren durch uns mitbestimmt werden kann. Es geht vor allem darum konkret zu machen, was wir mit einer "anderen Politik" meinen, womit wir ja im Wahlkampf für uns geworben haben. Wenn man sich einige Gedanken macht, kann man auf interessante neuartige Ansätze kommen. Sobald wir feste Ergebnisse haben, wollen wir damit an die Öffentlichkeit treten.

Frage: Nach diesem Erfolg, beim ersten Wahlantritt gleich einen Sitz errungen, stellt sich doch die Frage, wie ihr weitermacht: erst einmal weitermachen und aus den Stadtteilen mit den durchweg guten Ergebnissen die Arbeit festigen oder denkt ihr schon daran, auch darüber hinaus um Unterstützung für eure Ziele zu werben?

Ralf: Wir sind jetzt erst einmal froh im Rat vertreten zu sein und werden darauf hin arbeiten bei der nächsten Stadtratswahl mit mehr Kandidaten anzutreten. Auch könnte dann überlegt werden ob wir bei der Wahl der Ortsräte kandidieren. Wir wollen nicht nur um Unterstützung für unsere Ziele werben, sondern die Bürger*innen motivieren selbst aktiv zu werden. Bürgerbeteiligung und direkte Demokratie sind uns wichtig, nicht nur Kommunalpolitik für sondern vor allem mit den Bürger*innen. 

 

Anmerkungen:

[1] Wir stellen uns vor. Freie Wählergemeinschaft Lingen
www.fwlingen.de/fwl_flyer0121_web.pdf

Wir sprechen über Palästina

Gazakrieg Grafik Totoe 2024 04 07

mit Rihm Miriam Hamdan von "Palästina spricht"

Wir unterhalten uns über den israelischen Vernichtungskrieg, die Rolle Deutschlands, die Situation in Gaza und dem Westjordanland und den "Tag danach".

Onlineveranstaltung der marxistischen linken
Donnerstag, 18. April, 19 Uhr

https://us02web.zoom.us/j/82064720080
Meeting-ID: 820 6472 0080


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Logo Ratschlag marxistische Politik

Ratschlag marxistische Politik:

Gewerkschaften zwischen Integration und Klassenkampf

Samstag, 20. April 2024, 11:00 Uhr bis 16:30 Uhr
in Frankfurt am Main

Es referieren:
Nicole Mayer-Ahuja, Professorin für Soziologie, Uni Göttingen
Frank Deppe, emer. Professor für Politikwissenschaft, Marburg

Zu diesem Ratschlag laden ein:
Bettina Jürgensen, Frank Deppe, Heinz Bierbaum, Heinz Stehr, Ingar Solty

Anmeldung aufgrund begrenzter Raumkapazität bis spätestens 13.04.24 erforderlich unter:
marxlink-muc@t-online.de


 

Farkha2023 21 Buehnentranspi

Farkha-Festival 2024 abgesagt.
Wegen Völkermord in Gaza und Staatsterror und Siedlergewalt im Westjordanland.
hier geht es weiter zum Text


 

 

UNRWA Gazakrieg Essenausgabe

UNRWA Nothilfeaufruf für Gaza
Vereint in Menschlichkeit, vereint in Aktion

Mehr als 2 Millionen Menschen, darunter 1,7 Millionen Palästina-Flüchtlinge, zahlen den verheerenden Preis für die Eskalation im Gazastreifen.
Zivilisten sterben, während die Welt zusieht. Die Luftangriffe gehen weiter. Familien werden massenweise vertrieben. Lebensrettende Hilfsgüter gehen zur Neige. Der Zugang für humanitäre Hilfe wird nach wie vor verweigert.
Unter diesen Umständen sind Hunderttausende von Vertriebenen in UNRWA-Schulen untergebracht. Tausende unserer humanitären Helfer sind vor Ort, um Hilfe zu leisten, aber Nahrungsmittel, Wasser und andere lebenswichtige Güter werden bald aufgebraucht sein.
Das UNRWA fordert den sofortigen Zugang zu humanitärer Hilfe und die Bereitstellung von Nahrungsmitteln und anderen Hilfsgütern für bedürftige Palästina-Flüchtlinge.
Dies ist ein Moment, der zum Handeln auffordert. Lassen Sie uns gemeinsam für die Menschlichkeit eintreten und denjenigen, die es am meisten brauchen, die dringend benötigte Hilfe bringen.

Hilfswerk der Vereinten Nationen für Palästina-Flüchtlinge

Spenden: https://donate.unrwa.org/gaza/~my-donation


 

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