Im Interview

dgb rm Antikriegstag13 mkeller 00308.11.2013: Dieter Keller ist DGB-Vorsitzender Fellbach. Jedes Jahr ruft der DGB in Fellbach am Antikriegstag zur traditionellen Friedensaktion am Friedensbaum auf. Die UZ sprach mit ihm über den Friedens- und Sicherheitspolitischen Workshop des DGB.

UZ: Du hast am Friedens- und Sicherheitspolitischem Workshop des DGB am 30. Oktober in Berlin teilgenommen. Welchen Eindruck hast du mitgenommen?

Dieter Keller: Zunächst einen recht zweifelhaften. Doch bevor ich diese Frage etwas konkreter beantworte, ein kurzer Rückblick, wie dieser Workshop aus meiner Sicht zustande kam. Im Februar dieses Jahres fand ein Treffen der DGB-Führung mit Michael Sommer an der Spitze mit dem 'Verteidigungsminister' Thomas de Maizière statt. Dieses Treffen und die veröffentlichen Ergebnisse führten zu einer heftigen innergewerkschaftlichen Kritik.

Diese Kritik aufgreifend hat Michael Sommer offensichtlich veranlasst, auf dem 27. Gewerkschaftstag der GEW im Juni dieses Jahres, zu erklären, dass er plane, im Herbst einen großen friedenspolitischen Workshop zu veranstalten. Auf diesem Workshop sollten "alle zu Wort kommen. ... Pazifisten und Kritiker von Auslandseinsätzen der Bundeswehr. ... Eine solche Veranstaltung steht bewusst in der Tradition unserer Aufrufe zu den Anti-Kriegstagen."

Als ich dann die Einladungen mit den Referenten, konkreter Tagesordnung und Zeitplanung erhielt, war ich – wie viele andere – empört und dachte, das könne doch nicht wahr sein: Ein Friedenspolitischer Workshop des DGB ohne RednerIn aus der Friedensbewegung. Nicht der Kasseler Friedensratschlag. Nicht ohne Rüstung leben. Nicht die DFG/VK. Nicht die Ostermarschbewegung oder die Informationsstelle Militarisierung (IMI) Tübingen, um nur einige zu nennen. Stattdessen externe Referenten, die teilweise vehement Kriegs- und Militäreinsätze der Bundeswehr befürworten, ohne diese so zu benennen wie z. B. Winfried Nachtweih, Mitglied im Beirat der Inneren Führung beim 'Verteidigungs'ministerium. Das führte zu Empörung, lautstarkem Protest und teilweise scharfer Kritik an der ganzen Anlage des Workshops und an Michael Sommer. Daran änderte auch nichts, dass mit Rainer Braun von der Vereinigung deutscher Wissenschaftler, abweichend von der ursprünglichen Tagesordnung, ein konsequenter Aktivist für Frieden, Abrüstung und Rüstungskonversion, kurzfristig und zusätzlich als Redner eingeladen wurde.

UZ: Michael Sommer hat den Workshop eröffnet. Wie hat er auf die im Vorfeld geäußerte Kritik, er plane einen "Kuschelkurs" zur Bundeswehr reagiert?

Dieter Keller: Er verteidigte den Friedens- und Sicherheitspolitischen Workshop als ein Diskussionsforum unterschiedlicher Meinungen mit dem Ziel, Frieden zu erreichen. Er bestätigte, dass die massive Kritik am Treffen mit de Maizière, bei dem es um ein besseres Verhältnis zwischen DGB und Bundeswehr ging, "Auslöser" dieses Workshops war. Er führte aus, dass der DGB stets in der Traditionslinie des Friedenskampfes in unserem Lande von der Remilitarisierung der Bundesrepublik bis heute stehe. Der DGB sei Teil einer Bewegung gegen Militarismus, Krieg und für den Frieden. "So soll es bleiben. Wir sind für eine friedliche Welt."

Interessant in diesem Zusammenhang Prof. Dr. Berger von der Ruhruniversität Bochum. Bei klarem Bekenntnis zum Militär zeigte er auf, dass der DGB einerseits Opponent gegen Wiederbewaffnung und Krieg war, andererseits aber auch um Ausgleich und Verteidigungsauftrag bemüht, also nie konsequent genug gewesen sei. Die Ursache dieses widersprüchlichen Verhältnisses sah er in der zu engen Anbindung des DGB an die SPD.

Ich habe in meinem Diskussionsbeitrag kritisiert, dass die Anlage der Veranstaltung sowie die Auswahl der Redner, die Kritik und Proteste, die es am Treffen mit de Maizière gab, konterkariere. "Ich persönlich und die gewerkschaftliche Basis sind nicht bereit, als Alibi zu dienen für die Militarisierung der Gesellschaft und Auslandseinsätze der Bundeswehr. Wir lehnen diese mit aller Entschiedenheit ab."

Ich habe für das Jahr 2014 – da jährt sich zum 100sten Male der Beginn des Ersten Weltkrieges und zum 75. Male der Beginn des Zweiten Weltkrieges – und angesichts neuer drohender Kriege eine Kampagne des DGB 'Für Frieden und Abrüstung! Nie wieder Krieg!' gefordert. Es reiche nicht mehr aus, sich als DGB am Antikriegstag zu Wort zu melden. Ich informierte, dass aus dem DGB Baden-Württemberg dazu Anträge an die Bezirkskonferenz und den DGB-Bundeskongress gestellt werden. Der diesjährige Aufruf des DGB zum Antikriegstag ist dazu eine gute Grundlage. Ich forderte dazu auf, friedenspolitische Anträge über die Einzelgewerkschaften und DGB-Gliederungen an den DGB-Bundeskongress zu stellen.

UZ: War denn die gewerkschaftliche Basis aus Betrieben und Ehrenamt vertreten?

Dieter Keller: Ja. Das in jedem Falle, soweit dies in einem solchen Rahmen möglich ist. Sie waren das Salz in der Suppe bei diesem Workshop und haben die Diskussion geprägt. Sie haben den DGB und die Einzelgewerkschaften eindrücklich davor gewarnt, einen "Schmusekurs" mit der Bundeswehr zu fahren. Sie forderten "klare Kante". Klare Kante in der Sprache, die aufklärend und konsequent sein muss. Klare Kante, was die Ursachen von Militarismus und Krieg sind. Klare Kante in der Haltung und Ablehnung von Militarismus und Krieg.

Sie brachten Leben in die pseudowissenschaftlichen Vorträge und untermauerten die friedenspolitischen Forderungen des DGB an der Basis und der Friedensbewegung. Sie forderten: Lernen, forschen produzieren für den Frieden. Keine Auslandseinsätze der Bundeswehr. Statt Rüstungsproduktion sinnvolle Produkte für den Frieden und der Erhaltung von Natur und Umwelt. Verbot von Rüstungsexporten. Kein Werben fürs Sterben. Kein Militär an Schulen und Hochschulen.

In vielen Beiträgen wurde die Bundeswehr gänzlich in Frage gestellt. Mit der Annexion der DDR und dem Wegfall des realen Sozialismus sei auch der ursprüngliche Zweck für die Bundeswehr entfallen. Der Kreisvorsitzende des DGB Freiburg, Bernd Wagner, sprach zum Verhältnis 'Verteidigungsarmee – Angriffsarmee – Bundeswehreinsatz im Innern'. Dazu führte er aus. Der "reale Kapitalismus" führt immer mehr Kriege. Im berechtigen Kampf gegen die Auslandseinsätze der Bundeswehr müssen wir wachsam sein, dass alle Versuche, die Bundeswehr im Innern einzusetzen, bekämpft werden müssen. Das Grundgesetz verbietet den Einsatz der Bundeswehr nach außen und nach innen.

UZ: Wie ist dein Schlussresümee?

Dieter Keller: Ich will es mal vorsichtig formulieren: Seit langer Zeit hatten wir die Möglichkeit, innerhalb des DGB zu diesen Themen miteinander zu reden, Meinungen auszutauschen, Kritik zu formulieren und hoffentlich auch gehört zu werden. Ich hoffe, dass dies ein Anfang war und sich daraus ein Prozess entwickelt. Ohne den faden Beigeschmack, den ich bereits erwähnte. Die militärische 'Logik', auch wenn sie im 'wissenschaftlichen Gewande' daherkommt, ist nicht unsere Logik. Der Verlauf hat gezeigt: Wir, Gewerkschaftsbewegung und Friedensbewegung, können unsere richtigen und gemeinsamen Forderungen artikulieren und müssen gemeinsam dafür kämpfen

Erfreulich in diesem Sinne war dann auch die Schlussrunde, bei der dies von Rainer Braun sowie den Vertretern aus den Gewerkschaften und der Bundesvorsitzenden der GEW, Marlis Tepe unterstrichen wurde. Die Diskussion und Vorschläge aus der Veranstaltung aufgreifend, sagte sie, 100 Jahre Beginn erster Weltkrieg müsse Anlass für den DGB sein, sich stärker der Friedensfrage zu stellen. Sie informierte, dass sie sich während der Tagung mit Michael Sommer verständigt habe, noch vor dem Bundeskongress eine weitere Tagung durchzuführen. Wenn dies umgesetzt würde, wäre dies ein Erfolg der lebhaften und kritischen Diskussion auf dem Workshop. Nun, so denke ich, sind die Mitglieder und Gremien der Einzelgewerkschaften und des DGB auf allen Ebenen aufgerufen, sich darauf vorzubereiten und entsprechend zu handeln.

Das Gespräch führte Gerhard Ziegler

Aus UZ vom 08.11.13   Foto: MK

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