14.03.2023: Eine Gruppe jemenitischer Familien verklagt Raytheon, Lockheed Martin und General Dynamics vor einem Gericht in Washington DC: "Sie haben Kriegsverbrechen ermöglicht" ++ Strafanzeige von "Aktion Aufschrei" gegen Rheinmetall wegen "Beihilfe an einem Kriegsverbrechen"++ internationale Staatengemeinschaft knausrig bei Hilfe für Kriegsopfer im Jemen
Seit Jahren versuchen jemenitische Familien und Organisationen, die direkten und indirekten Verantwortlichen für den Krieg, der seit März 2015 in ihrem Land wütet, zu verklagen. Vor neun Jahren verklagten sie den damaligen Präsidenten Obama und CIA-Chef Petraeus vor einem US-Gericht wegen der Tötung von zwei Zivilisten bei einem von unzähligen Drohnenangriffen, die gegen Al-Qaida gerichtet sein sollten, aber unbeteiligte Zivilisten trafen.
Im Jahr 2018 versuchten sie, den saudischen Kronprinzen Mohammed bin Salman, den Drahtzieher der fast ein Jahrzehnt andauernden Kriegführung gegen die schiitische Houthi-Bewegung, vor ein Gericht zu zerren. Und dann die Vereinigten Arabischen Emirate, die zweite Kraft in der sunnitischen Koalition, die vor acht Jahren im Jemen intervenierte, allerdings Mitte 2019 wegen Zerwürfnissen mit Saudi-Arabien aus der Kriegsallianz ausschied.
Jetzt sind die größten US-Militärunternehmen an der Reihe. Giganten, die den Globus mit allen möglichen Waffen ausstatten - Raytheon, Lockheed Martin und General Dynamics - werden von den jemenitischen Familien, die die Klage eingereicht haben, beschuldigt, durch die Lieferung von Kriegsgerät an die von Saudi-Arabien geführte Koalition "Beihilfe zu Kriegsverbrechen und außergerichtlichen Tötungen" geleistet zu haben.
Die Klage wurde bei einem Bezirksgericht in Washington DC eingereicht und bezieht sich auf die beiden Drahtzieher des Krieges, den saudischen Kronprinzen und Premierminister Mohammed bin Salman und den Präsidenten der Vereinigten Arabischen Emirate, Mohammed bin Zayed, aber auch auf US-Außenminister Blinken und Pentagon-Chef Austin, die für die Genehmigung von Waffenkaufverträgen durch die drei Unternehmen verantwortlich sind.
Zwei der vorgebrachten Fälle (ein Massaker bei einer Hochzeit im Jahr 2015 und eines bei einer Beerdigung im darauffolgenden Jahr mit 43 bzw. 100 Toten) fallen unter ein US-Gesetz aus dem Jahr 1991, das es Opfern von Verbrechen ermöglicht, eine Entschädigung zu erhalten, wenn sich die Täter in den Vereinigten Staaten befinden.
"Jahr für Jahr", heißt es in der Klageschrift, "fallen Bomben auf Hochzeitszelte, Beerdigungen, Fischerboote und Schulbusse, töten Tausende von Zivilisten und tragen dazu bei, dass der Jemen zur größten humanitären Krise der Welt wurde."
In Deutschland scheiterten drei Jemenit*innen, die Angehörige bei einem US-Drohnenangriff verloren haben, mit ihrer Klage am Bundesverwaltungsgericht Leipzig. Sie forderten Deutschland auf, rechtlich und politisch Verantwortung für den US-Drohnenkrieg im Jemen zu übernehmen und die Nutzung der US-Militärbasis Ramstein (Rheinland-Pfalz) – insbesondere der Satelliten-Relais-Station – zu unterbinden. Die US-Militärbasis Ramstein dient als zentrale Schnittstelle für Datenauswertung und -transfers, die für die Steuerung der US-Drohnenangriffe unentbehrlich sind.
Nicht nur Rüstungskonzerne aus den USA liefern Waffen für den Krieg in Jemen, auch deutsche Rüstungskonzerne verdienen gut mit dem Tod in dem arabischen Land. Eurofighter (Airbus/BAE-Systems) werfen Bomben von Rheinmetall auf die Zivilbevölkerung in Sanaa und anderen Städten im Jemen. Patrouillenboote von der Wolgast-Werft (Mecklenburg-Vorpommern) an Saudi-Arabien geliefert, verriegeln mit einer Seeblockade die jemenitische Küste und verhindern so, dass Lebensmittel und Medikamente in die Wüstenrepublik gelangen.
Strafanzeige von "Aktion Aufschrei" gegen Rheinmetall
Im Namen der " Aktion Aufschrei" hat deren Anwalt Strafanzeige gestellt, die sich gegen mehrere Verantwortliche der Rheinmetall AG mit Sitz in Düsseldorf richtet. Nach Informationen der Welt am Sonntag hat der Generalbundesanwalt mittlerweile ein Vorermittlungsverfahren eingeleitet. Geprüft werde demnach der Anfangsverdacht der "Beihilfe an einem Kriegsverbrechen". [1]
Der dringliche Verdacht: Rheinmetall Defence soll Korvetten des Typs Baynunah der Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) mit Marinegeschützen vom Typ MLG 27 nachgerüstet haben. Lt. Werbung von Rheinmetall handelt es dabei um "das derzeit modernste Waffensystem seiner Art".
Diese MLG-27-Geschütze waren im Fertigungswerk "Rheinmetall Waffe Munition GmbH" in Oberndorf a.N. (vormals Mauser-Werke) hergestellt worden. Sie sollen mittels der Baynunah-Kriegsschiffe letztlich im Jemen-Krieg bei der Seeblockade im Roten Meer zum Einsatz gekommen sein.
Bislang behauptete Bundeskanzler Olaf Scholz, der in der Ära der Großen Koalition zeitweilig den Stellv. Vorsitz des Waffenexporte genehmigenden Bundessicherheitsrats innehatte: Die Bundesregierung vertrete den "klaren Kurs, dass wir nicht in Kriegsgebiete liefern" (die Ukraine bilde aufgrund des Verteidigungskrieges eine Ausnahme). Diese Behauptung ist durch die Faktenlage der VAE-Exporte widerlegt.
Zudem genehmigte die Ampel-Regierung Ende September vergangenen Jahres den Export von Militärausrüstung und Munition für Kampfjets an Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate. (siehe kommunisten.de, 7.10.2022: "Bundesregierung genehmigt Rüstungsexport an Saudi-Arabien. Der Krieg im Jemen kann weitergehen.")
Humanitäre Katastrophe im Jemen. Knausrige internationale Gemeinschaft
Die neuesten Zahlen des Krieges wurden vor wenigen Tagen von der UNO bekannt gegeben: 375.000 Tote (60% davon starben an indirekten Ursachen, d. h. Hunger und Krankheiten), 21 Millionen Hungernde, die Nahrungsmittelhilfe benötigen, 17 Millionen unterhalb der Armutsgrenze, 4,5 Millionen Binnenvertriebene.
Im Jemen sind seit Kriegsbeginn vor fast acht Jahren nach Angaben der Vereinten Nationen mindestens 11.000 Kinder gestorben, verstümmelt oder verletzt worden. Wie Unicef-Direktorin Russell Mitte Dezember vergangenen Jahres nach einer Reise in das Land mitteilte, dürfte die tatsächliche Zahl weitaus höher sein. Allein rund 4.000 Jungen seien seit 2015 rekrutiert worden, um als Kindersoldaten zu kämpfen. Darüber hinaus seien Hunderttausende jemenitischer Kinder vom Tod durch vermeidbare Krankheiten bedroht. Etwa 2,2 Millionen seien akut unterernährt.
Nach der düsteren Bilanz prangerte die UNO die fehlende internationale Hilfsbereitschaft an: Im Vorfeld der Geberkonferenz für die humanitäre Krise im Jemen am 27. Februar hatten die Vereinten Nationen und Partner an die internationale Gemeinschaft appelliert und zu finanziellen Zusagen in Höhe von 4,3 Milliarden Dollar aufgerufen, um 17,3 Millionen Menschen unterstützen zu können. Das UN-Nothilfebüro (OCHA) gab im Nachgang zur Geberkonferenz das Ergebnis bekannt – es habe 31 Spendenzusagen gegeben, die sich auf nicht einmal 1,2 Milliarden Dollar summierten.
Anmerkungen
[1] Aktion Aufschrei – Stoppt den Waffenhandel, 5.3.2023: Strafanzeige von Aktion Aufschrei gegen Rheinmetall!
https://aufschrei-waffenhandel.de/service/nachrichten/nachricht/strafanzeige-von-aktion-aufschrei-gegen-rheinmetall
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